20.04.2008, 10:53
Von Hunden und anderen Befindlichkeiten
Ich hege in den letzten Wochen eine groÃe Abneigung gegen Menschen, die in Philadelphia wohnen. Ich kann sie nicht leiden, obwohl sie mir persönlich nichts getan haben. Aber sie haben schlicht DIE MÃGLICHKEIT und die habe ich nicht und alles, was ich nicht haben kann, finde ich doof! Das ist eine sehr reflektierte, erwachsene Einstellung, aber so bin ich eben.
Natürlich könnte ich DIE MÃGLICHKEIT oder kurz englisch âthe chanceâ auch haben, aber das wäre mit erheblichen Kosten und Zeitaufwand verbunden und den, nun ich gestehe es, bin ich wohl nicht bereit, zu investieren.
Vielleicht mag ich die Bewohner deswegen noch weniger, denn sie halten mir den Spiegel vor, wie es sein könnte, wenn ich nur etwas mehr Einsatz zeigen würde. MüÃte mir nur ein Flugticket kaufen, rüber fliegen und dann in bester Stalker-Manier Lauren auflauern undâ¦. Ach, hatte ich gar nicht gesagt? Ja, es geht um Lauren J
Anscheinend braucht man eben nur in Philly die Tür aufzumachen und bumms, steht sie vor einem. GröÃer, hübscher und lebensechter, als man je geglaubt hätte. Wenn ich die Tür aufmache, treffe ich im Allgemeinen immer die gleichen Nasen, genannt meine Nachbarn. Also rufe ich einen Freund an und frage, wen er so trifft, wenn er die Tür aufmacht, da meint er lakonisch âHeinz Schenkâ (für alle Spätgeborenen, das ist der von der lustigen Unterhaltungssendung âDer Blaue Bockâ aus den grauen Vorzeiten der Samstagsunterhaltung). O.K., wenn ich jetzt die Wahl hätte zwischen Lauren und Heinz Schenk⦠höre ich da jemand lachen??
Also nichts da mit âthe chanceâ und daher muss man sich an den Berichten derer erfreuen, die vor Ort sind, nein nicht SIND, als existentieller Zustand des Seins, sondern âlauernâ!
Gierig, sabbernd, keifend, um wie Jäger die Fährte aufzunehmen, die Witterung im Wind zu erschnüffeln, um sich dann an ihre Fersen zu heften. Oder man könnte einfach Laurens I-Phone orten lassen, wäre zumindest technologisch gesehen chicer als die alte Fährten-Nummer, das ist so âneandertalischâ.
Wobei, wenn man diese Berichte liest, dann hat das schon etwas sehr rudimentär-animalisches an sich. Lauren wird verfolgt, mit der Keule getroffen und dann ins digitale Bild gezerrt.
Das löst schon ein grummeliges Gefühl in der Magengegend aus und deswegen preschen wir viel lieber im Geiersturzflug auf das neue Interview mit ihr.
Seit dem Sundance Filmfestival sozusagen das erste Zeugnis ihrer Seelenwelt. BekanntermaÃen spitzen wir da besonders die Pinselöhrchen und trauen unseren Ohren nicht schlecht, was wir da zu hören oder besser zu lesen bekommen.
Der Satz âI´m not a bad massage giverâ lieà mich sofort die portable Massagebank unterm Bett hervorziehen und doch den Flug nach Amiland buchen. Ahhhhhh, genau da, jaa, ohhh, tut DAS gut, nein, etwas mehr nach links⦠jaaaaa, ohhhhhhh
Ob das vielleicht zu aufdringlich scheint, wenn man anstatt eines Autogramms eher nach einer Massage verlangen würde?
Und nun lässt uns Frau Graham ein die verschlungenen Pfade ihres Selenlabyrinths und erzählt, wie es nun wirklich war mit dem Ende von âGilmore girlsâ. Es scheint, die beiden Mädels haben intensive Gespräche geführt, das Für und Wider abgewogen, ihre Lebensplanung befragt, ihren Bankberater und sind schlussendlich zu dem Ergebnis gekommen, dass es eigentlich rum ist. Aber die Entscheidung wurde ihnen von der mächtigen Firma, genannt Warner Bros. abgenommen. Die wollten dann auch nicht mehr.
Und anstatt allen Beteiligten einen netten Anruf aus dem Warner Bros. Callcenter zukommen zu lassen âHallo, hier ist Janet aus dem Warner Bros. Callcenter, Mr. Hermann, selbst am Apparat? Sorry, dass ich Sie beim Video ausleihen störe, aber Ihre Show ist abgesetzt worden und die Verantwortlichen lassen ausrichten, kommen Sie her und holen Ihren Kram ab, aber ein bisschen plötzlich, denn wir brauchen den Trailer und dann noch einen schönen Tag und vergessen Sie nicht in unserem Shop ein paar Souvenirs einzukaufenâ.
Das lässt einen stutzig werden. Da wird mit einer Serie Geld verdient, viiiiiel Geld und viiiiele Leute sind beschäftigt und engagieren sich dafür und dann haben die nicht mal den Mumm, die Schauspieler persönlich anzurufen, um das Ende der Sendung zu verkünden?
Es geht wirklich nur um das Produkt und wenn das Produkt sich nicht mehr verkaufen läÃt, wird es ausgetauscht. Ohne groÃes hin oder her. Keine gemeinsame Kaffeetafel, kein gemeinsamer Ausflug mit anschlieÃender Rheumadecke. Und TschüÃ!
Wirtschaftlich nachvollziehbar, warum noch Energien verschwenden, für etwas, was nicht mehr existent ist? Menschlich fragwürdig, aber was ist heute noch menschlich?
Bevor ich also nun in völlige Schwermut versinke, glaube ich bei Lauren herauszulesen, das Bewusstsein, dass man in einer Industrie arbeitet, die eigene MaÃstäbe im Umgang mit seinen Mitarbeiter/Innen setzt, tut weh!
Da freut es uns umso mehr, zu lesen, dass Alexis wohl immer noch in Kontakt mit ihrer TV-Mutter steht und soviel Sentimentalität hätte ich Frau Bledel nicht zugetraut:
âMama, seit einem Jahr gehen wir nun getrennte Wegeâ.
Gut, sie wird nicht âMamaâ geschrieben haben, aber irgendwie wärmt die Geste das Fanherz, das durch die Warner Bros. Erfahrung von oben schon erkaltet war.
Krause Nasen und Ohren bekam man dann doch wieder auf die Frage, ob Lauren gerne nochmals mit Amy Sherman-Palladino arbeiten würde. Bisheriger Eindruck: ein kongeniales Team! Amy packt Lauren die richtigen Worte in den Mund. Die wiederum weià genau, wie-was-wo zu tun ist, um den Worten Leben einzuhauchen.
Nun hat sich Lauren aber doch ein bisschen geziert bei der Beantwortung der Frage und schon könnte man den Eindruck gewinnen: Nein, eigentlich nicht mehr!
Würde immer dann nach Lorelai klingen und den Schatten der Vergangenheit will sie sich wohl doch nicht mehr ans Mäntelchen heften. Good bye Amy!
Es scheint, Lauren wägt den weiteren Verlauf ihrer Karriere sorgfältig ab, aber hat man das selbst immer so in der Hand? Die Geschichten im Fernsehen sind eindeutig besser für Frauen âin ihrer Altersgruppeâ. Aber Film? Ja Film, das ist halt nicht die Unterhaltung des kleinen Mannes (und der Frau natürlich, hier wird nicht diskriminiert), sondern Film ist âdas Zelluloid der Ewigkeitâ. Nur blöd, wenn es keiner zu sehen bekommen wird. Dann nimmt man halt die Wegwerf-DVD, man kann nicht alles haben.
Doch gröÃere Sorgen machen wir uns um den Hund Hannah. Hunde sind Rudel-Tiere und dem Alpha-Hund wird blind Folge geleistet. Der Hund Hannah ist nun schon seit mehreren Wochen ohne sein Alpha, sondern muss bei dem Beta, sprich Laurens Schwester, seine Position einnehmen.
Hund Hannah ist bekanntermaÃen ein Deutscher Schäferhund, aber das Hauptschaf, das es zu bewachen gilt, steht eben auf einer anderen Weide. Ich denke, der Hund Hannah ist sehr traurig und wenn ich der Hund Hannah wäre, dann wäre ich auch bis zum Anschlag beleidigt. Erst aus dem Tierheim holen und dann doch keine Zeit haben. Soll das Hauptschaf ruhig mal sehen, wo es bleibt! Keine Silbe würde ich bellen, nicht einen Nano-Zentimeter mit dem Schwanz wedeln. Soviel Leckerlies könnte das Hauptschaf gar nicht anschleppen, als dass ich es auch nur eines Blickes würdigen würde.
Lauren kann echt froh sein, dass ich nicht ihr Hund bin (dann hätte ich aber gute Chancen auf eine Massage?)
Fazit: man kann nicht überall wohnen und manchmal hat man eben Heinz Schenk als Nachbarn. Man kann immer noch über das Ende von âGilmore girlsâ knurren oder eben auch nicht, weil man beleidigt ist, aber wir sind Lauren wieder ein Stückchen weiter unter die Haut gekrochen. Ganz unauffällig, nicht spürbar, aber für uns spürbar genug, um zu wissen: selbst die beste Schauspieler-Fassade kann bröckeln, wenn es um Gefühle geht. Und manche Badeanzüge sind zu rot, als dass Lauren sie tragen würde.
© Koile 2008
Quelle:
http://community.comcast.net/comcastportal/blog/article?message.uid=1683536