22.06.2008, 17:10
Titel: Man trifft sich immer drei Mal
Autor: Carö
Genre: Romance
Raiting: PG13
Disclaimer: Numb3rs gehört mir nicht.
EDIT: Das erste Kapitel habe ich überarbeitet.
Autor: Carö
Genre: Romance
Raiting: PG13
Disclaimer: Numb3rs gehört mir nicht.
EDIT: Das erste Kapitel habe ich überarbeitet.
Man trifft sich immer drei Mal
Tag 1, Mittwoch
Tag 1, Mittwoch
Liebe Amita,
nur noch wenige Wochen und wir werden uns endlich wiedersehen. Jan ist schon sehr gespannt auf Dich, denn ich habe ihm viel von Dir erzählt. Es ist wirklich toll, dass Du es geschafft hast. Auch wenn ich viel Stress habe, freue ich mich jetzt noch mehr auf die Hochzeit und die Zeit mir Dir. Ich muss Dir so viel erzählen und noch mehr zeigen, denn ich liebe nicht nur Jan sondern auch diese Stadt.
Deine Wendy
Bevor ich die Postkarte wieder als Lesezeichen verwende, habe ich diese noch einmal gelesen. Ich weià nicht, wie oft ich das in den letzten Tagen, heute und während dieses Fluges schon getan habe, ich kann einfach nicht genug bekommen. Mittlerweile sind aus den Wochen Tage geworden und daraus Stunden, jetzt sind es nur noch Minuten, die mich von ihr trennen.
Vor zwei Jahren direkt nach dem Studium ist meine beste Freundin nach Hamburg gezogen, denn sie hatte während ihres Auslandssemesters an der Technischen Universität in Berlin ihren Traummann kennen gelernt. Nach dem Semester kehrte sie zwar zurück in die USA an die Harvard Universität, aber ihre Beziehung endete nicht. Zwei Jahre später legten wir unsere Abschlussprüfung erfolgreich ab und sie wagte nur wenige Tage später den groÃen Schritt. Sie zog nach Deutschland, genauer gesagt nach Hamburg, wo ihr Freund Jan ursprünglich herkommt. Während der ganzen Zeit hatten sie sich nicht gesehen, aber das Experiment war geglückt. Sie sind noch immer glücklich wie am ersten Tag und das Glück wollen sie jetzt besiegeln.
Seit wir unseren Abschluss gemacht haben, sind schon zwei Jahre vergangen und genau so lange habe ich sie nicht mehr gesehen. Doch nun steht die Hochzeit der beiden ins Haus, die ich auf keinen Fall verpassen wollte. Zuerst sah es nicht so aus, dass ich dabei sein könnte, denn ich hatte zu viel Arbeit. Doch eine plötzliche Geschäftsreise nach London, um dort die neuesten Programme meiner Firma vorzustellen, kam mir wie gelegen. Dreisterweise habe ich mir, nachdem ich zwei Jahre lang fast urlaubslos gearbeitet habe, eine Woche Urlaub drangehängt, was der Chef nur zähneknirschend zugelassen hat und kann so an diesem Ereignis teilnehmen.
In Kürze wird mein Flug aus Heathrow in Fuhlsbüttel landen, darum packe ich schon mal mein Handgepäck zusammen und lege es in das Fach über mir, kurz bevor das Signal zum Anschnallen ertönt. Dann beginnen die längsten 15 Minuten meines bisherigen Lebens - die Landung. SchlieÃlich kommt das Flugzeug zum Stillstand und nur noch wenige Minuten trennen mich von meinem Ziel.
Als das Anschnallsignal erlischt, stehe ich sofort auf, um schnellstmöglich das Flugzeug zu verlassen. Vorher muss ich nur noch schnell meinen Rucksack aus dem Gepäckfach über dem Sitz holen. Ich richte mich auf und greife in das schon offene Fach, das der Passagier hinter mir gerade geöffnet hat. Seine Tasche scheint festzustecken, denn er zerrt heftig daran, wie ich im Augenwinkel sehe. Doch viel Beachtung schenke sie ihm nicht sondern ergreife meine eigene Tasche. Als ich mich mit dieser in der Hand dem Ausgang zuwende, spüre ich einen Schlag mit etwas schwerem an meiner Schulter, worauf ein stechender Schmerz diese durchfährt. Mit einem vor Wut und Schmerz verzerrtem Gesicht drehe ich mich um.
âSie verdammter Idiot ...â
âEntschuldigung, das war nicht ...â
âWenn Sie ihre Tasche nicht, ohne jemanden zu verletzen, aus dem Fach herausbekommen, sollten sie sich vielleicht Hilfe suchen, die das kann und nicht mich damit treffen.â
âEs tut mir ...â
Um ihm noch weiter zuzuhören, bin ich viel zu wütend und zu sehr in Eile, daher lasse ich ihn einfach stehen und gehe zügig auf den Ausgang zu. Mein Weg führt mich direkt zur Gepäckausgabe. Binnen kürzester Zeit halte ich meinen Koffer in der Hand und verlasse den Sicherheitsbereich. Endlich kann ich mein Mobiltelefon wieder anschalten und erhalte sofort eine Textmitteilung.
Hey Amita! Wir schaffen es leider nicht, Dich abzuholen. Komm zum Rathausmarkt. Wir treffen uns dort beim Starbucks um 17 Uhr. Wendy
Es ist gerade mal 15 Uhr, ich habe also genügend Zeit. Trotzdem befolge ich die Anweisungen direkt und winke, als ich den Ausgang passiert habe, ein Taxi heran. Obwohl meine Geduld schon fast am Ende ist, weià ich, dass sie ihre Gründe für die Verspätung hat. Nachdem ich etwas mehr als zehn Kilometer gefahren bin, hält das Taxi, ich bezahle das Entgelt mit einem angemessenen Trinkgeld und steige aus. Das prachtvolle Gebäude, das wohl das Rathaus ist, zieht mich in seinen Bann. Trotzdem halte ich nach dem Coffeeshop Ausschau, der mir sogleich auffällt, denn eine leichte Müdigkeit überkommt mich gerade. Daher kaufe ich mir einen groÃen COW, mit dem ich mich nach drauÃen setze und das rege Treiben auf dem Platz vor mir beobachte.
Ich hole meinen Laptop aus dem Rucksack und beginne, den Bericht zu tippen. Das Programm ist gut angekommen und das schreibe ich genau so. Während einer kurzen Denkpause, trinke ich gerade einen Schluck Kaffee, als jemand an meine Schulter tippt. Für Wendy und Jan ist es noch zu früh, darum drehe ich mich ruckartig herum und denke dabei nicht an den Becher in meiner Hand, dessen restlicher Inhalt sich über die helle Hose meines Gegenübers verteilt.
Erschrocken schaue ich auf und die Person entschuldigend an. âEs tut mir l...â Erst jetzt erkenne ich ihn. Schlagartig steigt mir die Schamesröte ins Gesicht, während ich gleichzeitig das Grinsen bemerke, das auf seinem Gesicht deutlich hervortritt.
âSoll ich jetzt auch ein paar Hasstiraden auf Sie loslassen oder denken wir beide einfach nur, was für eine peinliche Situation das hier ist?â
So gerne ich es möchte, ich kann nichts erwidern, denn er hat Recht. Mein Verhalten von vorhin ist mir unsagbar unangenehm.
âWenn Sie jetzt meine Entschuldigung annehmen, sind wir quitt.â
Ein Nicken ist meine Antwort.
âDann werde ich mal wieder gehen. Aber bedenken Sie: Man trifft sich immer dreimal im Leben.â
âDann hoffe ich, dass unser nächstes und letztes Treffen unter anderen Umständen sein wird.â
Langsam habe ich zur Routine zurückgefunden, bin nett und freundlich, aber gleichzeitig distanziert - eine typische Geschäftsfrau. Während er davon schreitet, wende ich mich wieder meinem Laptop zu, beobachte jedoch aus dem Augenwinkel heraus, wie er den Laden betritt. Als er drin ist, setze ich mich leicht um, so dass ich einen besseren Blick auf den Eingang habe. Nein, ich bin gar nicht neugierig und schaue nur sehr selten zur Eingangstür, nebenbei berühre ich sogar ein paar Tasten, ich muss schlieÃlich den Schein wahren. Kurze Zeit später verlässt er das Lokal mit einem Kaffee in der Hand und setzt sich ein paar Tische entfernt von mir hin.
Wirklich genau kann ich ihn nicht ansehen, aber er sieht in seinem schwarzen Sakko, das er zu einer hellblauen, verwaschenen Jeans und dem T-Shirt einer Band trägt, nicht schlecht aus. Er ist mit mir von London her geflogen, aber sein Englisch ist so amerikanisch, wie es nur sein kann. Wozu denke ich überhaupt darüber nach? Wenn er seinen Kaffee getrunken hat, wird er sowieso aufstehen und gehen. Dass er extra den ganzen Weg vom Flughafen hierher gefahren ist, um Kaffee zu trinken, verwundert mich aber schon. Vielleicht ist er auch einfach nur hier verabredet, ebenso wie ich. Ich sollte mich lieber um meinen Bericht kümmern. Viel fehlt nicht mehr. Ein paar Worte tippe ich noch, ehe ich das Dokument abspeichere und den Laptop herunterfahre.
Mit einem Blick auf die Uhr erkenne ich, dass sie mich bald abholen werden. Für einen weiteren Kaffee lohnt es sich nicht mehr. Darum lehne ich mich einfach zurück und beobachte die Menschen, die kreuz und quer über den Rathausmarkt gehen, manche schlendern, manche haben es eilig. In meinem Augenwinkel sehe ich noch immer den Mann von vorhin. Auch er scheint zu warten, denn er reckt sich immer wieder ein Stück unter dem Schirm hervor, um auf die Uhr am Rathaus zu schauen.
Als die Uhr zur vollen Stunde schlägt, höre ich ein Kreischen und schaue auf. GroÃen Schrittes kommt Wendy auf mich zu, die an der Hand ihren Verlobten hinter sich herzieht. Unbewusst springe ich vom Stuhl hoch, ergreife meinem Rucksack und meinen Koffer und gehe auch auf Wendy zu. Als ich sie erreiche, fallen wir uns in die Arme und reden sofort los. Jan, dem Mann an ihrer Seite, schenke ich keine Beachtung, denn für mich gibt es nur meine allerbeste Freundin. Daher erkenne ich auch erst, dass Jan weg ist, als ich mich ihm schlieÃlich doch vorstellen möchte.
Verwirrt schaue ich Wendy an, die auf eine Stelle hinter mir zeigt. Daraufhin drehe ich mich um und entdecke, dass Jan den Mann, den ich wüst beschimpft und dann bekleckert habe, herzlich umarmt, genauso wie ich meine Freundin umarmt habe. Meinen Blick richte ich wieder auf sie und schaue sie eindringlich an.
âWer ist das?â
âCharlie, ein Freund von Jan.â
Darauf sage ich nichts sondern schaue sie nur fordernd an, denn ich möchte mehr Informationen haben.
âSie haben sich kennen gelernt, als mein Schatz nach der Schule ein Jahr in England gejobbt hat. Jan hatte damals einen Aushilfsjob an der Camebridge Universität, an der Charlie unterrichtet.â
âVerdammt.â
âWas ist denn?â
âEr hat Recht, man sieht sich immer dreimal im Leben.â Ich unterbreche mich selbst. âIch erklärâs Dir später, denn ich möchte endlich Deinen Traummann kennen lernen.â
Gemeinsam gehen wir zu den Männern, die schon jetzt in einem Gespräch vertieft sind.
âHallo Jan, ich bin Amita.â Meine Hand streckt sich ihm ganz automatisch entgegen, die er ergreift.
âEs freut mich, Dich kennen zu lernen.â
âDie Freude ist ganz meinerseits.â Dann wende ich mich dem anderen Mann zu. âDu hattest wohl Recht, dass wir uns noch mal treffen würden. Es tut mir leid, dass ...â Ich komme nicht dazu, mehr zu sagen.
âIst schon gut. Du hast es mir ja heimgezahlt.â
Betroffen schaue ich seine Jeans an, deren untere Hälfte mit braunen Flecken gesprenkelt ist und dann in sein Gesicht, in dem ich ein Lächeln entdecke. âGut, aber ich weià trotzdem nicht, wie Du heiÃt, na ja, eigentlich schon...â Langsam aber sicher beginne ich, abzuschweifen, reià mich aber zusammen. âLange Rede, kurzer Sinn; ich bin Amita.â
âDass ich Charlie bin, weiÃt Du ja offenbar schon. Ich bin gespannt, wie unser jetziges, das dritte Treffen verlaufen wird.â
Darauf erwidere ich nichts mehr sondern lächle nur noch freundlich und wende mich dann Wendy zu.
Ich will alles über die anstehende Hochzeit erfahren, doch für ein ausführliches Gespräch haben wir noch keine Zeit. Erst einmal gehen wir vier gemeinsam zum Auto, um damit zur Wohnung zu fahren, die in Altona liegt. Während der Fahrt erfahre ich endlich, was das Paar aufgehalten hat. Scheinbar hat die Tortenbestellung nicht geklappt, weswegen sie in Windeseile einen neuen Konditor gesucht haben, der bereit ist, den kurzfristigen Auftrag anzunehmen. Nebenbei macht Wendy mich und Charlie mehrfach auf die Schönheit Hamburgs aufmerksam, während wir durch die Stadt fahren.
SchlieÃlich, nachdem Jan mehrere Runden um den Block gefahren ist, um einen Parkplatz zu finden, betreten wir den Flur einer geräumigen Wohnung im 4. Stockwerk. Wir werden durch jeden Raum geführt. Rechts vom Eingang führt eine Tür ins Arbeitszimmer, das Charlie zugeteilt wird. Gegenüber befindet sich das Bad. Daneben liegt das Gästezimmer, das ich beziehen werde. Nebenan ist das geräumige Schlafzimmer der Gastgeber. Auf der anderen Seite des Flures befindet sich eine groÃzügige Wohnküche mit anschlieÃender, sich über die komplette rechte Seite erstreckende Dachterrasse. Bis zum Hochzeitstag werde ich hier sein und dann gemeinsam mit Charlie in ein nahe gelegenes Hotel ausquartiert. Darum hat sich Wendy gekümmert, denn sie will kurze Wege zu mir haben, um die Zeit sinnvoll zu nutzen. Das hat sie mir schon im Vorfeld am Telefon gesagt. AuÃerdem will ich Jan besser kennen lernen, den ich bisher nur am Telefon gesprochen habe.
Meinen Bericht habe ich beinahe vergessen über den Trubel, der plötzlich herrscht, aber den muss ich noch abschicken. Zaghaft klopfe ich an die Tür des Gästezimmers, wo sich der Internetanschluss befindet. Als ich âHereinâ höre, öffne ich langsam die Tür. Nachdem sie offen ist, gewährt sie mir einen freien Blick auf ihn, der sich gerade ein frisches T-Shirt über seinen Kopf zieht, weshalb ich noch einen Blick auf seinen Oberkörper werfen kann. Neben einer guten Ausarbeitung der Muskel entdecke ich schwarze, gekräuselte Haare. Als er das T-Shirt gänzlich herunterzieht, hebe ich rasch meinen Blick, um nicht ertappt zu werden und schaue ihn an.
âIch möchte kurz eine E-Mail versenden. Ist das okay für Dich?â
âKlar.â
Kurz betrachte ich ihn noch, als er sich zu seinem Koffer hinunter beugt, dann öffne ich meinen Laptop und fahre ihn hoch. Was ich währenddessen machen soll, weià ich nicht. Ich kann ein Gespräch mit ihm anfangen, einfach still verharren oder mit ihm rumknutschen, zumindest sind das ein paar Möglichkeiten, die mir in den Kopf schieÃen. Stille lautet mein Entschluss. So warte ich mit ihm im Rücken, bis ich mich einloggen kann. Danach schlieÃe ich das Internetkabel an die dafür vorgesehene Buchse an, gehe online und öffne die vorbereitete E-Mail.
âHast Du keinen Urlaub?â
Die Frage trifft mich unvorbereitet und plötzlich fühle ich mich unwohl, fühle mich beobachtet. Deshalb drehe ich mich um und schaue ihn kurz an. âDoch, in wenigen Minuten schon.â Dann klicke ich auf senden.
âIch dachte schon, dass Du mit Deinem Job verheiratet bist.â
Ich bin fertig, daher drehe ich mich um, mustere ihn ganz genau und bemerke, wie sich seine Mundwinkel beim Andeuten des Scherzes leicht verziehen. âNicht ganz, aber wir stehen uns sehr nah. Ehrlich gesagt, überlege ich im Moment, ob ich nicht zu ihm ziehen soll. Er hat so eine schöne Wohnung.â Inständig hoffe ich, dass ich mich nicht in ihm täusche und er Humor hat.
âZimmer mit Aussicht?! Das würde ich mir auch überlegen.â
âNatürlich, aber andererseits hat diese Welt so viele tolle Männer zu bieten, da überlege ich doch, ob es sinnvoll ist, die alle aufzugeben - wegen einer Wohnung.â Für einen Moment zu lang schaue ich ihn direkt an und denke gleichzeitig daran, dass es da nicht viel aufzugeben gibt, denn für eine Beziehung, geschweige denn ein Privatleben an sich fehlt mir die Zeit.
âDann bin ich ja beruhigt. Nicht dass Du es schaffst, beinahe die Hochzeit eines Freundes zu vergessen, weil Du immer nur an das Eine denkst.â
Für einen Moment hält er inne und ich frage mich sofort, ob er das so meint, wie ich es verstehe. Aber ich sage nichts, denn ich will nicht schon wieder in ein Fettnapf treten.
âImmer arbeitest und den Spaà vergisst.â
Schlagartige Erleichterung erfüllt mich, er ist also für einen Spaà zu haben und sieht dabei auf den zweiten, genaueren Blick mit seinem schwarzen Locken richtig gut aus, zumindest für meinen Geschmack. Auch seine Augen mag ich, denn sie sprühen vor Energie, haben aber auch dieses verräterische Glitzern in sich. Wenn ich mich nicht täusche, schauen sie manchmal aber auch traurig. Gefühlvoll beschreibt die Sache ziemlich gut. âNein, soweit ist es noch nicht.â Es wird Zeit, mein Zimmer zu beziehen. âIch geh dann mal, aber wir werden uns heute bestimmt noch mal sehen.â
âDas hoffe ich.â
Zum Abschied lächle ich ihn an, ehe ich durch die Tür trete. Auf dem Flur kreuzt sich mein Weg mit Wendy, die gerade aus dem Bad kommt und mich freundlich anlächelt, aber wir sagen beide nichts. Allerdings hebt sie eine Augenbraue verdächtig, doch das kann ich nicht deuten, daher betrete ich einfach das Gästezimmer. Ich öffne meinen Koffer und hänge die Sachen auf, die keine Falten haben dürfen. Dann ziehe ich ungestört ein frisches T-Shirt an und binde meine Haare zu einem Pferdeschwanz. So verlasse ich das Zimmer wieder und gehe in die Küche, in der Wendy, Jan und Charlie beisammen sitzen und Kaffee trinken. Ich setze mich dazu und lausche dem Gespräch der Männer, die sich über gemeinsame Bekannte unterhalten - ein sehr langweiliges Thema.
Meine Aufmerksamkeit gilt nicht lange dem Gespräch, denn Wendy ist gerade sehr still. Das Lächeln, das ich ihr zuwerfe, erwidert sie auch nur halbherzig. Ich ergreife das Wort. âVerzeiht mir, aber ich habe Wendy, meine beste Freundin, seit zwei Jahren nicht gesehen, daher muss ich ihr viel erzählen. Wir zwei werden Euch deshalb heute Abend alleine lassen. Es könnte später werden.â Ich stehe auf, gehe zu ihr und ziehe sie von ihrem Stuhl hoch. Ich mache ein paar Schritte auf die Tür zu, ehe ich mich noch einmal umdrehe und in zwei verwirrt schauende Augenpaare blicke. âViel SpaÃ.â Auf dem Flur bleibt Wendy plötzlich stehen, so dass ich fast in sie hineingehe.
âSo kann ich doch nicht los. Ich muss mich umziehen.â Sie zupft an ihrer perfekt sitzenden Hose und dem schlichten T-Shirt.
âDu bist wunderschön so. Wir gehen jetzt los.â Meine Stimme lasse ich leicht herrisch klingen, denn ich möchte diesen Abend mit ihr verbringen.
âIch hole nur schnell meine Tasche und die Autoschl...â
âWir nehmen die öffentlichen Verkehrsmittel oder ein Taxi, aber nicht das Auto. Heute Abend feiern wir das Wiedersehen und einen Miniaturjunggesellinnenabschied.â Ich versuche zu deuten, was ihre Augen sagen, doch es gelingt mir nicht. âBitte.â
âOkay.â
Dass es Wendy widerstrebt, ist offensichtlich, aber ich freue mich, dass sie doch mitkommt. Kurze Zeit später sitzen wir in einem Taxi Richtung St. Pauli, denn dort ist laut meinem Reiseführer immer etwas los und wird ein vielfältiges Programm geboten. Nachdem wir angehalten und ausgestiegen sind, gehen wir an verschiedenen Etablissements vorbei. Ich bin erstaunt; hier gibt es wirklich alles, sogar Schauspielhäuser. Nachdem wir die Hälfte der Reeperbahn hinter uns gelassen haben, betreten wir eine Stripteasebar, in der zu meiner Freude auch ein paar Männer die Hüften schwingen. Zur Feier des Tages bestelle ich eine Flasche Sekt, auch wenn die Preise zu hoch sind, denn ich möchte auf den Putz hauen. Obwohl Wendy meine Idee anscheinend nicht gefällt, kümmere ich mich heute nicht darum und tue das, was will, und zwar feiern.
Ich hebe mein Glas. âAuf die Zukunft.â
âJa.â
Die Einsilbigkeit erstaunt mich. âDu bist so merkwürdig. Was ist los?â
Das erste Mal schaut sie mich heute Abend an. âDer Hochzeitsstress, die Vorbereitungen - alles. Diese Tortengeschichte heute hat mir den Rest gegeben.â
âBrauchst Du Hilfe.â
Wendy schüttelt nur den Kopf.
Das reicht mir nicht als Antwort, aber ich belasse es dabei und erzähle ihr stattdessen von der erfolgreichen Messe, von meinem Job und informiere sie über die Sachen, für die wir am Telefon meist keine Zeit haben. Das Gleiche macht sie nach mir, so erfahre ich die Details der Hochzeit, bekomme Labskaus und dessen Zusammensetzung erklärt, was ich für eklig befinde, höre Geschichten über Jans Leben und ihren Startschwierigkeiten mit der deutschen Sprache. So verbringen wir einen Abend und leeren nicht nur die eine Flasche Sekt. Mit der Zeit ist auch Wendy locker geworden, es ist scheinbar nur der Stress, zumindest hoffe ich das inständig.
In den frühen Morgenstunden sind wir die letzten Gäste und werden freundlich, aber bestimmt vor die Tür gesetzt. Leicht angeheitert kehren wir zurück. Dabei kichern und gackern wir laut. Als wir die Wohnung betreten, tippt Wendy mir auf die Schulter und erlangt meine Aufmerksamkeit. Ãbertrieben deutlich legt sie ihren Finger auf die Lippen. Ich kann nicht an mir halten und pruste sofort wieder los. Deshalb setzt sie wohl noch ein âPsstâ hinterher, zu laut, um leise zu sein. Dann trennen sich unsere Wege vorm Gästezimmer. Ich winke ihr kurz hinterher, bevor ich es betrete. Drinnen ziehe ich mich aus und schlüpfe in eine leichte Stoffhose und ein Top, ehe ich mich auf den Weg ins Bad mache. Ich putze nur meine Zähne, denn ich möchte nur noch ins Bett. Ich gehe in das Zimmer und wundere mich, dass das Licht nicht mehr brennt. Habe ich es ausgemacht? Ich erinnere mich nicht. Der Weg zum Bett erscheint mir lang. Irgendwie ist es komisch, was Alkohol doch so anrichtet.
Als ich die Decke zurückschlage, ergreift etwas meine Hand. Ich möchte schreien, doch dann wird das Licht angemacht. Erstaunt schaue ich auf die Person, die in meinem ... Nein, das ist es nicht, es ist sein Bett. Vor mir liegt er, die Decke ragt bis zum Bauchnabel und ich habe freien Blick auf seinen Oberkörper. Ein schöner Anblick. Meine Hand hält er noch immer, was mich wundert, denn ich stelle keine Gefahr dar. Aber auch ich bewege mich nicht, ebenso mein Blick. Ich sehe ihn, seine Muskeln, seine Haare. Seine Hand hält mich noch immer kräftig fest und ich lasse langsam meine Augen zu seinem Gesicht wandern und entdecke das mittlerweile bekannte Grinsen, das seine Lippen umspiele.
âWas?â
âNichts.â
âMein Name ist nicht Hase, falls Du das gehofft hast.â
âNein, Dein Name ist âMich hört man 10 Kilometer gegen den Windâ. Ihr hattet wohl ein Glas zu viel.â
âVielleicht waren es auch zwei.â
âGlaub mir, ich merke es kaum.â
Er ist witzig, das muss ich ihm lassen, doch ich brauche eine Möglichkeit, wie ich hier herauskomme. Ich könnte einfach gehen, aber das mache ich nicht. Noch während ich überlege, richtet er sich auf, so dass er auf dem Bett sitzt, lässt meine Hand aber nicht los. Die Decke ist dabei noch ein Stück tiefer gerutscht und lässt etwas mehr Haut frei, so erhasche ich einen Blick auf seine Boxershorts.
âSchottenkaro.â
âIch hätte auch noch blaues Karo im Angebot, falls Dir das mehr gefällt.â
Was bildet er sich ein, frage ich mich und entdeckte ein weiteres Mal sein Grinsen. Für ihn ist scheinbar alles ein Witz. Endlich gibt er meine Hand frei und ich gehe nicht, stattdessen schaue ich ihm in die Augen und bewege meinen Kopf auf ihn zu. Kurz bevor unsere Nasenspitzen berühren, drehe ich den Kopf leicht nach rechts, um ihn mit meinen Lippen zu spüren. Innig küsse ich ihn, nur um mich Sekunden später von ihm zu trennen.
âSchlaf schön.â Das dazugehörige Grinsen ist perfekt. Ich drehe mich zur Tür.
âNicht so schnell, meine Liebe. So kommst Du mir nicht davon.â
In meinem Rücken spüre ich eine Bewegung, als er wieder meine Hand ergreift und mich zu sich herumzieht. Dann legt er mir seine Hände an den Hinterkopf und beugt sich zu mir. Dann schlieÃe ich die Augen und spüre nur noch die warmen Lippen. Länger als ein paar Sekunden dauert es nicht und er lässt mich stehen, dabei möchte ich im Moment so viel mehr.
âTräum süÃ.â
Schon liegt er wieder im Bett und dreht mir den Rücken zu, dann löscht er das Licht und ich muss wohl oder übel die Nacht allein verbringen. Ich gehe in mein Zimmer und lege mich hin, doch der Schlaf will nicht über mich kommen, denn ich möchte alles, nur nicht schlafen. Nur zwei Türen trennen mich im Moment von dem, was ich will.
nur noch wenige Wochen und wir werden uns endlich wiedersehen. Jan ist schon sehr gespannt auf Dich, denn ich habe ihm viel von Dir erzählt. Es ist wirklich toll, dass Du es geschafft hast. Auch wenn ich viel Stress habe, freue ich mich jetzt noch mehr auf die Hochzeit und die Zeit mir Dir. Ich muss Dir so viel erzählen und noch mehr zeigen, denn ich liebe nicht nur Jan sondern auch diese Stadt.
Deine Wendy
Bevor ich die Postkarte wieder als Lesezeichen verwende, habe ich diese noch einmal gelesen. Ich weià nicht, wie oft ich das in den letzten Tagen, heute und während dieses Fluges schon getan habe, ich kann einfach nicht genug bekommen. Mittlerweile sind aus den Wochen Tage geworden und daraus Stunden, jetzt sind es nur noch Minuten, die mich von ihr trennen.
Vor zwei Jahren direkt nach dem Studium ist meine beste Freundin nach Hamburg gezogen, denn sie hatte während ihres Auslandssemesters an der Technischen Universität in Berlin ihren Traummann kennen gelernt. Nach dem Semester kehrte sie zwar zurück in die USA an die Harvard Universität, aber ihre Beziehung endete nicht. Zwei Jahre später legten wir unsere Abschlussprüfung erfolgreich ab und sie wagte nur wenige Tage später den groÃen Schritt. Sie zog nach Deutschland, genauer gesagt nach Hamburg, wo ihr Freund Jan ursprünglich herkommt. Während der ganzen Zeit hatten sie sich nicht gesehen, aber das Experiment war geglückt. Sie sind noch immer glücklich wie am ersten Tag und das Glück wollen sie jetzt besiegeln.
Seit wir unseren Abschluss gemacht haben, sind schon zwei Jahre vergangen und genau so lange habe ich sie nicht mehr gesehen. Doch nun steht die Hochzeit der beiden ins Haus, die ich auf keinen Fall verpassen wollte. Zuerst sah es nicht so aus, dass ich dabei sein könnte, denn ich hatte zu viel Arbeit. Doch eine plötzliche Geschäftsreise nach London, um dort die neuesten Programme meiner Firma vorzustellen, kam mir wie gelegen. Dreisterweise habe ich mir, nachdem ich zwei Jahre lang fast urlaubslos gearbeitet habe, eine Woche Urlaub drangehängt, was der Chef nur zähneknirschend zugelassen hat und kann so an diesem Ereignis teilnehmen.
In Kürze wird mein Flug aus Heathrow in Fuhlsbüttel landen, darum packe ich schon mal mein Handgepäck zusammen und lege es in das Fach über mir, kurz bevor das Signal zum Anschnallen ertönt. Dann beginnen die längsten 15 Minuten meines bisherigen Lebens - die Landung. SchlieÃlich kommt das Flugzeug zum Stillstand und nur noch wenige Minuten trennen mich von meinem Ziel.
Als das Anschnallsignal erlischt, stehe ich sofort auf, um schnellstmöglich das Flugzeug zu verlassen. Vorher muss ich nur noch schnell meinen Rucksack aus dem Gepäckfach über dem Sitz holen. Ich richte mich auf und greife in das schon offene Fach, das der Passagier hinter mir gerade geöffnet hat. Seine Tasche scheint festzustecken, denn er zerrt heftig daran, wie ich im Augenwinkel sehe. Doch viel Beachtung schenke sie ihm nicht sondern ergreife meine eigene Tasche. Als ich mich mit dieser in der Hand dem Ausgang zuwende, spüre ich einen Schlag mit etwas schwerem an meiner Schulter, worauf ein stechender Schmerz diese durchfährt. Mit einem vor Wut und Schmerz verzerrtem Gesicht drehe ich mich um.
âSie verdammter Idiot ...â
âEntschuldigung, das war nicht ...â
âWenn Sie ihre Tasche nicht, ohne jemanden zu verletzen, aus dem Fach herausbekommen, sollten sie sich vielleicht Hilfe suchen, die das kann und nicht mich damit treffen.â
âEs tut mir ...â
Um ihm noch weiter zuzuhören, bin ich viel zu wütend und zu sehr in Eile, daher lasse ich ihn einfach stehen und gehe zügig auf den Ausgang zu. Mein Weg führt mich direkt zur Gepäckausgabe. Binnen kürzester Zeit halte ich meinen Koffer in der Hand und verlasse den Sicherheitsbereich. Endlich kann ich mein Mobiltelefon wieder anschalten und erhalte sofort eine Textmitteilung.
Hey Amita! Wir schaffen es leider nicht, Dich abzuholen. Komm zum Rathausmarkt. Wir treffen uns dort beim Starbucks um 17 Uhr. Wendy
Es ist gerade mal 15 Uhr, ich habe also genügend Zeit. Trotzdem befolge ich die Anweisungen direkt und winke, als ich den Ausgang passiert habe, ein Taxi heran. Obwohl meine Geduld schon fast am Ende ist, weià ich, dass sie ihre Gründe für die Verspätung hat. Nachdem ich etwas mehr als zehn Kilometer gefahren bin, hält das Taxi, ich bezahle das Entgelt mit einem angemessenen Trinkgeld und steige aus. Das prachtvolle Gebäude, das wohl das Rathaus ist, zieht mich in seinen Bann. Trotzdem halte ich nach dem Coffeeshop Ausschau, der mir sogleich auffällt, denn eine leichte Müdigkeit überkommt mich gerade. Daher kaufe ich mir einen groÃen COW, mit dem ich mich nach drauÃen setze und das rege Treiben auf dem Platz vor mir beobachte.
Ich hole meinen Laptop aus dem Rucksack und beginne, den Bericht zu tippen. Das Programm ist gut angekommen und das schreibe ich genau so. Während einer kurzen Denkpause, trinke ich gerade einen Schluck Kaffee, als jemand an meine Schulter tippt. Für Wendy und Jan ist es noch zu früh, darum drehe ich mich ruckartig herum und denke dabei nicht an den Becher in meiner Hand, dessen restlicher Inhalt sich über die helle Hose meines Gegenübers verteilt.
Erschrocken schaue ich auf und die Person entschuldigend an. âEs tut mir l...â Erst jetzt erkenne ich ihn. Schlagartig steigt mir die Schamesröte ins Gesicht, während ich gleichzeitig das Grinsen bemerke, das auf seinem Gesicht deutlich hervortritt.
âSoll ich jetzt auch ein paar Hasstiraden auf Sie loslassen oder denken wir beide einfach nur, was für eine peinliche Situation das hier ist?â
So gerne ich es möchte, ich kann nichts erwidern, denn er hat Recht. Mein Verhalten von vorhin ist mir unsagbar unangenehm.
âWenn Sie jetzt meine Entschuldigung annehmen, sind wir quitt.â
Ein Nicken ist meine Antwort.
âDann werde ich mal wieder gehen. Aber bedenken Sie: Man trifft sich immer dreimal im Leben.â
âDann hoffe ich, dass unser nächstes und letztes Treffen unter anderen Umständen sein wird.â
Langsam habe ich zur Routine zurückgefunden, bin nett und freundlich, aber gleichzeitig distanziert - eine typische Geschäftsfrau. Während er davon schreitet, wende ich mich wieder meinem Laptop zu, beobachte jedoch aus dem Augenwinkel heraus, wie er den Laden betritt. Als er drin ist, setze ich mich leicht um, so dass ich einen besseren Blick auf den Eingang habe. Nein, ich bin gar nicht neugierig und schaue nur sehr selten zur Eingangstür, nebenbei berühre ich sogar ein paar Tasten, ich muss schlieÃlich den Schein wahren. Kurze Zeit später verlässt er das Lokal mit einem Kaffee in der Hand und setzt sich ein paar Tische entfernt von mir hin.
Wirklich genau kann ich ihn nicht ansehen, aber er sieht in seinem schwarzen Sakko, das er zu einer hellblauen, verwaschenen Jeans und dem T-Shirt einer Band trägt, nicht schlecht aus. Er ist mit mir von London her geflogen, aber sein Englisch ist so amerikanisch, wie es nur sein kann. Wozu denke ich überhaupt darüber nach? Wenn er seinen Kaffee getrunken hat, wird er sowieso aufstehen und gehen. Dass er extra den ganzen Weg vom Flughafen hierher gefahren ist, um Kaffee zu trinken, verwundert mich aber schon. Vielleicht ist er auch einfach nur hier verabredet, ebenso wie ich. Ich sollte mich lieber um meinen Bericht kümmern. Viel fehlt nicht mehr. Ein paar Worte tippe ich noch, ehe ich das Dokument abspeichere und den Laptop herunterfahre.
Mit einem Blick auf die Uhr erkenne ich, dass sie mich bald abholen werden. Für einen weiteren Kaffee lohnt es sich nicht mehr. Darum lehne ich mich einfach zurück und beobachte die Menschen, die kreuz und quer über den Rathausmarkt gehen, manche schlendern, manche haben es eilig. In meinem Augenwinkel sehe ich noch immer den Mann von vorhin. Auch er scheint zu warten, denn er reckt sich immer wieder ein Stück unter dem Schirm hervor, um auf die Uhr am Rathaus zu schauen.
Als die Uhr zur vollen Stunde schlägt, höre ich ein Kreischen und schaue auf. GroÃen Schrittes kommt Wendy auf mich zu, die an der Hand ihren Verlobten hinter sich herzieht. Unbewusst springe ich vom Stuhl hoch, ergreife meinem Rucksack und meinen Koffer und gehe auch auf Wendy zu. Als ich sie erreiche, fallen wir uns in die Arme und reden sofort los. Jan, dem Mann an ihrer Seite, schenke ich keine Beachtung, denn für mich gibt es nur meine allerbeste Freundin. Daher erkenne ich auch erst, dass Jan weg ist, als ich mich ihm schlieÃlich doch vorstellen möchte.
Verwirrt schaue ich Wendy an, die auf eine Stelle hinter mir zeigt. Daraufhin drehe ich mich um und entdecke, dass Jan den Mann, den ich wüst beschimpft und dann bekleckert habe, herzlich umarmt, genauso wie ich meine Freundin umarmt habe. Meinen Blick richte ich wieder auf sie und schaue sie eindringlich an.
âWer ist das?â
âCharlie, ein Freund von Jan.â
Darauf sage ich nichts sondern schaue sie nur fordernd an, denn ich möchte mehr Informationen haben.
âSie haben sich kennen gelernt, als mein Schatz nach der Schule ein Jahr in England gejobbt hat. Jan hatte damals einen Aushilfsjob an der Camebridge Universität, an der Charlie unterrichtet.â
âVerdammt.â
âWas ist denn?â
âEr hat Recht, man sieht sich immer dreimal im Leben.â Ich unterbreche mich selbst. âIch erklärâs Dir später, denn ich möchte endlich Deinen Traummann kennen lernen.â
Gemeinsam gehen wir zu den Männern, die schon jetzt in einem Gespräch vertieft sind.
âHallo Jan, ich bin Amita.â Meine Hand streckt sich ihm ganz automatisch entgegen, die er ergreift.
âEs freut mich, Dich kennen zu lernen.â
âDie Freude ist ganz meinerseits.â Dann wende ich mich dem anderen Mann zu. âDu hattest wohl Recht, dass wir uns noch mal treffen würden. Es tut mir leid, dass ...â Ich komme nicht dazu, mehr zu sagen.
âIst schon gut. Du hast es mir ja heimgezahlt.â
Betroffen schaue ich seine Jeans an, deren untere Hälfte mit braunen Flecken gesprenkelt ist und dann in sein Gesicht, in dem ich ein Lächeln entdecke. âGut, aber ich weià trotzdem nicht, wie Du heiÃt, na ja, eigentlich schon...â Langsam aber sicher beginne ich, abzuschweifen, reià mich aber zusammen. âLange Rede, kurzer Sinn; ich bin Amita.â
âDass ich Charlie bin, weiÃt Du ja offenbar schon. Ich bin gespannt, wie unser jetziges, das dritte Treffen verlaufen wird.â
Darauf erwidere ich nichts mehr sondern lächle nur noch freundlich und wende mich dann Wendy zu.
Ich will alles über die anstehende Hochzeit erfahren, doch für ein ausführliches Gespräch haben wir noch keine Zeit. Erst einmal gehen wir vier gemeinsam zum Auto, um damit zur Wohnung zu fahren, die in Altona liegt. Während der Fahrt erfahre ich endlich, was das Paar aufgehalten hat. Scheinbar hat die Tortenbestellung nicht geklappt, weswegen sie in Windeseile einen neuen Konditor gesucht haben, der bereit ist, den kurzfristigen Auftrag anzunehmen. Nebenbei macht Wendy mich und Charlie mehrfach auf die Schönheit Hamburgs aufmerksam, während wir durch die Stadt fahren.
SchlieÃlich, nachdem Jan mehrere Runden um den Block gefahren ist, um einen Parkplatz zu finden, betreten wir den Flur einer geräumigen Wohnung im 4. Stockwerk. Wir werden durch jeden Raum geführt. Rechts vom Eingang führt eine Tür ins Arbeitszimmer, das Charlie zugeteilt wird. Gegenüber befindet sich das Bad. Daneben liegt das Gästezimmer, das ich beziehen werde. Nebenan ist das geräumige Schlafzimmer der Gastgeber. Auf der anderen Seite des Flures befindet sich eine groÃzügige Wohnküche mit anschlieÃender, sich über die komplette rechte Seite erstreckende Dachterrasse. Bis zum Hochzeitstag werde ich hier sein und dann gemeinsam mit Charlie in ein nahe gelegenes Hotel ausquartiert. Darum hat sich Wendy gekümmert, denn sie will kurze Wege zu mir haben, um die Zeit sinnvoll zu nutzen. Das hat sie mir schon im Vorfeld am Telefon gesagt. AuÃerdem will ich Jan besser kennen lernen, den ich bisher nur am Telefon gesprochen habe.
Meinen Bericht habe ich beinahe vergessen über den Trubel, der plötzlich herrscht, aber den muss ich noch abschicken. Zaghaft klopfe ich an die Tür des Gästezimmers, wo sich der Internetanschluss befindet. Als ich âHereinâ höre, öffne ich langsam die Tür. Nachdem sie offen ist, gewährt sie mir einen freien Blick auf ihn, der sich gerade ein frisches T-Shirt über seinen Kopf zieht, weshalb ich noch einen Blick auf seinen Oberkörper werfen kann. Neben einer guten Ausarbeitung der Muskel entdecke ich schwarze, gekräuselte Haare. Als er das T-Shirt gänzlich herunterzieht, hebe ich rasch meinen Blick, um nicht ertappt zu werden und schaue ihn an.
âIch möchte kurz eine E-Mail versenden. Ist das okay für Dich?â
âKlar.â
Kurz betrachte ich ihn noch, als er sich zu seinem Koffer hinunter beugt, dann öffne ich meinen Laptop und fahre ihn hoch. Was ich währenddessen machen soll, weià ich nicht. Ich kann ein Gespräch mit ihm anfangen, einfach still verharren oder mit ihm rumknutschen, zumindest sind das ein paar Möglichkeiten, die mir in den Kopf schieÃen. Stille lautet mein Entschluss. So warte ich mit ihm im Rücken, bis ich mich einloggen kann. Danach schlieÃe ich das Internetkabel an die dafür vorgesehene Buchse an, gehe online und öffne die vorbereitete E-Mail.
âHast Du keinen Urlaub?â
Die Frage trifft mich unvorbereitet und plötzlich fühle ich mich unwohl, fühle mich beobachtet. Deshalb drehe ich mich um und schaue ihn kurz an. âDoch, in wenigen Minuten schon.â Dann klicke ich auf senden.
âIch dachte schon, dass Du mit Deinem Job verheiratet bist.â
Ich bin fertig, daher drehe ich mich um, mustere ihn ganz genau und bemerke, wie sich seine Mundwinkel beim Andeuten des Scherzes leicht verziehen. âNicht ganz, aber wir stehen uns sehr nah. Ehrlich gesagt, überlege ich im Moment, ob ich nicht zu ihm ziehen soll. Er hat so eine schöne Wohnung.â Inständig hoffe ich, dass ich mich nicht in ihm täusche und er Humor hat.
âZimmer mit Aussicht?! Das würde ich mir auch überlegen.â
âNatürlich, aber andererseits hat diese Welt so viele tolle Männer zu bieten, da überlege ich doch, ob es sinnvoll ist, die alle aufzugeben - wegen einer Wohnung.â Für einen Moment zu lang schaue ich ihn direkt an und denke gleichzeitig daran, dass es da nicht viel aufzugeben gibt, denn für eine Beziehung, geschweige denn ein Privatleben an sich fehlt mir die Zeit.
âDann bin ich ja beruhigt. Nicht dass Du es schaffst, beinahe die Hochzeit eines Freundes zu vergessen, weil Du immer nur an das Eine denkst.â
Für einen Moment hält er inne und ich frage mich sofort, ob er das so meint, wie ich es verstehe. Aber ich sage nichts, denn ich will nicht schon wieder in ein Fettnapf treten.
âImmer arbeitest und den Spaà vergisst.â
Schlagartige Erleichterung erfüllt mich, er ist also für einen Spaà zu haben und sieht dabei auf den zweiten, genaueren Blick mit seinem schwarzen Locken richtig gut aus, zumindest für meinen Geschmack. Auch seine Augen mag ich, denn sie sprühen vor Energie, haben aber auch dieses verräterische Glitzern in sich. Wenn ich mich nicht täusche, schauen sie manchmal aber auch traurig. Gefühlvoll beschreibt die Sache ziemlich gut. âNein, soweit ist es noch nicht.â Es wird Zeit, mein Zimmer zu beziehen. âIch geh dann mal, aber wir werden uns heute bestimmt noch mal sehen.â
âDas hoffe ich.â
Zum Abschied lächle ich ihn an, ehe ich durch die Tür trete. Auf dem Flur kreuzt sich mein Weg mit Wendy, die gerade aus dem Bad kommt und mich freundlich anlächelt, aber wir sagen beide nichts. Allerdings hebt sie eine Augenbraue verdächtig, doch das kann ich nicht deuten, daher betrete ich einfach das Gästezimmer. Ich öffne meinen Koffer und hänge die Sachen auf, die keine Falten haben dürfen. Dann ziehe ich ungestört ein frisches T-Shirt an und binde meine Haare zu einem Pferdeschwanz. So verlasse ich das Zimmer wieder und gehe in die Küche, in der Wendy, Jan und Charlie beisammen sitzen und Kaffee trinken. Ich setze mich dazu und lausche dem Gespräch der Männer, die sich über gemeinsame Bekannte unterhalten - ein sehr langweiliges Thema.
Meine Aufmerksamkeit gilt nicht lange dem Gespräch, denn Wendy ist gerade sehr still. Das Lächeln, das ich ihr zuwerfe, erwidert sie auch nur halbherzig. Ich ergreife das Wort. âVerzeiht mir, aber ich habe Wendy, meine beste Freundin, seit zwei Jahren nicht gesehen, daher muss ich ihr viel erzählen. Wir zwei werden Euch deshalb heute Abend alleine lassen. Es könnte später werden.â Ich stehe auf, gehe zu ihr und ziehe sie von ihrem Stuhl hoch. Ich mache ein paar Schritte auf die Tür zu, ehe ich mich noch einmal umdrehe und in zwei verwirrt schauende Augenpaare blicke. âViel SpaÃ.â Auf dem Flur bleibt Wendy plötzlich stehen, so dass ich fast in sie hineingehe.
âSo kann ich doch nicht los. Ich muss mich umziehen.â Sie zupft an ihrer perfekt sitzenden Hose und dem schlichten T-Shirt.
âDu bist wunderschön so. Wir gehen jetzt los.â Meine Stimme lasse ich leicht herrisch klingen, denn ich möchte diesen Abend mit ihr verbringen.
âIch hole nur schnell meine Tasche und die Autoschl...â
âWir nehmen die öffentlichen Verkehrsmittel oder ein Taxi, aber nicht das Auto. Heute Abend feiern wir das Wiedersehen und einen Miniaturjunggesellinnenabschied.â Ich versuche zu deuten, was ihre Augen sagen, doch es gelingt mir nicht. âBitte.â
âOkay.â
Dass es Wendy widerstrebt, ist offensichtlich, aber ich freue mich, dass sie doch mitkommt. Kurze Zeit später sitzen wir in einem Taxi Richtung St. Pauli, denn dort ist laut meinem Reiseführer immer etwas los und wird ein vielfältiges Programm geboten. Nachdem wir angehalten und ausgestiegen sind, gehen wir an verschiedenen Etablissements vorbei. Ich bin erstaunt; hier gibt es wirklich alles, sogar Schauspielhäuser. Nachdem wir die Hälfte der Reeperbahn hinter uns gelassen haben, betreten wir eine Stripteasebar, in der zu meiner Freude auch ein paar Männer die Hüften schwingen. Zur Feier des Tages bestelle ich eine Flasche Sekt, auch wenn die Preise zu hoch sind, denn ich möchte auf den Putz hauen. Obwohl Wendy meine Idee anscheinend nicht gefällt, kümmere ich mich heute nicht darum und tue das, was will, und zwar feiern.
Ich hebe mein Glas. âAuf die Zukunft.â
âJa.â
Die Einsilbigkeit erstaunt mich. âDu bist so merkwürdig. Was ist los?â
Das erste Mal schaut sie mich heute Abend an. âDer Hochzeitsstress, die Vorbereitungen - alles. Diese Tortengeschichte heute hat mir den Rest gegeben.â
âBrauchst Du Hilfe.â
Wendy schüttelt nur den Kopf.
Das reicht mir nicht als Antwort, aber ich belasse es dabei und erzähle ihr stattdessen von der erfolgreichen Messe, von meinem Job und informiere sie über die Sachen, für die wir am Telefon meist keine Zeit haben. Das Gleiche macht sie nach mir, so erfahre ich die Details der Hochzeit, bekomme Labskaus und dessen Zusammensetzung erklärt, was ich für eklig befinde, höre Geschichten über Jans Leben und ihren Startschwierigkeiten mit der deutschen Sprache. So verbringen wir einen Abend und leeren nicht nur die eine Flasche Sekt. Mit der Zeit ist auch Wendy locker geworden, es ist scheinbar nur der Stress, zumindest hoffe ich das inständig.
In den frühen Morgenstunden sind wir die letzten Gäste und werden freundlich, aber bestimmt vor die Tür gesetzt. Leicht angeheitert kehren wir zurück. Dabei kichern und gackern wir laut. Als wir die Wohnung betreten, tippt Wendy mir auf die Schulter und erlangt meine Aufmerksamkeit. Ãbertrieben deutlich legt sie ihren Finger auf die Lippen. Ich kann nicht an mir halten und pruste sofort wieder los. Deshalb setzt sie wohl noch ein âPsstâ hinterher, zu laut, um leise zu sein. Dann trennen sich unsere Wege vorm Gästezimmer. Ich winke ihr kurz hinterher, bevor ich es betrete. Drinnen ziehe ich mich aus und schlüpfe in eine leichte Stoffhose und ein Top, ehe ich mich auf den Weg ins Bad mache. Ich putze nur meine Zähne, denn ich möchte nur noch ins Bett. Ich gehe in das Zimmer und wundere mich, dass das Licht nicht mehr brennt. Habe ich es ausgemacht? Ich erinnere mich nicht. Der Weg zum Bett erscheint mir lang. Irgendwie ist es komisch, was Alkohol doch so anrichtet.
Als ich die Decke zurückschlage, ergreift etwas meine Hand. Ich möchte schreien, doch dann wird das Licht angemacht. Erstaunt schaue ich auf die Person, die in meinem ... Nein, das ist es nicht, es ist sein Bett. Vor mir liegt er, die Decke ragt bis zum Bauchnabel und ich habe freien Blick auf seinen Oberkörper. Ein schöner Anblick. Meine Hand hält er noch immer, was mich wundert, denn ich stelle keine Gefahr dar. Aber auch ich bewege mich nicht, ebenso mein Blick. Ich sehe ihn, seine Muskeln, seine Haare. Seine Hand hält mich noch immer kräftig fest und ich lasse langsam meine Augen zu seinem Gesicht wandern und entdecke das mittlerweile bekannte Grinsen, das seine Lippen umspiele.
âWas?â
âNichts.â
âMein Name ist nicht Hase, falls Du das gehofft hast.â
âNein, Dein Name ist âMich hört man 10 Kilometer gegen den Windâ. Ihr hattet wohl ein Glas zu viel.â
âVielleicht waren es auch zwei.â
âGlaub mir, ich merke es kaum.â
Er ist witzig, das muss ich ihm lassen, doch ich brauche eine Möglichkeit, wie ich hier herauskomme. Ich könnte einfach gehen, aber das mache ich nicht. Noch während ich überlege, richtet er sich auf, so dass er auf dem Bett sitzt, lässt meine Hand aber nicht los. Die Decke ist dabei noch ein Stück tiefer gerutscht und lässt etwas mehr Haut frei, so erhasche ich einen Blick auf seine Boxershorts.
âSchottenkaro.â
âIch hätte auch noch blaues Karo im Angebot, falls Dir das mehr gefällt.â
Was bildet er sich ein, frage ich mich und entdeckte ein weiteres Mal sein Grinsen. Für ihn ist scheinbar alles ein Witz. Endlich gibt er meine Hand frei und ich gehe nicht, stattdessen schaue ich ihm in die Augen und bewege meinen Kopf auf ihn zu. Kurz bevor unsere Nasenspitzen berühren, drehe ich den Kopf leicht nach rechts, um ihn mit meinen Lippen zu spüren. Innig küsse ich ihn, nur um mich Sekunden später von ihm zu trennen.
âSchlaf schön.â Das dazugehörige Grinsen ist perfekt. Ich drehe mich zur Tür.
âNicht so schnell, meine Liebe. So kommst Du mir nicht davon.â
In meinem Rücken spüre ich eine Bewegung, als er wieder meine Hand ergreift und mich zu sich herumzieht. Dann legt er mir seine Hände an den Hinterkopf und beugt sich zu mir. Dann schlieÃe ich die Augen und spüre nur noch die warmen Lippen. Länger als ein paar Sekunden dauert es nicht und er lässt mich stehen, dabei möchte ich im Moment so viel mehr.
âTräum süÃ.â
Schon liegt er wieder im Bett und dreht mir den Rücken zu, dann löscht er das Licht und ich muss wohl oder übel die Nacht allein verbringen. Ich gehe in mein Zimmer und lege mich hin, doch der Schlaf will nicht über mich kommen, denn ich möchte alles, nur nicht schlafen. Nur zwei Türen trennen mich im Moment von dem, was ich will.
Danke an Jo & XY ungelöst - die weltbesten Künstlerinnen
Ideenlos und stolz darauf!