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„Steh grade Lane!“ „Ja, Mama“ „Und lächle nicht so viel. Koreanische Mädchen sollten nicht lächeln. Das macht Falten im Gesicht.“ „Ja, Mama.“ Lane Kim seufzte genervt auf und strich sich ihren Rock glatt. Sie stand neben ihrer Mutter in der Eingangshalle und blickte sich um. Kurz zuvor waren sie von Mrs. Gellar begrüßt worden und diese hatte ihnen versprochen sie mit den wichtigsten Leute hier bekannt zu machen. Und nun standen sie hier. Lane neben ihrer Mutter. Ihr Vater konnte nicht kommen, da er kurzfristig auf eine Kongress nach New York musste. Lane war es gewöhnt, dass ihr Vater nicht zu Hause war. An ihrem letzten Geburtstag war er in der Klinik gewesen, an dem davor auf einer Geschäftsreise. Es störte sie wenig, kannte sie ihren Vater doch kaum und hauptsächlich nur von Fotos. Dafür sorgte sich ihre Mutter umso mehr um sie, was Lane Kim gewaltig auf den Geist ging. Sie war überfürsorglich und ziemlich streng. Seit ihrem zwölften Lebensjahr versuchte sie immer wieder Schlupflöcher in der strengen Erziehung ihrer Mutter zu finden. Mit mehr oder weniger Erfolg. Aber dennoch schaffte sie es irgendwie all das durchzustehen.

Vorsichtig rückte sie ihre Brille zurecht und lies den Blick durch den Saal schweifen. Es waren viele Gäste gekommen. Die meisten standen mit ihren Drinks in der Hand irgendwo an einem der zahlreiche Tische und unterhielten sich. Die Atmosphäre war angenehm und dennoch fühlte sich Lane zwischen all den Leuten ein wenig unwohl. Es wirkte auf sie alles ein wenig gekünstelt. Als hätte jeder der Gäste ein falsches Lächeln aufgesetzt und seine beste Garderobe angezogen nur um die Anderen zu beeindrucken. Gerade wollte sie ihrer Mutter vorschlagen sich auch etwas zu trinken zu holen als Mrs. Gellar auch schon wieder auf sie zugestürmt kam. Bei ihrem Anblick verdrehte Lane kurz ihre Augen, bevor sie wieder ihr charmantes Lächeln aufsetzte. Mrs. Gellar blieb vor den Beiden stehen und Lane bemerkte wie sie diese zum wiederholten Male musterte. „Mrs. Kim sie müssen unbedingt Mrs. Grant und ihren Mann kennen lernen. Zwei äußerst nette Personen und ihre Tochter Louise ist auch herzallerliebst.“ Lane’s Mutter nickte nur und folgte schließlich Mrs. Gellar auf die andere Seite der Halle. Lane hatte schon die kurze Hoffnung, dass ihre Mutter sie vergessen hatte, jedoch drehte sich diese nach fünf Schritten um und warf ihr einen Blick zu, der Lane dazu veranlasste ihr zu folgen. Zufrieden drehte sich Mrs. Kim um und folgte wieder Mrs. Gellar.

Auf ihrem Weg durch die Halle wurde Lane wieder mal klar, dass sie hohe Absätze einfach nicht gewöhnt war und der glatte Steinboden machte das Ganze für sie auch nicht leichter. Mit aller Macht konzentrierte sie sich darauf nicht auszurutschen und einen filmreifen Sturz vor all diesen Leuten abzuliefern. Ihre Augen richtete sie gen Boden und bedachte jeden ihrer Schritte und so kam es, dass sie auch nicht den jungen Mann bemerkte, der mit einem Tablett mit vollen Sektgläsern an ihr vorbei wollte. Die Betonung lag auf wollte, denn Lane, die sich nur auf ihre Schuhe konzentriert hatte, stieß kurz darauf mit diesem zusammen, was zur Folge hatte, dass der junge Mann das Tablett fallen lies und die Gläser mit einem lauten Klirren zu Boden fielen. Lane, die sich mit einer Hand, um nicht auszurutschen an dem Arm des jungen Mannes festgehalten hatte, schlug sich ihre andere Hand vor den Mund.

„Oh nein.“, brachte sie noch heraus. Der junge Mann hatte sich inzwischen von ihrem Griff gelöst. „Verdammt.“, murmelte er nur und kniete sich hin um die Glasscherben aufzusammeln. Die anderen Gäste, durch das Klirren aufgeschreckt, beobachteten ihn noch kurz dabei, bevor sie sich wieder ihren Gesprächen zu wandten. Lane kniete sich nun ebenfalls nieder und half dem Kellner dabei die Scherben aufzusammeln. „Es tut mir leid.“, murmelte sie und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich habe nicht aufgepasst. Es tut mir so leid. Bekommen sie jetzt viel Ärger?“ Der junge Kellner schüttelte nur kurz den Kopf. „Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen Miss.“, fing er an. „Ich hätte aufpassen sollen. Ich bin das Personal, sie sind der Gast. Es ist meine Schuld.“ Das Tablett hatte er neben sich abgestellt und mit einer Hand hatte er das Geschirrtuch aus seiner schwarzen Schürze gezogen, in welchem er nun die Scherben sammelte. Dabei blickte er starr auf den Boden und Lane fiel auf, dass er sie noch nicht eines Blickes gewürdigt hatte. „Sie müssen mir nicht helfen, Miss.“, begann er nun wieder, doch bevor er weitersprechen konnte unterbrach ihn Lane. „Es ist auch meine Schuld. Ich helfe ihnen.“ Lane griff nach einer der größeren Scherben, doch der junge Mann war schneller als sie und fasste ihr Handgelenk. „Sie werden sich wehtun.“, sagte er nun kurz angebunden, ließ ihr Handgelenk jedoch nicht los. Endlich wendete er nun auch seinen Blick zu ihr und Lane starrte in zwei dunkelbraune Augen. Für kurze Zeit sagte keiner der Beiden etwas, bevor Lane ihre Sprache wiederfand. „Sie können meine Hand wieder los lassen.“, flüsterte sie und der Kellner blickte verwundert auf seine Hand, die noch immer ihr Handgelenk umschloss, und lies diese darauf in Windeseile los. Mit einem kurzen Nicken sammelte er die letzten Glasscherben von dem Steinboden und stand auf. Lane tat es seinem Bespiel gleich. Jedoch bedachte sie nicht, dass der Boden durch den verschütteten Sekt nun noch rutschiger war. Und somit fand sie sich kurze Zeit darauf in den Armen des Kellners wieder. „Alles in Ordnung?“, lächelte dieser sie an und stützte sie an ihrem Ellenbogen. Lane versuchte sich krampfhaft von seinen Augen loszureißen. „Ja. Ja, ich denke schon.“, meinte sie und er lockerte seinen Griff um ihren Arm. Erst jetzt fiel ihr auf, dass der junge Mann vor ihr kaum älter als sie selber zu sein schien. Er hatte braune, gelockte Haare und trug, wie alle Kellner, eine lange, schwarze Schürze über einer schwarzen Hose. Die Ärmel seines weißen Hemdes hatte er bis zu seinen Ellenbogen hochgekrempelt und hinter seinem linken Ohr klemmte ein Bleistift. Und er lächelte sie an. Er lächelte sie an und Lane glaubte nie ein schöneres Lächeln gesehen zu haben. „Okay, ich werde dann mal...“, meinte er und deutete mit einer Hand in Richtung einer der Türen am Ende der Halle. „Ja...“, nickte Lane und sah nun, nachdem sie sich endlich von seinen Augen losgerissen hatte, zu Boden. „Nun gut...dann...sehen wir uns. Nehme ich mal an.“, lächelte der Kellner, drehte sich um und steuerte auf eine Tür am gegenüberliegendem Ende der Halle zu. Lane die immer noch verträumt auf den Boden starrte, bemerkte nun, dass das Tablett immer noch neben ihr auf dem Boden lag. Schnell bückte sie sich und hob es auf. Ohne groß nachzudenken was sie tat, rief sie dem Kellner hinterher.

„Warten sie! Sie haben das Tablett vergessen.“ Lane merkte wie ein paar Leute sich nach ihr umdrehten und sie anstarrten und bereute schon in diesem Moment ihre voreilige Tat. Der Kellner aber hatte sie gehört, sich umgedreht und schlenderte nun geradewegs auf sie zu. Mit einer hochgezogenen Augenbraue und den Händen, zusammen mit dem Geschirrtuch und den Scherben darin, hinter seinem Rücken verschränkt, stand er nun vor ihr und beugte sich leicht zu ihr runter. „Dave.“, sagte er und wieder wurde Lane von seinen Augen gefesselt. Sie musste schwer schlucken bevor sie schließlich ihre Stimme wiederfand und sprach. „Was?“, fragte sie leicht verwirrt und blickte ihn mit großen Augen an. „Dave.“, lachte er leise. „Das ist mein Name. Dave Rygalski.“ „Oh.“, brachte Lane nur raus und versuchte seinem Blick standzuhalten. „Und sie?“, fragte er nun. „Lane.“, flüsterte sie kaum vernehmbar. „Okay Lane, freut mich dich kennen gelernt zu haben. Und danke für das Tablett.“ Und mit diesen Worten schnappte sich Dave das Tablett aus Lanes Hand, drehte sich um und lief wieder den gleichen Weg wie zuvor zurück zu der Tür. Auf seinen Lippen zeichnete sich ein breites Lächeln ab, dass jedoch bei dem Anblick seines Chefs, der gerade durch die Tür kam, schnell wieder verschwand. „Rygalski.“, brüllte dieser. „Was hast du schon wieder angestellt? Joe hat mir erzählt du wirfst unsere guten Gläser in der Gegend herum.“ „Tut mir Leid, Chef.“ „Es tut dir leid? Das sollte es auch. Und jetzt zurück in die Küche oder brauchst du eine Extraeinladung?“ „Nein.“, murmelte Dave noch bevor er durch die Tür verschwand. „Vergiss nicht, ich kann dich jeden Augenblick feuern.“, hörte er seinen Chef noch hinter sich brüllen, versuchte aber dies nicht mehr zu beachten. Währenddessen stand Lane immer noch mitten in der Halle und hatte sich keinen Zentimeter gerührt, bis auch sie durch die Stimme ihrer Mutter in die Realität zurückgeholt wurde. „Lane wo bleibst du denn? Es ist unhöflich unsere Gastgeber warten zu lassen.“ Mit einen Ruck drehte sich Lane in die Richtung aus der die Stimme kam und entdeckte ihre Mutter mit Mrs. Gellar und einem Ehepaar an einem der Tische. „Ich komme.“, flüsterte sie noch leise zu sich und warf, bevor sie sich auf den Weg zu ihrer Mutter machte, noch schnell einen Blick zu der Tür, durch die Dave ein paar Sekunden zuvor verschwunden war. Das warme Gefühl in ihrem Bauch, dass sich bei der Begegnung mit ihm gebildet hatte, hielt zu ihrer Verwunderung noch die nächsten Stunden an.