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II. Kindheitserinnerungen
Was in der Kindheit zerstört wurde, kann im Leben niemals mehr korrigiert werden â man kann sich höchstens damit arrangieren ...
Wolfgang J. Reus (*1959), deutscher Journalist, Satiriker, Aphoristiker und Lyriker
November 1956
Eine beklemmende Dunkelheit hing über der Stadt, obwohl es noch nicht einmal fünf Uhr war. Da es am frühen Nachmittag geregnet hatte, stiegen nun Dunstige, fast unheimliche Nebenschwaden empor und erstickten gemeinsam mit vereinzelten Wolken die kümmerlichen Sonnenstrahlen, die sich ihren Weg auf die Erde bahnen wollten. Die ganze Welt schien dadurch zur Ruhe gekommen zu sein, Geräusche wurden gedämpft, alles schien in Watte gepackt zu sein.
Emily saà im Wohnzimmer und starrte aus dem geöffneten Fenster. Sie liebte den Nebel er vermittelte so etwas Geheimnisvolles, etwas Beruhigendes. Sie hatte das Gefühl, dass er sie zudecken und beschützen würde, wenn sie nur nach drauÃen gehen würde. Vielleicht würde es auch bald schneien, noch war es nicht kalt genug, doch viel konnte nicht mehr fehlen. Jeden Abend bevor sie und ihre Schwester zu Bett gingen, betete sie und wünschte sich, dass der liebe Gott ihr endlich Schnee bringen würde.
Ihre Mutter war es, die sie schlieÃlich aus ihren Gedanken rüttelte. âJunge Dame, hast du schon wieder das Fenster offen?â Emily wandte sich rasch um, fühlte sich ertappt, wusste, dass sie etwas Unrechtes getan hatte. âDu wirst dir noch den Tod holen. Es ist viel zu kalt.â Mit diesen Worten schloss ihre Mutter das Fenster, das mit lautem Knarren zuging.
Danach bückte sie sich zu Emily und griff nach ihren Händen. âWusste ich es doch, du hast ganz kalte Hände. Wir können es uns nicht leisten, dass du krank wirst. Hopies Erkältung hat uns schon genug Geld gekostet.â Sie seufzte leise, kaum hörbar. âEmily, leg dich ins Bett, ich werde dir einen Tee machen. Du solltest wirklich besser auf dich aufpassen.â
Ein wenig missmutig glitt Emily vom Sofa und stapfte hinüber zu ihrer Matratze, die in der hinteren Ecke des Wohnzimmers lag. Als sie unter ihre dünne Decke schlüpfte, stellte sie fest, dass es wohl doch nicht besonders klug gewesen war, am offenen Fenster zu sitzen, denn erst jetzt wurde ihr so richtig kalt. Wind blies um das Haus, rüttelte an den Fenstern, erinnerte daran, dass die raueren Monate bevor standen.
Meine Mutter war immer sehr bemüht um uns gewesen, sie hatte mich und Hopie umsorgt und gepflegt. Manchmal vielleicht ein bisschen zu sehr, vor allem, wenn wir krank waren. Die Erinnerungen an sie verblassen immer mehr und mehr, manchmal bin ich mir nicht mehr wirklich sicher, wie sie ausgesehen hat. Dunkle lange Haare, immer geflochten und dann aufgesteckt. Jeden Morgen und jeden Abend hatte sie ihr Haar gekämmt, hundert Mal. Sie hat immer gesagt, dass es notwendig sei, gepflegte Haare seien das Markenzeichen einer Frau. Und sie hat das auch eisern durch gestanden. Selbst wenn es ihr einmal nicht so gut ging, die Kraft zum Bürsten ihrer Haare hat sie immer gefunden. Ich habe ihr immer gerne dabei zugesehen, es hatte so etwas Vertrautes.
Hopie und ich haben früher auch immer Zöpfe getragen. Morgens mussten wir uns die Haare kämmen und anschlieÃend hat sie uns Mutter geflochten. Mir kam es immer vor, als dauerte es Ewigkeiten, ich hätte die Zeit lieber mit etwas anderem verbracht, wäre gerne früher zur Schule gegangen, um meine Freunde zu treffen.
Mutter fand unsere Zöpfe immer sehr hübsch, doch je älter ich wurde, umso mehr habe ich meine Haare zu hassen begonnen, doch ich hätte mich niemals getraut, mir die Haare ohne ihre Erlaubnis aufzumachen.
Es ist schon komisch, an was für Dinge man sich erinnert, an unwichtige kleine Details.