.::Chapter9::.
Ein goldener Schleier legt sich über das azurblaue Meer, immer wieder
tauchen helle Flecken auf. Dort sind die seichten Stellen, meterlange
Sandbänke. Fische zischen vorbei, sie spiegeln in allen Farben. Tief unten
im Meer liegen die Korallen, wunderschön rot schimmern sie durch das
kristallklare Wasser. Ein Spiel zwischen Hell und Dunkel, Tief und Seicht,
Gut und Böse. Wie viel man nicht aus dem Meer ablesen kann.
Fasziniert sieht Rory auf die Wellen. Zählt die kleinen Inseln um sie
herum, wenn sie sich anstrengt kann sie sogar ein paar Einwohner sehen, so nah sind sich die Inseln hier. Schade dass fast alle von irgendwelchen Hotelketten besetzt sind..
Nein, sie kann es nicht, so sehr sie sich auch ab zu lenken versucht, sie
schafft es einfach nicht. Nicht heute, nicht gestern und auch nicht vor
zwei Wochen. Seit dieser einen Nacht muss sie ständig an ihn denken, riecht ihn, spürt ihn auf ihrer Haut, wenn die Sonne sie anstrahlt, sieht ihn an jeder StraÃenecke, sogar auf der Insel sieht sie ihn überall. Erst heute Morgen ist sie wieder heimlich hinter einem Mann her gegangen, hat ihn bis zu seinem Bungalow verfolgt. Schon fast hätte sie ihn angesprochen, wäre ihm in die Arme gefallen. Nein, er war es nicht, wieder einmal hat sich der Fremde umgedreht und Rory somit mit der Realität konfrontiert. Seit ihrer Nacht hat sie kein Wort mehr mit ihm geredet, nein, er nicht mit ihr. Wie oft hat sie ihn angerufen, und wieder aufgelegt, sobald sie seine Stimme gehört hat.
Es war ein Fehler. Ein ungeschickter, dummer Fehler. Jeden Tag sagt sie sich das, sagt es ihrem Spiegelbild, schreit es wenn sie keiner hören kann. Sie hat alles versucht um diesen Fehler zu vergessen. Sie ist auf Urlaub gefahren um von ihm fern zu kommen, hat ihre Mutter dazu gebracht sich - zumindest annähernd - wieder mit ihrer GroÃmutter zu versöhnen. Zumindest das hat geklappt. Sie muss lachen. Warum profitieren alle anderen aus ihren Fehlern. Fehler - wie sie dieses Wort hasst. Einen Fehler macht man bei einer Arbeit, in der Schule. Bis jetzt hat sie sich noch jeden Fehler ausgebessert, durch strebsames Lernen. Man muss sich seine Fehler eingestehen und ausbessern. Doch diesen Fehler kann sie sich nicht ausbessern, so sehr sie es auch versucht, sie kann es nicht.
"Grandpa?" Ihr GroÃvater ist mittlerweile eingedöst.
"Grandpa!", sanft rüttelt sie Richard.
"Rory!", Richard schreckt auf, "Rory, ist etwas passiert?"
"Grandpa, du bist eingeschlafen!" Rory muss kichern.
"Ach was, ich habe doch nur kurz meine Augen geschlossen!" Beschämt grinst er seine Enkeltochter an. Diese nickt und grinst zurück.
"Grandpa, was hältst du von mir?"
"Rory, was ist den das für eine Frage?"
"Was hältst du von mir? Ich will wissen wie ich in den Augen meines GroÃvaters dastehe!" Richard sieht seine Enkeltochter verwirrt an, doch die bleibt seinen Blick stand. Ihre Augen drücken Entschlossenheit aus.
"Ich weià wirklich nicht wozu du das wissen willst, aber bitte. Du bist
eine reizende junge Dame, bist wahnsinnig intelligent und hast hervorragende Berufsaussichten." Richard merkt, das Rory seine Antwort nicht genügt.
"AuÃerdem bist du das gutmütigste, hübscheste und vernünftigste Mädchen das ich kenne. Eine bessere Enkeltochter könnte ich mir nicht vorstellen!"
Rory lächelt. Da ist es, dieses Wort, das sie am besten beschreibt.
Vernünftig. Oh wie sehr er sich doch täuscht. Es ist ganz und gar nicht vernünftig mit einem verheirateten Mann zu schlafen. Nein, sie ist nicht vernünftig. Nicht einmal im Ansatz. Es tut weh diese Worte aus dem Mund ihres GroÃvaters zu hören. Sie sollte sich freuen, es sind doch schöne Worte! Aber sie freut sich nicht. Sie wird es ihren GroÃeltern nie sagen können, ihre Mutter hat vollkommen Recht. Sie würden es nicht verstehen.
Wie sollten sie auch, nicht einmal sie selbst versteht was sie getan hat. Ihre Lage ist aussichtslos - und doch lächelt sie.
EDIT: Also, von allem ein bisserl, so, hier hätten wir einen Rory (fast) Monolog! Enjoy! ~Marie~