16.05.2007, 09:19
Hallo meine SüÃen :knuddel:
Vielen Dank für eure wunderbaren Feedbacks! Habe mich sehr darüber gefreut. :freu:
Ich habe leider gerade wenig Zeit, muss gleich wieder weg, poste aber noch schnell den neuen Teil. Ich hoffe, er gefällt euch. Werde das Re-FB das nächste Mal nachholen.
Freu mich schon sehr auf eure Feedbacks.
Hab euch lieb!
Bussi Selene
38. Teil
Der Himmel begann sich zu verdunkeln. Erst einzelne, kleine Wolken vereinten sich zu gröÃeren. Lillian erreichte den Wohnblock als die ersten zarten Tropfen auf den Asphalt aufschlugen. Sie erinnerte sich einen Moment daran, wie gern sie mit ihrer Mutter im Regen spazieren gegangen war. Sie war immer übermütig von Lacke zu Lacke gehüpft, Rosa hatte sie lachend getadelt. Nach dem Spaziergang hatten sie stets heiÃen Kakao getrunken und Frauengespräche geführt. Lillian hatte ihre Mutter besonders an jenen Nachmittagen gebeten von dem Kennenlernen ihrer Eltern zu erzählen. Diesem Wunsch war Rosa stets gerne nachgekommen. Lillian schüttelte den Kopf, als könnte sie damit die Erinnerungen abschütteln, und betrat das Gebäude. Es war sehr kühl im dunklen Flur. Als Lillian auf das kleine zerschlissene Stofftuch vor den Treppen stieg um sich die Schuhe ein wenig abzustreifen, staubte es auf. Sie strich sich eine Haarsträhne zurück und ging die Treppe hinauf, die rechte Hand am wackeligen Geländer streifend. Lillians Gedanken wanderten zurück zur letzten Nacht. Sarahs Worte hatten sie aufgewühlt. Lillian hatte die Mappe zurückgelegt ohne weiter zu lesen. Sie wusste noch nicht, ob und wann sie weiter lesen würde. Etwas in ihr sträubte sich dagegen. Etwas wollte es auf der Stelle tun. Doch nun hatte sie sich vorgenommen alle Sorgen erst mal beiseite zu schieben. Dieser Abend würde nur Arturo und ihr gehören. Das war sie ihm schuldig. Sie atmete nochmals tief durch, bevor sie an die Tür klopfte. Die Tür knarrte ein wenig, als sie geöffnet wurde. Arturo musterte Lillian lächelnd und deutete ihr hereinzukommen. Die Wohnung durchzog ein verlockender Geruch.
Arturo küsste Lillian kurz, nachdem er die Tür geschlossen hatte, und bat sie schon mal beim dem kleinen Tisch in der Küchennische Platz zu nehmen. Ihre Augen weiteten sich überrascht als sie den Teil des Raumes erblickt hatte. Arturo hatte eine Kerze angezündet, eine Vase mit Rosen und Wein aufgestellt. âDu kannst ja richtig romantisch sein, wenn du möchtest.â Sie lieà sich lächelnd auf einen der Stühle sinken.
âFalls es dir zu kitschig sein sollte, sag mir bescheid. Dann lass ich irgendeine sehr unpassende oder zweideutige Bemerkung fallen.â Er schenkte ihnen etwas Wein ein.
âIch werde mich melden.â Sie beobachtete ihn lächelnd, als er ihre Teller mit Spaghetti und SoÃe füllte. âKann ich dir helfen?â
Arturo stellte die Teller ab und setzte sich. âDafür ist es schon zu spät. Aber ich habe das gerne gemacht. Sollten wir eines Tages heiraten, wirst das ohnehin immer du machen.â
âDanke, jetzt weià ich zumindest, wen ich niemals heiraten werde.â
Er grinste und hob das Glas um mit ihr anzustoÃen. âAuf dich.â
Sie tat es ihm gleich. âAuf mich.â Ein Lachen entwich ihr.
âDu siehst toll aus.â Er stellte das Glas ab und griff nach ihrer Hand.
âAber nicht doch.â Sie winkte theatralisch ab.
âWie war dein Tag?â Fragte Arturo, als sie zum Essen begannen. âIch hoffe, es schmeckt dir.â
âEs ist köstlich.â Lillian schloss kurz lächelnd die Augen um den Bissen zu genieÃen. âIch war schon fast verhungert. Mein Tag war toll. GroÃmama und ich frühstückten, danach gingen wir zum Friedhof und ein wenig spazieren. SchlieÃlich kamen wir wieder zurück und blätterten noch in ein paar alten Fotoalben.â
âAlso ich hasse das, wenn meine GroÃmutter mit mir meine Kinderfotos ansehen möchte.â
Lillian lächelte leicht. âWir haben Fotos meiner Mutter angesehen...â
Eine Falte bildete sich auf seiner Stirn, er blickte sie besorgt an. âEntschuldige.â
Sie schüttelte den Kopf. âDas macht nichts. Du konntest es ja nicht wissen. Fotos von mir selbst mag ich auch nicht.â
âIch würde gerne einmal ein Babyfoto von dir sehen.â
Sie lachte. âLieber nicht.â
âWie war deine Mutter so als kleines Mädchen?â
Lillian lächelte. âSüà und bereits wunderschön. Rosa Vasquez war die schönste Frau der Welt.â
Arturo erwiderte ihr Lächeln.
âMeine Eltern hätten dich gewiss gemocht. Meine Mamá sicherlich sofort, Papá nach kurzer Zeit.â
Er lachte. âSo sind Väter. Mein Vater mag den nun Verlobten meiner kleinen Schwester noch immer nicht.â
âDu doch auch nicht. Aber zumindest hast du aufgehört ihn zu bedrohen.â
âIch habe ihn nie bedroht.â Arturo musterte Lillian empört.
âDu sagtest zu ihm, dass du ihm nicht raten würdest, deiner Schwester näher als einen halben Meter zu kommen. Am selben Abend schliefen wir beide übrigens zum ersten Mal miteinander. Ganz schöne Doppelmoral.â
Arturo grinste. âDu hast zum Glück keinen älteren Bruder. AuÃerdem hab ich dem Kerl nur einen freundlichen Ratschlag gegeben.â
âJa, er war dir gewiss dankbar.â
âDas ist ewig her. Nun verstehen wir uns blendend.â
âNatürlich. Ihr seid die besten Freunde.â
âKomm schon, Lillian. Du kannst auch nicht jeden leiden.â
âJetzt gibst du es zumindest zu.â
Arturo seufzte. âEr ist ein kleiner Idiot und nicht gut genug für María.â
Sie nickte. âWer wäre denn gut genug für sie?â
âAm besten wäre es für sie, würde sie ins Kloster gehen. Wolltest du das hören?â
âDeine Schwester ist fast zwanzig. Zwei Jahre älter als ich.â
âAber du hast ja mich.â Arturo grinste.
âDu bist ganz schön eingebildet.â
âBei so einer Freundin muss ich das doch sein.â
âSchleimer.â
âHat es dir geschmeckt?â Arturo bemerkte Lillians leeren Teller mit einem Lächeln. Sie hatte in den letzten Wochen kaum gegessen.
âEs war wundervoll, danke.â
âMöchtest du noch etwas?â
âNein, danke. Ich bin schon ganz voll.â
âOkay.â Er begann die Teller wegzuräumen.
âDarf ich dir zumindest jetzt helfen?â
âNein, aber mach es dir schon mal am Sofa bequem.â
Sie folgte seinen Worten. Wenige Minuten später setzte Arturo sich zu ihr. Er warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr. âWie lange darf ich denn heute mit dir rechnen.â
Lillian lehnte sich an ihn. âKommt darauf an, was du heute noch vorhast. GroÃmama erwartet mich nicht vor morgen Vormittag. Da muss ich mich dann für die Messe umziehen.â
âWarte einmal...â Er hob ihr Kinn und zwang sie so ihn anzusehen. âAna erlaubt dir hier zu übernachten? Oder bist du offiziell irgendwo anders?â
âSie weià es.â Lillian zucke mit den Schultern. âIch habe versprochen vernünftig zu sein und sie vertraut mir. Allerdings musst du nächste Woche einmal zum Abendessen kommen. Ich möchte, dass ihr euch besser kennen lernt.â
Arturo seufzte. âNa schön. Aber ich werde mich nicht verstellen...â Eine Falte bildete sich auf seiner Stirn. âNicht, dass ich etwas gegen eine Nacht mit dir hätte, aber kommt dir das ganze nicht ein wenig seltsam vor?â
Lillian runzelte die Stirn. âUnser Verhältnis war in letzter Zeit distanzierter meinerseits. Sie wollte mir einfach einen Gefallen tun...â Sie versuchte sich mit diesen Worten vor allem selbst zu überzeugen und die Sorgen um Ana zu unterdrücken. Es war etwas nicht in Ordnung, das fühlte sie.
âNatürlich.â Arturo strich ihr sanft durchs Haar. âEntschuldige. Vergiss, was ich gesagt habe.â Er zog sie sanft auf seinen SchoÃ. âWas bedeutet für Ana denn vernünftig zu sein? Ich will nur wissen, was ich machen darf.â
Lillian strich durch sein Haar. âEs geht darum, was es für mich bedeutet. Würde ich nach GroÃmamas Definition handeln, müsste uns ein ganzes Möbelstück trennen.
Er fuhr über ihre Arme. âDas wäre sehr schade.â
Lillian drohte in seinen Augen zu versinken. âDa hast du Recht.â
Arturo zog sie näher an sich und küsste sie. âDarauf habe ich mich schon den ganzen Tag gefreut.â
Sie lächelte. âIch mich auch.â
âWeiÃt du, ich habe wirklich verdammtes Glück, dass du keinen älteren Bruder hast.â Er zog sie mit sich hoch und trug sie in sein kleines Schlafzimmer, wo er sie sanft aufs Bett absetzte.
âDu hast es heute ganz schön eilig.â Lillian lachte.
âDu ahnst gar nicht wie sehr.â Hauchte er in ihr Ohr und bedeckte ihren Nacken mit Küssen.
Sie schloss lächelnd die Augen und fuhr über seine muskulösen Arme.
Seine Hände glitten langsam zum Reisverschluss ihres Rockes und streiften diesen ab.
Lillian befreite sich selbst und Arturo von ihren Shirts. Sie bedeckte seinen Oberkörper mit Küssen, während er sich seiner Hose entledigte. Seine Hände tasteten sich zum Verschluss ihres BHs. âVerdammt! Was ist denn das für eine dämliche Konstruktion?â Fluchte er, als er ihn nicht sofort aufbekam.
Lillian lachte amüsiert. âSonst hast du damit doch auf keine Probleme.â
Er blickte sie gespielt ernst an. âWürdest du es bitte unterlassen, dir so männerfeindliche Unterwäsche zu kaufen?â
âIch dachte, du liebst Herausforderungen?â Sie schüttelte immer noch lachend den Kopf und lehnte sich ein wenig hoch um den Verschluss zu öffnen.
âNicht dieserart. Aufgrund solcher Verschlüsse wird es noch zu einem Matriarchat kommen.â
âTatsächlich? Also musst du mich für immer bekochen?â Sie grinste amüsiert.
Er streifte ihr den BH ab und betrachtete sie lächelnd. âFür dich würde ich alles tun.â
Sie unterdrückte ein erneutes Lachen und zog ihn an sich. âDanke, du bist klasse.â
âBedanke dich danach.â Er begann ihren Körper mit Küssen zu bedecken.
Lillian schloss lächelnd die Augen. Ihr Körper begann vor Erregung zu zittern. Sie küsste Arturo stürmisch und gab sich ihrer lodernden Leidenschaft hin.
Am nächsten Morgen wurde sie von den ersten zarten Sonnenstrahlen geweckt. Sie lehnte sich zu Arturo und küsste ihn sanft. Er öffnete langsam die Augen und betrachtete sie lächelnd. Lillian kuschelte sich an seine Brust. âDanke für diesen wundervollen Abend.â
Er strich durch ihr Haar. âIch danke dir.â
Sie zog ihn näher an sich und küsste ihn. âBist du glücklich?â
Arturo betrachtete sie lächelnd. âSo glücklich wie noch nie.â Er strich über ihre Wangen. âUnd du?â
Ihre Augen begannen zu tränen. âJa...â Sie nickte. âMir geht es genauso.â
Die Nachmittagssonne brannte auf die dicht befahrenen StraÃen. Lillian lehnte sich an die kahle Hausmauer und starrte auf das Cafe gegenüber. Eine Unruhe machte sich in ihrem Herzen breit, ein eigenartiger Druck erfüllte ihre Magengegend. Sie versuchte gegen ihre zitternden Knie anzukämpfen. Sie dachte an Ana und Arturo. Beide glaubten, sie wäre in den Central Park gegangen um wieder einmal ein paar Stunden einfach nur lesend im Grünen zu verbringen. Das hatte Lillian auch vor, nach dem Cafebesuch. Sie dachte an das Buch in ihrer schwarzen Umhängetasche und überlegte gleich zu gehen. Lillian hatte zwei der Menschen belogen, die sie am meisten liebte. Doch sie hatte es einfach nicht geschafft, die Wahrheit zu sagen. Lillian nahm sich vor, dies so bald wie möglich zu tun, doch zuvor musste sie selbst verstehen. Sie warf einen weiteren Blick auf die Uhr. Er musste bereits eine halbe Stunde auf sie warten. Wie lange würde es wohl dauern, ehe er aufgeben und das Cafe verlassen würde? Lillian atmete tief durch. Sie näherte sich dem Eingang zögernd und blickte durch die gläsernen Fenster. Lillian konnte ihn nirgendwo entdecken, doch das hieà nichts, schlieÃlich hatte das Cafe auch einen hinteren Raum. Ihre Finger zitterten als sie die Tür öffnete und eintrat. Die aufkeimende Hitze nahm ihr für einen Moment den Atem. Wovor hatte sie Angst? Lillian atmete erneut tief durch und ging an die fröhlich plaudernden Gruppen vorbei zum hinteren Raum des Cafes. Vielleicht war er ja gar nicht gekommen. Ihr Blick wanderte durch das Meer an Tischen. Plötzlich entdeckte sie ihn. Am anderen Ende des Raumes, in einer Zeitung vertieft, eine Zigarette rauchend. Lillian musterte ihn Stirn runzelnd. Es konnte kein Irrtum sein. Sie ähnelte ihm eindeutig äuÃerlich und sein Name stimmte mit jenem in Sarahs Briefen an sie überein. Warum hatte sie nicht einfach nur ihre Worte gelesen? Wollte sie wirklich dieserart Kontakt zu einem ihrer leiblichen Elternteile? In dem Moment, in welchem sie sich wieder umdrehen wollte um zu gehen, hob er den Kopf und sah genau in ihre Augen. Eduardo lächelte und deutete ihr sich zu setzen. Lillian seufzte leise und ging an den Tischen vorbei. Sie mühte sich um ein höfliches Lächeln. âHi.â Eine merkwürdige BegrüÃung für eine merkwürdige Begegnung.
âHi.â Er erhob sich, als sie beim Tisch ankam.
Lillian runzelte die Stirn. War dieser Akt der altmodischen Höflichkeit passend? Sie setzte sich, er machte es ihr gleich.
âEs freut mich, dass du gekommen bist.â
Was sollte sie darauf erwidern? Lillian rutschte unruhig auf der kleinen Bank hin und her, welche er ihr von Beginn an überlassen hatte. Er selbst saà auf dem Stuhl gegenüber. âIch wusste nicht, ob ich kommen sollte.â Sagte sie schlieÃlich ehrlich. âDiese Situation ist eigenartig. Ich...ich weià es erst seit wenigen Wochen...dass ich adoptiert wurde, meine ich.â Ihr Hals wurde trocken.
âDas wusste ich nicht...â Er betrachtete sie Stirn runzelnd. âAber eines kann ich dir sagen, diese Situation ist auch für mich nicht alltäglich.â
Lillian gelang ein kurzes Lächeln. âHabe ich Geschwister?â Sie wusste selbst nicht, warum sie ausgerechnet diese Frage stellte. Sie verspürte weder das Verlangen oberflächlichen Smalltalk zu führen, noch war sie bereit dazu die Fragen zu stellen, welche ihr am Herzen brannten.
Eduardo nickte und zog ein Foto aus seinem Portmonee, welches er ihr reichte. âJuan, dein Halbbruder.â
Lillian ergriff das Foto und musterte den kleinen Jungen mit den wirren dunklen Löckchen entzückt. âWie alt ist er?â
Eduardo lächelte. âFast sechs.â
âBist du wieder verheiratet?â Sie reichte ihm das Foto und biss sich auf die Unterlippe. Ging sie das etwas an? Andrerseits war er es gewesen, der sie unbedingt kennen lernen wollte.
âGeschieden. Juan lebt bei seiner Mutter in Oklahoma.â Er steckte das Foto zurück in sein Portmonee.
âSeht ihr euch oft?â
âSo oft es mir möglich ist. Cathleen und ich haben nicht mehr das beste Verhältnis, musst du wissen.â
Lillian nickte. âDas tut mir leid.â Es war von Anfang an eine seltsame Situation gewesen und nun schien es immer seltsamer zu werden. Vor wenigen Wochen hatte sie noch an die Illusionen ihrer Vergangenheit geglaubt, nun saà sie mit ihrem leiblichen Vater in einem Cafe und unterhielt sich mit ihm über dessen Beziehung zu seiner Exfrau. Es war seltsam, unwirklich.
Er zuckte mit den Schultern. âManchmal klappt es eben einfach nicht. Hast du noch andere Geschwister?â
Sie schüttelte den Kopf. âMeine Mutter konnte keine eigenen Kinder bekommen. Sie adoptierten nur mich.â Ihre Stimme stockte. Sie wich seinem Blick aus und überlegte ein weiteres mal, was heute anders wäre, wäre sie mit der Wahrheit anstatt einer Lüge, einer Illusion, aufgewachsen. Was für ein Mensch wäre sie geworden?
âHabt ihr ein gutes Verhältnis?â
Lillian wich seinem Blick erneut aus und fixierte die noch nicht aufgeschlagene Speisekarte. âWir hatten, ja. Wir hatten ein einzigartiges Verhältnis. Meine Eltern verunglückten vor zehn Jahren.â Sie ballte die linke Hand zu einer Faust. Es war ein Fehler gewesen herzukommen. Sie verspürte die Lust aufzustehen und aus dem Cafe zu laufen. Zu flüchten in eine Zeit, die es nicht mehr gab, niemals gegeben hatte.
Eduardo runzelte die Stirn. âDas tut mir leid. Mein Vater ist vor kurzem verstorben. Ich weiÃ, wie weh das tut. Und unser Verhältnis war leider nie sehr gut.â
Lillian schlug die Speisekarte auf und versuchte sich auf die Buchstaben zu konzentrieren.
âMan kann darauf nur Falsches sagen, nicht wahr?â Seine Stimme war sanfter geworden.
Sie sah hoch. âMir wurde schon Schlimmeres geantwortet.â
Er nickte. âBestell was auch immer du möchtest. Wenn du nichts dagegen einzuwenden hast, würde ich dich gerne einladen.â
Lillian runzelte die Stirn. âDas halte ich für nicht angebracht.â Was wollte er von ihr? Er konnte nichts erzwingen, das einfach nicht existierte. Sie dachte an ihre Eltern, die Nachmittage, welche sie in Cafes verbracht hatten.
âOkay.â
âWissen Sie schon, was Sie bestellen möchten?â Die junge Kellnerin musterte die beiden lächelnd.
Eduardo warf Lillian einen fragenden Blick zu. âWeiÃt du es schon, oder sollen wir noch warten?â
Sie schloss die Karte und blickte der noch immer lächelnden Kellnerin in die Augen. âEinen Kaffee, schwarz.â Wie Rosa ihn immer zu trinken gepflegt hatte.
âFür mich dasselbe.â
Als die Kellnerin wieder gegangen war, zündete sich Eduardo eine weitere Zigarette an. âIch habe nie verstanden, wie man Milch in Kaffee lehren kann.â
Lillian zuckte mit den Schultern. âMeine Mutter und ich auch nicht.â Er sollte bloà nicht denken, nur sie beide hätten diese Vorliebe.
âHast du heuer deinen High School Abschluss gemacht?â
Sie nickte. âJa.â
Er lächelte. âEs ist sicherlich ein groÃartiges Gefühl, wenn man es endlich hinter sich hat, nicht?â
Lillian runzelte die Stirn. Wollte er mit dieser Frage auf etwas Bestimmtes abzielen? âJa.â
âWirst du aufs College gehen?â
Er hatte sie beobachten lassen, wusste, wo sie wohnte, und musste sich somit denken können, wie es finanziell um sie stand. âMan gibt mir kein Stipendium. Manche Universitäten antworten nicht einmal, schon gar nicht die NYU...ich werde wohl ab nächster Woche Vollzeit arbeiten. Aber das ist okay. Meine Eltern schafften es auch ohne College.â Sie versuchte neutral zu klingen, Eduardo entging die Bitterkeit in ihrer Stimme jedoch nicht.
âIch war auch nie auf einer höheren Schule.â Er lächelte. âIch bin mir sicher, dass du es auch so schaffen wirst. Kampfgeist liegt in meiner Familie und deine Eltern haben dir offensichtlich noch zusätzlichen mitgegeben. Du hast also die besten Voraussetzungen.â
Die Kellnerin stellte die beiden Kaffeetassen ab. Eduardo dankte ihr mit einem kurzen Lächeln.
âOhne meine Eltern wäre ich wahrscheinlich nicht mehr am Leben.â Es kam kälter rüber als beabsichtigt.
Eduardo nickte. âHör mal, Lillian. Ich versuche mich in keine Rolle zu drängen, die mir nicht zusteht. Das möchte ich nicht. Alles was ich möchte, ist ein kleiner Platz in deinem Herzen. Als Freund. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich weià natürlich, dass es dir nicht leicht fällt, mir zu vertrauen. Das verstehe ich auch. Aber vielleicht könntest du mir eine Chance geben.â
Lillian atmete tief durch und wich seinem Blick aus. âDu sagtest, Sarah wäre eines Tages plötzlich mit mir verschwunden und du hättest uns beide nicht ausfindig machen können. Warum...â Sie blickte ihm direkt in die Augen. â...warum hat sie das getan?â Ein schmerzhafter Druck erfasste ihr Herz erneut. Ihr Hals wurde trocken. Sie nippte schnell an ihrem Kaffee.
Er schüttelte den Kopf. âIch weià es nicht, Lillian. Vieles ist anders gelaufen, als wir es uns gewünscht hatten. Wir hatten einige Probleme. An jenem Abend hatten wir einen üblen Streit. Ich fuhr etwas mit dem Auto durch die Gegend um einen freien Kopf zu bekommen. Als ich zurückkam und nochmals mit ihr über alles sprechen wollte, war sie verschwunden und hatte dich mitgenommen. Warum sie dich aber weggegeben und nicht mit sich, wo immer sie auch hinwollte, genommen hatte, verstehe ich auch nicht.â Er nippte an seinem Kaffee und wich ihrem Blick aus.
Vielen Dank für eure wunderbaren Feedbacks! Habe mich sehr darüber gefreut. :freu:
Ich habe leider gerade wenig Zeit, muss gleich wieder weg, poste aber noch schnell den neuen Teil. Ich hoffe, er gefällt euch. Werde das Re-FB das nächste Mal nachholen.
Freu mich schon sehr auf eure Feedbacks.
Hab euch lieb!
Bussi Selene
38. Teil
Der Himmel begann sich zu verdunkeln. Erst einzelne, kleine Wolken vereinten sich zu gröÃeren. Lillian erreichte den Wohnblock als die ersten zarten Tropfen auf den Asphalt aufschlugen. Sie erinnerte sich einen Moment daran, wie gern sie mit ihrer Mutter im Regen spazieren gegangen war. Sie war immer übermütig von Lacke zu Lacke gehüpft, Rosa hatte sie lachend getadelt. Nach dem Spaziergang hatten sie stets heiÃen Kakao getrunken und Frauengespräche geführt. Lillian hatte ihre Mutter besonders an jenen Nachmittagen gebeten von dem Kennenlernen ihrer Eltern zu erzählen. Diesem Wunsch war Rosa stets gerne nachgekommen. Lillian schüttelte den Kopf, als könnte sie damit die Erinnerungen abschütteln, und betrat das Gebäude. Es war sehr kühl im dunklen Flur. Als Lillian auf das kleine zerschlissene Stofftuch vor den Treppen stieg um sich die Schuhe ein wenig abzustreifen, staubte es auf. Sie strich sich eine Haarsträhne zurück und ging die Treppe hinauf, die rechte Hand am wackeligen Geländer streifend. Lillians Gedanken wanderten zurück zur letzten Nacht. Sarahs Worte hatten sie aufgewühlt. Lillian hatte die Mappe zurückgelegt ohne weiter zu lesen. Sie wusste noch nicht, ob und wann sie weiter lesen würde. Etwas in ihr sträubte sich dagegen. Etwas wollte es auf der Stelle tun. Doch nun hatte sie sich vorgenommen alle Sorgen erst mal beiseite zu schieben. Dieser Abend würde nur Arturo und ihr gehören. Das war sie ihm schuldig. Sie atmete nochmals tief durch, bevor sie an die Tür klopfte. Die Tür knarrte ein wenig, als sie geöffnet wurde. Arturo musterte Lillian lächelnd und deutete ihr hereinzukommen. Die Wohnung durchzog ein verlockender Geruch.
Arturo küsste Lillian kurz, nachdem er die Tür geschlossen hatte, und bat sie schon mal beim dem kleinen Tisch in der Küchennische Platz zu nehmen. Ihre Augen weiteten sich überrascht als sie den Teil des Raumes erblickt hatte. Arturo hatte eine Kerze angezündet, eine Vase mit Rosen und Wein aufgestellt. âDu kannst ja richtig romantisch sein, wenn du möchtest.â Sie lieà sich lächelnd auf einen der Stühle sinken.
âFalls es dir zu kitschig sein sollte, sag mir bescheid. Dann lass ich irgendeine sehr unpassende oder zweideutige Bemerkung fallen.â Er schenkte ihnen etwas Wein ein.
âIch werde mich melden.â Sie beobachtete ihn lächelnd, als er ihre Teller mit Spaghetti und SoÃe füllte. âKann ich dir helfen?â
Arturo stellte die Teller ab und setzte sich. âDafür ist es schon zu spät. Aber ich habe das gerne gemacht. Sollten wir eines Tages heiraten, wirst das ohnehin immer du machen.â
âDanke, jetzt weià ich zumindest, wen ich niemals heiraten werde.â
Er grinste und hob das Glas um mit ihr anzustoÃen. âAuf dich.â
Sie tat es ihm gleich. âAuf mich.â Ein Lachen entwich ihr.
âDu siehst toll aus.â Er stellte das Glas ab und griff nach ihrer Hand.
âAber nicht doch.â Sie winkte theatralisch ab.
âWie war dein Tag?â Fragte Arturo, als sie zum Essen begannen. âIch hoffe, es schmeckt dir.â
âEs ist köstlich.â Lillian schloss kurz lächelnd die Augen um den Bissen zu genieÃen. âIch war schon fast verhungert. Mein Tag war toll. GroÃmama und ich frühstückten, danach gingen wir zum Friedhof und ein wenig spazieren. SchlieÃlich kamen wir wieder zurück und blätterten noch in ein paar alten Fotoalben.â
âAlso ich hasse das, wenn meine GroÃmutter mit mir meine Kinderfotos ansehen möchte.â
Lillian lächelte leicht. âWir haben Fotos meiner Mutter angesehen...â
Eine Falte bildete sich auf seiner Stirn, er blickte sie besorgt an. âEntschuldige.â
Sie schüttelte den Kopf. âDas macht nichts. Du konntest es ja nicht wissen. Fotos von mir selbst mag ich auch nicht.â
âIch würde gerne einmal ein Babyfoto von dir sehen.â
Sie lachte. âLieber nicht.â
âWie war deine Mutter so als kleines Mädchen?â
Lillian lächelte. âSüà und bereits wunderschön. Rosa Vasquez war die schönste Frau der Welt.â
Arturo erwiderte ihr Lächeln.
âMeine Eltern hätten dich gewiss gemocht. Meine Mamá sicherlich sofort, Papá nach kurzer Zeit.â
Er lachte. âSo sind Väter. Mein Vater mag den nun Verlobten meiner kleinen Schwester noch immer nicht.â
âDu doch auch nicht. Aber zumindest hast du aufgehört ihn zu bedrohen.â
âIch habe ihn nie bedroht.â Arturo musterte Lillian empört.
âDu sagtest zu ihm, dass du ihm nicht raten würdest, deiner Schwester näher als einen halben Meter zu kommen. Am selben Abend schliefen wir beide übrigens zum ersten Mal miteinander. Ganz schöne Doppelmoral.â
Arturo grinste. âDu hast zum Glück keinen älteren Bruder. AuÃerdem hab ich dem Kerl nur einen freundlichen Ratschlag gegeben.â
âJa, er war dir gewiss dankbar.â
âDas ist ewig her. Nun verstehen wir uns blendend.â
âNatürlich. Ihr seid die besten Freunde.â
âKomm schon, Lillian. Du kannst auch nicht jeden leiden.â
âJetzt gibst du es zumindest zu.â
Arturo seufzte. âEr ist ein kleiner Idiot und nicht gut genug für María.â
Sie nickte. âWer wäre denn gut genug für sie?â
âAm besten wäre es für sie, würde sie ins Kloster gehen. Wolltest du das hören?â
âDeine Schwester ist fast zwanzig. Zwei Jahre älter als ich.â
âAber du hast ja mich.â Arturo grinste.
âDu bist ganz schön eingebildet.â
âBei so einer Freundin muss ich das doch sein.â
âSchleimer.â
âHat es dir geschmeckt?â Arturo bemerkte Lillians leeren Teller mit einem Lächeln. Sie hatte in den letzten Wochen kaum gegessen.
âEs war wundervoll, danke.â
âMöchtest du noch etwas?â
âNein, danke. Ich bin schon ganz voll.â
âOkay.â Er begann die Teller wegzuräumen.
âDarf ich dir zumindest jetzt helfen?â
âNein, aber mach es dir schon mal am Sofa bequem.â
Sie folgte seinen Worten. Wenige Minuten später setzte Arturo sich zu ihr. Er warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr. âWie lange darf ich denn heute mit dir rechnen.â
Lillian lehnte sich an ihn. âKommt darauf an, was du heute noch vorhast. GroÃmama erwartet mich nicht vor morgen Vormittag. Da muss ich mich dann für die Messe umziehen.â
âWarte einmal...â Er hob ihr Kinn und zwang sie so ihn anzusehen. âAna erlaubt dir hier zu übernachten? Oder bist du offiziell irgendwo anders?â
âSie weià es.â Lillian zucke mit den Schultern. âIch habe versprochen vernünftig zu sein und sie vertraut mir. Allerdings musst du nächste Woche einmal zum Abendessen kommen. Ich möchte, dass ihr euch besser kennen lernt.â
Arturo seufzte. âNa schön. Aber ich werde mich nicht verstellen...â Eine Falte bildete sich auf seiner Stirn. âNicht, dass ich etwas gegen eine Nacht mit dir hätte, aber kommt dir das ganze nicht ein wenig seltsam vor?â
Lillian runzelte die Stirn. âUnser Verhältnis war in letzter Zeit distanzierter meinerseits. Sie wollte mir einfach einen Gefallen tun...â Sie versuchte sich mit diesen Worten vor allem selbst zu überzeugen und die Sorgen um Ana zu unterdrücken. Es war etwas nicht in Ordnung, das fühlte sie.
âNatürlich.â Arturo strich ihr sanft durchs Haar. âEntschuldige. Vergiss, was ich gesagt habe.â Er zog sie sanft auf seinen SchoÃ. âWas bedeutet für Ana denn vernünftig zu sein? Ich will nur wissen, was ich machen darf.â
Lillian strich durch sein Haar. âEs geht darum, was es für mich bedeutet. Würde ich nach GroÃmamas Definition handeln, müsste uns ein ganzes Möbelstück trennen.
Er fuhr über ihre Arme. âDas wäre sehr schade.â
Lillian drohte in seinen Augen zu versinken. âDa hast du Recht.â
Arturo zog sie näher an sich und küsste sie. âDarauf habe ich mich schon den ganzen Tag gefreut.â
Sie lächelte. âIch mich auch.â
âWeiÃt du, ich habe wirklich verdammtes Glück, dass du keinen älteren Bruder hast.â Er zog sie mit sich hoch und trug sie in sein kleines Schlafzimmer, wo er sie sanft aufs Bett absetzte.
âDu hast es heute ganz schön eilig.â Lillian lachte.
âDu ahnst gar nicht wie sehr.â Hauchte er in ihr Ohr und bedeckte ihren Nacken mit Küssen.
Sie schloss lächelnd die Augen und fuhr über seine muskulösen Arme.
Seine Hände glitten langsam zum Reisverschluss ihres Rockes und streiften diesen ab.
Lillian befreite sich selbst und Arturo von ihren Shirts. Sie bedeckte seinen Oberkörper mit Küssen, während er sich seiner Hose entledigte. Seine Hände tasteten sich zum Verschluss ihres BHs. âVerdammt! Was ist denn das für eine dämliche Konstruktion?â Fluchte er, als er ihn nicht sofort aufbekam.
Lillian lachte amüsiert. âSonst hast du damit doch auf keine Probleme.â
Er blickte sie gespielt ernst an. âWürdest du es bitte unterlassen, dir so männerfeindliche Unterwäsche zu kaufen?â
âIch dachte, du liebst Herausforderungen?â Sie schüttelte immer noch lachend den Kopf und lehnte sich ein wenig hoch um den Verschluss zu öffnen.
âNicht dieserart. Aufgrund solcher Verschlüsse wird es noch zu einem Matriarchat kommen.â
âTatsächlich? Also musst du mich für immer bekochen?â Sie grinste amüsiert.
Er streifte ihr den BH ab und betrachtete sie lächelnd. âFür dich würde ich alles tun.â
Sie unterdrückte ein erneutes Lachen und zog ihn an sich. âDanke, du bist klasse.â
âBedanke dich danach.â Er begann ihren Körper mit Küssen zu bedecken.
Lillian schloss lächelnd die Augen. Ihr Körper begann vor Erregung zu zittern. Sie küsste Arturo stürmisch und gab sich ihrer lodernden Leidenschaft hin.
Am nächsten Morgen wurde sie von den ersten zarten Sonnenstrahlen geweckt. Sie lehnte sich zu Arturo und küsste ihn sanft. Er öffnete langsam die Augen und betrachtete sie lächelnd. Lillian kuschelte sich an seine Brust. âDanke für diesen wundervollen Abend.â
Er strich durch ihr Haar. âIch danke dir.â
Sie zog ihn näher an sich und küsste ihn. âBist du glücklich?â
Arturo betrachtete sie lächelnd. âSo glücklich wie noch nie.â Er strich über ihre Wangen. âUnd du?â
Ihre Augen begannen zu tränen. âJa...â Sie nickte. âMir geht es genauso.â
Die Nachmittagssonne brannte auf die dicht befahrenen StraÃen. Lillian lehnte sich an die kahle Hausmauer und starrte auf das Cafe gegenüber. Eine Unruhe machte sich in ihrem Herzen breit, ein eigenartiger Druck erfüllte ihre Magengegend. Sie versuchte gegen ihre zitternden Knie anzukämpfen. Sie dachte an Ana und Arturo. Beide glaubten, sie wäre in den Central Park gegangen um wieder einmal ein paar Stunden einfach nur lesend im Grünen zu verbringen. Das hatte Lillian auch vor, nach dem Cafebesuch. Sie dachte an das Buch in ihrer schwarzen Umhängetasche und überlegte gleich zu gehen. Lillian hatte zwei der Menschen belogen, die sie am meisten liebte. Doch sie hatte es einfach nicht geschafft, die Wahrheit zu sagen. Lillian nahm sich vor, dies so bald wie möglich zu tun, doch zuvor musste sie selbst verstehen. Sie warf einen weiteren Blick auf die Uhr. Er musste bereits eine halbe Stunde auf sie warten. Wie lange würde es wohl dauern, ehe er aufgeben und das Cafe verlassen würde? Lillian atmete tief durch. Sie näherte sich dem Eingang zögernd und blickte durch die gläsernen Fenster. Lillian konnte ihn nirgendwo entdecken, doch das hieà nichts, schlieÃlich hatte das Cafe auch einen hinteren Raum. Ihre Finger zitterten als sie die Tür öffnete und eintrat. Die aufkeimende Hitze nahm ihr für einen Moment den Atem. Wovor hatte sie Angst? Lillian atmete erneut tief durch und ging an die fröhlich plaudernden Gruppen vorbei zum hinteren Raum des Cafes. Vielleicht war er ja gar nicht gekommen. Ihr Blick wanderte durch das Meer an Tischen. Plötzlich entdeckte sie ihn. Am anderen Ende des Raumes, in einer Zeitung vertieft, eine Zigarette rauchend. Lillian musterte ihn Stirn runzelnd. Es konnte kein Irrtum sein. Sie ähnelte ihm eindeutig äuÃerlich und sein Name stimmte mit jenem in Sarahs Briefen an sie überein. Warum hatte sie nicht einfach nur ihre Worte gelesen? Wollte sie wirklich dieserart Kontakt zu einem ihrer leiblichen Elternteile? In dem Moment, in welchem sie sich wieder umdrehen wollte um zu gehen, hob er den Kopf und sah genau in ihre Augen. Eduardo lächelte und deutete ihr sich zu setzen. Lillian seufzte leise und ging an den Tischen vorbei. Sie mühte sich um ein höfliches Lächeln. âHi.â Eine merkwürdige BegrüÃung für eine merkwürdige Begegnung.
âHi.â Er erhob sich, als sie beim Tisch ankam.
Lillian runzelte die Stirn. War dieser Akt der altmodischen Höflichkeit passend? Sie setzte sich, er machte es ihr gleich.
âEs freut mich, dass du gekommen bist.â
Was sollte sie darauf erwidern? Lillian rutschte unruhig auf der kleinen Bank hin und her, welche er ihr von Beginn an überlassen hatte. Er selbst saà auf dem Stuhl gegenüber. âIch wusste nicht, ob ich kommen sollte.â Sagte sie schlieÃlich ehrlich. âDiese Situation ist eigenartig. Ich...ich weià es erst seit wenigen Wochen...dass ich adoptiert wurde, meine ich.â Ihr Hals wurde trocken.
âDas wusste ich nicht...â Er betrachtete sie Stirn runzelnd. âAber eines kann ich dir sagen, diese Situation ist auch für mich nicht alltäglich.â
Lillian gelang ein kurzes Lächeln. âHabe ich Geschwister?â Sie wusste selbst nicht, warum sie ausgerechnet diese Frage stellte. Sie verspürte weder das Verlangen oberflächlichen Smalltalk zu führen, noch war sie bereit dazu die Fragen zu stellen, welche ihr am Herzen brannten.
Eduardo nickte und zog ein Foto aus seinem Portmonee, welches er ihr reichte. âJuan, dein Halbbruder.â
Lillian ergriff das Foto und musterte den kleinen Jungen mit den wirren dunklen Löckchen entzückt. âWie alt ist er?â
Eduardo lächelte. âFast sechs.â
âBist du wieder verheiratet?â Sie reichte ihm das Foto und biss sich auf die Unterlippe. Ging sie das etwas an? Andrerseits war er es gewesen, der sie unbedingt kennen lernen wollte.
âGeschieden. Juan lebt bei seiner Mutter in Oklahoma.â Er steckte das Foto zurück in sein Portmonee.
âSeht ihr euch oft?â
âSo oft es mir möglich ist. Cathleen und ich haben nicht mehr das beste Verhältnis, musst du wissen.â
Lillian nickte. âDas tut mir leid.â Es war von Anfang an eine seltsame Situation gewesen und nun schien es immer seltsamer zu werden. Vor wenigen Wochen hatte sie noch an die Illusionen ihrer Vergangenheit geglaubt, nun saà sie mit ihrem leiblichen Vater in einem Cafe und unterhielt sich mit ihm über dessen Beziehung zu seiner Exfrau. Es war seltsam, unwirklich.
Er zuckte mit den Schultern. âManchmal klappt es eben einfach nicht. Hast du noch andere Geschwister?â
Sie schüttelte den Kopf. âMeine Mutter konnte keine eigenen Kinder bekommen. Sie adoptierten nur mich.â Ihre Stimme stockte. Sie wich seinem Blick aus und überlegte ein weiteres mal, was heute anders wäre, wäre sie mit der Wahrheit anstatt einer Lüge, einer Illusion, aufgewachsen. Was für ein Mensch wäre sie geworden?
âHabt ihr ein gutes Verhältnis?â
Lillian wich seinem Blick erneut aus und fixierte die noch nicht aufgeschlagene Speisekarte. âWir hatten, ja. Wir hatten ein einzigartiges Verhältnis. Meine Eltern verunglückten vor zehn Jahren.â Sie ballte die linke Hand zu einer Faust. Es war ein Fehler gewesen herzukommen. Sie verspürte die Lust aufzustehen und aus dem Cafe zu laufen. Zu flüchten in eine Zeit, die es nicht mehr gab, niemals gegeben hatte.
Eduardo runzelte die Stirn. âDas tut mir leid. Mein Vater ist vor kurzem verstorben. Ich weiÃ, wie weh das tut. Und unser Verhältnis war leider nie sehr gut.â
Lillian schlug die Speisekarte auf und versuchte sich auf die Buchstaben zu konzentrieren.
âMan kann darauf nur Falsches sagen, nicht wahr?â Seine Stimme war sanfter geworden.
Sie sah hoch. âMir wurde schon Schlimmeres geantwortet.â
Er nickte. âBestell was auch immer du möchtest. Wenn du nichts dagegen einzuwenden hast, würde ich dich gerne einladen.â
Lillian runzelte die Stirn. âDas halte ich für nicht angebracht.â Was wollte er von ihr? Er konnte nichts erzwingen, das einfach nicht existierte. Sie dachte an ihre Eltern, die Nachmittage, welche sie in Cafes verbracht hatten.
âOkay.â
âWissen Sie schon, was Sie bestellen möchten?â Die junge Kellnerin musterte die beiden lächelnd.
Eduardo warf Lillian einen fragenden Blick zu. âWeiÃt du es schon, oder sollen wir noch warten?â
Sie schloss die Karte und blickte der noch immer lächelnden Kellnerin in die Augen. âEinen Kaffee, schwarz.â Wie Rosa ihn immer zu trinken gepflegt hatte.
âFür mich dasselbe.â
Als die Kellnerin wieder gegangen war, zündete sich Eduardo eine weitere Zigarette an. âIch habe nie verstanden, wie man Milch in Kaffee lehren kann.â
Lillian zuckte mit den Schultern. âMeine Mutter und ich auch nicht.â Er sollte bloà nicht denken, nur sie beide hätten diese Vorliebe.
âHast du heuer deinen High School Abschluss gemacht?â
Sie nickte. âJa.â
Er lächelte. âEs ist sicherlich ein groÃartiges Gefühl, wenn man es endlich hinter sich hat, nicht?â
Lillian runzelte die Stirn. Wollte er mit dieser Frage auf etwas Bestimmtes abzielen? âJa.â
âWirst du aufs College gehen?â
Er hatte sie beobachten lassen, wusste, wo sie wohnte, und musste sich somit denken können, wie es finanziell um sie stand. âMan gibt mir kein Stipendium. Manche Universitäten antworten nicht einmal, schon gar nicht die NYU...ich werde wohl ab nächster Woche Vollzeit arbeiten. Aber das ist okay. Meine Eltern schafften es auch ohne College.â Sie versuchte neutral zu klingen, Eduardo entging die Bitterkeit in ihrer Stimme jedoch nicht.
âIch war auch nie auf einer höheren Schule.â Er lächelte. âIch bin mir sicher, dass du es auch so schaffen wirst. Kampfgeist liegt in meiner Familie und deine Eltern haben dir offensichtlich noch zusätzlichen mitgegeben. Du hast also die besten Voraussetzungen.â
Die Kellnerin stellte die beiden Kaffeetassen ab. Eduardo dankte ihr mit einem kurzen Lächeln.
âOhne meine Eltern wäre ich wahrscheinlich nicht mehr am Leben.â Es kam kälter rüber als beabsichtigt.
Eduardo nickte. âHör mal, Lillian. Ich versuche mich in keine Rolle zu drängen, die mir nicht zusteht. Das möchte ich nicht. Alles was ich möchte, ist ein kleiner Platz in deinem Herzen. Als Freund. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich weià natürlich, dass es dir nicht leicht fällt, mir zu vertrauen. Das verstehe ich auch. Aber vielleicht könntest du mir eine Chance geben.â
Lillian atmete tief durch und wich seinem Blick aus. âDu sagtest, Sarah wäre eines Tages plötzlich mit mir verschwunden und du hättest uns beide nicht ausfindig machen können. Warum...â Sie blickte ihm direkt in die Augen. â...warum hat sie das getan?â Ein schmerzhafter Druck erfasste ihr Herz erneut. Ihr Hals wurde trocken. Sie nippte schnell an ihrem Kaffee.
Er schüttelte den Kopf. âIch weià es nicht, Lillian. Vieles ist anders gelaufen, als wir es uns gewünscht hatten. Wir hatten einige Probleme. An jenem Abend hatten wir einen üblen Streit. Ich fuhr etwas mit dem Auto durch die Gegend um einen freien Kopf zu bekommen. Als ich zurückkam und nochmals mit ihr über alles sprechen wollte, war sie verschwunden und hatte dich mitgenommen. Warum sie dich aber weggegeben und nicht mit sich, wo immer sie auch hinwollte, genommen hatte, verstehe ich auch nicht.â Er nippte an seinem Kaffee und wich ihrem Blick aus.