Selene
23.05.2006, 07:55
Hallo ihr Lieben!
So, da bin ich wieder mal :biggrin:
Der Gedanke für diese Geschichte schwebt mir schon Ewigkeiten im Kopf rum, nun habe ich endlich begonnen, sie nieder zu schreiben. Selbstverständlich werden auch meine anderen Geschichten weiter gehen.
Ich bin etwas unsicher, wie diese Geschichte hier ankommen wird, da sie nichts mit GG zu tun hat. Da aber hier auch schon andre ihre Out-of-GG Stories gepostet haben, dachte ich mir, ich probiers mal und werde auf jeden fall die ersten Teile posten, damit ihr euch ein Bild machen könnt. Sollte euch die Story gefallen, geht sie auch hier weiter.
Feedbacks sind also sehr erwünscht
Liebe GrüÃe,
Selene
Titel: Nachtigallen
Autor: Selene
Genre: Drama/Romance/Thriller
Raiting: R-16
Plot: Als Lillian zehn Jahre nach dem Tod ihrer geliebten Adoptiveltern erfährt, dass sie adoptiert wurde, begibt sie sich auf die Suche nach ihren Wurzeln und lernt dabei nicht nur über die Geschichte ihrer Mutter, sondern auch über ihre eigene. Ereignisse überschlagen sich und die Schatten der Vergangenheit drohen auch sie hinabzureiÃen in die unendlichen Tiefen des Ozeans.
Disclaimer: Alle Personen sind meiner Fantasie entsprungen. Eventuelle Ãhnlichkeiten mit realen Personen sind nicht beabsichtigt.
Sonstige Bemerkungen/Spoilerwarnung: Freu mich über Feedback jederart, denn nur so kann ich meinen Schreibstil und die Geschichte verbessern.
So, jetzt gehts los:
Prolog
Der Schnee knirschte, als sie den schmalen Weg entlang lief. Die klirrende Kälte erfasste ihre Glieder, ihre Ohren und Wangen begannen zu ertauben. Sie hatte kaum mehr ein Gefühl in den Fingern, als sie das kleine Bündel an sich presste. Ihr kamen nur wenige beruhigende Worte über die Lippen, ihre Stimme versagte. Sie kannte den Weg. Man hatte ihn ihr genau beschrieben. Geahnt hatten sie jedoch nicht, wie schnell sie ihn tatsächlich nutzen musste.
Der Mond verlieh ihrem hellen Haar einen gerade zu betörenden Glanz. Sie hielt kurz um die herausgerutschten Haarsträhnen unter die schwarze Wollhaube zu stecken. Keinesfalls durfte auch nur irgendjemand ahnen, wer sie war. Obwohl ihre FüÃe ersteift waren, versuchte sie, so schnell es nur ging das groÃe Gebäude zu erreichen. Man hatte ihr geraten den Hintereingang zu benützen, es war sicherer. Die Tür war alt und rostig. Sie drehte sich nochmals kurz um, bevor sie klopfte.
Es dauerte kaum zwei Minuten, dass ihr geöffnet wurde. Die Krankenschwester trug eine sehr traditionelle weiÃe Uniform, ihr Haar war schon leicht ergraut. Sie musterte ihr gegenüber mitleidig. Keine Spur von Vorwürfen. „Kommen Sie doch herein!“ Forderte die Krankenschwester sie lächelnd auf. „Wollen Sie einen Tee?“
Die junge Frau trat zögernd ein. Ihre Glieder entspannten sich, kaum hatte sie den warmen Vorraum betreten. Der Geruch von heiÃen Getränken und Lavendel stieg ihr in die Nase. Vor ihr lag ein langer weiÃer Gang, dessen Wände mit bunten Bilder, Zeichnungen und Landschaftsfotografien, behängt waren. Eine junge Krankenschwester ging gerade von einem Zimmer in das andere.
„Kommen Sie.“ Die ältere Dame wies auf einen Raum gleich rechts neben dem Hintereingang. Sie wollte, dass das Mädchen vorging. So als hätte sie Angst, es könnte es sich anders überlegen und weglaufen.
Der Raum war sehr freundlich eingerichtet. Es gab eine kleine Kochnische und gegenüber dieser stand ein kleiner Tisch, um welchen vier Stühle aufgestellt worden waren.
„Darf ich?“ Die Krankenschwester nahm das kleine Bündel und betrachtete es liebevoll, während sich das Mädchen des Mantels und der Handschuhe entledigte.
„Setzen Sie sich. Tee?“
„Nein…danke. Ich…ich habe keine Zeit…“ Sie blickte auf ihre Schuhspitzen.
Die Frau trat näher, reichte ihr das Baby. „Wie heiÃen Sie?“
Das Mädchen wich den Blick nicht von seiner Tochter, streichelte ihr sanft über die Wangen und durch den hellen Haarflaum. Das Baby hatte die Augen seines Vaters. Dieselben Augen, welche fähig waren, andere willenlos zu machen. Die junge Frau hatte inständig gebeten, dass die Kleine dunkelhaarig werden würde, doch ihre hellen Gene hatten sich durchgesetzt.
„Ein schönes Kind.“ Die Krankenschwester lächelte.
Das Mädchen unterdrückte die aufkeimenden Tränen. „Sie ist das schönste Kind, das ich jemals gesehen habe.“
Die ältere Frau strich ihm sanft über den Arm. „Mein Name ist Agatha. Verraten Sie mir Ihren?“
„Melissa.“ Log sie.
„Ein schöner Name. Wie alt sind Sie?“
„Diesen Dezember werde ich zweiundzwanzig.“ Auch das entsprach nicht der Wahrheit. Sie wurde erst zwanzig.
Plötzlich betrat eine junge Frau, etwa in Melissas richtigem Alter, den Raum. Sie musterte das Baby entzückt. „Bist du aber süÃ.“ Ohne die anderen zu beachten, ging sie auf das Kind zu und ergriff dessen kleine Hand. „Hallo.“
„Das ist meine jüngste Tochter. Oksana, das ist Melissa. Oksana hilft bereits im Krankenhaus mit, möchte einmal Medizin studieren.“ Erzählte Agatha stolz.
Melissa nickte. „Freut mich.“ Sie reichte ihr die Hand.
Oksana musterte sie nachdenklich. Sie war wahrscheinlich kaum älter als sie selbst, strahlte aber so viel Erfahrenheit aus. Was mochte ihr wohl passiert sein, dass sie dieses niedliche Baby abgab? Ehrlich wie sie war, begann sie sogleich. „Können wir dir helfen? Vielleicht gibt es ja doch eine Möglichkeit, dass du das Kind behaltest?“
Agatha warf ihr einen warnenden Blick zu. Nach einigen schlechten Erfahrungen hielt sie nichts mehr von zu groÃen Hilfeleistungen. Sie war dafür zuständig neue Eltern für das Kind zu finden. Das musste genügen.
Melissa wich ihren Blicken aus. „Nein. Das hier ist die einzige Möglichkeit.“ Das auszusprechen brach ihr das Herz. Es war endgültig. Es gab kein Zurück mehr. Der Druck auf ihrem Herzen begann ihr die Luft zu nehmen. „Ich will, dass sie es besser hat…sicher ist…auÃerdem möchte ich anonym bleiben….“
„Wir würden Ihre Daten sicher verwahren. Sie können uns vertrauen. Die Daten sind wichtig, sollte Ihre Tochter Sie eines Tages finden wollen.“ Erklärte Agatha mit beruhigender Stimme. Oksana drückte Melissas Hand. Sie wollte ihr so gerne helfen.
Melissa senkte den Blick und atmete tief durch. Eine einzelne Träne rann über ihre blasse Wange. Sie holte ein Kuvert aus ihrer Tasche und reichte es Oksana. „Sollte sie mich eines Tages tatsächlich suchen, wird sie ihr Weg wahrscheinlich zu dir führen…“ Sie blickte sie flehend an. Diesem Mädchen zu vertrauen war ihre einzige Möglichkeit. „…gib ihr das. Es ist wichtig. Sollte sie aber niemals nach mir suchen, umso besser. Und eines noch…“ Diesmal wandte sie sich an Agatha.
„…sie soll an die ersten liebevollen, geeigneten Eltern übergeben werden. Und…“ Ihre Stimme begann zu beben, sie blickte auf das Bild gegenüber, welches einen rot-orangen Sonnenuntergang zeigte. „…ihr Name ist Lillian.“ Mit Tränen in den Augen drückte sie das Baby noch ein letztes Mal an sich und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Oksana nahm nach einer Zeit war, dass Melissa nicht leise sprach, sondern ein Lied in einer fremden Sprache sang. Sie wiegte ihr Kind sanft.
Oksana tauschte einen Blick mit ihrer Mutter, welche ebenfalls Tränen in den Augen hatte. Melissa gab ihr Kind nicht einfach so her. Sie hatte tatsächlich keine andere Wahl, das spürte die Krankenschwester nun.
„Lillian wird die besten Eltern bekommen.“ Versprach Oksana mit erstickter Stimme. Trotz Melissas starker Ausstrahlung, wirkte diese nun so hilflos.
„Ich weiÃ.“ Melissa schenkte Oksana ein leichtes Lächeln. Sie hatte der Tochter der Krankenschwester sofort vertraut. Das gute Menschenkenntnis Melissas Mutter hatte sich diesmal wohl durchgesetzte.
„Du singst sehr schön.“ Lobte Oksana.
Melissa betrachtete ihr Baby ein letztes Mal. „Danke.“ Ihre Hände zitterten, als sie es Oksana reichte. „Meine Mutter hat das immer für mich gesungen.“ Sie ging zum Garderobenständer und zog sich schnell an.
„Melissa, Sie können bei uns noch eine Weile bleiben. Sie sind hier sicher.“ Agatha berührte sanft ihren Arm.
Melissa schüttelte den Kopf. „Ich muss gehen. Achten Sie bitte auf Lillian. Sie ist das Einzige, das ich jemals hatte.“
„Das werden wir.“ Versprach Agatha.
Melissa warf ihnen noch einen letzten, dankbaren Blick zu, bevor sie für immer verschwand.
Es dauerte einen Moment bis sich Oksana wieder gefangen hatte. „Mama, wir müssen ihr nach! Sie wird sich etwas antun!“
„Oksana! Klopfe sofort auf Holz! So etwas sagt man nicht! Schon gar nicht vor Lillian. Sie versteht jedes Wort.“
Oksana hielt diese abergläubischen Rituale für Zeitverschwendung, gehorchte aber ihrer Mutter. „Hast du nicht gehört, was sie gesagt hat?“
Agatha wandte sich von ihr ab, damit sie ihre Tränen nicht sehen konnte. „Oksana, unsere einzige Aufgabe ist das Baby. Sie wollte keine weitere Hilfe und wir hätten ihr diese auch nicht geben können... Da war doch dieses wohlhabende Paar aus Paris, welches keine eigenen Kinder bekommen kann…“
Oksana verzog den Mund. „Das sind keine guten Menschen. Hast du nicht genau hingesehen, Mutter?“ Plötzlich erhellte sich ihr Gesicht. Sie strich Lillian über die rosigen Wangen. „WeiÃt du noch? Dieses Ehepaar aus New York City! Sie warten schon seit einem Jahr! Die beiden wirken liebevoll und ehrlich. AuÃerdem haben sie den Aufstieg von Spanish Harlem in ein wohlhabendes Mittelschichtviertel Brooklyns geschafft! Die beiden wären bessere Vorbilder als zwei arrogante, bereits reich geborene, Franzosen!“
Melissa blickte auf die Tiefen des Meeres unter ihr. Sie erinnerte sich an die Worte ihrer gläubigen GroÃmutter und flüsterte. „Beschützt sie. Sie soll ihren Weg gehen und glücklich werden.“ Zitternd kletterte sie auf die hölzerne Brüstung. Bevor der dunkle Ozean sie verschlang, flüsterte sie noch einmal die letzte Zeile des Liedes.
So, da bin ich wieder mal :biggrin:
Der Gedanke für diese Geschichte schwebt mir schon Ewigkeiten im Kopf rum, nun habe ich endlich begonnen, sie nieder zu schreiben. Selbstverständlich werden auch meine anderen Geschichten weiter gehen.
Ich bin etwas unsicher, wie diese Geschichte hier ankommen wird, da sie nichts mit GG zu tun hat. Da aber hier auch schon andre ihre Out-of-GG Stories gepostet haben, dachte ich mir, ich probiers mal und werde auf jeden fall die ersten Teile posten, damit ihr euch ein Bild machen könnt. Sollte euch die Story gefallen, geht sie auch hier weiter.
Feedbacks sind also sehr erwünscht
Liebe GrüÃe,
Selene
Titel: Nachtigallen
Autor: Selene
Genre: Drama/Romance/Thriller
Raiting: R-16
Plot: Als Lillian zehn Jahre nach dem Tod ihrer geliebten Adoptiveltern erfährt, dass sie adoptiert wurde, begibt sie sich auf die Suche nach ihren Wurzeln und lernt dabei nicht nur über die Geschichte ihrer Mutter, sondern auch über ihre eigene. Ereignisse überschlagen sich und die Schatten der Vergangenheit drohen auch sie hinabzureiÃen in die unendlichen Tiefen des Ozeans.
Disclaimer: Alle Personen sind meiner Fantasie entsprungen. Eventuelle Ãhnlichkeiten mit realen Personen sind nicht beabsichtigt.
Sonstige Bemerkungen/Spoilerwarnung: Freu mich über Feedback jederart, denn nur so kann ich meinen Schreibstil und die Geschichte verbessern.
So, jetzt gehts los:
Kalt ist der Morgen und trüb', es tönt durch die bebenden Zweige
nur der Nachtigall Lied mild in dem brausenden Sturm;
wunderbar lauschet der Hain: so tönt durch die Stürme des Lebens
nur der Liebe Accent, alles verklärend, hindurch.
Sophie Mereau
nur der Nachtigall Lied mild in dem brausenden Sturm;
wunderbar lauschet der Hain: so tönt durch die Stürme des Lebens
nur der Liebe Accent, alles verklärend, hindurch.
Sophie Mereau
Prolog
Der Schnee knirschte, als sie den schmalen Weg entlang lief. Die klirrende Kälte erfasste ihre Glieder, ihre Ohren und Wangen begannen zu ertauben. Sie hatte kaum mehr ein Gefühl in den Fingern, als sie das kleine Bündel an sich presste. Ihr kamen nur wenige beruhigende Worte über die Lippen, ihre Stimme versagte. Sie kannte den Weg. Man hatte ihn ihr genau beschrieben. Geahnt hatten sie jedoch nicht, wie schnell sie ihn tatsächlich nutzen musste.
Der Mond verlieh ihrem hellen Haar einen gerade zu betörenden Glanz. Sie hielt kurz um die herausgerutschten Haarsträhnen unter die schwarze Wollhaube zu stecken. Keinesfalls durfte auch nur irgendjemand ahnen, wer sie war. Obwohl ihre FüÃe ersteift waren, versuchte sie, so schnell es nur ging das groÃe Gebäude zu erreichen. Man hatte ihr geraten den Hintereingang zu benützen, es war sicherer. Die Tür war alt und rostig. Sie drehte sich nochmals kurz um, bevor sie klopfte.
Es dauerte kaum zwei Minuten, dass ihr geöffnet wurde. Die Krankenschwester trug eine sehr traditionelle weiÃe Uniform, ihr Haar war schon leicht ergraut. Sie musterte ihr gegenüber mitleidig. Keine Spur von Vorwürfen. „Kommen Sie doch herein!“ Forderte die Krankenschwester sie lächelnd auf. „Wollen Sie einen Tee?“
Die junge Frau trat zögernd ein. Ihre Glieder entspannten sich, kaum hatte sie den warmen Vorraum betreten. Der Geruch von heiÃen Getränken und Lavendel stieg ihr in die Nase. Vor ihr lag ein langer weiÃer Gang, dessen Wände mit bunten Bilder, Zeichnungen und Landschaftsfotografien, behängt waren. Eine junge Krankenschwester ging gerade von einem Zimmer in das andere.
„Kommen Sie.“ Die ältere Dame wies auf einen Raum gleich rechts neben dem Hintereingang. Sie wollte, dass das Mädchen vorging. So als hätte sie Angst, es könnte es sich anders überlegen und weglaufen.
Der Raum war sehr freundlich eingerichtet. Es gab eine kleine Kochnische und gegenüber dieser stand ein kleiner Tisch, um welchen vier Stühle aufgestellt worden waren.
„Darf ich?“ Die Krankenschwester nahm das kleine Bündel und betrachtete es liebevoll, während sich das Mädchen des Mantels und der Handschuhe entledigte.
„Setzen Sie sich. Tee?“
„Nein…danke. Ich…ich habe keine Zeit…“ Sie blickte auf ihre Schuhspitzen.
Die Frau trat näher, reichte ihr das Baby. „Wie heiÃen Sie?“
Das Mädchen wich den Blick nicht von seiner Tochter, streichelte ihr sanft über die Wangen und durch den hellen Haarflaum. Das Baby hatte die Augen seines Vaters. Dieselben Augen, welche fähig waren, andere willenlos zu machen. Die junge Frau hatte inständig gebeten, dass die Kleine dunkelhaarig werden würde, doch ihre hellen Gene hatten sich durchgesetzt.
„Ein schönes Kind.“ Die Krankenschwester lächelte.
Das Mädchen unterdrückte die aufkeimenden Tränen. „Sie ist das schönste Kind, das ich jemals gesehen habe.“
Die ältere Frau strich ihm sanft über den Arm. „Mein Name ist Agatha. Verraten Sie mir Ihren?“
„Melissa.“ Log sie.
„Ein schöner Name. Wie alt sind Sie?“
„Diesen Dezember werde ich zweiundzwanzig.“ Auch das entsprach nicht der Wahrheit. Sie wurde erst zwanzig.
Plötzlich betrat eine junge Frau, etwa in Melissas richtigem Alter, den Raum. Sie musterte das Baby entzückt. „Bist du aber süÃ.“ Ohne die anderen zu beachten, ging sie auf das Kind zu und ergriff dessen kleine Hand. „Hallo.“
„Das ist meine jüngste Tochter. Oksana, das ist Melissa. Oksana hilft bereits im Krankenhaus mit, möchte einmal Medizin studieren.“ Erzählte Agatha stolz.
Melissa nickte. „Freut mich.“ Sie reichte ihr die Hand.
Oksana musterte sie nachdenklich. Sie war wahrscheinlich kaum älter als sie selbst, strahlte aber so viel Erfahrenheit aus. Was mochte ihr wohl passiert sein, dass sie dieses niedliche Baby abgab? Ehrlich wie sie war, begann sie sogleich. „Können wir dir helfen? Vielleicht gibt es ja doch eine Möglichkeit, dass du das Kind behaltest?“
Agatha warf ihr einen warnenden Blick zu. Nach einigen schlechten Erfahrungen hielt sie nichts mehr von zu groÃen Hilfeleistungen. Sie war dafür zuständig neue Eltern für das Kind zu finden. Das musste genügen.
Melissa wich ihren Blicken aus. „Nein. Das hier ist die einzige Möglichkeit.“ Das auszusprechen brach ihr das Herz. Es war endgültig. Es gab kein Zurück mehr. Der Druck auf ihrem Herzen begann ihr die Luft zu nehmen. „Ich will, dass sie es besser hat…sicher ist…auÃerdem möchte ich anonym bleiben….“
„Wir würden Ihre Daten sicher verwahren. Sie können uns vertrauen. Die Daten sind wichtig, sollte Ihre Tochter Sie eines Tages finden wollen.“ Erklärte Agatha mit beruhigender Stimme. Oksana drückte Melissas Hand. Sie wollte ihr so gerne helfen.
Melissa senkte den Blick und atmete tief durch. Eine einzelne Träne rann über ihre blasse Wange. Sie holte ein Kuvert aus ihrer Tasche und reichte es Oksana. „Sollte sie mich eines Tages tatsächlich suchen, wird sie ihr Weg wahrscheinlich zu dir führen…“ Sie blickte sie flehend an. Diesem Mädchen zu vertrauen war ihre einzige Möglichkeit. „…gib ihr das. Es ist wichtig. Sollte sie aber niemals nach mir suchen, umso besser. Und eines noch…“ Diesmal wandte sie sich an Agatha.
„…sie soll an die ersten liebevollen, geeigneten Eltern übergeben werden. Und…“ Ihre Stimme begann zu beben, sie blickte auf das Bild gegenüber, welches einen rot-orangen Sonnenuntergang zeigte. „…ihr Name ist Lillian.“ Mit Tränen in den Augen drückte sie das Baby noch ein letztes Mal an sich und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Oksana nahm nach einer Zeit war, dass Melissa nicht leise sprach, sondern ein Lied in einer fremden Sprache sang. Sie wiegte ihr Kind sanft.
Oksana tauschte einen Blick mit ihrer Mutter, welche ebenfalls Tränen in den Augen hatte. Melissa gab ihr Kind nicht einfach so her. Sie hatte tatsächlich keine andere Wahl, das spürte die Krankenschwester nun.
„Lillian wird die besten Eltern bekommen.“ Versprach Oksana mit erstickter Stimme. Trotz Melissas starker Ausstrahlung, wirkte diese nun so hilflos.
„Ich weiÃ.“ Melissa schenkte Oksana ein leichtes Lächeln. Sie hatte der Tochter der Krankenschwester sofort vertraut. Das gute Menschenkenntnis Melissas Mutter hatte sich diesmal wohl durchgesetzte.
„Du singst sehr schön.“ Lobte Oksana.
Melissa betrachtete ihr Baby ein letztes Mal. „Danke.“ Ihre Hände zitterten, als sie es Oksana reichte. „Meine Mutter hat das immer für mich gesungen.“ Sie ging zum Garderobenständer und zog sich schnell an.
„Melissa, Sie können bei uns noch eine Weile bleiben. Sie sind hier sicher.“ Agatha berührte sanft ihren Arm.
Melissa schüttelte den Kopf. „Ich muss gehen. Achten Sie bitte auf Lillian. Sie ist das Einzige, das ich jemals hatte.“
„Das werden wir.“ Versprach Agatha.
Melissa warf ihnen noch einen letzten, dankbaren Blick zu, bevor sie für immer verschwand.
Es dauerte einen Moment bis sich Oksana wieder gefangen hatte. „Mama, wir müssen ihr nach! Sie wird sich etwas antun!“
„Oksana! Klopfe sofort auf Holz! So etwas sagt man nicht! Schon gar nicht vor Lillian. Sie versteht jedes Wort.“
Oksana hielt diese abergläubischen Rituale für Zeitverschwendung, gehorchte aber ihrer Mutter. „Hast du nicht gehört, was sie gesagt hat?“
Agatha wandte sich von ihr ab, damit sie ihre Tränen nicht sehen konnte. „Oksana, unsere einzige Aufgabe ist das Baby. Sie wollte keine weitere Hilfe und wir hätten ihr diese auch nicht geben können... Da war doch dieses wohlhabende Paar aus Paris, welches keine eigenen Kinder bekommen kann…“
Oksana verzog den Mund. „Das sind keine guten Menschen. Hast du nicht genau hingesehen, Mutter?“ Plötzlich erhellte sich ihr Gesicht. Sie strich Lillian über die rosigen Wangen. „WeiÃt du noch? Dieses Ehepaar aus New York City! Sie warten schon seit einem Jahr! Die beiden wirken liebevoll und ehrlich. AuÃerdem haben sie den Aufstieg von Spanish Harlem in ein wohlhabendes Mittelschichtviertel Brooklyns geschafft! Die beiden wären bessere Vorbilder als zwei arrogante, bereits reich geborene, Franzosen!“
Melissa blickte auf die Tiefen des Meeres unter ihr. Sie erinnerte sich an die Worte ihrer gläubigen GroÃmutter und flüsterte. „Beschützt sie. Sie soll ihren Weg gehen und glücklich werden.“ Zitternd kletterte sie auf die hölzerne Brüstung. Bevor der dunkle Ozean sie verschlang, flüsterte sie noch einmal die letzte Zeile des Liedes.