Hey! Das ist jetzt wahrscheinlich der bedeutenste Teil, den ich bis jetzt geschrieben hab, denn das ist der letzte Teil der zu der ... "Yorgeschichte" dazugehört. Jetzt beginnt dann die Haupthandlung.
Also, freut euch hier auf das vorrausichtlich letzte Kapitel aus Rorys sicht geschrieben. Viel Spaà mit dem diemal etwas längeren Teil:
Ich habe nie gelauscht, zumindest nicht absichtlich, bis zu dem Abend, als Sarah von ihrem ersten Date mit Dylan zurückkommt. Sie waren im Kino. Sie schleicht in ihr Zimmer und setzt sich an Elenas Bett. âBist du wach?â, fragt sie.
Elena rollt herum und ächzt. âJetzt jaâ, Der Schlaf gleitet von ihr ab wie ein Schal der zu Boden fällt. âWie Warts?â
âTollâ, sagt Sarah und lacht. âSupertoll! Er küsst wirklich gut.â Sie lässt den Köder lässig baumeln.
âDas gibtâs nicht!â Elenas Stimme strahlt. âSag schon, wie war's?â
âWie fliegenâ, antwortet Sarah. âIch wette das fühlt sich genauso an.â
âWie schmeckt Dylan denn?â
âNach Popcorn.â Sie lacht âUnd nach Junge.â
âUnd woher wusstest du, was du machen musst?â
âWusste ich nicht. Es ging ganz von allein. So wie du Hockey spielst.â
Jetzt kann Elena es sich vorstellen. âJaâ, sagt sie, âdabei fühl ich mich wirklich ziemlich gut.â
âDu hast ja keine Ahnungâ, seufzt Sarah. Sie bewegt sich im Zimmer. Ich stelle mir vor, wie sie ihre Sachen auszieht. Ich frage mich, ob Dylan sich jetzt irgendwo das gleiche vorstellt.
Ein Kissen wird zurechtgeklopft, die Bettdecke zurückgeschlagen, das Laken raschelt als Sarah ins Bett steigt und sich auf die Seite rollt. âElena?â
âMm?â
âEr hat innen an den Händen Narben, von der GvHDâ, murmelt Sarah. âIch hab sie gespürt, als wir Händchen gehalten haben.â
âWar das fies?â
âNeinâ, sagt sie. âEs war, als würden wir genau zusammenpassen.â
Zuerst kann ich Sarah nicht überreden, die Transplantation der peripheren Blutstammzellen über sich ergehen zu lassen. Sie weigert sich, weil sie nicht zur Chemo ins Krankenhaus will, nicht die nächsten sechs Wochen un Umkehrisolation sitzen will, wenn sie statt dessen mit Dylan Parker ausgehen könnte. âEs geht um dein Lebenâ, mache ich ihr klar und sie sieht mich an, als wäre ich verrückt.
âGenauâ, sagt sie.
Am Ende vereinbaren wir einen Kompromiss. Das Team in der Onkologie willigt ein, dass Sarah die Chemo, mit der sie auf das Transplantat von Elena vorbereitet wird, ambulant beginnen kann. Zu Hause ist sie bereit einen Mundschutz zu tragen. Bei den ersten Anzeichen dafür, dass ihrer Werte fallen, muss sie ins Krankenhaus. Die Ãrzte sind nicht glücklich damit. Sie befürchten eine Beeinträchtigung der Behandlung, aber sie sehen ebenso wie ich ein, dass Sarah jetzt in einem Alter ist, wo ihr Wille berücksichtigt werden muss.
Die Trennungsangst erweist sich als völlig unbegründet, denn bei Sarahs erstem ambulanten Chemotermin taucht plötzlich Dylan auf. âWas machst du denn hier?â
âIch hatte einfach Sehnsucht nach dem Krankenhausâ, witzelt er. âHallo, Mrs. Huntzberger.â Er setzt sich neben Sarah in einen der Sessel. âGott, tut das gut, mal in so einem Ding zu sitzen, ohne am Tropf zu hängen.â
âSehr taktvollâ, knurrt Sarah.
Dylan legt eine Hand auf ihren Arm. âWie weit bist du?â
âGerade erst angefangen.â
Er steht auf und setzt sich auf die breite Armlehne von Sarahs Sessel, nimmt die Brechschale von ihrem SchoÃ. â100 $, dass du nicht bis drei durchhälst, ohne zu kotzen.â
Sarah blickt zur Uhr. Es ist 14:50. âAbgemacht.â
âWas hast du zuletzt gegessen?â Er grinst spitzbübisch. âOder soll ich anhand der Farben raten?â
âDu bist ekeligâ, sagt Sarah, aber ihr Lächeln ist so breit wie ein Meer. Dylan legt ihr eine Hand auf die Schulter. Sie lehnt sich in seine Berührung hinein.
âWas war die längste Zeit, die du je geschafft hast, ohne zu brechen?â, will Sarah von Dylan wissen. âZwei Tage.â
âNie im leben!â
Die Krankenschwester schaut von ihrem Schreibtisch auf. âDas stimmtâ, bestätigt sie. âIch hab's mit eigenen Augen gesehen.â
Dylan grinst sie an. âHab ich ja gesagt darin bin ich Meister.â Er sieht auf die Uhr: 14:57.
âHast du nichts Besseres zu tun, als hier bei mir zu sein?â, fragt Sarah.
âDu willst dich nur vor unsrer Wette drücken.â
âIch will nur dein Portemonnaie schonen. Obwohl-â
Ehe sie den Satz beenden kann, wird sie grün im Gesicht. Die Krankenschwester und ich springen beide auf, aber Dylan ist schneller. Er hält ihr die Brechschale unters Kinn und als sie anfängt zu würgen, reibt er ihr langsam kreisend über den Rücken.
âIst ja gutâ, beruhigt er sie.
Die Schwester und ich wechseln Blicke. âAnscheinend ist sie in guten Händenâ, sagt sie und geht, um nach einem anderen Patienten zu sehen.
Als Sarah fertig ist, stellt Dylan die Schale beiseite und wischt ihr den Mund mit einem Papiertaschentuch ab, Sie sieht zu ihm hoch, mit leuchtenden Augen, rotem Gesicht und noch immer triefender Nase. âTut mir leidâ, murmelt sie.
âWeswegen?â, fragt Dylan. âMorgen bin ich vielleicht an der Reihe.â
Ich würde gern wissen, ob es allen Müttern in dem Augenblick, wenn die erkennen, dass ihre Töchter erwachsen werden, so ergeht wie mir jetzt â als könnte ich einfach nicht glauben, dass die Wäsche, die ich einst für sie gefaltet habe, puppengroà war; es war doch erst gestern, dass ihre Hand nicht gröÃer war als der Seeigel, den sie am Strand gefunden hatte. Dieselbe Hand, die jetzt die eines Jungen hält. Hat sie nicht eben noch meine gehalten? Zeit ist eine optische Täuschung â nie wirklich so fest oder stark, wie wir glauben. Man sollte meinen, dass ich alles in allem darauf hätte gefasst sein müssen. Aber als ich Sarah ansehe, die diesen Jungen ansieht, wird mir klar, dass ich noch viel zu lernen habe.
âMacht wirklich Spaà mit mirâ, nuschelt Sarah.
Dylan lächelt sie an. âPommesâ, sagt er. âZum Mittagessen.â
Sarah schlägt ihm gegen die Schulter. âDu bist ekelig.â
Er hebt eine Augenbraue. âDu hast die Wette verloren, das ist dir doch wohl klar.â
âLeider hab ich mein Erspartes zu Hause vergessen.â
Dylan tut so als überlegte er angestrengt. âOkay, ich weià was anderes, womit du deine Schulden bezahlen kannst.â
âSexuelle Gefälligkeiten?â, sagt Sarah, die ganz vergessen hat, dass ich noch da bin.
âAch, ich weià nichtâ, lacht Dylan. âSollen wir deine Mom fragen?â
Sie wird puterrot.
âMacht nur so weiterâ, warne ich, âund ihr habt euer nächstes Date bei einer Knochenmarkspunktion.â
âDu hast doch bestimmt von dem Fest gehört, das die hier am Krankenhaus veranstalten, nicht?â Plötzlich wird Dylan ganz nervös. Seine Knie hüpfen auf und nieder. âFür die Kinder, die krank sind. Es sind auch Ãrzte und Krankenschwestern dabei, für alle Fälle, und es findet in einem der Konferenzsäle hier im Krankenhaus statt. Aber ansonsten ist es wie ein ganz normaler Schulball. Du weiÃt schon, lahme Band, hässliche Smokings und der Punsch mit einem Schuss Blutplättchen.â Er schluckt. âDas letzte war ein Witz. Jedenfalls, ich bin letztes Jahr allein hingegangen und das war ziemlich öde, aber da du Patientin bist und ich auch, hab ich gedacht wir könnten dieses Jahr vielleicht zusammen hingehen.â
Mit einer Selbstsicherheit, die ich Sarah nie zugetraut hätte, denkt sie über das Angebot nach. âWann ist das?â âSamstag.â
âIch hab nicht vor, genau an dem Tag ins Gras zu beiÃen.â Sie strahlt in an. âIch würd gern hingehen.â
âSuperâ, sagt Dylan lächelnd. âEcht super.â
Ich frage mich, ob die Wirkung des Medikaments sich verändert, wenn ihr Herz schneller pumpt. Ob ihr dann früher schlecht wird oder später.
Dylan nimmt Sarah in den Arm. Gemeinsam warten sie ab, was als nächstes passiert.
âDer ist zu tiefâ, sage ich, als Sarah sich ein blassgelbes Kleid vorhält. Elena, die in der Boutique auf dem Boden sitzt, verkündet auch ihre Meinung. âDamit sähst du aus wie eine Banane.â
Wir sind seit Stunden auf der Suche nach einem Ballkleid. Sarah hat nur zeit Tage, um sich auf das Fest vorzubereiten und redet über nichts anderes mehr: was sie anziehen soll, wie sie sich schminken soll, ob die Band auch mal was halbwegs Anständiges spielen wird. Ihr Haar ist natürlich kein Thema; nach der chemo hat sie keins mehr. Sie hasst Perücken â sie sagt, die fühlen sich an, als hätte sie irgendwelche Viecher auf dem Kopf -, aber ganz ohne was zu gehen, traut sie sich nicht. Heute hat sie sich ein Batiktuch um den Kopf gewickelt, wie eine stolze, bleiche afrikanische Königin.
Die Realität unserer Shoppingtour hat Sarahs Träume zerplatzen lassen. Kleider, die normale Mädchen auf Schulbällen tragen, sind bauch- oder schulterfrei, und gerade dort ist Sarahs Haut löchrig und vernarbt. Die Verkäuferin, die uns umschwirrt, nimmt Sarah das Kleid aus der Hand.
âEigentlich ist es ganz dezentâ, beteuert sie. âDa wäre kein Brustansatz zu sehen.â
âAch ja, und wäre das hier zu sehen?â, faucht Sarah und öffnet die Knöpfe ihrer Bluse, um den kürzlich ausgetauschten Hickman-Katheter zu zeigen, der ihr mitten aus der Brust wächst.
Die Verkäuferin schnappt nach Luft, ehe sie die Fassung wiedergewinnt. âOhâ, sagt sie schwach.
âSarah!â, fahre ich sie an.
Sie schüttelt den Kopf. âKomm wir gehen.â
Sobald wir drauÃen sind, knöpfe ich sie mir vor. âBloà weil du wütend bist, musst du deine schlechte Laune noch lange nicht an der ganzen Welt auslassen.â
âAch, die blöde Ziegeâ, entgegnet Sarah. âHast du gesehen, wie sie auf mein Kopftuch gestarrt hat?â
âVielleicht hat ihr das Muster gefallenâ, sage ich trocken.
âJa, und vielleicht wache ich morgen früh auf und bin nicht mehr krank.â Ihre Worte fallen schwer wie Felsbrocken zwischen uns. âIch finde einfach kein Kleid. Hätte ich Dylan doch bloà nicht gesagt, dass ich mitgehe.â
âGlaubst du denn, irgendeins von den Mädchen, die auf den Ball gehen, sind besser dran? Die sind alle auf der Suche nach einem Kleid, das Schläuche und Blutergüsse und Drähte und Kolostomiebeutel und Gott weià was abdeckt.â
âDie anderen sind mir egalâ, sagt Sarah. âIch will gut aussehen. Richtig gut, verstehst du, nur für einen Abend.â
âDylan findet dich jetzt schon schön.â
âIch aber nicht!â, schreit Sarah. âIch finde mich nicht schön, Momâ
Es ist ein warmer Tag, die Sonne brennt mir auf Kopf und Rücken. Was soll ich darauf antworten? Ich bin nie Sarah gewesen. Ich habe gebetet und gebettelt und gefleht, dass ich an ihrer Stelle krank werde, eine Art faustischer Handel, aber eben nur in meiner Phantasie.
Mir fällt ein als ich zum ersten (und letzten) mal auf einen Schulball gegangen bin und plötzlich kommt mir eine Idee. âWir nähen die wasâ, schlage ich vor. âUnd du kannst es selbst entwerfen.â
Sarah seufzt- âDu kannst doch gar nicht nähen.â
âDann lern ich's.â
âAn einem Tag?â Sie schüttelt den Kopf. âDu kannst nicht immer alles gutmachen, Mom. Wieso weià ich das und du nicht?â
Sie lässt mich auf dem Bürgersteig stehen und stürmt davon. Elena läuft hinter Sarah her, halt sich bei ihr ein und zerrt sie in einen Laden nicht weit von der Boutique entfernt, während ich den beiden folge.
Es ist ein Haarsalon voller munter plaudernder Kunden und Friseurinnen. Sarah versucht, sich von Elena loszureiÃen, aber Elena kann ziemlich stark sein, wenn sie will.
âHalloâ, sagt Elena zu der jungen Frau am Empfang. âKönnt ihr hier auch Frisuren für Bälle machen?â
âKlarâ, sagt die Frau. âWie die klassische Hochfrisur?â
âJa. Für meine Schwester.â Elena sieht Sarah an, die aufgehört hat sich zu wehren. Ein Lächeln breitet sich langsam auf ihrem Gesicht aus.
âGenau. Für michâ, sagt Sarah verschmitzt und löst das Tuch von ihrem kahlen Schädel.
Jedes Gespräch im Salon erstirbt. Sarah steht kerzengerade da. âWir dachten vielleicht an einen Mozartzopfâ, schlägt Elena vor.
âMit Dauerwelleâ, fügt Sarah hinzu.
Elena kichert. âVielleicht aber auch einen hübschen Dutt.â
Die Frisurin schluckt, hin und her gerissen zwischen Schock und Mitgefühl und Ratlosigkeit. âTja, ähm, vielleicht können wir da was machen.â Sie räuspert sich. âEs gibt ja immerhin die Möglichkeit der, äh, Haarverlängerung.â
âHaarverlängerungâ, wiederholt Elena und Sarah prustet los.
Die Friseurin blickt sich irritiert um. âSoll das vielleicht ein Scherz sein?â
Und jetzt fallen sich meine Töchter hysterisch lachend in die Arme. Sie lachen, bis sie keine Luft mehr bekommen. Sie lachen, bis sie weinen.
Als Anstandsdame beim Ball im Hartford Hospital bin ich für den Punsch zuständig. Wie alles andere, was die Gäste verzehren, ist auch er neutropenisch. Die Krankenschwestern haben einen Konferenzraum in einem Tanzsaal mit allem Drum und Dran verwandelt: Luftschlangen und Diskokugel und stimmungsvolle Beleuchtung.
Sarah und Dylan tanzen zu einer völlig anderen Musik als der die gespielt wird. Sarah trägt ihren obligatorischen blauen Mundschutz. Dylan hat ihr ein Ansteckbukett aus Seidenblumen geschenkt. Weil echte Blumen Krankheitserreger tragen können, die ein iummunsuppremierter Patient nicht abwehren kann.
Letztendlich musste ich ihr doch kein Kleid nähen, sondern meine Mom. Und sie hat sich diesmal selbst übertroffen: Eingoldfarbenes Futteralkleid mit V-Ausschnitt für Sarahs Katheter. Doch darüber trägt sie eine langärmliche, hauchdünne Bluse, die auf Taille geschnitten ist und glitzert, wenn sie sich bewegt, so dass man die seltsamen drei Schläuche, die in Nähe des Brustbeins aus ihrem Körper ragen, auf den ersten Blick für eine Lichttäuschung hält.
Wir haben zig Fotos gemacht, bevor wir aus dem Haus gingen. Als Sarah und Dylan schlieÃloch geflohen waren und im Auto auf mich arteten, sah ich Logan in de rKüche stehen, mit dem Rücken zu mir. âHeâ, sage ich, âWillst du uns nicht zum Abschied winken? Ein bisschen Reis werfen?â
Erst als er sich umdrehte, begriff ich, dass er sich hierher zurückgezogen hatte, um zu weinen. âIch hab nicht gedacht, dass ich sie je so sehen würdeâ, sagte er.
Jetzt reiche ich einem Jungen, dem die Haare langsam ausfallen, eine Tasse Punsch. Der schwarze Kragen seines Smokings ist voll mit kleinen Haarbüscheln. âDankeâ, sagt er und ich sehe, dass er unglaublich schöne Augen hat. Dunkel und ruhig wie ein Panther. Ich schaue wieder auf die Tanzfläche und sehe, dass Sarah und Dylan verschwunden sind.
Und wenn ihr schlecht geworden ist? Und wenn ihm schlecht geworden ist? Ich habe mir fest vorgenommen nicht übervorsichtig zu sein, aber hier sind einfach zu viele Kinder, als dass die Mitarbeiter sie alle im Auge behalten könnten. Ich bitte eine andere Mutter, mich beim Punsch vorübergehend abzulösen und gehe an auf der Damentoilette nachsehen. Ich werfe einen Blick in die Küche. Ich gehe durch leere Flure und dunkle Korridore und sogar in die Kapelle.
Endlich höre ich Sarahs Stimme durch einen Türspalt. Sie und Dylan stehen unter einem hellen Mond und halten Händchen. Der Hof, den sie gefunden haben, ist für die Ãrzte der Tagschicht gedacht.
Ich will gerade fragen, ob alles in Ordnung ist, als Sarah sagt: âHast du Angst vor dem Sterben?â
Dylan schüttelt den Kopf. âEigentlich nicht. Aber manchmal denke ich an meine Beerdigung. Ob die Leute was nettes sagen werden über mich. Ob welche weinen werden ... und so.â Er zögert. âOder ob überhaupt welche kommen.â
âIch kommeâ, verspricht Sarah.
Dylan senkt den Kopf zu Sarah und sie neigt sich näher zu ihm und mir wird klar, dass ich ihnen deshalb gefolgt bin. Ich wusste, dass ich das hier sehen würde und wie Logan wollte auch ich noch ein Bild mehr von unserer Tochter, eines, das ich zwischen den Fingern werde drehen können wie ein Stück Meerglas. Dylan hebt ihren Mundschutz an, und ich weiÃ, ich sollte ihn aufhalten, ich weiÃ, ich müsste, aber ich tu's nicht. Ich möchte, dass sie das erlebt.
Es ist ein wunderschöner Anblick, als sie sich küssen: diese Alabasterköpfe eng aneinander, glatt wie Statuen â eine optische Täuschung, ein Spiegelbild, das sich selbst zurückwirft.
The first time in my life and now it's so great
Slowing down I look around an I am so amazed
I think about the little things that make life great
I wouldn't change a thing about it
This is the best feeling
This innocence is brilliant
I hope that it will stay
This moment is perfect
please don't go away
I need you now
And I'll hold on to it
Don't it let you passin' by
I found a place so safe, not a single tear
The first time in my life and now it's so clear
Feel calm I belong, I'm so happy here
It's so strong and now I let myself be sincere
I wouldn't change a thing about it
This is the best feeling
Als Sarah für ihre Stammzellentransplantation ins Krankenhaus muss, ist sie ein emotionales Wrack. Dabei macht ihr weniger die Flüssigkeit zu schaffen, die in ihren Katheter läuft, als die Tatsache, dass Dylan sich seit drei Tagen nicht mehr bei ihr gemeldet und auch nicht zurückgerufen hat. âHabt ihr euch gestritten?â, frage ich und sie schüttelt den Kopf. âHat er gesagt, dass er irgendwohin muss? Vielleicht war es ein Notfallâ, sage ich. âVielleicht hat es gar nichts mit dir zu tun.â
âVielleicht aber dochâ, wendet Sarah ein.
âDann rächst du dich am besten, indem du schnell wieder so gesund wirst, dass du ihm ordentlich die Meinung sagen kannstâ, stelle ich fest. âBin gleich wieder da.â
Auf dem Flur spreche ich Steh an, Sarahs Lieblingskrankenschwester, die gerade ihren Dienst angetreten hat, Ehrlich gesagt, bin ich genauso verblüfft wie Sarah über Dylans Rückzug. Er wusste schlieÃlich, dass sie wieder ins Krankenhaus musste.
âDylan Parkerâ, frage ich Steph. âWar der heute hier?â
Sie sieht mich an und blinzelt.
âGroÃer Junge, süÃer Typ. Hat sich an meine Tochter rangemachtâ, sage ich im Scherz.
âAch Rory ... Ich hab wirklich gedacht, jemand hätte es Ihnen gesagtâ, antwortet Steph. âEr ist heute morgen gestorben.â
Ich verschweige es Sarah einen Monat lang. Bis zu dem Tag als Dr. Hayes sagt, dass Sarah das Krankenhaus wieder verlassen kann, als Sarah sich bereits eingeredet hat, dass sie Dylan gar nicht braucht. Ich kann nicht mal ansatzweise wiedergeben, welche Worte ich finde; keines ist groà genug, um das Gewicht abzufedern, die Wucht zu lindern. Ich erzähle, dass ich zu Dylan nach Hause gefahren bin und mit seiner Mutter gesprochen habe. Dass sie in meinen Armen zusammengebrochen ist und gesagt hat, sie habe mich ja anrufen wollen, es aber einfach nicht fertiggebracht, weil sie mich so beneidet hat. Sie hat mir erzählt, dass Dylan im 7. Himmel gewesen war, als er von dem Ball nach Hause kam. Dann war er mitten in der Nacht in ihr Schlafzimmer gekommen, mit 41 Grad Fieber. Es war eine Vireninfektion oder vielleicht auch eine Pilzinfektion und zuerst hatte seine Lunge versagt und dann sein Herz und die Ãrzte hatten ihn nach 30 Minuten Kampf schlieÃlich aufgeben müssen.
Aber cih erzähle Sarah nicht alles, was Jenna Parker gesagt hat â ich verschweige, dass sie hinterher zu ihrem Sohn ging, der nicht mehr ihr Sohn war und ihn anstarrte. Dass sie 5 Stunden lang bei ihm saÃ, mit dem sicheren gefühl, er würde jeden Moment aufwachen. Dass sie im Haus nich immer Geräusche von oben hört und meint, Dylan ginge in seinem Zimmer umher und dass diese halbe Sekunde, die ihr geschenkt wird, ehe sie sich wieder an die Wahrheit erinnert, de reinzige Grund für sie ist, morgens aufzustehen.
âSarahâ, sage ich. âEs tut mir so leid.â
Sarahs Gesicht verzeiht sich. âAber ich habe ihn geliebtâ, erwidert sie, als wäre das genug.
âIch weiÃ.â
âUnd du hast es mir nicht gesagt.â
âIch konnte nicht. Weil ich dachte, dann würdest du vielleicht selbst aufhören zu kämpfen.â
Sie schlieÃt die Augen, dreht sich auf dem Kissen zur Seite und weint so hemmungslos, dass die Monitore, an sie noch immer angeschlossen ist, Alarm geben und eine Schwester ins Zimmer kommt.
Ich greife nach Sarah. âSchätzchen, es war besser so für dich.â
Sie weigert sich, in meine Richtung zu blicken. âSprich nicht mit mirâ, murmelt sie. âDas kannst du doch so gut.â
Sieben Tage und elf Stunden lang spricht Sarah kein Wort mehr mit mir. Wir kommen aus dem Krankenhaus nach Hause. Wir halten uns an die Umkehrisolation. Wir machen alles wie immer. Und nachts liege ich im Bett neben Logan und frage mich, wie er schlafen kann. Ich starre an die decke und denke, dass ich meine Tochter verloren habe, noch ehe sie uns verlassen hat.
Bis ich eines Tages einen Blick in ihr Zimmer werfe und sie auf dem Boden sitzen sehe, umgeben von Fotos. Es sind, wie ich mir schon dachte, die Fotos von ihr und Dylan, die wir vor dem Ball aufgenommen haben â Sarg, hübsch zurechtgemacht mit Mundschutz. Dylan hat mit Lippenstift ein Lächeln darauf gemalt, nur für die Fotos, sagte er zumindest.
Sarah hatte furchtbar lachen müssen. Es erscheint mir unvorstellbar, dass dieser Junge, de rnoch vor wenigen Wochen eine so spürbare Präsenz war, nicht mehr da ist. Ein Stich durchfährt mich und gleich darauf mahnt etwas in mir: Gewöhn dich an den Gedanken.
Aber Sarah hat auch ältere Fotos hervorgekramt. Eins mit ihr und Elena am Strand,, wie sie einen Einsiedlerkrebs bestauenen. Eins, auf dem sie an Halloween als Mr. Peanut verkleidet ist.
Auf einem anderen Haufen liegen Fotos aus der Zeit, als sie drei und jünger war. Grinsend im Gegenlicht einer schmaläugigen Sonne, nicht ahnend, wie die zukunft aussehen würde. âIch kann mich nicht erinnern, dass ich sie warâ, sagt Sarah leise und diese ersten Worte bilden eine gläserne Brücke, die unter meinen FüÃen wackelt, als ich ins Zimmer trete.
Ich lege meine Hand neben ihre, fasse den Rand eines Fotos. Es ist an einer Ecke geknickt und zeigt Sarah als kleines Mädchen, dass von Logan in die Luft geworfen wird. Ihr Haar flattert hinter ihr, Arme und Beine hat sie weit von sich gestreckt, und sie ist so vollkommen sicher, dass sie, wenn sie wieder zur Erde fällt, sicher aufgefangen wird, weil sie nichts anderes verdient hat.
âSie war schönâ, fügt Sarah hinzu und streichelt mit ihrem kleinen Finger die rosige Wange des Mädchens.