Vielen Dank ihr beiden!
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Ich weià nicht, wie ich das hier beginnen soll. Es kommt mir so unglaublich, so wahnsinnig vor, aber, was sonst bleibt mir übrig.
Es zu wissen, und doch nicht zu wissen, nimmt mehr Raum in meinem Kopf ein, als ich zulassen sollte. Die einzige, meine letzte Chance Ruhe zu finden ist dir diesen Brief zu schreiben und auf eine Bestätigung zu warten oder in dreiÃig, vierzig Jahren zu begreifen, dass nichts von allem wahr ist, dass du diesen Brief nie bekommen hast.
Ich weià nicht, ob du weiÃt wer ich bin. Ich bin deine Nichte. Mein Name ist Joana Isabella Swan. Selbst wenn du nicht weiÃt wer ich bin, ich weià wer du bist, was du bist oder wenigstens glaube ich es zu wissen.
Ich habe mir nie viele Gedanken über dich gemacht...
Sie schrieb alles auf.
Darüber, wie ihr GroÃvater gestorben ist, über Mr. Newton, über die Dinge, die ihr Dad erzählt hatte, darüber, wie sie mit Finn nach Sitka gefahren ist, darüber, wie groà ihre Verzweiflung war, als sie nichts fanden und dann darüber, wie sie doch noch fand was sie suchte. Ihr Puzzleteil.
Das Puzzleteil, das nur für sie von Bedeutung war, weil sie wusste, wonach sie suchen musste.
Es war an ihrem letzten Tag in Sitka gewesen.
In ihrer letzten Nacht, in dem kleinen Motel, hatte sie wachgelegen, ist alles noch mal durchgegangen und hatte beschlossen, dass es etwas geben musste, etwas, was niemand sonst entdeckt hatte.
Finn war nicht begeistert gewesen und trotzdem hatte sie ihn mit geschleppt.
Sie waren zu Fuà zu der kleinen städtischen Bibliothek gegangen. Sie war nicht sehr weit von ihrem Hotel entfernt und es war ein überraschend angenehmer Morgen.
Ein klares Kontrastprogramm zu den verregneten, trüben, Forks so ähnlichen Tagen. Es war nur eine Idee gewesen, die sie in der letzten Nacht hatte, ihre Hoffnung darauf, tatsächlich etwas zu finden, war eher gering.
Die Bibliothek war in einem eher neuen Gebäude untergebracht.
Zwei groÃe Flügeltüren führten ins Innere.
Direkt neben dem Eingang, bevor man überhaupt Fuà in die überdimensionale Halle voller Bücher setzten konnte, befand sich ein Tresen, nicht sehr groÃ, aber groà genug, dass ihr im ersten Moment die junge Frau dahinter nicht auffiel.
Erst als sie zum zweiten, dritten Mal zum Tresen schaute, entdeckte sie den roten Harrschopf dahinter.
Ohne länger zu warten ging sie auf den Tresen zu. âEntschuldigung?â
Die Frau schaute zu ihr auf, sie war wirklich jung.
Jo zweifelte nicht daran, dass sie noch nicht mal dreiÃig war, doch ihr Alter spielte keine Rolle, sollte keine Rolle spielen.
Alles was sie von ihr brauchte, war eine Information.
âWie kann ich dir helfen?â
Joana biss sich auf die Lippe âGibt es hier zufällig ein Zeitungsarchiv? Wenn möglich, das einer Regionalzeitung?â
Nickend stand die Frau auf. Sie war groÃ, aber nicht dürr, ihre Figur entsprach eher dem Normalbild und sie bewegte sich schnell, innerhalb weniger Sekunden war sie um den Tresen herum gegangen.
âKommt mit!
Sie winkte Jo und Finn hinter sich her.
âEine Gruppe von Studenten hat vor ein paar Jahren ein digitales Archiv angelegt, es ist ganz einfach zu bedienen, einfacher, als die meisten modernen Suchmaschinen.â
Sie führte die Beiden Regalreihe um Regalreihe durch die länglich gezogene Bibliothek.
âDer Sentinel aktualisiert die Datenbank seitdem jeden Tag. Ãber Suchbegriffe spukt das Ding alles aus, was es dazu findet. Hier!â
Sie deutete auf einen Tisch vor sich. Ein einfacher PC, nicht mehr. Kein riesiger Server, nichts, was nach einem Umfangreichen Archiv aussah.
âEr ist an. Ihr müsst nur wissen wonach ihr sucht.â
Finn warf Jo einen skeptischen Blick zu, den sie nur mit einem kurzen Grinsen bedachte, bevor sie sich wieder der Bibliothekarin zuwendete.
âVielen Dank!â
âKein Problem. Schreit, wenn ihr was brauchtâ Die Frau lächelte die beiden an und verschwand dann, kein bisschen langsamer, als sie gekommen waren, in die entgegengesetzte Richtung.
âOk, verrätst du mir jetzt wonach wir suchen?â, fragte Finn, als sie schon auf dem Stuhl, vor dem kleinen Computer platzgenommen hatte.
Sie antwortete ihm nicht, sonder tippte schnell einige Begriffe in die
dafür vorgesehen Spalte ein.
Studenten. Vermisst. Tod. Mord
Finn schaute nicht schlecht, als nur wenige Sekunden später eine Liste mit zahlreichen Schlagzeilen aufgeführt wurde, jeweils mit einem Datum daneben.
Er beobachtete Jo, wie sie langsam ihre Augen darüber gleiten lieÃ.
Leiche einer der Vermissten gefunden. Dezember 2006
Student vermisst. Polizei bittet um Mithilfe. Januar 2007
Todesursache vermutlich Knickbruch durch Fremdeinwirkung. Januar 2007
Weitere Vermisstenmeldungen bekannt. Januar 2007
Polizei hat keine Spur. Januar 2007
Todesursache bestätigt. Identität geklärt. Januar 2007
Polizei bestreitet Zusammenhang zwischen Mordopfer und den Vermissten. Februar 2007
Polizei tappt weiter im Dunkeln Mai 2007
Polizei stellt Ermittlungen ein März 2008
Zweiter Jahres Tag des Verschwindens von vier Studenten - Eltern des gemordeten Studenten werden erwartet. Januar 2009
Mordfall 2007 - Autopsiebericht veröffentlicht Juli 2011
Der letzte Link war der, auf den sie gewartet hatte.
Noch, bevor der Cursor den Link berührte, war ihr klar, dass er die Antwort beinhalten würde.
Juneau.
Vier Jahre nach dem Mord an einem Studenten der University of Alaska Southeast hat die Gerichtsmedizin in Juneau mit Zustimmung der Eltern den Autopsiebericht veröffentlicht.
Bereits 2007 wurde bekannt, dass der zwanzigjährige Student an einem Knickbruch durch Fremdeinwirkung umgekommen war.
Nun wurden noch andere Details an die Ãffentlichkeit getragen. In dem Bericht finden sich Informationen über weitere Verletzungen, die dem Opfer zugefügt worden sind. Mehrere Rippen, sein Arm und der Oberschenkelknochen waren gebrochen, heiÃt es.
Zusätzlich wies sein Körper Bissspuren auf, die eindeutig einem Menschen zuzuordnen sind. Anzahl, Form und Anordnung der Zahnabdrücke lassen keinen Zweifel daran zu.
Laut Polizeisprecher, war der Punkt, der bei den damaligen Ermittlungen im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, ein anderer. Der Körper des Opfers war Blutleer. Am Fundort, der auch als Tatort in Frage gekommen ist, waren aber keine Blutspuren zu finden. Ein weiteres, der bis heute nicht gelösten Rätsel, gibt den Ermittlern eine nicht identifizierbare Flüssigkeit auf, die, die Pathologen an den Rändern der Bisswunde gefunden hatten.
Die Polizei von Alaska erhofft sich, trotz eingestellter Ermittlungen, durch die Veröffentlichung des Gerichtsmedizinischenbefundes weitere Hinweise auf das Verbrechen.
...Als ich mich zu Finn umdrehte war er bleich. Keine Farbe mehr im Gesicht. Er sah in diesem Bericht das gleiche wie ich. Es war eine Bestätigung.
Wir haben bis heute, zwei Wochen nach unserer Rückkehr nach Forks, nicht darüber gesprochen. Wir haben unsere Abmachung, an Vampire zu glauben, gebrochen. Er hat uns angst gemacht, dieser Bericht. Ich sah es ihm an, auf der ganzen langen Fahrt nach Hause. Ich bin mir sicher, dass wir vor verschiedenen Dingen Angst haben. Er vor euch und ich davor enttäuscht zu werden.
Finn hält mich nicht mehr für wahnsinnig, so viel zumindest hat er mir gesagt und trotzdem ist er auf Abstand gegangen. Er kann nicht damit umgehen und ich weià nicht, wie ich es leichter für ihn machen kann. Ich muss selbst erst mal damit klarkommen. Damit das eine fixe Idee Realität geworden ist.
Obwohl ich mir jetzt eigentlich sicher bin, gibt es etwas in mir das immer noch nicht daran glaubt, was du bist, wenn du es denn bist. Ich habe so viele Fragen an dich und weià nicht, ob sie jemals beantwortet werden.
Hast du die Studenten getötet? War es jemand anderes, um nicht zu sagen, etwas anderes? Was ist mit den vermissten Studenten passiert?
Seid ihr deshalb gegangen? Wo wart ihr all die Jahre? Warum bist du zurück gekommen? Wie oft? WeiÃt du von deinem Bruder? Von mir? Beobachtest du uns, wie du deinen Vater beobachtet hast? Warum sind die Cullens mit euch verschwunden? Wie geht es Edward? Dir? Den andern?
Alles was ich gefunden habe, herausgefunden habe, hat mich dichter an die Lösung herangebracht, aber ich bin nicht so weit gekommen, wie ich es insgeheim gehofft hatte. Wenn du lebst, wenn du ein Vampir bist, wenn du ein guter Vampir bist, wenn du diesen Brief jemals findest - Bitte, sag mir, was ich wissen will. Sag es mir, persönlich. Komm mich besuchen. Sprich mit mir. Räum alle Zweifel ein für alle Mal aus.
Wenn du nicht antwortest, werde ich vielleicht in einigen Jahrzehnten aufhören zu glauben, vielleicht werde ich es sogar vergessen, vielleicht. Eigentlich kenne ich mich selbst zu gut, um zu behaupten, dass ich es je vergessen könnte:
Dieser Brief ist Schwachsinn. Nutzlos. Unsinnig. Aber er ist meine letzte Chance endgültig hinter das Geheimnis zu kommen.
Lass mich nicht im Dunkeln tappen.
Sie überflog den Brief noch mal.
Zeile für Zeile. Wort für Wort.
Es war Schwachsinn, Wahnsinn. Und war tatsächlich alles, was ihr noch übrig blieb. Sie hatte nach jedem Halm gegriffen, aber keiner hatte ihr Halt gegeben.
Keiner hatte sie zu der einzigen ultimativen Antwort geführt.
Also, hatte sie ihre Reise notiert, jede Station, jede Vermutung, jede Schlussfolgerung und sie würde den Brief dorthin bringen, wo Bella ihn, sollte sie wirklich noch leben, noch existieren, irgendwann finden würde.
Sie saà an ihrem Schreibtisch, fahles Licht, das erste Licht des Morgens erhellte den Raum, übertönte das grelle Licht der Deckenlampe.
Sie hatte mitten in der Nacht begonnen zu schreiben und eigentlich hatte sie nicht damit gerechnet, dass es so lange dauern würde alles, wirklich alles, zu Papier zu bringen.
Ihre Eltern würden noch für ein paar Stunden schlafen. Immerhin war es ihr erster Urlaubstag, und damit die perfekte Zeit für sie selbst, um einen kleinen Ausflug zu machen.
Sie brauchte nicht lange dafür, sich umzuziehen, kurz ins Bad zu schleichen, die Zähne zu putzen und ihre Haare zu Kämmen.
Und noch weniger Zeit benötigte sie, um im Wohnzimmer einen kleinen weiÃen Umschlag aus einem der Schränke zu fischen und ihn mit fünf groÃen Druckbuchstaben zu versehen.
Bella.
Sie faltete die vier Blätter, die Vorder- und Rückseite, bis auf die letzte Zeile, gefüllt waren und lieà sie in dem Kuvert verschwinden. Das Kuvert wiederum verschwand in der Tasche ihrer braunen Regenjacke, die sie überzog, während sie aus dem Haus ging.Es war nicht so schwer, wie sie erwartet hatte, den Weg zur Villa ein zweites Mal zu finden.
Er hatte sich in ihr Gedächtnis gebrannt, jede StraÃe, jede Abzweigung.
Sie hatte eigentlich keinen sehr guten Orientierungssinn, daher überraschte es sie umso mehr, dass sie sich nicht einmal verfuhr.
Als sie die letzten Meter der überwucherten Auffahrt hinter sich lieÃ, schimmerte das Haus im Licht der aufgehenden Sonne rot vor ihr auf.
Erst jetzt bemerkte sie, dass keine Wolke am Himmel zu sehen war. Es war einer der wenigen, sonnigen Tage in Forks.
Sie hielt ihren Wagen an, dichter beim Haus, als sie in Finn gehalten hatten, als sie zum ersten Mal hier gewesen waren.
Eigentlich hatte sie sich noch gar keine Gedanken darüber gemacht, wo sie den Brief deponieren wollte, aber sehr viele Möglichkeiten hatte sie nicht.
Ohne Finn bestand ihre einzige Möglichkeit ins Haus zu gelangen darin, tatsächlich ein Fenster einzuschlagen, nur, dass ihr die Idee dieses Mal nicht so gut erschien, wie zu vor.
Sie lieà die Tür des Hondas offen stehen.
Sie hatte nicht vor lange zu bleiben, gerade lange genug, um langsam die letzten Meter zum Haus zurück zu legen.
Vor der Haustür, am oberen Treppenabsatz blieb sie stehen und schaute sich um. Ihre Auswahl an Möglichkeiten war mehr als nur stark begrenzt. Die einzige, die sie sah, war den Brief unter der Tür hindurch zu schieben.
Es war die reinste Millimeterarbeit. Zwischen Tür und Boden war kaum genug Platz. Sie brauchte mehrere Minuten, mit hin und her schieben und der Hilfe eines dünnen Astes, schaffte sie es dann doch den Brief vollständig verschwinden zu lassen.
Es geschah mehr aus Gewohnheit, als aus reinem Willen.
Es war eine der Gewohnheiten, die sich im Laufe der Jahre eingeschlichen hatten, nichts groÃes, nur die Tatsache, dass sie, wann immer sie alleine unterwegs war, am Ende ihrer Tour Finn einen Besuch abstattete.
Es war noch sehr Früh, aber er musste schon auf sein, da um neun seine Schicht im Laden anfing. Jetzt war es gerade acht, was auch bedeutete, dass er noch zu Hause sein musste.
Sie hielt ihren Wagen auf dem ihr angestammten Platz, etwa zehn Meter Luftlinie von der Haustür, der Newtons entfernt.
Evelyn öffnete ihr, noch bevor sie dazu gekommen war zu klingeln. Sie begrüÃten sich und Evelyn erklärte ihr im selben, sie habe Jo von ihrem Schlafzimmerfenster aus ankommen gesehen, als sie Joanas überraschtes Gesicht bemerkt hatte.
âFinn ist noch obenâ, fügte seine Mutter gleich darauf noch hinzu. Jo lächelte, nickte und war schon auf halbem Weg zur Treppe, als Evelyn die Tür wieder schloss.
Sie klopfte nicht an als sie Finns Zimmer erreichte, sondern stürmte einfach hinein, wie auch er es immer bei ihr tat.
Er saà auf der Kante seines Betts und rieb sich gerade die Augen, als der Knall, mit dem seine Zimmertür gegen die Wand prallte, ihn auffahren lieÃ.
Er war mehr als überrumpelt darüber sie mit einem Mal in seinem Zimmer stehen zu sehen, aber er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen.
âIch war wieder beim Hausâ, schoss es aus Jo heraus, bevor Finn überhaupt Zeit gehabt hatte ein T-Shirt überzuziehen.
Finn warf ihr einen leeren Blick zu. Sie hatte eigentlich mit etwas mehr Interesse gerechnet, aber anscheinend hatte sie sich geirrt, völlig geirrt. Noch nicht mal ein müdes Brummen, war ihm diese Information wert.
Statt ihr zu antworten erhob er sich von seiner Bettkante und ging nur in Boxershorts an ihr vorbei ins Bad.
Joana hatte keine andere Wahl, als seinen gerade erst verlassenen Platz auf der Bettkante einzunehmen und auf seine Rückkehr zu warten.
Als er dann wieder zurück kam, schaute er dezent an ihr vorbei. Sie war genervt, aber nicht genervt genug, um kampflos das Feld zu räumen. Für einen Augenblick beobachtete sie ihn schweigend, bevor sie wieder anfing zu reden.
âIch habe ihr einen Brief geschrieben. Ich glaube, ich hoffe eigentlich mehr, dass sie immer noch her kommt. Wenn es so ist findet sie ihn.â
Finn, inzwischen in Jeans und T-Shirt, schwieg immer noch.
âFinn?â Sie hakte nach. Er reagierte nicht âFinn?â
Mit einem Mal fuhr er herum und funkelte sie an.
Mit allem hatte sie gerechnet, aber nicht mit der Wut, die in seiner Stimme mitschwang, während er sie anschrie.
âWie deutlich muss ich es machen, damit du es verstehst? Ich will davon nichts mehr hören! Nie wieder! Sitka liegt hinter uns und damit ist die Sache erledigt!â
Sie starrte ihn an. Er atmete tief durch, versuchte sich zusammenzureiÃen.
âDu gehst jetzt besser.â
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