28.05.2005, 22:03
Hi!
Danke schön für eure lieben FBs.
Ich hab schon ein wenig weiter geschrieben uns poste es gleich.
Teil 1
Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft hatte Wilhelm von Humboldt einst gesagt. Ich kenne meine Vergangenheit, doch habe ich eine Zukunft?
Ich konnte nicht mehr genau sagen was mich geweckt hatte. Vielleicht war es das laute Niesen meiner korpulenten Sitznachbarin, das nervende Telefonat meines Vordermannes oder auch einfach nur diese unmenschliche Vollbremsung des Busses.
Es war sehr warm in dem Linienbus. Der Fahrer schien Angst zu haben, dass seine Insassen erfrieren könnten. Ich strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und blickte aus dem Fenster. Der Versuch mich zu orientieren scheiterte zunächst. Als ich schlieÃlich realisierte wo ich mich gerade befand, begann mein Herz zu rasen. Hartford. Wie lange war es nun schon her?
Ich war zuletzt bei der Beerdigung meiner Grandma hier gewesen. Sie war meinem Grandpa nach nur einem halben Jahr gefolgt. Der Gedanke an die Grabesrede lieÃen meine Augen tränen. Ich war Stunden lang an der Rede gesessen. Sie sollte etwas Besonderes werden. Emily Gilmore hatte einen würdigen Abschied verdient. Sie war mir immer eine wundervolle GroÃmutter gewesen.
Aus Höflichkeit meiner Mutter gegenüber blieb ich noch ein paar Tage in Stars Hollow, trotz unseres damals schon sehr abgekühlten Verhältnisses. Dies sollte sich schlieÃlich als groÃer Fehler erweisen. Meine Mutter war nie ein Mensch groÃer Verschwiegenheit gewesen. Sie wartete ab bis Luke und Logan ins Diner gegangen waren um Essen zu holen, setzte die Kinder â natürlich gut versorgt mit zahlreichen Filmen und Popcorn â vor den Fernseher und zog mich die Treppe hinauf. Ich ahnte, worüber sie sprechen wollte. Ich hatte es in ihrem Gesicht gelesen. Ich war schon dankbar gewesen, dass sie nicht sofort auf der Trauerfeier mit ihrer Entdeckung heraus geplatzt war.
âHältst du mich für vollkommen blind?â hatte sie mich gefragt.
Ich hatte nur geseufzt. Was hätte ich ihr antworten sollen? Zu sagen, ich hätte einen groÃen Fehler gemacht, wäre eine Lüge gewesen. Es war kein Fehler. Das und die Scheidung von Logan einige Jahre später waren die einzig richtigen Entscheidungen, die ich jemals getroffen hatte.
âRory, antworte mir!â Ja, der Tonfall unserer Kommunikation hatte sich sehr geändert.
âNein.â
âWas, nein?â
Abstreiten hätte keinen Sinn gehabt. Matt war das Ebenbild seines Vaters. Je älter er wurde, desto mehr ähnelte er ihm. Matt war kein Huntzberger â genauso wenig wie ich.
Der Streit der schlieÃlich gefolgt war, führte zu unserem endgültigen Kontaktabbruch. Sie hatte sich einmal zu oft in mein Leben einzumischen versucht.
Luke wollte uns aufhalten. âGeht nicht auf diese weise auseinander.â Hatte er mir beinahe flehend zugeflüstert, als ich in Logans Auto stieg. Und zum zweiten und letzten Male hatte ich meiner Heimatstadt den Rücken gekehrt.
âDu bist eiskalt geworden.â Ausgerechnet Paris hatte mir dies unverblümt mitgeteilt, als wir uns zwei Wochen später getroffen hatten.
Eiskalt Es war ein Fehler gewesen, ihr von dem letzten Streit mit meiner Mutter zu erzählen. Ich hätte wissen müssen, dass sie es nicht verstehen würde.
Eine erneute Vollbremsung des Busses lieà mich aus meinen Gedanken schrecken.
âStars Hollow.â Verkündete der Busfahrer gutgelaunt. Er hatte eine rauchige, unsympathische Stimme.
Der Weg bis zu der Tür schien endlos. Mit jedem Schritt verstärkte sich der Druck auf meinem Herzen. Je näher ich meinem Ziel kam, desto sicherer wurde ich mir, dass meine schlimme Vorahnung stimmen musste.
Der Fahrer wünschte mir noch einen schönen Tag, bevor ich den Bus verlieÃ. Ich glaubte einen Moment lang, eine gewisse Ironie aus seiner Stimme zu hören.
Es hatte sich nichts verändert. Meine Augen wanderten durch die verschneite Stadt. Es war noch früher Morgen und deshalb noch sehr ruhig. Ich war dankbar nicht später angekommen zu sein.
Ganz Stars Hollow schien in Weihnachtsstimmung zu sein. An jedem Haus waren bereits Lichterketten angebracht, in manchen Gärten und auf einigen Dächern waren Weihnachtsmänner und Rentierschlitten angebracht worden.
Sogar der Pavillon war geschmückt geworden. Ich lächelte. Für einen kurzen Moment fühlte ich mich wieder wie die Person, die ich einst gewesen war.
âRory? Nein, ist das möglich?â
Erschrocken drehte ich mich um und blickte in zwei braune Augen. Die Frau fuhr sich durch ihr schneeweiÃes Haar und lächelte leicht. Ihre Augen und Lippen waren von Fältchen umgeben. Ein Zeichen, dass sie sehr viel gelacht hatte in ihrem Leben. Aber auch die Stirnpartien waren faltig.
âSookie. Hallo.â Ich reichte ihr meine Hand. Es schockierte mich sie so gealtert zu sehen. Mir wurde plötzlich wieder mein eigenes Alter bewusst. Ich war letzten Monat sechzig Jahre alt geworden. Kann man in diesem Alter noch einmal ganz von vorne beginnen?
âOh, Rory.â Sie strich mir über die Wange, als wäre ich das Mädchen von damals. âWarst du schon bei ihr?â
Sieht sie meinen Koffer nicht? âNein. Ich bin gerade erst angekommen.â
Sookie nickte traurig. âSie fragt nach dir. Beinahe jeden Tag.â Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Der Druck auf meinem Herzen wurde unerträglich. Ich glaubte ersticken zu müssen. âEntschuldige. Ich muss zu Mum.â Mum. Wie lange hatte ich dieses Wort nicht benützt?
Wenige Minuten später stand ich vor meinem alten Heimathaus. Mein Herz raste. Was würde mich nun erwarten? Ich hatte Angst, groÃe Angst. Zaghaft ging ich die kleine Treppe hinauf. Meine Finger zitterten als ich anläutete.
Mir wurde sogleich geöffnet. Man hatte mich erwartet.
âRory.â Luke blickte mich traurig an. Sein Haar war vollständig ergraut, in seinem Gesicht hatten sich Fältchen gebildet.
âLuke.â Ich umarmte ihn, eine Geste die mich selbst verwunderte.
Der Mann, der mir immer ein Vater gewesen war, strich mir sanft über den Rücken.
Ich löste mich langsam von ihm. âGeht es Mum gut?â Ich kannte die Antwort bereits.
Er seufzte. âKomm erst mal herein.â
Er schenkte mir, ganz wie in alten Zeiten, eine Tasse Kaffee ein. Wir setzten uns auf die kleine Couch. Ich sah mich um. Mum hatte kaum etwas verändert.
âSie wird immer schwächer, Rory. Sie ist die letzten zwei Jahre sehr oft krank gewesen.â Begann er. Seine Stimme zitterte, er wich meinem Blick aus.
Zwei Jahreâ¦warum haben sie mich nicht eher angerufen? Ich wäre sofort gekommen. Der Druck auf meinem Herzen wurde immer stärker. Ich hatte Angst vor dem, was er mir noch sagen würde.
âVor einem halben Jahr stürzte sie und verletzte sich am Kopf. Seitdem ist ihr Gedächtnis sehr geschwächt. Es gibt gute und schlechte Tage. Es ist vorgekommen, dass sie mich nicht einmal erkannte.â Seine Augen tränten. Ich griff nach seiner Hand und drückte sie sanft.
âIhr Immunsystem ist sehr geschwächt. Sie muss sehr auf ihre Ernährung achten. Zu fetthaltige und koffeinhältige Nahrungsmittel können sehr gefährlich sein, sagte der Arzt.â Luke seufzte traurig.
âWie â¦wie konnte es dazu kommen?â
âSie ist eine alte Frau, Rory. Ihr Körper wird immer kränklicher.â Sagte er leise.
âIst sie oben?â Ich wollte zu meiner Mum. So schnell wie möglich. Ich hielt es im Wohnzimmer nicht mehr aus.
âSie schläft bestimmt noch. Rory, da ist noch etwasâ¦â
Mein Herzschlag setzte aus.
âSie ist wieder an Grippe erkranktâ¦â
Grippe. Grippe ist heilbar. Sie wird wieder gesund. Ganz bestimmt. Ich schluckte die Tränen hinunter. âWir werden sie wieder gesund pflegen.â Meine Stimme überschlug sich. Tränen rannen über meine Wangen.
âIhr Körper ist zu schwach, Rory. Der Arzt gibt ihrâ¦nur noch zwei Wochen.â
Was wissen denn diese so genannten Götter in weià schon von der Willenskraft Lorelai Gilmores? âWie kannst du sie nur so schnell aufgeben? Meine Mum ist schon immer eine Kämpferin gewesen! Sie lässt sich nicht von einer einfachen Grippe unterkriegen!â Ich konnte und wollte die Realität nicht akzeptieren. Ich war die Tochter, die bei ihrer über alles geliebten Mutter sein wollte. Mum, ich brauche dich doch! Ich habe dich immer gebraucht. In jeder Sekunde meines Lebens! Du darfst nicht einfach gehen. Das lass ich nicht zu! Unter Tränen rief ich. âSie wird wieder gesund. Mum wird wieder gesund!â Ich fühlte mich als würde ich ersticken. Luke drückte mich an sich und schluchzte laut.
Es dauerte ganze drei Stunden bis ich fähig war, das Schlafzimmer meiner Mum zu betreten.
Zitternd näherte ich mich ihrem Bett. Sie war ganz blass, ihre Augen hatten jeglichen Glanz verloren. âMumâ¦â Tränen rannen über meine Wangen, als ich mich an den Bettrand setzte.
Sie hob langsam ihre dünne Hand und strich mir etwas unbeholfen über die Wange. âRoryâ¦â Brachte sie nur mühsam hervor. âMeine Rory.â
Ich sank schluchzend auf ihre Brust, setzte mich jedoch schnell wieder auf. Ich hatte Angst ihr weh zu tun.
âNicht weinen.â Flüsterte Mum.
Ich sah sie an, versuchte zu lächeln. âDu wirst wieder gesund. Ganz bestimmt.â
Sie lächelte. âSie lassen mich keinen Kaffee mehr trinken. Kannst du dir das vorstellen?â
âNein.â Ich erwiderte ihr Lächeln.
âWie geht es der kleinen Carol?â Erkundigte sie sich.
Die kleine Carol war mittlerweile beinahe vierzig Jahre alt, lebte in Puerto Rico und erwartete ihr drittes und viertes Kind, es sollten Zwillinge werden. Als hätten sie nicht schon genug Probleme. âEs geht ihr gut.â Antwortete ich schlieÃlich. Es war keine Lüge. Meine Ãlteste schien tatsächlich glücklich mit ihrem Leben zu sein.
âSchön.â Mum lächelte.
Ich strich ihr sanft durch die Haare.
âWas ist nur passiert?â Fragte sie plötzlich.
Ich zögerte. Mum sah mich traurig an. âWir waren wie Freundinnen. Wie konnte das nur passieren? Warum haben wir uns so entfremdet? Ich kann mich nur noch an Teile erinnern⦠da sind so viele Lücken. Was ist passiert, Rory? Ichâ¦verstehe es nicht.â
Ich kann mich an jede Einzelheit erinnern, verstehe es jedoch genauso wenig. Ich wollte die Vergangenheit vergangen sein lassen, wusste jedoch, dass dies nicht so einfach möglich sein würde. Wir mussten endlich über die letzten Jahrzehnte sprechen.
Mum drückte meine Hand und sah mich flehend an. âRory, ich weiÃ, dass es schwer ist. Aber mein Gedächtnis ist so schlecht geworden. Ich möchte, dass wir darüber redenâ¦uns endlich aussprechen...bevor ich sterben werde.â
âDu wirst nicht sterben!â Der Druck auf meinem Herzen wurde stärker. âDu bist eine Kämpferin!â
Sie nickte leicht.
âErinnerst du dich an Matt und Jenny?â
Sie blickte konzentriert auf die Kommode gegenüber, schüttelte schlieÃlich den Kopf. âEs ist furchtbar. Ich weià im tiefsten Inneren, da war etwas. Aber ich kann mich einfach nicht erinnern. Luke sagt, es wäre nicht immer so, ich hätte auch sehr gute Tage. Mir sind einige Teile meines Lebens noch ganz genau in Erinnerung. Ich kann mich beispielsweise noch ganz genau an den Tag des Probelaufes des Dragonfly erinnern. Luke und ich küssten uns an diesem Tag zum ersten Mal.â Sie lächelte. âAber danachâ¦so viele Lückenâ¦â Ihre Augen tränten.
Es war furchtbar für sie. Es schien als wären so viele Jahre ihres Lebens beinahe vollständig ausgelöscht worden.
Sie strich mir sanft über den Handrücken. Es war eine Aufforderung. Ich atmete tief durch und begann zu erzählen. Das war das Mindeste was ich für sie tun konnte.
Ich würd mich wieder sehr über FBs - sowohl positive als auch negative (nur so kann man sich schlieÃlich verbessern ) - freuen
Bussi Selene
Danke schön für eure lieben FBs.
Ich hab schon ein wenig weiter geschrieben uns poste es gleich.
Teil 1
Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft hatte Wilhelm von Humboldt einst gesagt. Ich kenne meine Vergangenheit, doch habe ich eine Zukunft?
Ich konnte nicht mehr genau sagen was mich geweckt hatte. Vielleicht war es das laute Niesen meiner korpulenten Sitznachbarin, das nervende Telefonat meines Vordermannes oder auch einfach nur diese unmenschliche Vollbremsung des Busses.
Es war sehr warm in dem Linienbus. Der Fahrer schien Angst zu haben, dass seine Insassen erfrieren könnten. Ich strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und blickte aus dem Fenster. Der Versuch mich zu orientieren scheiterte zunächst. Als ich schlieÃlich realisierte wo ich mich gerade befand, begann mein Herz zu rasen. Hartford. Wie lange war es nun schon her?
Ich war zuletzt bei der Beerdigung meiner Grandma hier gewesen. Sie war meinem Grandpa nach nur einem halben Jahr gefolgt. Der Gedanke an die Grabesrede lieÃen meine Augen tränen. Ich war Stunden lang an der Rede gesessen. Sie sollte etwas Besonderes werden. Emily Gilmore hatte einen würdigen Abschied verdient. Sie war mir immer eine wundervolle GroÃmutter gewesen.
Aus Höflichkeit meiner Mutter gegenüber blieb ich noch ein paar Tage in Stars Hollow, trotz unseres damals schon sehr abgekühlten Verhältnisses. Dies sollte sich schlieÃlich als groÃer Fehler erweisen. Meine Mutter war nie ein Mensch groÃer Verschwiegenheit gewesen. Sie wartete ab bis Luke und Logan ins Diner gegangen waren um Essen zu holen, setzte die Kinder â natürlich gut versorgt mit zahlreichen Filmen und Popcorn â vor den Fernseher und zog mich die Treppe hinauf. Ich ahnte, worüber sie sprechen wollte. Ich hatte es in ihrem Gesicht gelesen. Ich war schon dankbar gewesen, dass sie nicht sofort auf der Trauerfeier mit ihrer Entdeckung heraus geplatzt war.
âHältst du mich für vollkommen blind?â hatte sie mich gefragt.
Ich hatte nur geseufzt. Was hätte ich ihr antworten sollen? Zu sagen, ich hätte einen groÃen Fehler gemacht, wäre eine Lüge gewesen. Es war kein Fehler. Das und die Scheidung von Logan einige Jahre später waren die einzig richtigen Entscheidungen, die ich jemals getroffen hatte.
âRory, antworte mir!â Ja, der Tonfall unserer Kommunikation hatte sich sehr geändert.
âNein.â
âWas, nein?â
Abstreiten hätte keinen Sinn gehabt. Matt war das Ebenbild seines Vaters. Je älter er wurde, desto mehr ähnelte er ihm. Matt war kein Huntzberger â genauso wenig wie ich.
Der Streit der schlieÃlich gefolgt war, führte zu unserem endgültigen Kontaktabbruch. Sie hatte sich einmal zu oft in mein Leben einzumischen versucht.
Luke wollte uns aufhalten. âGeht nicht auf diese weise auseinander.â Hatte er mir beinahe flehend zugeflüstert, als ich in Logans Auto stieg. Und zum zweiten und letzten Male hatte ich meiner Heimatstadt den Rücken gekehrt.
âDu bist eiskalt geworden.â Ausgerechnet Paris hatte mir dies unverblümt mitgeteilt, als wir uns zwei Wochen später getroffen hatten.
Eiskalt Es war ein Fehler gewesen, ihr von dem letzten Streit mit meiner Mutter zu erzählen. Ich hätte wissen müssen, dass sie es nicht verstehen würde.
Eine erneute Vollbremsung des Busses lieà mich aus meinen Gedanken schrecken.
âStars Hollow.â Verkündete der Busfahrer gutgelaunt. Er hatte eine rauchige, unsympathische Stimme.
Der Weg bis zu der Tür schien endlos. Mit jedem Schritt verstärkte sich der Druck auf meinem Herzen. Je näher ich meinem Ziel kam, desto sicherer wurde ich mir, dass meine schlimme Vorahnung stimmen musste.
Der Fahrer wünschte mir noch einen schönen Tag, bevor ich den Bus verlieÃ. Ich glaubte einen Moment lang, eine gewisse Ironie aus seiner Stimme zu hören.
Es hatte sich nichts verändert. Meine Augen wanderten durch die verschneite Stadt. Es war noch früher Morgen und deshalb noch sehr ruhig. Ich war dankbar nicht später angekommen zu sein.
Ganz Stars Hollow schien in Weihnachtsstimmung zu sein. An jedem Haus waren bereits Lichterketten angebracht, in manchen Gärten und auf einigen Dächern waren Weihnachtsmänner und Rentierschlitten angebracht worden.
Sogar der Pavillon war geschmückt geworden. Ich lächelte. Für einen kurzen Moment fühlte ich mich wieder wie die Person, die ich einst gewesen war.
âRory? Nein, ist das möglich?â
Erschrocken drehte ich mich um und blickte in zwei braune Augen. Die Frau fuhr sich durch ihr schneeweiÃes Haar und lächelte leicht. Ihre Augen und Lippen waren von Fältchen umgeben. Ein Zeichen, dass sie sehr viel gelacht hatte in ihrem Leben. Aber auch die Stirnpartien waren faltig.
âSookie. Hallo.â Ich reichte ihr meine Hand. Es schockierte mich sie so gealtert zu sehen. Mir wurde plötzlich wieder mein eigenes Alter bewusst. Ich war letzten Monat sechzig Jahre alt geworden. Kann man in diesem Alter noch einmal ganz von vorne beginnen?
âOh, Rory.â Sie strich mir über die Wange, als wäre ich das Mädchen von damals. âWarst du schon bei ihr?â
Sieht sie meinen Koffer nicht? âNein. Ich bin gerade erst angekommen.â
Sookie nickte traurig. âSie fragt nach dir. Beinahe jeden Tag.â Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Der Druck auf meinem Herzen wurde unerträglich. Ich glaubte ersticken zu müssen. âEntschuldige. Ich muss zu Mum.â Mum. Wie lange hatte ich dieses Wort nicht benützt?
Wenige Minuten später stand ich vor meinem alten Heimathaus. Mein Herz raste. Was würde mich nun erwarten? Ich hatte Angst, groÃe Angst. Zaghaft ging ich die kleine Treppe hinauf. Meine Finger zitterten als ich anläutete.
Mir wurde sogleich geöffnet. Man hatte mich erwartet.
âRory.â Luke blickte mich traurig an. Sein Haar war vollständig ergraut, in seinem Gesicht hatten sich Fältchen gebildet.
âLuke.â Ich umarmte ihn, eine Geste die mich selbst verwunderte.
Der Mann, der mir immer ein Vater gewesen war, strich mir sanft über den Rücken.
Ich löste mich langsam von ihm. âGeht es Mum gut?â Ich kannte die Antwort bereits.
Er seufzte. âKomm erst mal herein.â
Er schenkte mir, ganz wie in alten Zeiten, eine Tasse Kaffee ein. Wir setzten uns auf die kleine Couch. Ich sah mich um. Mum hatte kaum etwas verändert.
âSie wird immer schwächer, Rory. Sie ist die letzten zwei Jahre sehr oft krank gewesen.â Begann er. Seine Stimme zitterte, er wich meinem Blick aus.
Zwei Jahreâ¦warum haben sie mich nicht eher angerufen? Ich wäre sofort gekommen. Der Druck auf meinem Herzen wurde immer stärker. Ich hatte Angst vor dem, was er mir noch sagen würde.
âVor einem halben Jahr stürzte sie und verletzte sich am Kopf. Seitdem ist ihr Gedächtnis sehr geschwächt. Es gibt gute und schlechte Tage. Es ist vorgekommen, dass sie mich nicht einmal erkannte.â Seine Augen tränten. Ich griff nach seiner Hand und drückte sie sanft.
âIhr Immunsystem ist sehr geschwächt. Sie muss sehr auf ihre Ernährung achten. Zu fetthaltige und koffeinhältige Nahrungsmittel können sehr gefährlich sein, sagte der Arzt.â Luke seufzte traurig.
âWie â¦wie konnte es dazu kommen?â
âSie ist eine alte Frau, Rory. Ihr Körper wird immer kränklicher.â Sagte er leise.
âIst sie oben?â Ich wollte zu meiner Mum. So schnell wie möglich. Ich hielt es im Wohnzimmer nicht mehr aus.
âSie schläft bestimmt noch. Rory, da ist noch etwasâ¦â
Mein Herzschlag setzte aus.
âSie ist wieder an Grippe erkranktâ¦â
Grippe. Grippe ist heilbar. Sie wird wieder gesund. Ganz bestimmt. Ich schluckte die Tränen hinunter. âWir werden sie wieder gesund pflegen.â Meine Stimme überschlug sich. Tränen rannen über meine Wangen.
âIhr Körper ist zu schwach, Rory. Der Arzt gibt ihrâ¦nur noch zwei Wochen.â
Was wissen denn diese so genannten Götter in weià schon von der Willenskraft Lorelai Gilmores? âWie kannst du sie nur so schnell aufgeben? Meine Mum ist schon immer eine Kämpferin gewesen! Sie lässt sich nicht von einer einfachen Grippe unterkriegen!â Ich konnte und wollte die Realität nicht akzeptieren. Ich war die Tochter, die bei ihrer über alles geliebten Mutter sein wollte. Mum, ich brauche dich doch! Ich habe dich immer gebraucht. In jeder Sekunde meines Lebens! Du darfst nicht einfach gehen. Das lass ich nicht zu! Unter Tränen rief ich. âSie wird wieder gesund. Mum wird wieder gesund!â Ich fühlte mich als würde ich ersticken. Luke drückte mich an sich und schluchzte laut.
Es dauerte ganze drei Stunden bis ich fähig war, das Schlafzimmer meiner Mum zu betreten.
Zitternd näherte ich mich ihrem Bett. Sie war ganz blass, ihre Augen hatten jeglichen Glanz verloren. âMumâ¦â Tränen rannen über meine Wangen, als ich mich an den Bettrand setzte.
Sie hob langsam ihre dünne Hand und strich mir etwas unbeholfen über die Wange. âRoryâ¦â Brachte sie nur mühsam hervor. âMeine Rory.â
Ich sank schluchzend auf ihre Brust, setzte mich jedoch schnell wieder auf. Ich hatte Angst ihr weh zu tun.
âNicht weinen.â Flüsterte Mum.
Ich sah sie an, versuchte zu lächeln. âDu wirst wieder gesund. Ganz bestimmt.â
Sie lächelte. âSie lassen mich keinen Kaffee mehr trinken. Kannst du dir das vorstellen?â
âNein.â Ich erwiderte ihr Lächeln.
âWie geht es der kleinen Carol?â Erkundigte sie sich.
Die kleine Carol war mittlerweile beinahe vierzig Jahre alt, lebte in Puerto Rico und erwartete ihr drittes und viertes Kind, es sollten Zwillinge werden. Als hätten sie nicht schon genug Probleme. âEs geht ihr gut.â Antwortete ich schlieÃlich. Es war keine Lüge. Meine Ãlteste schien tatsächlich glücklich mit ihrem Leben zu sein.
âSchön.â Mum lächelte.
Ich strich ihr sanft durch die Haare.
âWas ist nur passiert?â Fragte sie plötzlich.
Ich zögerte. Mum sah mich traurig an. âWir waren wie Freundinnen. Wie konnte das nur passieren? Warum haben wir uns so entfremdet? Ich kann mich nur noch an Teile erinnern⦠da sind so viele Lücken. Was ist passiert, Rory? Ichâ¦verstehe es nicht.â
Ich kann mich an jede Einzelheit erinnern, verstehe es jedoch genauso wenig. Ich wollte die Vergangenheit vergangen sein lassen, wusste jedoch, dass dies nicht so einfach möglich sein würde. Wir mussten endlich über die letzten Jahrzehnte sprechen.
Mum drückte meine Hand und sah mich flehend an. âRory, ich weiÃ, dass es schwer ist. Aber mein Gedächtnis ist so schlecht geworden. Ich möchte, dass wir darüber redenâ¦uns endlich aussprechen...bevor ich sterben werde.â
âDu wirst nicht sterben!â Der Druck auf meinem Herzen wurde stärker. âDu bist eine Kämpferin!â
Sie nickte leicht.
âErinnerst du dich an Matt und Jenny?â
Sie blickte konzentriert auf die Kommode gegenüber, schüttelte schlieÃlich den Kopf. âEs ist furchtbar. Ich weià im tiefsten Inneren, da war etwas. Aber ich kann mich einfach nicht erinnern. Luke sagt, es wäre nicht immer so, ich hätte auch sehr gute Tage. Mir sind einige Teile meines Lebens noch ganz genau in Erinnerung. Ich kann mich beispielsweise noch ganz genau an den Tag des Probelaufes des Dragonfly erinnern. Luke und ich küssten uns an diesem Tag zum ersten Mal.â Sie lächelte. âAber danachâ¦so viele Lückenâ¦â Ihre Augen tränten.
Es war furchtbar für sie. Es schien als wären so viele Jahre ihres Lebens beinahe vollständig ausgelöscht worden.
Sie strich mir sanft über den Handrücken. Es war eine Aufforderung. Ich atmete tief durch und begann zu erzählen. Das war das Mindeste was ich für sie tun konnte.
Ich würd mich wieder sehr über FBs - sowohl positive als auch negative (nur so kann man sich schlieÃlich verbessern ) - freuen
Bussi Selene