23.07.2005, 18:40
Hallo ihr Lieben!
Geht schon weiter.
Hoffe euch gefällt der neue Teil.
11. Teil
Meine Augen brannten. Ich spürte Mums Hand, welche sanft über meinen Kopf strich. Ich kuschelte mich an ihre Brust.
Mum war für mich da, so wie sie immer für mich da gewesen war. Dabei war ich es doch, welche für sie da sein sollte.
Meine Mutter und meine Tochter⦠würden sie mir jemals vergeben können?
âEs ist niemals zu spät.â Sagte Mum plötzlich.
Doch, das war es. Carol hatte ihre eigene Familie.
Und wie würde Mum reagieren wenn sie all das erfahren würde, dem sie sich anscheinend nicht mehr entsinnen konnte?
Ich musste es ihr erzählen. Ich war es ihr schuldig. Aber ich konnte es nicht.
âEs war ein kalter Tag.â Meinte Mum.
Ich blickte sie verunsichert an. Hatte ich etwas überhört?
Mum seufzte und strich mir sanft über die Wange. âAls ich sie gesehen habe, war da plötzlich diese Szene. Sie hat mir etwas Wichtiges erzählt.â
Mein Herzschlag wurde schneller. âKannst du dich erinnern, was es war?â
Mums Augen füllten sich mit Tränen. âNein.â Sie sah mich nicht an. Ich spürte, dass sie mir nicht die Wahrheit sagte. Warum belog sie mich? Woran hatte sie sich erinnert?
Ich spürte einen Druck auf meinem Herzen, der mir die Luft zu nehmen drohte.
Carol kaute lustvoll an ihrem Stück Pizza. Ihr Onkel beobachtete sie grinsend.
âDu bist doch nicht etwa hungrig?â
âNein, gar nicht.â Sie lachte.
Er reichte ihr den Aufsatz. âEin Meisterwerk. Aus dir wird einmal eine groÃe Schriftstellerin.â
Schriftstellerin war Carols derzeitiger Berufswunsch. Sie lächelte. Carol wusste, dass ihr Onkel stets ehrlich zu ihr sein würde. Er war ihre wichtigste Bezugsperson neben ihren GroÃeltern aus Stars Hollow, welche sie jedoch aufgrund der groÃen Distanz nicht sehr oft sehen konnte.
Ihren anderen GroÃeltern war sie relativ egal, sie interessierten sich nur für ihren drei-jährigen Bruder, welcher im Herbst in einen teuren Privatkindergarten kommen sollte. Ihre Mutter empfand das als übertrieben, doch deren Meinung betrachteten sie genauso wenig als von Bedeutung als Carols.
Ihr Vater würde sie vielleicht auch loben. Aber hauptsächlich wegen ihres ÃuÃeren. Carol hatte das Gefühl, Logan hielte sie für dumm. Ihre Kommunikation war stets sehr oberflächlich gewesen und er wollte ihr Dinge erklären, über welche sie schon längst bescheid wusste.
Carol hatte sich schon oft vorgestellt wie es wäre Sheilas Schwester zu sein. In dem groÃen Haus in dem ruhigen Viertel aufzuwachsen. Rogers Tochter zu sein. So sehr sie ihre Cousine liebte, so sehr beneidete sie diese auch. Sheila war wunderschön, hatte liebevolle Eltern und war beliebt. Sie war seit Kindestagen ihre beste Freundin. Carol seufzte.
âDu bist traurig, weil Sheila nun nicht mehr so viel Zeit mit dir verbringen kann.â Erriet Roger.
Sie nickte. âSheila hat immer lange Schule und danach muss sie lernen oder trifft Mike.â Carol verzog den Mund. Sie mochte den ersten richtigen Freund ihrer Cousine nicht.
âBald sind Ferien, da könnt ihr euch wieder öfters sehen. Und bald wirst auch du einen Freund haben.â Er zwinkerte.
Carol lachte. âHoffentlich.â Sie hatte sich bis jetzt noch sehr wenig für Jungs interessiert. Und wenn, waren diese viel älter als sie.
Roger strich ihr über den Handrücken. âDu weiÃt, dass du jederzeit herkommen kannst. Und ich hoffe, dass wir unser kleines Donnerstagsritual beibehalten werden.â
Sie nickte lächelnd. Er gab ihr das Gefühl, dass sie ihm wichtig war. Carol fühlte sich in der Schule und bei ihren Eltern immer überflüssig. Wie ein lästiger Stein im Schuh, welchen man nicht sofort entfernen konnte.
âWir haben eine ganz besondere Beziehung.â Meinte Roger.
Carol nickte wieder. Sie teilten etwas, was er mit sonst niemandem teilte. Nicht einmal mit Tante Marcy oder Sheila. Es war ihr kleines Geheimnis, es gehörte ihnen ganz alleine.
âMum?â Ich blickte sie fragend an.
Für einen kurzen Moment schien es als wolle sie etwas sagen. Ihr Mund öffnete sich ein wenig, sie runzelte die Stirn.
Ich begann zu zittern, ohne zu wissen warum.
Plötzlich wurde die Tür geöffnet.
Carol und Carmen betraten das Schlafzimmer.
âUroma!â Carmen stürmte auf Mum zu.
Diese lächelte. Ich weià nicht, ob sie sich erinnern konnte, aber sie lieà es sich nicht anmerken.
âHallo Carmen. Wie gefällt dir der Schnee?â Fragte ich.
Ihre Augen â Mums, meine, Carols Augen â strahlten mich an. âWunderschön. Ich habe mich wie eine Prinzessin gefühlt.â Der Schnee glitzerte noch in ihren dunklen Haaren.
âDu bist eine Prinzessin.â Mum lächelte. âAuch ich liebe den Schnee. Deine GroÃmutter und ich sind oft durch die Schneelandschaft spaziert. Der Schnee hat etwas Beruhigendes, etwas Bezauberndes. Er ist zeitlos. Es hat ihn immer gegeben. Und die Schneeflocken⦠Gefrorener Regen. Frei und unbeschwert lassen sie sich vom Wind tragen. Das war immer so und wird auch immer so sein.â Ihre Augen blitzten.
Carmen lächelte und zog einen kleinen Block aus der Hosentasche. âIch habe eine Geschichte für dich geschrieben. Möchtest du sie hören?â
âNichts lieber als das.â
Ich stand auf, damit sich meine Enkelin auf den Stuhl setzen konnte.
âIch werde mich ein wenig hinlegen.â Sagte Carol und griff sich auf ihren Bauch.
âAlles in Ordnung?â Ich war besorgt. Sie hätte nicht fliegen dürfen. Das war eine zu groÃe Belastung gewesen.
âJa. Ich bin nur ein wenig müde.â
âWo sind denn Ramon und Luke? Sie sollen dir einen Tee machen. Und du musst essen.â Die ungeborenen Kinder brauchten eine Stärkung.
âSie sind irgendwo hingefahren. Ichâ¦ich weià es nicht mehr.â Sie griff sich an die Stirn. âIch brauche nichts, danke.â Erst jetzt bemerkte ich, wie sehr sie schwitzte.
Ich nahm ihre Hand. âIch helfe dir. Du wirst dich sofort hinlegen und ich werde dir einen Tee machen. Und den wirst du gefälligst auch trinken!â Ich kannte die Gilmorsche Teeabneigung nur allzu gut.
âHör auf deine Mutter! Man überlebt es, glaub es mir.â Mum zwinkerte. Carmen grinste.
Carol lächelte leicht. âAlso gut. Ich werde den verdammten Tee trinken, aber erwarte bloà nicht, dass ich dabei lächle.â
âNein, du darfst dabei sogar fluchen.â Ich half ihr in ihr Zimmer und ging dann in die Küche um einen Tee für sie und einen starken Kaffee für mich zu kochen.
âDu bist viel zu streng zu ihr.â Kritisierte Mum.
Ich seufzte und bereute es Mum überhaupt davon erzählt zu haben. Wir telefonierten zweimal die Woche. Ich hätte ihr genug andere Dinge erzählen können. âSie war frech, Mum.â
âDas hat diese Beatrice behauptet. Hast du dir auch Carols Seite angehört?â
âMum, bitte. Sie hat ihre GroÃmutter einen überheblichen Snob geheiÃen.â
âLogan gibt seiner Tochter also eine Woche Hausarrest, weil sie ehrlich war? Die Zeiten haben sich wirklich geändertâ Mum hasste Beatrice aus tiefstem Herzen.
Mir ging es nicht anders. Ich fand die Strafe auch übertrieben, schlieÃlich war Carol erst vierzehn und in der schwierigsten Phase ihrer Pubertät. AuÃerdem konnte ich mir sogar vorstellen, dass der Satz in der Situation durchaus angebracht gewesen war. Die traurige Wahrheit war, dass mich die Auseinandersetzungen mit Logan und seiner Mutter psychisch so fertig machten, dass ich oft nicht mehr widersprechen konnte. Sie hatten mich unterdrückt, wie es Mum prophezeit gehabt hatte. Das Schlimmste war jedoch, dass ich es nicht wahr haben wollte. Die Kunst mir selbst etwas vorzumachen beherrschte ich mittlerweile tadellos.
Logan war es gewesen, der die Strafe bestimmt hatte. Doch ich war es, welche diese überbringen musste. Logan wollte schlieÃlich als der liebende Vater gesehen werden. Wahrscheinlich würde er nach wenigen Tagen entscheiden, dass der Hausarrest schon vorbei sei. Dies würde er seiner Tochter natürlich selbst mitteilen.
âTu mir einen Gefallen, und hör endlich auf dich einzumischen!â Herrschte ich meine Mutter an.
Als ich das kleine Zimmer betrat, schlief Carol schon. Ich stellte die Thermoskanne auf den Nachtisch.
Ich strich meiner Tochter eine Haarsträhne aus dem Gesicht und küsste sie sanft auf die Wange. Sie sah noch immer aus wie der kleine Engel von einst. Die beinahe vierzig Jahre waren ihr nicht anzusehen.
Ich wusste nur sehr wenig von ihrem Leben. Nun wollte ich alles wissen, jedes Detail. Es wurde Zeit meine Tochter kennen zu lernen. Bevor es auch für uns zu spät war.
Und Mum sollte jedes Detail aus meinem Leben erfahren. Und ich wollte erfahren, was sie in den letzten zwanzig Jahren erlebt hatte.
Vierzehn Tage hatte der Gott in weià gesagt.
War es möglich? War es wirklich möglich in nur zwei Wochen zu verstehen, zu vergeben und zu vergessen?
Meine Augen tränten. Ich verwarf die Gedanken. Es würden nicht nur zwei Wochen sein. Sie würde noch viele Jahre leben. Bis in alle Ewigkeit.
Mum, ich, Carol, Matt, Jenny, Carmen, Juan â wir alle hatten das Gilmore Blut.
Wir gehörten zusammen. Auch wenn drei von uns auseinander gerissen wurden. Durch das Schicksal. Aber am meisten durch uns selbst. Und wahrscheinlich war es das mittlere Glied, welches die Kette riss. Durch seine eigene Zerrissenheit. Das mittlere Glied. Rory Gilmore. Lorelai Huntzberger. Die verbitterte, geschiedene Frau aus dem grauen Wohnblock. Das Wachsmalkreidebild, die Gewitteraufnahme und die Bleistiftzeichnung.
Ich strich meiner Tochter vorsichtig über die Wange. Ich wollte sie nicht wecken. Zumindest ein ruhiger Schlaf sollte ihr gewährt werden.
Sheila schleckte genüsslich von ihrem Schokolade-Eis. âGlaube es mir, die Sache mit dem Küssen wird dir Spaà machen.â Sie kicherte. âIch fasse es nicht. Meine kleine Cousine hat ihren ersten Freund.â
Carol runzelte die Stirn. Sie wollte nicht als Sheilas kleine Cousine gesehen werden. Sie war immerhin nur zwei Jahre jünger als diese.
Sie war nun seit drei Tagen mit Robert zusammen und eigentlich kurz davor wieder Schluss zu machen. Er war â so wie sie â 13 und sein einziges Interesse galt ihrer Plattensammlung. Sie hörten Musik und hielten Händchen. Manchmal lernten sie gemeinsam. Carol empfand das als sehr sinnlos. Sie hatte eine andere Vorstellung von Beziehung. Er hatte ihr eines dieser kindischen âWillst du mit mir gehenâ â Briefchen geschrieben. Weià der Teufel, was sie dazu geritten hatte âjaâ anzukreuzen.
Küssen⦠Carol war schon geküsst worden. Sie hatte ihrer Cousine jedoch nie davon erzählt.
Carol blickte sich in der kleinen Küche um und bemerkte plötzlich ein Bild mit einem atemberaubenden Sonnenuntergang, welches über dem Geschirrspüler hing.
âSeltsamer Standort. War das schon immer dort?â Erkundigte sie sich bei Sheila.
âWir haben es erst seit zwei Monaten. Keine Ahnung, warum Mum ausgerechnet diese Wand ausgewählt hat.â Sheila rollte mit den Augen.
Carol schluckte. War sie tatsächlich zwei Monate nicht mehr im Haus gewesen? Sie überlegte kurz. Es konnte stimmen. Sie hatte Sheila nur wenige Male getroffen, meist in der kleinen Hafenpizzeria oder im Shoppingcenter.
Sie war früher immer donnerstags gekommen um ihren Onkel zu besuchen. Beinahe ein Jahr war es ihr festes Ritual gewesen. Doch dann waren jene Monate gekommen, welche Carols Leben veränderten. Ihr Grandpa, Beatrices Gatte, war gestorben - was sie jedoch nicht so bekümmerte, wie sie es als Enkeltochter hätte bekümmern müssen. Ihre GroÃmutter kam nun immer öfters zu ihnen, blieb oft wochenlang, wodurch ihre Mutter noch launischer geworden war. Die Aufmerksamkeit ihrer Eltern richtete sich folglich nur mehr auf Beatrice und Matt, welcher nun einen teuren Kindergarten besuchte. Es gab noch eine weitere wichtige Veränderung in Carols Leben. Ihr Körper hatte begonnen sich zu entwickeln, sie hatte vor wenigen Monaten ihre Periode bekommen.
Ihr Leben war noch mehr aus der Bahn geraten als es ohnehin schon stets gewesen war. Und plötzlich hatte auch noch ihr Onkel sie im Stich gelassen.
Unser Donnerstagstreffen müsse ein Ende haben. Hat er ohne jegliche Erklärung gesagt. Habe ich etwas falsch gemacht, dass er mich nicht mehr liebt? Hatte Carol eines Abends in ihr Tagebuch geschrieben.
Sie war seit jenem Tag nichts Besonderes mehr für Roger. Das, was sie einst geteilt hatten, gab es nun nicht mehr.
Bussi Selene
Geht schon weiter.
Hoffe euch gefällt der neue Teil.
11. Teil
Meine Augen brannten. Ich spürte Mums Hand, welche sanft über meinen Kopf strich. Ich kuschelte mich an ihre Brust.
Mum war für mich da, so wie sie immer für mich da gewesen war. Dabei war ich es doch, welche für sie da sein sollte.
Meine Mutter und meine Tochter⦠würden sie mir jemals vergeben können?
âEs ist niemals zu spät.â Sagte Mum plötzlich.
Doch, das war es. Carol hatte ihre eigene Familie.
Und wie würde Mum reagieren wenn sie all das erfahren würde, dem sie sich anscheinend nicht mehr entsinnen konnte?
Ich musste es ihr erzählen. Ich war es ihr schuldig. Aber ich konnte es nicht.
âEs war ein kalter Tag.â Meinte Mum.
Ich blickte sie verunsichert an. Hatte ich etwas überhört?
Mum seufzte und strich mir sanft über die Wange. âAls ich sie gesehen habe, war da plötzlich diese Szene. Sie hat mir etwas Wichtiges erzählt.â
Mein Herzschlag wurde schneller. âKannst du dich erinnern, was es war?â
Mums Augen füllten sich mit Tränen. âNein.â Sie sah mich nicht an. Ich spürte, dass sie mir nicht die Wahrheit sagte. Warum belog sie mich? Woran hatte sie sich erinnert?
Ich spürte einen Druck auf meinem Herzen, der mir die Luft zu nehmen drohte.
--------- Flashback â Carol ---------
Carol kaute lustvoll an ihrem Stück Pizza. Ihr Onkel beobachtete sie grinsend.
âDu bist doch nicht etwa hungrig?â
âNein, gar nicht.â Sie lachte.
Er reichte ihr den Aufsatz. âEin Meisterwerk. Aus dir wird einmal eine groÃe Schriftstellerin.â
Schriftstellerin war Carols derzeitiger Berufswunsch. Sie lächelte. Carol wusste, dass ihr Onkel stets ehrlich zu ihr sein würde. Er war ihre wichtigste Bezugsperson neben ihren GroÃeltern aus Stars Hollow, welche sie jedoch aufgrund der groÃen Distanz nicht sehr oft sehen konnte.
Ihren anderen GroÃeltern war sie relativ egal, sie interessierten sich nur für ihren drei-jährigen Bruder, welcher im Herbst in einen teuren Privatkindergarten kommen sollte. Ihre Mutter empfand das als übertrieben, doch deren Meinung betrachteten sie genauso wenig als von Bedeutung als Carols.
Ihr Vater würde sie vielleicht auch loben. Aber hauptsächlich wegen ihres ÃuÃeren. Carol hatte das Gefühl, Logan hielte sie für dumm. Ihre Kommunikation war stets sehr oberflächlich gewesen und er wollte ihr Dinge erklären, über welche sie schon längst bescheid wusste.
Carol hatte sich schon oft vorgestellt wie es wäre Sheilas Schwester zu sein. In dem groÃen Haus in dem ruhigen Viertel aufzuwachsen. Rogers Tochter zu sein. So sehr sie ihre Cousine liebte, so sehr beneidete sie diese auch. Sheila war wunderschön, hatte liebevolle Eltern und war beliebt. Sie war seit Kindestagen ihre beste Freundin. Carol seufzte.
âDu bist traurig, weil Sheila nun nicht mehr so viel Zeit mit dir verbringen kann.â Erriet Roger.
Sie nickte. âSheila hat immer lange Schule und danach muss sie lernen oder trifft Mike.â Carol verzog den Mund. Sie mochte den ersten richtigen Freund ihrer Cousine nicht.
âBald sind Ferien, da könnt ihr euch wieder öfters sehen. Und bald wirst auch du einen Freund haben.â Er zwinkerte.
Carol lachte. âHoffentlich.â Sie hatte sich bis jetzt noch sehr wenig für Jungs interessiert. Und wenn, waren diese viel älter als sie.
Roger strich ihr über den Handrücken. âDu weiÃt, dass du jederzeit herkommen kannst. Und ich hoffe, dass wir unser kleines Donnerstagsritual beibehalten werden.â
Sie nickte lächelnd. Er gab ihr das Gefühl, dass sie ihm wichtig war. Carol fühlte sich in der Schule und bei ihren Eltern immer überflüssig. Wie ein lästiger Stein im Schuh, welchen man nicht sofort entfernen konnte.
âWir haben eine ganz besondere Beziehung.â Meinte Roger.
Carol nickte wieder. Sie teilten etwas, was er mit sonst niemandem teilte. Nicht einmal mit Tante Marcy oder Sheila. Es war ihr kleines Geheimnis, es gehörte ihnen ganz alleine.
--------- Flashback â Carol - Ende ---------
âMum?â Ich blickte sie fragend an.
Für einen kurzen Moment schien es als wolle sie etwas sagen. Ihr Mund öffnete sich ein wenig, sie runzelte die Stirn.
Ich begann zu zittern, ohne zu wissen warum.
Plötzlich wurde die Tür geöffnet.
Carol und Carmen betraten das Schlafzimmer.
âUroma!â Carmen stürmte auf Mum zu.
Diese lächelte. Ich weià nicht, ob sie sich erinnern konnte, aber sie lieà es sich nicht anmerken.
âHallo Carmen. Wie gefällt dir der Schnee?â Fragte ich.
Ihre Augen â Mums, meine, Carols Augen â strahlten mich an. âWunderschön. Ich habe mich wie eine Prinzessin gefühlt.â Der Schnee glitzerte noch in ihren dunklen Haaren.
âDu bist eine Prinzessin.â Mum lächelte. âAuch ich liebe den Schnee. Deine GroÃmutter und ich sind oft durch die Schneelandschaft spaziert. Der Schnee hat etwas Beruhigendes, etwas Bezauberndes. Er ist zeitlos. Es hat ihn immer gegeben. Und die Schneeflocken⦠Gefrorener Regen. Frei und unbeschwert lassen sie sich vom Wind tragen. Das war immer so und wird auch immer so sein.â Ihre Augen blitzten.
Carmen lächelte und zog einen kleinen Block aus der Hosentasche. âIch habe eine Geschichte für dich geschrieben. Möchtest du sie hören?â
âNichts lieber als das.â
Ich stand auf, damit sich meine Enkelin auf den Stuhl setzen konnte.
âIch werde mich ein wenig hinlegen.â Sagte Carol und griff sich auf ihren Bauch.
âAlles in Ordnung?â Ich war besorgt. Sie hätte nicht fliegen dürfen. Das war eine zu groÃe Belastung gewesen.
âJa. Ich bin nur ein wenig müde.â
âWo sind denn Ramon und Luke? Sie sollen dir einen Tee machen. Und du musst essen.â Die ungeborenen Kinder brauchten eine Stärkung.
âSie sind irgendwo hingefahren. Ichâ¦ich weià es nicht mehr.â Sie griff sich an die Stirn. âIch brauche nichts, danke.â Erst jetzt bemerkte ich, wie sehr sie schwitzte.
Ich nahm ihre Hand. âIch helfe dir. Du wirst dich sofort hinlegen und ich werde dir einen Tee machen. Und den wirst du gefälligst auch trinken!â Ich kannte die Gilmorsche Teeabneigung nur allzu gut.
âHör auf deine Mutter! Man überlebt es, glaub es mir.â Mum zwinkerte. Carmen grinste.
Carol lächelte leicht. âAlso gut. Ich werde den verdammten Tee trinken, aber erwarte bloà nicht, dass ich dabei lächle.â
âNein, du darfst dabei sogar fluchen.â Ich half ihr in ihr Zimmer und ging dann in die Küche um einen Tee für sie und einen starken Kaffee für mich zu kochen.
--------- Flashback --------
âDu bist viel zu streng zu ihr.â Kritisierte Mum.
Ich seufzte und bereute es Mum überhaupt davon erzählt zu haben. Wir telefonierten zweimal die Woche. Ich hätte ihr genug andere Dinge erzählen können. âSie war frech, Mum.â
âDas hat diese Beatrice behauptet. Hast du dir auch Carols Seite angehört?â
âMum, bitte. Sie hat ihre GroÃmutter einen überheblichen Snob geheiÃen.â
âLogan gibt seiner Tochter also eine Woche Hausarrest, weil sie ehrlich war? Die Zeiten haben sich wirklich geändertâ Mum hasste Beatrice aus tiefstem Herzen.
Mir ging es nicht anders. Ich fand die Strafe auch übertrieben, schlieÃlich war Carol erst vierzehn und in der schwierigsten Phase ihrer Pubertät. AuÃerdem konnte ich mir sogar vorstellen, dass der Satz in der Situation durchaus angebracht gewesen war. Die traurige Wahrheit war, dass mich die Auseinandersetzungen mit Logan und seiner Mutter psychisch so fertig machten, dass ich oft nicht mehr widersprechen konnte. Sie hatten mich unterdrückt, wie es Mum prophezeit gehabt hatte. Das Schlimmste war jedoch, dass ich es nicht wahr haben wollte. Die Kunst mir selbst etwas vorzumachen beherrschte ich mittlerweile tadellos.
Logan war es gewesen, der die Strafe bestimmt hatte. Doch ich war es, welche diese überbringen musste. Logan wollte schlieÃlich als der liebende Vater gesehen werden. Wahrscheinlich würde er nach wenigen Tagen entscheiden, dass der Hausarrest schon vorbei sei. Dies würde er seiner Tochter natürlich selbst mitteilen.
âTu mir einen Gefallen, und hör endlich auf dich einzumischen!â Herrschte ich meine Mutter an.
--------- Flashback Ende ---------
Als ich das kleine Zimmer betrat, schlief Carol schon. Ich stellte die Thermoskanne auf den Nachtisch.
Ich strich meiner Tochter eine Haarsträhne aus dem Gesicht und küsste sie sanft auf die Wange. Sie sah noch immer aus wie der kleine Engel von einst. Die beinahe vierzig Jahre waren ihr nicht anzusehen.
Ich wusste nur sehr wenig von ihrem Leben. Nun wollte ich alles wissen, jedes Detail. Es wurde Zeit meine Tochter kennen zu lernen. Bevor es auch für uns zu spät war.
Und Mum sollte jedes Detail aus meinem Leben erfahren. Und ich wollte erfahren, was sie in den letzten zwanzig Jahren erlebt hatte.
Vierzehn Tage hatte der Gott in weià gesagt.
War es möglich? War es wirklich möglich in nur zwei Wochen zu verstehen, zu vergeben und zu vergessen?
Meine Augen tränten. Ich verwarf die Gedanken. Es würden nicht nur zwei Wochen sein. Sie würde noch viele Jahre leben. Bis in alle Ewigkeit.
Mum, ich, Carol, Matt, Jenny, Carmen, Juan â wir alle hatten das Gilmore Blut.
Wir gehörten zusammen. Auch wenn drei von uns auseinander gerissen wurden. Durch das Schicksal. Aber am meisten durch uns selbst. Und wahrscheinlich war es das mittlere Glied, welches die Kette riss. Durch seine eigene Zerrissenheit. Das mittlere Glied. Rory Gilmore. Lorelai Huntzberger. Die verbitterte, geschiedene Frau aus dem grauen Wohnblock. Das Wachsmalkreidebild, die Gewitteraufnahme und die Bleistiftzeichnung.
Ich strich meiner Tochter vorsichtig über die Wange. Ich wollte sie nicht wecken. Zumindest ein ruhiger Schlaf sollte ihr gewährt werden.
--------- Flashback â Carol ---------
Sheila schleckte genüsslich von ihrem Schokolade-Eis. âGlaube es mir, die Sache mit dem Küssen wird dir Spaà machen.â Sie kicherte. âIch fasse es nicht. Meine kleine Cousine hat ihren ersten Freund.â
Carol runzelte die Stirn. Sie wollte nicht als Sheilas kleine Cousine gesehen werden. Sie war immerhin nur zwei Jahre jünger als diese.
Sie war nun seit drei Tagen mit Robert zusammen und eigentlich kurz davor wieder Schluss zu machen. Er war â so wie sie â 13 und sein einziges Interesse galt ihrer Plattensammlung. Sie hörten Musik und hielten Händchen. Manchmal lernten sie gemeinsam. Carol empfand das als sehr sinnlos. Sie hatte eine andere Vorstellung von Beziehung. Er hatte ihr eines dieser kindischen âWillst du mit mir gehenâ â Briefchen geschrieben. Weià der Teufel, was sie dazu geritten hatte âjaâ anzukreuzen.
Küssen⦠Carol war schon geküsst worden. Sie hatte ihrer Cousine jedoch nie davon erzählt.
Carol blickte sich in der kleinen Küche um und bemerkte plötzlich ein Bild mit einem atemberaubenden Sonnenuntergang, welches über dem Geschirrspüler hing.
âSeltsamer Standort. War das schon immer dort?â Erkundigte sie sich bei Sheila.
âWir haben es erst seit zwei Monaten. Keine Ahnung, warum Mum ausgerechnet diese Wand ausgewählt hat.â Sheila rollte mit den Augen.
Carol schluckte. War sie tatsächlich zwei Monate nicht mehr im Haus gewesen? Sie überlegte kurz. Es konnte stimmen. Sie hatte Sheila nur wenige Male getroffen, meist in der kleinen Hafenpizzeria oder im Shoppingcenter.
Sie war früher immer donnerstags gekommen um ihren Onkel zu besuchen. Beinahe ein Jahr war es ihr festes Ritual gewesen. Doch dann waren jene Monate gekommen, welche Carols Leben veränderten. Ihr Grandpa, Beatrices Gatte, war gestorben - was sie jedoch nicht so bekümmerte, wie sie es als Enkeltochter hätte bekümmern müssen. Ihre GroÃmutter kam nun immer öfters zu ihnen, blieb oft wochenlang, wodurch ihre Mutter noch launischer geworden war. Die Aufmerksamkeit ihrer Eltern richtete sich folglich nur mehr auf Beatrice und Matt, welcher nun einen teuren Kindergarten besuchte. Es gab noch eine weitere wichtige Veränderung in Carols Leben. Ihr Körper hatte begonnen sich zu entwickeln, sie hatte vor wenigen Monaten ihre Periode bekommen.
Ihr Leben war noch mehr aus der Bahn geraten als es ohnehin schon stets gewesen war. Und plötzlich hatte auch noch ihr Onkel sie im Stich gelassen.
Unser Donnerstagstreffen müsse ein Ende haben. Hat er ohne jegliche Erklärung gesagt. Habe ich etwas falsch gemacht, dass er mich nicht mehr liebt? Hatte Carol eines Abends in ihr Tagebuch geschrieben.
Sie war seit jenem Tag nichts Besonderes mehr für Roger. Das, was sie einst geteilt hatten, gab es nun nicht mehr.
--------- Flashback â Carol - Ende ---------
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Bussi Selene