[sunshinesmile]

Jess huschte von einem Tisch zum nächsten. Das Diner war zwar nicht voll, aber er stürzte sich mit Absicht so in die Arbeit, um sich von Rory ablenken zu können. Die Tatsache, dass sie im Moment nicht mit ihm zusammen sein wollte, konnte er ja akzeptieren. Er verstand sie sogar. Rory hatte bisher nie ihre Ruhe gehabt. Ständig war sie von einem Jungen zum nächsten geeilt. Dass sie sich jetzt ertsmal über ihre Gefühle klar werden wollte, konnte er verstehen. Es war nicht leicht, aber er konnte es verstehen. Aber dass sie mit Dean geschlafen hatte, machte ihm schon mehr zu schaffen. Mit Dean...dem Dean, der sie geschlagen hatte. So sehr er Dean auch hasste, er hatte immer geahnt, dass er noch in Rory verliebt war. Und daher hätte er nie im Leben gedacht, dass er sie schlagen könnte.
Und sie hatte auch noch mit ihm geschlafen. Als er daran dachte, wurde ihm augenblicklich schlecht. Als Rory diesen einfachen Satz gesagt hatte, war es, als würde ihm jemand ein Messer durchs Herz stoßen. Und dann auch noch in der Wunde drehen. So verletzt hatte ihn das. Das war das schlimmste, was sie ihm antun konnte. Mit seinem größten Rivalen schlafen.
"Jess, Tisch 4!", schrie Luke vom Tresen herüber.
Sofort schnappte sich Jess die Kaffeekanne und ging zu besagtem Tisch. Dort saß ein junges Mädchen. Etwa sein Alter. Vielleicht ein Jahr jünger. Sie hatte lange, blonde Locken und strahlend, blaue Augen. Nicht so schöne Augen wie Rory, aber sie strahlten mit ihren weißen Zähnen um die Wette. Als er zu ihr an den Tisch trat und ihr Kaffee einschenkte, lächelte sie ihn an.
"Bist du neu hier?"
Jess schüttelte den Kopf. In gewisser Weise war er ja neu hier. Er war ja gestern erst angekommen. Aber er hatte doch vorher schon lange genug hier gelebt, um nicht mehr neu zu sein.
"Warum hab ich dich dann noch nie hier gesehen?"
Na toll. Eine Blondine, die mit ihm flirten wollte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Im Moment hatte er wirklich keine Lust auf so etwas.
"Vielleicht weil du neu bist", erwiderte er mürrisch, wandte sich wieder ab und ging wieder hinter den Tresen.
Das blonde Mädchen ließ sich davon aber nicht abhalten. Sie folgte ihm und setzte sich ihm gegenüber auf einen Barhocker.
"Ich wohne jetzt aber schon seit 3 Wochen hier und hab dich noch nie gesehen."
Na schön. Sie wollte nicht verschwinden. Er könnte sie jetzt einfach ignorieren, aber so wie sie aussah, ließ sie sich nicht abwimmeln.
"Ich war nur eine Weile weg. Bin aber jetzt wieder da."
"Wie kommt es, dass du heir einen Job hast? Ich hab den Flanellhemd-Typen sicher 10 Mal gefragt, ob er nicht eine Aushilfe benötigt und er hat mich immer abgewimmelt. Aber dich stellt er gleich ein."
"Der Flanellhemd-Typ ist mein Onkel."
Das Mädchen lächelte triumphierend. Sie dachte, jetzt hätte sie Jess geknackt.
"Ich bin Angela. Aber meine Freunde nennen mich Angie."
"Ich bin aber kein Freund."
Wums. Das hatte gesessen. Gerade noch hatte sie gedacht, dass sie ihn zum Reden gebracht hatte und schon im nächsten Moment erteilte er ihr so eine Abfuhr. Sie brauchte einen Moment, um ihre Sprache wieder zu finden.
"Wie auch immer. Auf jeden Fall bin ich vor 3 Wochen hierher gezogen..."
Bla, bla, bla. Jess hörte gar nicht zu. Ihn interessierte nicht, welchen Lebenslauf dieses Mädchen hatte, warum sie in Stars Hollow war und wie lange sie bleiben wollte. Gedankenverloren wischte er den Tresen ab. Er bracuhte eine Ablenkung, um dieser Angie nicht Interesse vorheucheln zu müssen.
"Hey, bist du noch da?"
Sie schnippte vor seinem Gesicht mit ihren Fingern. Jess zuckte zusammen und sah auf. Sie sah ihn erwartungsvoll an. Anscheinend hatte sie eine Frage gestellt und wartete jetzt auf eine Antwort. Doch Jess zuckte nur mit den Schultern. Entweder würde sie jetzt endgültig aufgeben oder die Frage noch einmal stellen. Letzteres traf ein.
"Du weißt nicht, was dich hierher führt."
"Natürlich weiß ich es, aber es geht dich nichts an."
Angie atmete einmal tief ein. Sie war es nicht gewohnt, dass ihr jemand die kalte Schulter zeigte. Sie war ein Einzelkind. Ihre Eltern hatten sie immer wie eine Prinzessin behandelt. Normalerweise bekam sie immer, was sie wollte. Dabei half ihr auch ihre Schönheit. Sie wusste, dass sie hübsch war. Die Jungs sahen ihr immer hinterher. Sie genoss das. Sie genoss es, dass ihr alle zu Füßen lagen. Und genauso hasste sie es. Ein Junge hatte in ihrer Gegenwart keine eigene Meinung mehr. Die Jungs, die sie bisher immer kennen gelernt hatte, waren nur an ihrem Hintern und an ihren Brüsten interessiert. Aber Jess war anders. Er würdigte sie keines Blickes. Er war keineswegs an ihr interessiert. Und das faszinierte sie. Aber er war eine harte Nuss. Sie versuchte diese Nuss zu knacken, bisher aber erfolglos.
"Oh Mann, da ist ja Jane Austen noch gesprächiger als du."
Sie stand auf und ging zurück an ihren Tisch. Aus ihrer Tasche zog sie ein Buch und begann darin zu lesen.
Jess hatte bei ihrem letzten Satz aufhorchen müssen. Vielleicht war sie ja doch nicht so eine dumme Blondine, wie er gedacht hatte. Er ging hinüber zu ihren Tisch und setzte sich.
"Moment mal. Du liest gerne?"
"Was heißt hier gerne? Bücher sind mein Leben."


"Rory, warte doch mal."
Lorelai lief ihrer Tochter nach. Sie hatten seit dem gestrigen Abend nicht mehr miteinander geredet. Rory blieb stehen und wartete, bis Lorelai sie erreicht hatte.
"Wo willst du denn so früh schon hin?"
"Zu Luke. Ich wollte Jess seine Sachen bringen. Ich hab sie ja gestern aufgehängt, weil sie nass waren. Kommst du mit?"
Lorelai zögerte kurz, schüttelte dann aber ihren Kopf.
"Nein, ich komme später nach. Zuerst muss ich noch zu Sookie."
Rory nickte und wollte sich schon zum Gehen umdrehen, doch Lorelai packte sie am Arm.
"Warte mal. Ich wollte mich wegen gestern entschuldigen."
Rory sah sie fragend an.
"Du hast doch gar nichts getan."
"Genau das ist das Problem. Ich hab nichts getan. Dabei hätte ich dich trösten sollen."
Rory musterte ihre Mum einen Moment. Ja, sie hätte gestern Abend tatsächlich ein wenig Trost von ihr gebrauchen können. Aber sie konnte sie irgendwie auch verstehen. Lorelai war genauso geschockt gewesen. Sie hatte Dean so etwas auch nie im Leben zugetraut.
Plötzlich trat Rory einen Schritt nach vorne und umarmte ihre Mum ganz spontan.
"Schon gut, Mum. Ich komm darüber hinweg. Sehen wir uns dann bei Luke?"
Lorelai lächelte sie an und nickte. Dann drehte sich Rory um und machte sich auf den Weg zum Diner. Dort würde sie allerdings eine böse Überraschung erwarten...