17.02.2006, 17:33
Jenny warf ihrer Schwester einen kurzen Blick zu.
Jenny spielte nervös mit ihren Haaren. Er verspätete sich wie immer.
Sie nippte an ihrem Kaffee. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Wie würde er wohl reagieren? Würde er sie verlassen? Nein. Schalt sie sich selbst. Er liebte sie doch.
âHey.â
Jenny sah verwundert hoch. Sie hatte ihn nicht kommen gehört. âHi.â
Er küsste sie kurz und setzte sich neben sie.
Sie hatte das kleine Cafe mit dem gemütlichen Garten als Treffpunkt ausgewählt. Jenny und Andrew hatten sich hier vor einem halben Jahr kennen gelernt.
âDu wolltest mit mir sprechen?â
Ihre Lippen wurden trocken. Sie schleckte mit der Zungenspitze darüber und räusperte sich leise. âJaâ¦â
Zwei ältere Frauen gingen an ihrem Tisch vorbei, eine lächelte kurz als sie Jenny erkannte.
âGuten Morgen.â Das Mädchen mühte sich um ein Lächeln. Sie mochte die Nachbarin ihrer besten Freundin. Mrs. Green hatte Daphne und Jenny schon öfters zum Tee eingeladen und lobte diese âhöflichen und anständigen Mädchenâ stets.
âJenny?â Andrew musterte sie Stirn runzelnd.
Sie fuhr aus ihren Gedanken. âEntschuldige.â
âHör mal. Ich muss zu Mittag bei meiner Schwester seinâ¦â Er seufzte ungeduldig.
Jenny atmete tief durch. Jetzt oder nie. Es gab kein Zurück mehr. âAndrew, unsere Nacht damalsâ¦â
Er stöhnte auf. âNicht schon wiederâ¦â
âAndrew, es ist wichtigâ¦was ich dir zu sagen versucheâ¦â Sie hielt inne. Wie oft hatte er sich seit damals gemeldet? Sie hatte gedacht, ihre Beziehung wäre jetzt um eine Stufe weiter. Aber es schien als wäre sie ihm langweilig geworden. Als meldete er sich nur, wenn er nichts Besseres zu tun hatte. Immerhin hatte er auf ihren Anruf reagiert. Diesmal.
âDiese Nacht war nicht ohne Folgenâ¦â Ihre Stimme überschlug sich. Jenny bemerkte wie sie am ganzen Körper zu zittern begann.
Andrews Augen weiteten sich entsetzt. âWie meinst du das?â In seiner Stimme war ein winziger Funken Hoffnung zu hören.
Sie blickte auf ihre Hände. âIch bin schwanger.â Vorsichtig sah sie in seine Augen.
Er klang einigermaÃen gefasst. âBist du dir ganz sicher?â
Sie schluckte. âJa. Absolut.â
Er runzelte die Stirn. âUnd wie soll ich jetzt deiner Meinung nach reagieren?â Seine Stimme hatte einen kalten Unterton bekommen.
Sie wollte etwas sagen, aber er lieà es nicht dazu kommen. âErwartest du, dass ich dich heirate und dieses Kindâ¦â Er sprach es mit tiefster Verachtung aus. ââ¦als meines akzeptiere?â
âWas? Aberâ¦es ist unser Kindâ¦â Sie glaubte es zu hören, als ihr Herz zerbrach.
Andrews Stimme hob sich. âIch habe nichts mit diesem Kind zu tun!â
Jennys Augen begannen zu tränen. Um sie herum war es still geworden. Die Augen der anderen Gäste waren neugierig auf die beiden gerichtet.
âJetzt heul nicht schon wieder. Verdammt Jenny, ich dachte, du würdest die Pille nehmen? Du kannst nicht einfach unser aller Leben zerstören!â
âDas war doch keine Absichtâ¦wasâ¦was kann ich denn dafür?â Presste sie unter Tränen hervor.
Er musterte sie verächtlich. âWie willst du denn ein Kind groà ziehen? Du bist doch zu unfähig auf dich selbst acht zu geben. Kein Wunder bei so einer Mutterâ¦â
âWarum sagst du so etwas?â Tränen rannen über ihre Wangen.
âWillst du deine Mutter noch tiefer in ihre Depressionen stürzen?
Jenny zitterte am ganzen Körper. Sie spürte die Tränen nicht mehr.
âSie wird daran zerbrechen. Glaubst du denn sie kann auch noch ein Enkelkind versorgen? Du bist ihr ganzer Stolz, das hast du mir selbst erzählt. Sie wird daran zerbrechen.â
âAberâ¦was soll ich denn tun?â
âLass es wegmachen. Es ist die einzige Möglichkeit für uns alle.â Es war die einzige Möglichkeit für ihn selbst, doch das begriff sie erst zu spät.
âUnd mit wem warst du auf deinem ersten Ball?â Mum lächelte Carol zu.
Diese runzelte die Stirn. âIch glaube es war Eric, mein bester Freund. Wir hatten beide keine Begleitung.â
âWie ist das denn möglich? Du warst doch schon immer so hübsch.â
Carol zuckte mit den Schultern.
Ich musterte sie nachdenklich. Sie war zwei Jahre später ein paar Monate mit Eric zusammen gewesen, eine Verbindung, die ich sehr gut geheiÃen hatte. Trotzdem hatte sie immer nur als besten Freund von ihm gesprochen. âWard ihr nicht später einmal zusammen?â
Sie seufzte leise. âFast ein Jahr, jaâ¦â
âWas?â Sie starrte ihn entsetzt an. Das konnte nicht sein. Sie musste sich verhört haben.
Eric nahm ihre Hand. Sie saÃen auf dem kleinen Sofa in seiner Wohnung. âIch dachteâ¦â
âWas? Dass ich dich heiraten würde und für immer in dieser Stadt bleiben würde?â Sie bereute ihre Worte sofort. Eric war immer nett zu ihr gewesen und hatte sie mit Respekt behandelt. Er war es, der ihr gezeigt hatte, dass Liebe auch anders sein konnte, als sie zuvor erfahren hatte. Doch die traurige Wahrheit war, dass sie ihn wahrscheinlich niemals wirklich geliebt hatte. Sie hatte geliebt, dass er sie liebte. Eine Tatsache, welche sie stets verdrängt hatte. Du bist ein widerliches Miststück. Schalt sie sich selbst. Das hatte er nicht verdient. Sein Herz war voller romantischer Hoffnungen gewesen, als er ihr vor wenigen Minuten einen Antrag gemacht hatte. Und sie hatte es mit einem einzigen Wort, einem Blick, der alles gesagt hatte, zerbrochen.
âWirâ¦wir könnten nach Los Angeles ziehenâ¦Dad hat dort eine Firmaâ¦du könntest Mum in der Fabrik helfen und ich Dadâ¦â Er gab nicht auf. So sehr liebte er sie.
âGibt es dann auch das traditionelle Sonntagsessen? Die Ausflüge zum Strand? Vielleicht bekomme ich unser erstes Kind ja zur selben Zeit wie deine Schwesterâ¦â Carol war gemein. Das wusste sie. Sie lud die ganze Wut, welche sie auf Rory und Beatrice hatte, auf Eric ab. Anstatt sich zu wehren, verfiel er immer mehr. Als seine Augen zu tränen begannen, wurde ihr schlieÃlich bewusst, was sie ihm antat. âEsâ¦es tut mir leidâ¦Mum, Grandmaâ¦du weiÃt schonâ¦bitte verzeih mir. Du weiÃt, du bist das Beste was bisher in meinem Leben passiert istâ¦aber es geht nicht länger. Wir sind zu verschiedenâ¦ich will in die Weltâ¦du nach L.A. ⦠es würde nicht gut gehenâ¦â
âAber, Carolâ¦du fährst doch in zwei Wochen fort. Ich werde auf dich warten. Wenn du zurück aus Puerto Rico bist, können wir heiratenâ¦â
âEric! Es geht nicht nur darum. Wirâ¦wir sind nicht für einander bestimmt.â Carol glaubte nicht an Schicksalsbestimmungen. Aber Eric tat es.
âIch liebe dich aber.â
âIchâ¦ich liebe dich nicht mehrâ¦nur mehr wie eine Schwester ihren Bruder liebtâ¦du hast eine Frau verdient, die dich so liebt, wie du mich liebstâ¦â
Er starrte sie an. Unfähig zu sprechen.
âHass mich nicht. Bitte.â Sie stand auf und ging langsam zur Tür.
âCarol?â
Sie hielt inne und drehte sich langsam um.
âIch könnte dich niemals hassen. Niemals. Ich werde auf dich wartenâ¦â
Sie schüttelte den Kopf. âTu das nicht.â Ohne ihn noch einmal anzusehen verlieà sie seine Wohnung. Kaum war sie an der U-Bahn Station angekommen, sank sie auf eine der verschmutzten Bänke und weinte.
âLuke und ich waren zuerst auch nur befreundet. Aber wahrscheinlich waren wir in Wirklichkeit immer mehr als das.â Mum lächelte. âEr ist der Mann, den ich mir immer gewünscht habe.â
âSeht mal!â Jenny, die weiter in den Alben geblättert hatte, zeigte lächelnd auf ein älteres Foto von Mum und Luke.
âEure Hochzeitsreise.â Erzählte ich leise. âIhr habt euch damals von dem netten Eisverkäufer auf einem Strand von Cancun fotografieren lassen.â
Carol lächelte. âIhr wirkt so glücklich.â
Mums Augen tränten.
âGrandmaâ¦â Jenny ergriff besorgt ihre Hand.
âIch kann mich nicht mehr erinnernâ¦ich kann mich an meine eigenen Flitterwochen nicht mehr erinnernâ¦so als wären sie niemals gewesen. Mum zitterte.
Carol wischte ihr sanft die Tränen von den Wangen und drückte ihre Hand. âIhr ward in einem 4-Sterne Hotel in Cancunâ¦â Begann sie zögernd.
ââ¦mit drei Pools. Direkt am Strandâ¦â Fuhr Jenny fort. Ihre GroÃmutter hatte ihnen so oft davon erzählt, dass es war, als hätten sie es selbst erlebt.
ââ¦ein weiÃer Sandstrand. Mit genau zwanzig Palmen. Oder einundzwanzig. Diesbezüglich warst du dir nie sicherâ¦â
ââ¦weil es darauf ankam, auf welcher Seite du zum Zählen begonnen hattest.â Beendete Jenny den Satz.
Mum lächelte leicht. âWeiter.â
âEs gab eine Pool- und zwei Strandbars. An einer Strandbar arbeitete ein sehr gut aussehender Mexikaner, der dir öfters die Getränke gratis oder zum halben Preis gegeben hat. Grandpa war deshalb oft ein wenig mürrischâ¦â Carol lachte.
âEs gab einen Whirlpool. In dem ward ihr öfters nach dem Abendessen. Grandpa fand das zwar sehr ungesund, kam aber trotzdem mit. Danach wolltest du stets Kaffee von der Poolbar. Hin und ward ihr tanzenâ¦in einem kleinen Lokalâ¦wo war das nur gleichâ¦â
ââ¦direkt neben dem Hard Rock Cafe in der Stadt. Ihr machtet drei Ausflüge â¦ward sonst immer am Strandâ¦.einmal seid ihr mit einem älteren Paar aus Bolivien ins Gespräch gekommenâ¦die beiden haben euch euer Alter nicht geglaubt. Sie schätzten euch auf mindestens zehn Jahre jüngerâ¦zumindest dichâ¦tags darauf zeigtest du ihnen deinen Führerscheinâ¦â
ââ¦und du wolltest nie wieder wegâ¦â
Mum drückte sanft die Hände der beiden. âIhr seid wunderbar. Wisst ihr was, ich weià es nochâ¦dass ich nie wieder weg wollte.â Sie lächelte leicht. âIch hatte mir vorgenommen, eines Tages wieder dort hinzufahrenâ¦tja, der Zug ist wohl abgefahrenâ¦â Sie lächelte matt.
Carol und Jenny tauschten einen kurzen Blick. Sie wussten nicht, was sie sagen sollten.
Ich räusperte mich leise. Es gelang mir nicht länger die Tränen zurückzuhalten. Mum war eine wunderbare Frau. Sie hatte das nicht verdient. Warum gerade sie?
âEntschuldigt michâ¦â
âMumâ¦â Ich ignorierte Jenny und lief in mein altes Zimmer. Schluchzend lieà ich mich auf mein Bett fallen und lieà den Tränen endlich freien Lauf.
Mum wischte die Tränen von meinen Wangen und nahm mich in die Arme. âAlles wird wieder gut, meine SüÃe.â
âEs tut so wehâ¦â
Sie nickte und strich eine Salbe über die Wunde. âSo, jetzt noch ein Pflaster.â Sie tat es darüber und küsste mein Knie. âBesser?â
âEs tut fast nicht mehr weh.â
âAn mir ist eine verdammt gute Krankenschwester verloren gegangen.â Mum strich mir die Haare aus dem Gesicht. âLust auf Pizza? Die soll sehr gut zur Heilung beitragen.â
âJa.â Jauchzte ich fröhlich.
Die Szene war ganz klar vor meinen Augen erschienen. Ich war vier oder fünf gewesen und hatte mich wieder einmal beim Spielen im Garten verletzte gehabt.
Es war erschreckend, wie schnell die Zeit doch vergangen war.
Hatte ich sie je so geschätzt, wie sie es verdient gehabt hätte? Oder war sie selbstverständlich für mich gewesen? Wie oft hatte ich ihr gesagt, wie viel sie mir bedeutet?
Wie oft hatte ich sie in späteren Jahren verletzt?
âGrandma hat nach dir gefragtâ¦â Begann Jenny leise. Sie war eine Woche bei Mum gewesen und vor einer Stunde wieder in Seattle angekommen.
Ich sah nur kurz von meinem Laptop hoch. âSchön. Ich schreibe noch den Artikel, dann bestellen wir Pizza, ja?â
Jenny trat zögernd näher. âSie vermisst dich. Sie glaubt, du willst nichts mehr mit ihr zu tun habenâ¦â
âJenny! Ich muss mich konzentrieren. Pack derweil deinen Rucksack aus.â
Ich hatte es ignoriert. Ich hatte es einfach ignoriert.
âLorelai?â Riss mich plötzlich eine Stimme aus den Gedanken.
Ich setzte mich langsam auf.
âDarf ich?â
Ich nickte leicht.
Ramón drehte das Licht auf und setzte sich zu mir. âMöchtest du auch Kaffee? Ich wollte uns allen grad einen machen. Carol hatte seit dem Frühstück keinen mehr. Sie hat bestimmt schon Entzugserscheinungenâ¦â
âJa, bitte.â Ich lächelte leicht.
âEs geht mich zwar nichts an, aberâ¦du solltest mit deiner Mutter sprechen. Wenn es irgendetwas Unausgesprochenes gibt, musst du es ihr sagen. Ich werde es immer bereuen, nicht mehr dazu gekommen zu sein mit meinem Vater zu sprechenâ¦â
Ich starrte ins Leere. âEs wird ihr das Herz brechenâ¦â
Als ob er wüsste, was ich meinte, antwortete er: âNein. Gib euch beiden euren Seelenfrieden.â
Ich seufzte leise.
âDas ist Egoismus. Was du tust, was ich getan habe, was wir alle tunâ¦â
Ich sah ihn Stirn runzelnd an, schlieÃlich begriff ich. âDanke.â
Er nickte leicht und stand auf. âIch rufe dich, wenn der Kaffee fertig ist, Lorelai.â
âRory.â Verbesserte ich lächelnd
-------- Flashback Jenny -------
Jenny spielte nervös mit ihren Haaren. Er verspätete sich wie immer.
Sie nippte an ihrem Kaffee. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Wie würde er wohl reagieren? Würde er sie verlassen? Nein. Schalt sie sich selbst. Er liebte sie doch.
âHey.â
Jenny sah verwundert hoch. Sie hatte ihn nicht kommen gehört. âHi.â
Er küsste sie kurz und setzte sich neben sie.
Sie hatte das kleine Cafe mit dem gemütlichen Garten als Treffpunkt ausgewählt. Jenny und Andrew hatten sich hier vor einem halben Jahr kennen gelernt.
âDu wolltest mit mir sprechen?â
Ihre Lippen wurden trocken. Sie schleckte mit der Zungenspitze darüber und räusperte sich leise. âJaâ¦â
Zwei ältere Frauen gingen an ihrem Tisch vorbei, eine lächelte kurz als sie Jenny erkannte.
âGuten Morgen.â Das Mädchen mühte sich um ein Lächeln. Sie mochte die Nachbarin ihrer besten Freundin. Mrs. Green hatte Daphne und Jenny schon öfters zum Tee eingeladen und lobte diese âhöflichen und anständigen Mädchenâ stets.
âJenny?â Andrew musterte sie Stirn runzelnd.
Sie fuhr aus ihren Gedanken. âEntschuldige.â
âHör mal. Ich muss zu Mittag bei meiner Schwester seinâ¦â Er seufzte ungeduldig.
Jenny atmete tief durch. Jetzt oder nie. Es gab kein Zurück mehr. âAndrew, unsere Nacht damalsâ¦â
Er stöhnte auf. âNicht schon wiederâ¦â
âAndrew, es ist wichtigâ¦was ich dir zu sagen versucheâ¦â Sie hielt inne. Wie oft hatte er sich seit damals gemeldet? Sie hatte gedacht, ihre Beziehung wäre jetzt um eine Stufe weiter. Aber es schien als wäre sie ihm langweilig geworden. Als meldete er sich nur, wenn er nichts Besseres zu tun hatte. Immerhin hatte er auf ihren Anruf reagiert. Diesmal.
âDiese Nacht war nicht ohne Folgenâ¦â Ihre Stimme überschlug sich. Jenny bemerkte wie sie am ganzen Körper zu zittern begann.
Andrews Augen weiteten sich entsetzt. âWie meinst du das?â In seiner Stimme war ein winziger Funken Hoffnung zu hören.
Sie blickte auf ihre Hände. âIch bin schwanger.â Vorsichtig sah sie in seine Augen.
Er klang einigermaÃen gefasst. âBist du dir ganz sicher?â
Sie schluckte. âJa. Absolut.â
Er runzelte die Stirn. âUnd wie soll ich jetzt deiner Meinung nach reagieren?â Seine Stimme hatte einen kalten Unterton bekommen.
Sie wollte etwas sagen, aber er lieà es nicht dazu kommen. âErwartest du, dass ich dich heirate und dieses Kindâ¦â Er sprach es mit tiefster Verachtung aus. ââ¦als meines akzeptiere?â
âWas? Aberâ¦es ist unser Kindâ¦â Sie glaubte es zu hören, als ihr Herz zerbrach.
Andrews Stimme hob sich. âIch habe nichts mit diesem Kind zu tun!â
Jennys Augen begannen zu tränen. Um sie herum war es still geworden. Die Augen der anderen Gäste waren neugierig auf die beiden gerichtet.
âJetzt heul nicht schon wieder. Verdammt Jenny, ich dachte, du würdest die Pille nehmen? Du kannst nicht einfach unser aller Leben zerstören!â
âDas war doch keine Absichtâ¦wasâ¦was kann ich denn dafür?â Presste sie unter Tränen hervor.
Er musterte sie verächtlich. âWie willst du denn ein Kind groà ziehen? Du bist doch zu unfähig auf dich selbst acht zu geben. Kein Wunder bei so einer Mutterâ¦â
âWarum sagst du so etwas?â Tränen rannen über ihre Wangen.
âWillst du deine Mutter noch tiefer in ihre Depressionen stürzen?
Jenny zitterte am ganzen Körper. Sie spürte die Tränen nicht mehr.
âSie wird daran zerbrechen. Glaubst du denn sie kann auch noch ein Enkelkind versorgen? Du bist ihr ganzer Stolz, das hast du mir selbst erzählt. Sie wird daran zerbrechen.â
âAberâ¦was soll ich denn tun?â
âLass es wegmachen. Es ist die einzige Möglichkeit für uns alle.â Es war die einzige Möglichkeit für ihn selbst, doch das begriff sie erst zu spät.
--------- Flashback Jenny Ende --------
âUnd mit wem warst du auf deinem ersten Ball?â Mum lächelte Carol zu.
Diese runzelte die Stirn. âIch glaube es war Eric, mein bester Freund. Wir hatten beide keine Begleitung.â
âWie ist das denn möglich? Du warst doch schon immer so hübsch.â
Carol zuckte mit den Schultern.
Ich musterte sie nachdenklich. Sie war zwei Jahre später ein paar Monate mit Eric zusammen gewesen, eine Verbindung, die ich sehr gut geheiÃen hatte. Trotzdem hatte sie immer nur als besten Freund von ihm gesprochen. âWard ihr nicht später einmal zusammen?â
Sie seufzte leise. âFast ein Jahr, jaâ¦â
--------- Flashback Carol --------
âWas?â Sie starrte ihn entsetzt an. Das konnte nicht sein. Sie musste sich verhört haben.
Eric nahm ihre Hand. Sie saÃen auf dem kleinen Sofa in seiner Wohnung. âIch dachteâ¦â
âWas? Dass ich dich heiraten würde und für immer in dieser Stadt bleiben würde?â Sie bereute ihre Worte sofort. Eric war immer nett zu ihr gewesen und hatte sie mit Respekt behandelt. Er war es, der ihr gezeigt hatte, dass Liebe auch anders sein konnte, als sie zuvor erfahren hatte. Doch die traurige Wahrheit war, dass sie ihn wahrscheinlich niemals wirklich geliebt hatte. Sie hatte geliebt, dass er sie liebte. Eine Tatsache, welche sie stets verdrängt hatte. Du bist ein widerliches Miststück. Schalt sie sich selbst. Das hatte er nicht verdient. Sein Herz war voller romantischer Hoffnungen gewesen, als er ihr vor wenigen Minuten einen Antrag gemacht hatte. Und sie hatte es mit einem einzigen Wort, einem Blick, der alles gesagt hatte, zerbrochen.
âWirâ¦wir könnten nach Los Angeles ziehenâ¦Dad hat dort eine Firmaâ¦du könntest Mum in der Fabrik helfen und ich Dadâ¦â Er gab nicht auf. So sehr liebte er sie.
âGibt es dann auch das traditionelle Sonntagsessen? Die Ausflüge zum Strand? Vielleicht bekomme ich unser erstes Kind ja zur selben Zeit wie deine Schwesterâ¦â Carol war gemein. Das wusste sie. Sie lud die ganze Wut, welche sie auf Rory und Beatrice hatte, auf Eric ab. Anstatt sich zu wehren, verfiel er immer mehr. Als seine Augen zu tränen begannen, wurde ihr schlieÃlich bewusst, was sie ihm antat. âEsâ¦es tut mir leidâ¦Mum, Grandmaâ¦du weiÃt schonâ¦bitte verzeih mir. Du weiÃt, du bist das Beste was bisher in meinem Leben passiert istâ¦aber es geht nicht länger. Wir sind zu verschiedenâ¦ich will in die Weltâ¦du nach L.A. ⦠es würde nicht gut gehenâ¦â
âAber, Carolâ¦du fährst doch in zwei Wochen fort. Ich werde auf dich warten. Wenn du zurück aus Puerto Rico bist, können wir heiratenâ¦â
âEric! Es geht nicht nur darum. Wirâ¦wir sind nicht für einander bestimmt.â Carol glaubte nicht an Schicksalsbestimmungen. Aber Eric tat es.
âIch liebe dich aber.â
âIchâ¦ich liebe dich nicht mehrâ¦nur mehr wie eine Schwester ihren Bruder liebtâ¦du hast eine Frau verdient, die dich so liebt, wie du mich liebstâ¦â
Er starrte sie an. Unfähig zu sprechen.
âHass mich nicht. Bitte.â Sie stand auf und ging langsam zur Tür.
âCarol?â
Sie hielt inne und drehte sich langsam um.
âIch könnte dich niemals hassen. Niemals. Ich werde auf dich wartenâ¦â
Sie schüttelte den Kopf. âTu das nicht.â Ohne ihn noch einmal anzusehen verlieà sie seine Wohnung. Kaum war sie an der U-Bahn Station angekommen, sank sie auf eine der verschmutzten Bänke und weinte.
--------- Flashback Carol Ende ---------
âLuke und ich waren zuerst auch nur befreundet. Aber wahrscheinlich waren wir in Wirklichkeit immer mehr als das.â Mum lächelte. âEr ist der Mann, den ich mir immer gewünscht habe.â
âSeht mal!â Jenny, die weiter in den Alben geblättert hatte, zeigte lächelnd auf ein älteres Foto von Mum und Luke.
âEure Hochzeitsreise.â Erzählte ich leise. âIhr habt euch damals von dem netten Eisverkäufer auf einem Strand von Cancun fotografieren lassen.â
Carol lächelte. âIhr wirkt so glücklich.â
Mums Augen tränten.
âGrandmaâ¦â Jenny ergriff besorgt ihre Hand.
âIch kann mich nicht mehr erinnernâ¦ich kann mich an meine eigenen Flitterwochen nicht mehr erinnernâ¦so als wären sie niemals gewesen. Mum zitterte.
Carol wischte ihr sanft die Tränen von den Wangen und drückte ihre Hand. âIhr ward in einem 4-Sterne Hotel in Cancunâ¦â Begann sie zögernd.
ââ¦mit drei Pools. Direkt am Strandâ¦â Fuhr Jenny fort. Ihre GroÃmutter hatte ihnen so oft davon erzählt, dass es war, als hätten sie es selbst erlebt.
ââ¦ein weiÃer Sandstrand. Mit genau zwanzig Palmen. Oder einundzwanzig. Diesbezüglich warst du dir nie sicherâ¦â
ââ¦weil es darauf ankam, auf welcher Seite du zum Zählen begonnen hattest.â Beendete Jenny den Satz.
Mum lächelte leicht. âWeiter.â
âEs gab eine Pool- und zwei Strandbars. An einer Strandbar arbeitete ein sehr gut aussehender Mexikaner, der dir öfters die Getränke gratis oder zum halben Preis gegeben hat. Grandpa war deshalb oft ein wenig mürrischâ¦â Carol lachte.
âEs gab einen Whirlpool. In dem ward ihr öfters nach dem Abendessen. Grandpa fand das zwar sehr ungesund, kam aber trotzdem mit. Danach wolltest du stets Kaffee von der Poolbar. Hin und ward ihr tanzenâ¦in einem kleinen Lokalâ¦wo war das nur gleichâ¦â
ââ¦direkt neben dem Hard Rock Cafe in der Stadt. Ihr machtet drei Ausflüge â¦ward sonst immer am Strandâ¦.einmal seid ihr mit einem älteren Paar aus Bolivien ins Gespräch gekommenâ¦die beiden haben euch euer Alter nicht geglaubt. Sie schätzten euch auf mindestens zehn Jahre jüngerâ¦zumindest dichâ¦tags darauf zeigtest du ihnen deinen Führerscheinâ¦â
ââ¦und du wolltest nie wieder wegâ¦â
Mum drückte sanft die Hände der beiden. âIhr seid wunderbar. Wisst ihr was, ich weià es nochâ¦dass ich nie wieder weg wollte.â Sie lächelte leicht. âIch hatte mir vorgenommen, eines Tages wieder dort hinzufahrenâ¦tja, der Zug ist wohl abgefahrenâ¦â Sie lächelte matt.
Carol und Jenny tauschten einen kurzen Blick. Sie wussten nicht, was sie sagen sollten.
Ich räusperte mich leise. Es gelang mir nicht länger die Tränen zurückzuhalten. Mum war eine wunderbare Frau. Sie hatte das nicht verdient. Warum gerade sie?
âEntschuldigt michâ¦â
âMumâ¦â Ich ignorierte Jenny und lief in mein altes Zimmer. Schluchzend lieà ich mich auf mein Bett fallen und lieà den Tränen endlich freien Lauf.
--------- Flashback ---------
Mum wischte die Tränen von meinen Wangen und nahm mich in die Arme. âAlles wird wieder gut, meine SüÃe.â
âEs tut so wehâ¦â
Sie nickte und strich eine Salbe über die Wunde. âSo, jetzt noch ein Pflaster.â Sie tat es darüber und küsste mein Knie. âBesser?â
âEs tut fast nicht mehr weh.â
âAn mir ist eine verdammt gute Krankenschwester verloren gegangen.â Mum strich mir die Haare aus dem Gesicht. âLust auf Pizza? Die soll sehr gut zur Heilung beitragen.â
âJa.â Jauchzte ich fröhlich.
--------- Flashback Ende ---------
Die Szene war ganz klar vor meinen Augen erschienen. Ich war vier oder fünf gewesen und hatte mich wieder einmal beim Spielen im Garten verletzte gehabt.
Es war erschreckend, wie schnell die Zeit doch vergangen war.
Hatte ich sie je so geschätzt, wie sie es verdient gehabt hätte? Oder war sie selbstverständlich für mich gewesen? Wie oft hatte ich ihr gesagt, wie viel sie mir bedeutet?
Wie oft hatte ich sie in späteren Jahren verletzt?
---------- Flashback --------
âGrandma hat nach dir gefragtâ¦â Begann Jenny leise. Sie war eine Woche bei Mum gewesen und vor einer Stunde wieder in Seattle angekommen.
Ich sah nur kurz von meinem Laptop hoch. âSchön. Ich schreibe noch den Artikel, dann bestellen wir Pizza, ja?â
Jenny trat zögernd näher. âSie vermisst dich. Sie glaubt, du willst nichts mehr mit ihr zu tun habenâ¦â
âJenny! Ich muss mich konzentrieren. Pack derweil deinen Rucksack aus.â
---------- Flashback Ende --------
Ich hatte es ignoriert. Ich hatte es einfach ignoriert.
âLorelai?â Riss mich plötzlich eine Stimme aus den Gedanken.
Ich setzte mich langsam auf.
âDarf ich?â
Ich nickte leicht.
Ramón drehte das Licht auf und setzte sich zu mir. âMöchtest du auch Kaffee? Ich wollte uns allen grad einen machen. Carol hatte seit dem Frühstück keinen mehr. Sie hat bestimmt schon Entzugserscheinungenâ¦â
âJa, bitte.â Ich lächelte leicht.
âEs geht mich zwar nichts an, aberâ¦du solltest mit deiner Mutter sprechen. Wenn es irgendetwas Unausgesprochenes gibt, musst du es ihr sagen. Ich werde es immer bereuen, nicht mehr dazu gekommen zu sein mit meinem Vater zu sprechenâ¦â
Ich starrte ins Leere. âEs wird ihr das Herz brechenâ¦â
Als ob er wüsste, was ich meinte, antwortete er: âNein. Gib euch beiden euren Seelenfrieden.â
Ich seufzte leise.
âDas ist Egoismus. Was du tust, was ich getan habe, was wir alle tunâ¦â
Ich sah ihn Stirn runzelnd an, schlieÃlich begriff ich. âDanke.â
Er nickte leicht und stand auf. âIch rufe dich, wenn der Kaffee fertig ist, Lorelai.â
âRory.â Verbesserte ich lächelnd