24.07.2006, 00:14
Hallo!
@Lava: Danke schön :freu: Freut mich, dass dir der Teil so gut gefallen hat!
@Noir-Girl: Kein Problem . Freu mich auf dein FB.
Es macht mir grad so viel Freude bei dieser Geschichte weiterzuschreiben, dass ich gleich drei weitere Teile poste. Ich hoffe, sie gefallen euch. Ich freu mich, wie immer, über jedes Feedback.
Gute Nacht,
Bussi Selene
6. Teil
Rosa
Spanish Harlem, 1975
„Was sagtest du gerade?“ Ana rückte ihre Brille zurecht und musterte das Mädchen ungläubig. Sie musste sich verhört haben. Oder ihre Tochter erlaubte sich einen sehr üblen Scherz. So ein Benehmen an einem Sonntag. Dabei hatte Rosa gerade beim heutigen Kirchbesuch besonders andächtig gewirkt. Ana beobachtete die Gesichtszüge ihrer Tochter. Rosas dunkle Augen strahlten wie immer, auf ihrer Stirn hatte sich jedoch eine leichte Falte gebildet. Das Mädchen fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Sie war offensichtlich nervös. Die Erkenntnis über ihr perfektes Gehör und die Tatsache der sichtbaren Ehrlichkeit Rosas rangen Ana ein tiefes Seufzen ab.
„Mamá…“ Rosa atmete tief durch und lächelte plötzlich wieder mit jedem Teil ihres Antlitzes. Sie ergriff die Hand ihrer Mutter. „Jorge hat mich gebeten seine Frau zu werden.“
Da Ana erneut einer regungslosen Starre verfiel, zog sich Rosas Stirn wieder in Falten. Ihre Stimme zitterte ein wenig, als sie weiter sprach. „Er wird mit dir sprechen. Am Mittwoch. Ich…wir…wollten nur, dass du darauf vorbereitet bist. Wir respektieren deine traditionellen Werte.“ Da ihre Mutter noch immer nicht reagierte, sondern stattdessen begann ihre Brille mit einem Tuch, welches sie aus der Rocktasche gezogen hatte, zu putzen, fuhr Rosa seufzend fort. „Jorge ist ein guter Mann. Er…er liebt mich aufrichtig.“ Erneut schien durch ihr Lächeln die längst verabschiedete Sonne wieder aufzugehen. „Er hat eine gute Arbeitsstelle. Die Summe unserer Gehälter langt für eine bescheidene, aber sichere Zukunft. In dem Gebäude neben der Flamenco Bar wird im Jänner ein Zimmer frei, da die Garcias ausziehen. Jorge und ich würden also weder dir noch seinen Eltern zur Last fallen…natürlich wäre dieses Zimmer nur eine Zwischenlösung…“
Ana runzelte die Stirn und betrachtete ihre Tochter. Rosa trug ein sehr schlichtes Kleid in sanftem rot, sie hatte ihre langen dunklen Locken zu einem Zopf geflochten. In Anas Augen sah sie auch jetzt wie eine bezaubernde Prinzessin aus. Ihre Augen bekamen einen sanften Ausdruck. Sie räusperte sich leise. „Cariña, welcher Tag ist heute?“
Rosa stutzte einen Moment. „Sonntag, Mutter. Der Tag des Herrn.“
„Hältst du es nicht für auffällig mir wichtige Dinge immer am Tag des Herrn mitzuteilen?“
Rosa senkte den Kopf, sah ihrer Mutter jedoch sogleich wieder in die Augen. „Mir scheint als würden unsere sonntäglichen Gespräche die besonders innigen sein. AuÃerdem handelt es sich bei der Ehe um ein Sakrament. Welcher Tag wäre folglich besser geeignet um darüber zu reden, als der Tag des Herrn?“
Ana runzelte belustigt die Stirn und lehnte sich die Arme verschränkend im Sessel zurück. „Sag mir, Cara, gibt es auch ein heiliges Sakrament bezüglich des Zerbrechens von Vasen? Möglicherweise bist du da besser bewandert als ich. Ich werde die Bibel in Zukunft genauer lesen.“
„Mamá, das war vor zehn Jahren…“
Ana lächelte. „Dein Gedächtnis funktioniert ausgezeichnet. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Wochen du schon wie ein Engel durch die Räume geschwebt bist und unschuldig überlegt hast, wie du mir heiklere Dinge an kommenden Sonntagen beibringen könntest…“ Ihre Augen blitzten amüsiert.
„Mamá, es tut mir leid. Aber mir scheint tatsächlich als könnten wir solche Dinge besser an Sonntagen besprechen.“
„Gerade diese Dinge sollten aber nicht am Ruhetag besprochen werden.“ Ana versuchte streng zu klingen.
„Ja, da hast du recht. Es tut mir leid. Ich war sehr gedanken- und respektlos.“
„Allerdings. Das warst du.“ Ana räusperte sich. „Möglicherweise könntest du heiklere Dinge zukünftig Donnerstagabend ansprechen. Ich habe zu Zeit eine Glückssträhne beim Kartenspiel und bin daher an diesen Tagen stets sehr beschwingt und gelassen.“ Ihre Augen blitzten erneut belustigt.
Ein leichtes Lächeln umspielte Rosas Lippen. „In Ordnung.“ Sie runzelte die Stirn. „Und was denkst du nun über…“ Sie hielt inne.
„Worüber denn, Cariña?“
„Jorge und mich…als Ehepaar…“
„Nun…“ Ana nahm ihre Brille Stirn runzelnd ab und sah durch als würde sie die Sauberkeit der Gläser überprüfen. „Ihr seid noch nicht lange zusammen…“ Sie setzte ihre Brille wieder auf.
Rosa seufzte. „Ich weiÃ. Aber wir sind füreinander bestimmt. Dessen bin ich mir ganz sicher. Ich liebe ihn mit jeder Faser meines Körpers.“
Anas Augen weiteten sich. „Ich hoffe, das bedeutet nicht, dass du dich auf Dinge eingelassen hast, die sich für ein unverheiratetes Mädchen nicht gehören?“
Rosa lachte. „Aber nicht doch. Sowohl Jorge als auch ich wollen bis zu unserer Hochzeit warten.“
Ana atmete erleichtert auf. „Das ist sehr vernünftig.“
„Mamá…“ Rosa ergriff die Hand ihrer Mutter. „Ich weiÃ, dass du in der Vergangenheit sehr schlechte Erfahrungen gemacht hast. Für nichts auf der Welt mag es eine volle Garantie geben, aber mein Herz sagt mir, dass es von Gott gewollt ist, Jorge zu heiraten. Auch mein Verstand widerspricht dem nicht.“
Ana blickte in die dunkelbraunen Augen ihrer Tochter. Plötzlich lächelte sie. „Er macht dich glücklich und ist gut zu dir. Noch dazu hat er eine sehr gute Arbeitsstelle.“ Sie griff sich ans Kinn. „Am Mittwoch kommt er also.“
Rosa nickte ungeduldig. „Was…was wirst du ihm sagen?“ Ihr Herzschlag wurde schneller.
„Erst mal, dass er die verstaubten Schuhe ausziehen soll, bevor er mein Heim betritt.“
„Mamá…“ Ihre Tochter schenkte ihr einen flehenden Blick.
„Rosa, als Ehefrau wirst du einmal mehr Geduld haben müssen. Männer können schwierig sein. Und Kinder erst recht. Wie ich dich kenne, willst du noch dazu ein halbes Dutzend davon.“
„Drei würden schon genügen.“ Rosa lächelte.
„Drei? Versprich mir, dass ihr sie nicht in eurer Zeit neben dieser Bar bekommen werdet. Dort ist die falsche Gegend für Kinder…“
„Auch diesbezüglich muss ich dir Recht geben, Mutter.“
„Bevor du mich aus lauter vor Angst und Nervosität bewirktem Respekt auch noch siezt, werde ich dir wohl sagen müssen, was ich denke. Dich bis Mittwoch warten zu lassen hättest du zwar aufgrund deiner Respektlosigkeit gegenüber des Tags des Herrn verdient, ich möchte jedoch nicht so sein. Also wenn dein Jorge mich mit Respekt und Blumen begrüÃt und mir die Frage stellt, werde ich ihm mitteilen, dass meine Antwort der deinen entspricht.“
Rosa schien einen Moment erstarrt, bevor sie ihre Mutter weinend umarmte.
Ana drückte ihre Tochter an sich und strich ihr liebevoll über den Rücken. „Tränen der Freude am Tag des Herrn…“ Sie schüttelte den Kopf, lächelte aber.
7. Teil
Sarah
Stockholm, 1977
Die ersten Sonnenstrahlen drängten sich durch die dünnen Jalousien. Die sanfte Stille wurde von dem lauten Ruf der kräftigen Stimme Ilses unterbrochen.
Sarah saà mit einem Mal kerzengerade in ihrem Bett.
„Sarah! Zeit zum Frühstücken!“ Hallte es erneut durch das groÃe Haus. Es war Mittwoch. Mittwochs und freitags pflegte Sarahs Mutter früher zur Arbeit zu fahren, weshalb es die Aufgabe der GroÃmutter schien das Mädchen zu wecken. Da Ilses Zimmer auf der unteren Etage lag und sie bereits eine Stunde vor ihrer Enkeltochter mit ihrem ausgiebigen Frühstück zu beginnen pflegte, empfand sie es niemals als notwendig so viele Stufen zu gehen, nur um sie sanfter wecken zu können. Sie war ohnehin der Meinung, Sarah müsse endlich lernen selbst rechtzeitig aufzustehen. Acht Stunden Schlaf mochten bequem sein, sie verwöhnten das Mädchen aber zu sehr. Ilse selbst war auf einem Bauernhof aufgewachsen und hatte um diese Zeit längst im Stall oder auf den Feldern gearbeitet. Nach etwa einer halben Stunde vernahm die ältere Dame bereits die sanften Schritte ihrer Enkeltochter.
Als Sarah den geräumigen Essraum betrat, thronte ihre GroÃmutter bereits auf dem edelsten aller Stühle, einem in weinrot eingefärbten Lehnstuhl. Sie war sehr gut gekleidet, wie immer, und hatte die silbernen Haare kunstvoll hochgesteckt. Ihr rechter kleiner Finger hob sich, als sie an ihrem Kaffee nippte. Es gab Tage, an welchen Sarah die ländliche sowie ärmliche Herkunft ihrer GroÃmutter bezweifelte. Die Königinmutter Sybilla konnte nicht eleganter gewesen sein. Ilses ausgeprägte Verschwendsucht schien Sarah auch nicht sehr naturlieb. Sie dachte manchmal, dass es sich bei dem alten Naturglauben, von welchem die UrgroÃmutter Ilses jener angeblich in einer stürmischen Winternacht in ihrer kleinen Hütte erzählt hatte, auch nur um ein Märchen handelte, welches lediglich irgendeiner Belehrung Sarahs dienen sollte.
„Guten Morgen.“ Sarah lieà sich gähnend auf dem Holzstuhl gegenüber ihrer GroÃmutter sinken und goss sich heiÃe Schokolade in ihre bunte Tasse, welche, genauso wie Besteck und ihr Teller, bereits am Tisch stand.
„Der Morgen hat bereits vor einer Ewigkeit begonnen.“
„Mein Unterricht beginnt heute erst um zehn Uhr. Ich hatte meinen Wecker für halb neun gestellt…“
„Halb neun? WeiÃt du, was ich in deinem Alter um halb neun bereits gemacht habe?“
„Kühe gemolken?“ Sarah biss sich auf die Unterlippe.
Ilse ging nicht darauf ein. „Wir mussten bereits um fünf Uhr aufstehen! Manchmal auch früher. Und Morgenmuffel durften wir alle schon gar nicht sein, sonst hätte uns Vater den Hintern versohlen.“
Sarah nickte. „Entschuldige. Ich werde versuchen in Zukunft früher aufzustehen. Selbstständig.“
„Wann bist du denn erst schlafen gegangen?“
Das Mädchen seufzte. Sie liebte ihre GroÃmutter, aber morgens war sie unerträglich. „Gegen eins.“
„Ein Uhr? Himmel, Kind! Was treibst du denn so lange?“
„Ich habe noch etwas gelesen.“
„Ach Kindchen…du liest seit über einem Jahr wiederholt immer wieder dasselbe Buch. Was fasziniert dich so an dieser Geschichte?“
„Ich lese parallel auch anderes.“ Berichtigte Sarah. „Melissas Leben fasziniert mich.“
Ilse seufzte. „Melissa ist eine fiktive Person.“
„Ich weiÃ. Aber ihr fiktives Leben ist so…“ Sarah lächelte verträumt. „…realistisch und wunderbar geschildert.“
„Pah!“ Ilse lachte. Sie hatte Büchern noch nie sehr viel abgewinnen können. „Geh raus, Mädchen.“ Sie deutete auf das groÃe Fenster, welches den Blick zu dem riesigen Garten bot. „Dort drauÃen spielt sich das wahre Leben ab. Geh raus und erlebe das Leben, es gibt nichts Wunderbareres als das. Lass das dumme Buch. Die Autorin hat sich wahrscheinlich wie du stets in ihren vier Wänden versteckt und ihre Träume niedergeschrieben.“
Sarah runzelte die Stirn. „Ich würde ja gerne rausgehen. Und reisen, ganz viel reisen. Ich möchte die Welt sehen.“ Sie lächelte sehnsüchtig.
„Die Welt? Pah! Schau dir erst einmal Skandinavien genauer an. Wozu brauchst du die Welt? Du hast keine Prüfungen mehr. Gehe heute mit deinen Freundinnen in den Park. Besucht ein Kino. Was kann dir die Welt bieten, das Schweden dir nicht bieten kann?“
„Ich…ich weià es nicht. Aber ich muss es herausfinden…“
Ilse schüttelte den Kopf. „Diese viel zu jungen Autorinnen aus Amerika setzen euch Mädchen nur Flausen in den Kopf.“
„Aber du hast es doch auch geliebt zu reisen.“ Gab Sarah zu bedenken.
Ilse seufzte. „Dein GroÃvater und ich verreisten vor der Geburt deiner Mutter ein paar Mal, ja. Wir waren in Deutschland, Frankreich, GroÃbritannien und einmal in Washington. Und weiÃt du, wo es am schönsten war? Hier in Stockholm.“
Sarah nickte. „Das mögt ihr so empfunden haben. Aber ich muss diese Erfahrung selbst machen.“
„Sarah, du bist vierzehn, bald fünfzehn Jahre alt. Sei Kind, so lange du kannst.“
„Ach GroÃmama…“ Sarah seufzte.
„Dir geht es hier so gut. Was vermisst du denn? Deinen Vater?“
„Nein!“ Meinte das Mädchen entschieden. „Ich weià es nicht…“
„Du bist noch so jung, hättest aber am liebsten schon alles hinter dir. Die Reisen, die groÃe Liebe. Ich bin fünfundsechzig und habe das alles schon erlebt. Wenn du möchtest, tauschen wir.“
Sarah schmierte sich lachend etwas Butter auf ihr Brot und griff nach dem Käse.
„Ach, Sarah.“ Ilse musterte ihre Enkeltochter Kopf schüttelnd. „Die Vorfreude ist doch die schönste Freude.“
Sarah seufzte leise und biss von ihrem Brot. „Erzähle mir von deiner Kindheit.“ Bat sie schlieÃlich, um das Thema zu wechseln. Ihre GroÃmutter würde sie wohl niemals verstehen. Sarah stellte sich oft die Frage, ob Ilse diese Träume früher nicht auch gehabt hatte.
8. Teil
Lillian
Spanish Harlem, 2000
Lillian spürte weder die erfrischenden Regentropfen, welche zunehmend begannen ihr dünnes Kleid zu durchnässen, noch nahm sie Laute und Gerüche, welche aus den Lokalen der SeitenstraÃe drangen, wahr. Ihre Beine schienen die Kontrolle über ihren Körper übernommen zu haben. Erst vor dem letzten grauen Häuserblock kam sie zur Ruhe.
Weder Arturo noch Yolanda, welche sich an die Hausmauer gelehnt unterhielten, bemerkten sie. Die junge Frau vollkommen ignorierend schritt Lillian auf ihn zu.
Endlich schien er sie zu registrieren. „Lillian! Was ist passiert?“ Er musterte sie erschrocken. Lillians Wimperntusche war zerronnen, sie zitterte am ganzen Körper.
Yolanda rollte mit den Augen und zündete sich eine Zigarette an. „Hör mal.“ Sagte sie an Arturo gewandt. „Wir müssen heute nicht ausgehen.“ Yolanda warf Lillian einen verächtlichen Blick zu. „Wir sehen uns sowieso morgen auf der Feier.“ Mit diesen Worten kehrte sie ihnen den Rücken und ging.
„Lillian! Was ist passiert?“ wiederholte Arturo Yolandas Abgang vollkommen ignorierend. Er ergriff Lillians Hände. „Hat dir jemand etwas angetan? Sag es mir!“ Seine Stimme hob sich.
Sie presste die Augen zusammen und atmete tief durch. SchlieÃlich schüttelte sie kaum merklich den Kopf.
Arturo seufzte kurz erleichtert auf, bevor sich eine wütende Falte auf seiner Stirn bildete. „Es ist doch nicht wegen Yolanda? Wir wollten lediglich tanzen gehen. Du warst es, welche diese Art Beziehung wollte!“
Lillian wollte gerade antworten, als sie plötzlich eine Gruppe junger Männer bemerkte, welche sie belustigt musterte.
„Was ist denn los, Arturo, hast du die Kleine angebumst?“ Lachte einer. „Hey Lilly, lässt du mich jetzt auch mal ran?“
Lillian ignorierte die dumme Bemerkung. „Können wir irgendwo anders hingehen?“ Bat sie leise.
Arturo warf dem jungen Mann einen drohenden Blick zu, bevor er schlieÃlich Lillians Hand ergriff und das Mädchen mit sich zog.
Sie liefen durch zwei kleine Seitengassen bevor sie den kleinen Laden seines älteren Bruder, in welchem er hin und wieder aushalf, erreichten. Lillian musterte die Graffitis auf den Glasfenster, welche bereits mehrere Sprünge aufwiesen.
Arturo zog einen kleinen Schlüssel aus seiner Jacke und sperrte die Tür auf. Während er sie in den dunklen Raum schob, erinnerte sich Lillian einen Moment an die schon längst vergangene Nacht, in welcher er sie das erste Mal hergebracht hatte. Sie hatte eine schmerzhafte Platzwunde auf ihrer Lippe gehabt, mit welcher sie Ana nicht hätte unter die Augen treten können. Diese hätte ihre Enkeltochter abends nie wieder aus der Wohnung gehen lassen. Lillian hatte den Schock am darauf folgenden Abend immerhin soweit überwunden gehabt, dass sie es geschafft hatte, ihre GroÃmutter bezüglich ihres Aufenthaltes und der zumindest etwas verheilten Verletzung erfolgreich zu belügen.
Arturo versperrte die Tür, legte eine dünne Matte auf den verstaubten Boden und deutete ihr sich zu setzen. Lillian gehorchte seufzend. „Es…es tut mir leid. Ich wollte nicht…“ Sie brach ab und beobachtete mit einem leichten Lächeln die beinahe zärtliche Art und Weise, wie er seine Lederjacke um ihre Schultern legte. „Danke.“ Flüsterte sie kaum hörbar.
Arturo setzte sich zu ihr und strich ihr kurz über die Wange.
„Ich weiÃ, dass du mir keine Rechenschaft schuldig bist.“
„Lillian, was ist passiert? Ist etwas mit deiner GroÃmutter?“
Sie wandte den Kopf von ihm und musterte die aufgetürmten Kisten. „Nein.“
„Weià sie, wo du gerade bist?“
„Sie wird es sich denken können.“ Erwiderte Lillian gleichgültig.
Arturo musterte sie nachdenklich. Es kam nicht selten vor, dass Ana und Lillian stritten. Aber kein Streit hatte sie bis jetzt so aus der Fassung gebracht. „Möchtest du hier übernachten?“
Sie zuckte mit den Schultern.
„Hast du Hunger? Ich kann nachschauen, ob wir irgendetwas da haben.“
Lillian drehte sich langsam zu ihm und schüttelte den Kopf.
Arturo fuhr durch ihr langes Haar, welches beinahe wieder trocken war. Lillian kniff die Augen zusammen um seine Gesichtszüge besser erkennen zu können. In seinen Augen lag eine ungewohnte Besorgtheit. Lillian atmete tief durch. Sie schloss die Augen, damit er die Tränen darin nicht sehen konnte, und schlang ihre Arme um seinen Hals. Lillian presste ihre Lippen auf seine, als benötige sie seinen Atem um überleben zu können. Vielleicht war es auch so. Arturo streifte ihr die Jacke ab und bedeckte ihren Nacken mit Küssen. Da ihr Kleid noch feucht war, benötigte er dieses Mal ihre Hilfe um sie zu entkleiden. Sie bedeckte seinen Nacken mit Küssen, während er ihren BH öffnete. Arturo entledigte sich seines Shirts und der alten Jeans, bevor er Lillian schlieÃlich umfasste und sie stürmisch auf die harte Matte drückte. Sein heiÃer Atem auf ihrer nackten Haut und seine starken Hände, welche sich jeder Stelle ihres Körpers widmeten, lösten glühende Wallungen aus, welche sie alles vergessen lieÃen.
...
@Lava: Danke schön :freu: Freut mich, dass dir der Teil so gut gefallen hat!
@Noir-Girl: Kein Problem . Freu mich auf dein FB.
Es macht mir grad so viel Freude bei dieser Geschichte weiterzuschreiben, dass ich gleich drei weitere Teile poste. Ich hoffe, sie gefallen euch. Ich freu mich, wie immer, über jedes Feedback.
Gute Nacht,
Bussi Selene
6. Teil
Rosa
Spanish Harlem, 1975
„Was sagtest du gerade?“ Ana rückte ihre Brille zurecht und musterte das Mädchen ungläubig. Sie musste sich verhört haben. Oder ihre Tochter erlaubte sich einen sehr üblen Scherz. So ein Benehmen an einem Sonntag. Dabei hatte Rosa gerade beim heutigen Kirchbesuch besonders andächtig gewirkt. Ana beobachtete die Gesichtszüge ihrer Tochter. Rosas dunkle Augen strahlten wie immer, auf ihrer Stirn hatte sich jedoch eine leichte Falte gebildet. Das Mädchen fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Sie war offensichtlich nervös. Die Erkenntnis über ihr perfektes Gehör und die Tatsache der sichtbaren Ehrlichkeit Rosas rangen Ana ein tiefes Seufzen ab.
„Mamá…“ Rosa atmete tief durch und lächelte plötzlich wieder mit jedem Teil ihres Antlitzes. Sie ergriff die Hand ihrer Mutter. „Jorge hat mich gebeten seine Frau zu werden.“
Da Ana erneut einer regungslosen Starre verfiel, zog sich Rosas Stirn wieder in Falten. Ihre Stimme zitterte ein wenig, als sie weiter sprach. „Er wird mit dir sprechen. Am Mittwoch. Ich…wir…wollten nur, dass du darauf vorbereitet bist. Wir respektieren deine traditionellen Werte.“ Da ihre Mutter noch immer nicht reagierte, sondern stattdessen begann ihre Brille mit einem Tuch, welches sie aus der Rocktasche gezogen hatte, zu putzen, fuhr Rosa seufzend fort. „Jorge ist ein guter Mann. Er…er liebt mich aufrichtig.“ Erneut schien durch ihr Lächeln die längst verabschiedete Sonne wieder aufzugehen. „Er hat eine gute Arbeitsstelle. Die Summe unserer Gehälter langt für eine bescheidene, aber sichere Zukunft. In dem Gebäude neben der Flamenco Bar wird im Jänner ein Zimmer frei, da die Garcias ausziehen. Jorge und ich würden also weder dir noch seinen Eltern zur Last fallen…natürlich wäre dieses Zimmer nur eine Zwischenlösung…“
Ana runzelte die Stirn und betrachtete ihre Tochter. Rosa trug ein sehr schlichtes Kleid in sanftem rot, sie hatte ihre langen dunklen Locken zu einem Zopf geflochten. In Anas Augen sah sie auch jetzt wie eine bezaubernde Prinzessin aus. Ihre Augen bekamen einen sanften Ausdruck. Sie räusperte sich leise. „Cariña, welcher Tag ist heute?“
Rosa stutzte einen Moment. „Sonntag, Mutter. Der Tag des Herrn.“
„Hältst du es nicht für auffällig mir wichtige Dinge immer am Tag des Herrn mitzuteilen?“
Rosa senkte den Kopf, sah ihrer Mutter jedoch sogleich wieder in die Augen. „Mir scheint als würden unsere sonntäglichen Gespräche die besonders innigen sein. AuÃerdem handelt es sich bei der Ehe um ein Sakrament. Welcher Tag wäre folglich besser geeignet um darüber zu reden, als der Tag des Herrn?“
Ana runzelte belustigt die Stirn und lehnte sich die Arme verschränkend im Sessel zurück. „Sag mir, Cara, gibt es auch ein heiliges Sakrament bezüglich des Zerbrechens von Vasen? Möglicherweise bist du da besser bewandert als ich. Ich werde die Bibel in Zukunft genauer lesen.“
„Mamá, das war vor zehn Jahren…“
Ana lächelte. „Dein Gedächtnis funktioniert ausgezeichnet. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Wochen du schon wie ein Engel durch die Räume geschwebt bist und unschuldig überlegt hast, wie du mir heiklere Dinge an kommenden Sonntagen beibringen könntest…“ Ihre Augen blitzten amüsiert.
„Mamá, es tut mir leid. Aber mir scheint tatsächlich als könnten wir solche Dinge besser an Sonntagen besprechen.“
„Gerade diese Dinge sollten aber nicht am Ruhetag besprochen werden.“ Ana versuchte streng zu klingen.
„Ja, da hast du recht. Es tut mir leid. Ich war sehr gedanken- und respektlos.“
„Allerdings. Das warst du.“ Ana räusperte sich. „Möglicherweise könntest du heiklere Dinge zukünftig Donnerstagabend ansprechen. Ich habe zu Zeit eine Glückssträhne beim Kartenspiel und bin daher an diesen Tagen stets sehr beschwingt und gelassen.“ Ihre Augen blitzten erneut belustigt.
Ein leichtes Lächeln umspielte Rosas Lippen. „In Ordnung.“ Sie runzelte die Stirn. „Und was denkst du nun über…“ Sie hielt inne.
„Worüber denn, Cariña?“
„Jorge und mich…als Ehepaar…“
„Nun…“ Ana nahm ihre Brille Stirn runzelnd ab und sah durch als würde sie die Sauberkeit der Gläser überprüfen. „Ihr seid noch nicht lange zusammen…“ Sie setzte ihre Brille wieder auf.
Rosa seufzte. „Ich weiÃ. Aber wir sind füreinander bestimmt. Dessen bin ich mir ganz sicher. Ich liebe ihn mit jeder Faser meines Körpers.“
Anas Augen weiteten sich. „Ich hoffe, das bedeutet nicht, dass du dich auf Dinge eingelassen hast, die sich für ein unverheiratetes Mädchen nicht gehören?“
Rosa lachte. „Aber nicht doch. Sowohl Jorge als auch ich wollen bis zu unserer Hochzeit warten.“
Ana atmete erleichtert auf. „Das ist sehr vernünftig.“
„Mamá…“ Rosa ergriff die Hand ihrer Mutter. „Ich weiÃ, dass du in der Vergangenheit sehr schlechte Erfahrungen gemacht hast. Für nichts auf der Welt mag es eine volle Garantie geben, aber mein Herz sagt mir, dass es von Gott gewollt ist, Jorge zu heiraten. Auch mein Verstand widerspricht dem nicht.“
Ana blickte in die dunkelbraunen Augen ihrer Tochter. Plötzlich lächelte sie. „Er macht dich glücklich und ist gut zu dir. Noch dazu hat er eine sehr gute Arbeitsstelle.“ Sie griff sich ans Kinn. „Am Mittwoch kommt er also.“
Rosa nickte ungeduldig. „Was…was wirst du ihm sagen?“ Ihr Herzschlag wurde schneller.
„Erst mal, dass er die verstaubten Schuhe ausziehen soll, bevor er mein Heim betritt.“
„Mamá…“ Ihre Tochter schenkte ihr einen flehenden Blick.
„Rosa, als Ehefrau wirst du einmal mehr Geduld haben müssen. Männer können schwierig sein. Und Kinder erst recht. Wie ich dich kenne, willst du noch dazu ein halbes Dutzend davon.“
„Drei würden schon genügen.“ Rosa lächelte.
„Drei? Versprich mir, dass ihr sie nicht in eurer Zeit neben dieser Bar bekommen werdet. Dort ist die falsche Gegend für Kinder…“
„Auch diesbezüglich muss ich dir Recht geben, Mutter.“
„Bevor du mich aus lauter vor Angst und Nervosität bewirktem Respekt auch noch siezt, werde ich dir wohl sagen müssen, was ich denke. Dich bis Mittwoch warten zu lassen hättest du zwar aufgrund deiner Respektlosigkeit gegenüber des Tags des Herrn verdient, ich möchte jedoch nicht so sein. Also wenn dein Jorge mich mit Respekt und Blumen begrüÃt und mir die Frage stellt, werde ich ihm mitteilen, dass meine Antwort der deinen entspricht.“
Rosa schien einen Moment erstarrt, bevor sie ihre Mutter weinend umarmte.
Ana drückte ihre Tochter an sich und strich ihr liebevoll über den Rücken. „Tränen der Freude am Tag des Herrn…“ Sie schüttelte den Kopf, lächelte aber.
7. Teil
Sarah
Stockholm, 1977
Die ersten Sonnenstrahlen drängten sich durch die dünnen Jalousien. Die sanfte Stille wurde von dem lauten Ruf der kräftigen Stimme Ilses unterbrochen.
Sarah saà mit einem Mal kerzengerade in ihrem Bett.
„Sarah! Zeit zum Frühstücken!“ Hallte es erneut durch das groÃe Haus. Es war Mittwoch. Mittwochs und freitags pflegte Sarahs Mutter früher zur Arbeit zu fahren, weshalb es die Aufgabe der GroÃmutter schien das Mädchen zu wecken. Da Ilses Zimmer auf der unteren Etage lag und sie bereits eine Stunde vor ihrer Enkeltochter mit ihrem ausgiebigen Frühstück zu beginnen pflegte, empfand sie es niemals als notwendig so viele Stufen zu gehen, nur um sie sanfter wecken zu können. Sie war ohnehin der Meinung, Sarah müsse endlich lernen selbst rechtzeitig aufzustehen. Acht Stunden Schlaf mochten bequem sein, sie verwöhnten das Mädchen aber zu sehr. Ilse selbst war auf einem Bauernhof aufgewachsen und hatte um diese Zeit längst im Stall oder auf den Feldern gearbeitet. Nach etwa einer halben Stunde vernahm die ältere Dame bereits die sanften Schritte ihrer Enkeltochter.
Als Sarah den geräumigen Essraum betrat, thronte ihre GroÃmutter bereits auf dem edelsten aller Stühle, einem in weinrot eingefärbten Lehnstuhl. Sie war sehr gut gekleidet, wie immer, und hatte die silbernen Haare kunstvoll hochgesteckt. Ihr rechter kleiner Finger hob sich, als sie an ihrem Kaffee nippte. Es gab Tage, an welchen Sarah die ländliche sowie ärmliche Herkunft ihrer GroÃmutter bezweifelte. Die Königinmutter Sybilla konnte nicht eleganter gewesen sein. Ilses ausgeprägte Verschwendsucht schien Sarah auch nicht sehr naturlieb. Sie dachte manchmal, dass es sich bei dem alten Naturglauben, von welchem die UrgroÃmutter Ilses jener angeblich in einer stürmischen Winternacht in ihrer kleinen Hütte erzählt hatte, auch nur um ein Märchen handelte, welches lediglich irgendeiner Belehrung Sarahs dienen sollte.
„Guten Morgen.“ Sarah lieà sich gähnend auf dem Holzstuhl gegenüber ihrer GroÃmutter sinken und goss sich heiÃe Schokolade in ihre bunte Tasse, welche, genauso wie Besteck und ihr Teller, bereits am Tisch stand.
„Der Morgen hat bereits vor einer Ewigkeit begonnen.“
„Mein Unterricht beginnt heute erst um zehn Uhr. Ich hatte meinen Wecker für halb neun gestellt…“
„Halb neun? WeiÃt du, was ich in deinem Alter um halb neun bereits gemacht habe?“
„Kühe gemolken?“ Sarah biss sich auf die Unterlippe.
Ilse ging nicht darauf ein. „Wir mussten bereits um fünf Uhr aufstehen! Manchmal auch früher. Und Morgenmuffel durften wir alle schon gar nicht sein, sonst hätte uns Vater den Hintern versohlen.“
Sarah nickte. „Entschuldige. Ich werde versuchen in Zukunft früher aufzustehen. Selbstständig.“
„Wann bist du denn erst schlafen gegangen?“
Das Mädchen seufzte. Sie liebte ihre GroÃmutter, aber morgens war sie unerträglich. „Gegen eins.“
„Ein Uhr? Himmel, Kind! Was treibst du denn so lange?“
„Ich habe noch etwas gelesen.“
„Ach Kindchen…du liest seit über einem Jahr wiederholt immer wieder dasselbe Buch. Was fasziniert dich so an dieser Geschichte?“
„Ich lese parallel auch anderes.“ Berichtigte Sarah. „Melissas Leben fasziniert mich.“
Ilse seufzte. „Melissa ist eine fiktive Person.“
„Ich weiÃ. Aber ihr fiktives Leben ist so…“ Sarah lächelte verträumt. „…realistisch und wunderbar geschildert.“
„Pah!“ Ilse lachte. Sie hatte Büchern noch nie sehr viel abgewinnen können. „Geh raus, Mädchen.“ Sie deutete auf das groÃe Fenster, welches den Blick zu dem riesigen Garten bot. „Dort drauÃen spielt sich das wahre Leben ab. Geh raus und erlebe das Leben, es gibt nichts Wunderbareres als das. Lass das dumme Buch. Die Autorin hat sich wahrscheinlich wie du stets in ihren vier Wänden versteckt und ihre Träume niedergeschrieben.“
Sarah runzelte die Stirn. „Ich würde ja gerne rausgehen. Und reisen, ganz viel reisen. Ich möchte die Welt sehen.“ Sie lächelte sehnsüchtig.
„Die Welt? Pah! Schau dir erst einmal Skandinavien genauer an. Wozu brauchst du die Welt? Du hast keine Prüfungen mehr. Gehe heute mit deinen Freundinnen in den Park. Besucht ein Kino. Was kann dir die Welt bieten, das Schweden dir nicht bieten kann?“
„Ich…ich weià es nicht. Aber ich muss es herausfinden…“
Ilse schüttelte den Kopf. „Diese viel zu jungen Autorinnen aus Amerika setzen euch Mädchen nur Flausen in den Kopf.“
„Aber du hast es doch auch geliebt zu reisen.“ Gab Sarah zu bedenken.
Ilse seufzte. „Dein GroÃvater und ich verreisten vor der Geburt deiner Mutter ein paar Mal, ja. Wir waren in Deutschland, Frankreich, GroÃbritannien und einmal in Washington. Und weiÃt du, wo es am schönsten war? Hier in Stockholm.“
Sarah nickte. „Das mögt ihr so empfunden haben. Aber ich muss diese Erfahrung selbst machen.“
„Sarah, du bist vierzehn, bald fünfzehn Jahre alt. Sei Kind, so lange du kannst.“
„Ach GroÃmama…“ Sarah seufzte.
„Dir geht es hier so gut. Was vermisst du denn? Deinen Vater?“
„Nein!“ Meinte das Mädchen entschieden. „Ich weià es nicht…“
„Du bist noch so jung, hättest aber am liebsten schon alles hinter dir. Die Reisen, die groÃe Liebe. Ich bin fünfundsechzig und habe das alles schon erlebt. Wenn du möchtest, tauschen wir.“
Sarah schmierte sich lachend etwas Butter auf ihr Brot und griff nach dem Käse.
„Ach, Sarah.“ Ilse musterte ihre Enkeltochter Kopf schüttelnd. „Die Vorfreude ist doch die schönste Freude.“
Sarah seufzte leise und biss von ihrem Brot. „Erzähle mir von deiner Kindheit.“ Bat sie schlieÃlich, um das Thema zu wechseln. Ihre GroÃmutter würde sie wohl niemals verstehen. Sarah stellte sich oft die Frage, ob Ilse diese Träume früher nicht auch gehabt hatte.
8. Teil
Lillian
Spanish Harlem, 2000
Lillian spürte weder die erfrischenden Regentropfen, welche zunehmend begannen ihr dünnes Kleid zu durchnässen, noch nahm sie Laute und Gerüche, welche aus den Lokalen der SeitenstraÃe drangen, wahr. Ihre Beine schienen die Kontrolle über ihren Körper übernommen zu haben. Erst vor dem letzten grauen Häuserblock kam sie zur Ruhe.
Weder Arturo noch Yolanda, welche sich an die Hausmauer gelehnt unterhielten, bemerkten sie. Die junge Frau vollkommen ignorierend schritt Lillian auf ihn zu.
Endlich schien er sie zu registrieren. „Lillian! Was ist passiert?“ Er musterte sie erschrocken. Lillians Wimperntusche war zerronnen, sie zitterte am ganzen Körper.
Yolanda rollte mit den Augen und zündete sich eine Zigarette an. „Hör mal.“ Sagte sie an Arturo gewandt. „Wir müssen heute nicht ausgehen.“ Yolanda warf Lillian einen verächtlichen Blick zu. „Wir sehen uns sowieso morgen auf der Feier.“ Mit diesen Worten kehrte sie ihnen den Rücken und ging.
„Lillian! Was ist passiert?“ wiederholte Arturo Yolandas Abgang vollkommen ignorierend. Er ergriff Lillians Hände. „Hat dir jemand etwas angetan? Sag es mir!“ Seine Stimme hob sich.
Sie presste die Augen zusammen und atmete tief durch. SchlieÃlich schüttelte sie kaum merklich den Kopf.
Arturo seufzte kurz erleichtert auf, bevor sich eine wütende Falte auf seiner Stirn bildete. „Es ist doch nicht wegen Yolanda? Wir wollten lediglich tanzen gehen. Du warst es, welche diese Art Beziehung wollte!“
Lillian wollte gerade antworten, als sie plötzlich eine Gruppe junger Männer bemerkte, welche sie belustigt musterte.
„Was ist denn los, Arturo, hast du die Kleine angebumst?“ Lachte einer. „Hey Lilly, lässt du mich jetzt auch mal ran?“
Lillian ignorierte die dumme Bemerkung. „Können wir irgendwo anders hingehen?“ Bat sie leise.
Arturo warf dem jungen Mann einen drohenden Blick zu, bevor er schlieÃlich Lillians Hand ergriff und das Mädchen mit sich zog.
Sie liefen durch zwei kleine Seitengassen bevor sie den kleinen Laden seines älteren Bruder, in welchem er hin und wieder aushalf, erreichten. Lillian musterte die Graffitis auf den Glasfenster, welche bereits mehrere Sprünge aufwiesen.
Arturo zog einen kleinen Schlüssel aus seiner Jacke und sperrte die Tür auf. Während er sie in den dunklen Raum schob, erinnerte sich Lillian einen Moment an die schon längst vergangene Nacht, in welcher er sie das erste Mal hergebracht hatte. Sie hatte eine schmerzhafte Platzwunde auf ihrer Lippe gehabt, mit welcher sie Ana nicht hätte unter die Augen treten können. Diese hätte ihre Enkeltochter abends nie wieder aus der Wohnung gehen lassen. Lillian hatte den Schock am darauf folgenden Abend immerhin soweit überwunden gehabt, dass sie es geschafft hatte, ihre GroÃmutter bezüglich ihres Aufenthaltes und der zumindest etwas verheilten Verletzung erfolgreich zu belügen.
Arturo versperrte die Tür, legte eine dünne Matte auf den verstaubten Boden und deutete ihr sich zu setzen. Lillian gehorchte seufzend. „Es…es tut mir leid. Ich wollte nicht…“ Sie brach ab und beobachtete mit einem leichten Lächeln die beinahe zärtliche Art und Weise, wie er seine Lederjacke um ihre Schultern legte. „Danke.“ Flüsterte sie kaum hörbar.
Arturo setzte sich zu ihr und strich ihr kurz über die Wange.
„Ich weiÃ, dass du mir keine Rechenschaft schuldig bist.“
„Lillian, was ist passiert? Ist etwas mit deiner GroÃmutter?“
Sie wandte den Kopf von ihm und musterte die aufgetürmten Kisten. „Nein.“
„Weià sie, wo du gerade bist?“
„Sie wird es sich denken können.“ Erwiderte Lillian gleichgültig.
Arturo musterte sie nachdenklich. Es kam nicht selten vor, dass Ana und Lillian stritten. Aber kein Streit hatte sie bis jetzt so aus der Fassung gebracht. „Möchtest du hier übernachten?“
Sie zuckte mit den Schultern.
„Hast du Hunger? Ich kann nachschauen, ob wir irgendetwas da haben.“
Lillian drehte sich langsam zu ihm und schüttelte den Kopf.
Arturo fuhr durch ihr langes Haar, welches beinahe wieder trocken war. Lillian kniff die Augen zusammen um seine Gesichtszüge besser erkennen zu können. In seinen Augen lag eine ungewohnte Besorgtheit. Lillian atmete tief durch. Sie schloss die Augen, damit er die Tränen darin nicht sehen konnte, und schlang ihre Arme um seinen Hals. Lillian presste ihre Lippen auf seine, als benötige sie seinen Atem um überleben zu können. Vielleicht war es auch so. Arturo streifte ihr die Jacke ab und bedeckte ihren Nacken mit Küssen. Da ihr Kleid noch feucht war, benötigte er dieses Mal ihre Hilfe um sie zu entkleiden. Sie bedeckte seinen Nacken mit Küssen, während er ihren BH öffnete. Arturo entledigte sich seines Shirts und der alten Jeans, bevor er Lillian schlieÃlich umfasste und sie stürmisch auf die harte Matte drückte. Sein heiÃer Atem auf ihrer nackten Haut und seine starken Hände, welche sich jeder Stelle ihres Körpers widmeten, lösten glühende Wallungen aus, welche sie alles vergessen lieÃen.
...