[Colorblind]

Re-Fb auf Seite 5!

4. Secret Longings And Parting Words

Plötzlich rumorte etwas. Lautes Klopfen erklang. Ein kurzer Ruck, und der Fahrstuhl fuhr wieder. Genauer gesagt eine Etage. Auf die Dachterrasse, auf die ich auch ursprünglich wollte.
Schweigen entstand erneut zwischen mir und Jess. Unsere Zweisamkeit wurde unterbrochen. Und ich war ein bisschen enttäuscht. Obwohl ich mir anfangs nichts mehr gewünscht habe, als aus dem Aufzug herauszukommen.
Als sich die Fahrstuhltür öffnete, standen bereits 2 Mechaniker davor und erkundigten sich nach unserem Zustand. Als wir ihnen klar machten, dass alles in Ordnung war, gingen sie wieder.
Jess räusperte sich. „Wenn du… wenn du willst, dann lade ich dich noch auf einen Drink hier in der Moonlightbar ein."
Mein Herz machte einen Sprung. Dann fiel mir Logan ein und ich schaute auf die Uhr. In 7 Minuten fing seine Rede an.
Bedauernd schüttelte ich den Kopf. „Sehr gerne, aber Logan hält in wenigen Minuten seine Rede. Und es wäre unhöflich, wenn ich dabei nicht anwesend wäre."
Er nickte. „Natürlich." Seine Augen funkelten mich an.
„Wenn du gerade nichts zu tun hast, dann könntest du doch mit mir runter gehen. Ich fühle mich dort immer so hilflos und naja, etwas alleine" sagte ich zögernd und versuchte ihm nicht in die Augen zu schauen.
„Okay, gehen wir" sagte er nur. „Aber diesmal nehmen wir bitte die Treppen, auch wenn das etwas länger dauert."
Ich lachte. „Selbstverständlich."
Schweigend liefen wir die vielen Treppen hinunter.

Logan fing gerade an zu sprechen, als wir den Raum betraten.
Still stellten wir uns an die Tür und hörten ihm zu. Das heißt, wenn ich ehrlich bin, hörte ich ihm nicht wirklich zu. Zum einen, weil ich es nicht verstand, von Versicherungen und Finanzierung hatte ich wenig Ahnung, aber auch zum anderen, weil mich Jess ablenkte. Ich beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Ich hatte das Bedürfnis durch seine Haare zu streichen. Einfach so. Und er roch so gut. Nach After Shave, nicht zu streng, sehr angenehm, etwas rauchig mit einer besonderen Note. Ich drehte leicht meinen Hals um ihm näher zu sein. Sah seine Haut. Seine leichten Bartstoppeln. Er hatte sich anscheinend heute morgen nicht rasiert. Es war alles so nah.

In diesem Moment drehte er sich zu mir und schaute mich an. „Alles in Ordnung?" fragte er mich und grinste. Mir fiel auf, dass er seinen rechten Mundwinkel beim Lachen stark nach unten zog. Dieses schiefe Lächeln verpasste ihm einen schelmischen und neckischen Touch. Es gefiel mir.
„Ja klar" antwortete ich, biss mir auf die Lippe und wandte mich wieder der Bühne zu. Meine Hand streifte aus Versehen seine Hand. Ich bekam Gänsehaut. Was stellte dieser Mann mit mir an?
„… und vor allem danke ich meiner zweiten Hälfte Lorelai Gilmore, dir mir immer mit Rat und Tat zur Seite steht!"
Diese Worte ließen mich aus meinen Träumereien aufschrecken .
Logan lächelte mich von vorne an und klatschte. Ebenso taten es die anderen Zuhörer und drehten sich zu mir um.
Auch Jess klatschte, räusperte sich jedoch mit einem ironischen Unterton.
Ich blickte auf meine Füße. Wieso hatte ich solche Gedanken? Gedanken über einen Mann, den ich vor etwas mehr als einer halben Stunde erst kennen gelernt habe?
Das war nicht fair. Ich war in festen Händen.
Als die Rede zu Ende war, wurden auf der Bühne noch Fotos von Logan und dem Chefredakteur der New York Times geschossen.
Jess drehte den Kopf zu mir. „Hör mal, ich mach die Fliege, okay? Bin nicht so der Typ für Feierlichkeiten wie diese. Ich war anwesend, habe Zeugen dafür, meine Pflicht ist erfüllt."
„Okay" sagte ich. Enttäuschung machte sich in mir breit. Er ließ mich alleine.

Ich folgte ihm zur Tür. Er knöpfte sich seine Jacke zu. Ich musste grinsen. Es war eine Lederjacke, die so gar nicht zu seinem schicken Anzug passte.
„Na dann." Er blickte auf und sah mir in die Augen. Ich bekam weiche Knie.
„Na dann" wiederholte ich und lächelte leicht.
„War schön dich kennen gelernt zu haben, Rory Gilmore. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder." Er hob die Hand zum Gruß und ging ein paar Schritte rückwärts.
Ich nickte. „Da wäre schön."
Er grinste zum Abschied und sagte: „Wie sagt man so schön, man sieht sich immer zweimal im Leben."
Ich blieb stumm zurück und blickte ihm nach, bis die Dunkelheit ihn verschluckte.
Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Ich zuckte zusammen. Es war Logan.
„Hey Liebling!" Er küsste mich. „Hey", gab ich zurück, „schöne Rede!"
Logan lächelte und legte den Arm um mich. Er zog mich zurück in den Saal.


Als wir am Abend im Bett lagen, ging mir meine Fahrstuhlbekanntschaft einfach nicht aus dem Kopf. „Logan?" fragte ich leise.
Er murmelte ein verschlafenes „Ja?".
„Sag mal, kennst du einen Jess Mariano?" fragte ich scheinbar unauffällig.
Er lachte kurz auf. „Ja… so ein kleiner ‚Ich-bin-zu-cool-für-diese-Welt’-Typ. Hat anscheinend ein paar gute Artikel und Kurzgeschichten geschrieben. Aber ich kann seine überhebliche Art einfach nicht abhaben."
Ich grinste in der Dunkelheit. Logan und Jess. Die beiden waren wirklich von Grund auf verschieden.
Schnarchen erklang von Logan. Ich drehte mich auf die andere Seite. Diese braunen Augen schwirrten in meinem Kopf herum. Seufzend versuchte ich einzuschlafen.