15.02.2007, 09:46
Hallo meine SüÃen :knuddel:
Wow, vielen, vielen Dank für eure Worte! Es freut mich, dass euch meine Geschichte so gut gefällt. Ihr motiviert mich so sehr, deshalb habe ich heute früh gleich weiter geschrieben und stelle jetzt den neuen Teil online.
Ich hoffe, er gefällt euch. Wie immer freue ich mich schon sehr auf eure Feedbacks! :freu:
Hab euch lieb und wünsch euch einen schönen Tag!
Bussi Selene
27. Teil
Sarah
Stockholm, 1977
Die Sonne strich sanft durch ihr Haar. Mit einem seligen Lächeln lieà sich Sarah auf das groÃe dunkelblaue Handtuch sinken. Sie schob die Sonnenbrille zu Recht, drehte das Radio, welches sie in das grüne Gras, zwischen zahlreiche bunte Pflanzen, gestellt hatte, etwas lauter und nippte an ihrem Glas Coca Cola. Als ein neuer Hit von Abba folgte, wippte sie in Takt und blätterte in einem Magazin, welches ihre Mutter mitgebracht hatte. Sie hatte auf Maja gehört und die letzten beiden Wochen so weit ausgekostet, wie es nur möglich gewesen war. Sarah hatte sich mit Freundinnen getroffen, war mit ihrer Mutter und GroÃmutter einkaufen und essen gegangen. Dennoch hatte sie dreimal pro Woche einen Brief an Eduardo geschrieben. Sie vermisste ihn immer noch, nützte Majas Ratschlag lediglich, weil es ihr half nicht ständig an ihn denken zu müssen. War sie Mittags zuhause, wartete sie immer noch ungeduldig auf den älteren Briefträger, welcher der Familie Turunen seit Jahrhunderten die Post zu bringen schien. Kam sie erst Abends nachhause, sah sie sofort die Post durch, welche Ilse meist desinteressiert auf den Küchentisch gelegt hatte. Ihre GroÃmutter erhielt nur Werbesendungen und hin und wieder eine Karte ihrer jüngeren Schwester Inga. Diese pflegte jedoch in ihren Worten an Ilse hauptsächlich über Gott und die Welt zu nörgeln, weshalb die Ãltere die Post von ihr sogar manchmal einfach ungelesen verschwinden lieÃ.
An diesem Tag vergaà Sarah die Zeit. Sie schreckte aus ihren Gedanken, als der Briefträger plötzlich vor ihr stand.
âEntschuldige.â Er sah verlegen zur Seite. Es war ihm sichtlich unangenehm, Ilses Enkeltochter lediglich in ihrem schwarzen Badeanzug bekleidet zu sehen. âDie Klingel funktioniert nicht...ich hörte Musik aus dem Garten...das Tor war nicht verschlossen...â
âSchon gut.â Sarah winkte lächelnd ab und wickelte das Handtuch um ihren Körper. Erst nun wagte der ältere Mann ihr wieder in die Augen zu sehen.
âIch habe ein Paket.â Erklärte er und zog eine groÃe, braune Schachtel aus seiner riesigen, blauen Umhängetasche.
Sarah nickte. Ihre Mutter hatte schon oft Katalogbestellungen aufgegeben. Meist war sie nicht zuhause gewesen und Sarah hatte für sie unterschrieben.
Der ältere Mann zog einen riesigen Block aus der Tasche. âIch bekomme eine Unterschrift von dir.â
Sarah nickte erneut mechanisch. âMeine Mutter bestellt zu viel.â Versuchte sie die trockene Situation aufzuheitern.
âWas?â Er runzelte die Stirn und warf einen genaueren Blick auf das Paket. âHier steht nicht Maja, sondern Sarah Turunen.â
Ein Blitz durchfuhr sie. Sarah begann zu taumeln. Sie lehnte sich vor um die Briefmarke besser sehen zu können, der Briefträger verdeckte diese jedoch mit seinem Arm.
Wahrscheinlich von meinem Vater. Sagte sie sich. Er versuchte es schlieÃlich immer mal wieder ihre Liebe zu erkaufen, in dem er ihr ein neues Buch oder eine Platte schickte. Die gedanklichen Worte führten jedoch nicht zum gewünschten Ergebnis. Ihr Herz raste, ihre Hände wurden feucht. Ihre Finger zitterten, als sie ihre Unterschrift auf den Papierbogen setzte. Der Briefträger musterte sie Stirn runzelnd. âAlles in Ordnung?â
âJa, klar.â Sie mühte sich um ein Lächeln und blickte ungeduldig auf das Paket. âDie Hitze. Ich war wohl zu lange in der Sonne...â
Der Mann nickte. âDu solltest einen Hut tragen. Oder zumindest in den Mittagsstunden hinein gehen.â
âSie haben vollkommen Recht...â Sarah unterdrückte ein Seufzen.
âWie ich jung war, gab es diese Hitze noch nicht...â Er schüttelte den Kopf. âUnsere Sommer waren heiÃ, aber nicht so glühend. Wir sind oft ans Meer gefahren. Um uns zu erfrischen. Ich kenne deine GroÃmutter schon länger. Wir sind zur selben Zeit aus Finnland emigriert. Aber das hat Ilse dir gewiss schon einmal erzählt.â
âJa.â Sarah lächelte und blickte sehnsüchtig und ängstlich zugleich auf das Paket.
âNun gut. Ich muss weiter.â Er reichte Sarah das Paket, welche es zitternd ergriff. Erst als er wieder auÃer Sichtweite war, wagte sie es einen Blick auf die Briefmarke und den Poststempel zu werfen. Schweden. Ihr Vater hatte ihr Krieg und Frieden geschickt. Die Enttäuschung lastete auf ihrem Herzen wie ein schwerer Stein. Sieben Wochen. Sie hatte seit sieben Wochen nichts von Eduardo gehört. Sarah unterdrückte die Tränen. Sie packte ihre Sachen und ging in ihr Zimmer. Dort lieà sie sich seufzend auf ihr Bett fallen und starrte auf die Decke. Hatte sie sich tatsächlich so in ihm getäuscht? Sie wollte es einfach nicht glauben.
Es schienen Jahre vergangen, als Ilses Stimme durch das Haus hallte. âSarah? Bist du zuhause?â
Sarah seufzte leise und erhob sich. Ihr Körper zitterte immer noch aufgrund der Last ihres Herzens. Sie besah sich kurz im Badezimmerspiegel, bevor sie die Küche betrat.
Ilse saà gerade über ein Kochbuch gebeugt am Küchentisch und blickte nicht noch, als ihre Enkeltochter den Raum betrat. âIch möchte, dass wir heute gemeinsam Abendessen kochen. Als Ãberraschung für deine Mutter. Sie muss heute etwas länger arbeiten, wie du weiÃt.â
Sarah nickte. âOkay.â
âHol schon mal Eier und Mehl.â
Das Mädchen folgte wortlos.
Ilse sah hoch. âSarah? Warte!â
Sarah hielt inne und drehte sich um. âJa?â
âDu warst doch nicht wieder den ganzen Tag in deinem Zimmer?â
âNein.â Antwortete die Enkeltochter wahrheitsgemäÃ.
âIch warte auf eine Paketsendung...â Ilse schüttelte den Kopf. âEs hätte schon vor einer Woche ankommen müssen. Es war wohl auch heute nicht dabei...â
âNein. Es kam nur ein Paket von Vater.â Sie seufzte.
Ilse kräuselte die Lippen. âWas schickt er denn diesmal?â
âEin Buch und ein paar bedeutungslose Zeilen.â Sarah zuckte mit den Schultern. Zu Ilse konnte sie bezüglich ihrer Meinung über ihren Vater vollkommen ehrlich sein.
Die GroÃmutter rollte mit den Augen. âRuf ihn kurz an.â Sagte sie schlieÃlich.
Sarah runzelte die Stirn.
âWenn du dich so selten bedankst, wirft das ein schlechtes Licht auf dich und unsere Erziehung. Willst du ihm diesen Triumph gönnen?â
âNein.â Sarah nickte. âIch werde ihn anrufen, sobald wir gekocht haben.â
Ilse blickte auf die Küchenuhr. âMach es jetzt. Du kannst mir danach schon noch genug helfen.â
Sarah folgte und ging in das kleine Vorzimmer, in welchem das Telefon stand. Sie wählte die Nummer langsam und bat, dass niemand zuhause sein möge. Doch die Stimme ihres Vaters meldete sich bereits nach wenigen Sekunden. âJa?â
âHallo...â Begann Sarah zögernd. âHier ist Sarah.â
âSarah? Was für eine nette Ãberraschung. Wie geht es dir?â
âEs geht...â
âDas ist schön. Hast du mein Paket erhalten?â
âJa, vielen Dank.â
âDu hast das Buch doch noch nicht?â
Sarah seufzte. âNein.â
Es wurde ruhig in der Leitung.
âWie geht es dir?â Fragte Sarah schlieÃlich höflich.
âGut. Astrid sitzt gerade neben mir. Sie lässt dich grüÃen.â
âDanke.â Sarah hatte die derzeitige Freundin ihres Vaters nur einmal gesehen. Das hatte genügt, um sich ein Urteil über sie zu bilden.
âIch werde ihr auch von dir GrüÃe bestellen. Möchtest du vielleicht kurz mit ihr sprechen?â
âLiebend gern.â Sarah gelang es nur mit Mühe den Unterton zu verbergen. âAber ich muss leider gleich weg. Wir haben einen Tisch reserviert. Wenn wir zu spät kommen, wird er vergeben.â
âDann eben das nächste Mal. Sag mal, hast du Lust uns Ende August zu besuchen?â
Sarah seufzte leise. âIch werde mich diesbezüglich noch melden.â
âMach das. Ich hab dich lieb. Bis bald, Spätzchen.â
âBis bald.â Sie legte Kopf schüttelnd auf.
Als sie zurück in die Küche kam, vernahm sie plötzlich das Klingeln des Telefons. Sie rollte mit den Augen. âWahrscheinlich Vater. Entweder es ist ihm noch etwas eingefallen, oder er will überprüfen, ob ich die Wahrheit gesagt habe. Laut meiner Worte gehen wir nämlich nun essen, ein Tisch wartet auf uns.â
âGeh bitte ran, Sarah.â Ilse klang hektisch. âIch kann jetzt nicht. Es könnte jemand wegen meiner Bestellung anrufen. Sollte es dein Vater sein, hat deine Mutter eben mal wieder ewig im Badezimmer gebraucht...â
Sarah unterdrückte ein Seufzen. Sie hasste diese Lügen. Doch sie hatte auch keinerlei Interesse daran, jemals wieder eine Beziehung zu ihrem Vater aufzubauen. Wenn sie gewusst hätte, was er wenige Jahre später für sie tun würde, hätte sie womöglich gar nicht angerufen.
âTurunen.â Sie versuchte so hektisch wie möglich zu klingen. SchlieÃlich mussten sie doch weg. Sarah war sich sicher, dass es ihr Vater sein würde. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass er anrief, nachdem sie bereits telefoniert hatten.
âSarah?â Die Stimme klang leiser und ferner, als die ihres Vaters geklungen hatte.
Sarahs Magen krampfte sich zusammen. Ihr Herz begann erneut zu rasen. Das konnte nicht sein, sie musste träumen.
âEduardo?â Ihre Stimme wurde heiser. Sie räusperte sich.
âEs ist schön, deine Stimme zu hören. Wie geht es dir?â
Sie seufzte lächelnd. âBestens.â
âHast du meinen Brief erhalten? Ich habe ihn vor zehn Tagen gesendet.â
Sarah hielt sich an dem kleinen, hölzernen Kasten, auf welchem das Telefon stand, fest. âNein, leider.â Ihre Stimme zitterte. Er hatte ihr geschrieben. Er hatte angerufen.
âIch hoffe, dass du ihn bald erhalten wirst. Es tut mir leid, dass ich nicht eher schreiben konnte. Es gab hier ein paar Probleme...Danke für deine wundervollen Briefe. Ich habe jeden einzelnen erhalten.â
Sarah musste lächeln. âBitte.â
âDu hast eine unglaubliche Art zu schreiben, ich glaube, tief in dein Herz zu blicken. Danke, dass du es mir so öffnest...â
Seine Stimme war sanfter geworden.
Sie spürte, wie eine glühende Röte ihr Gesicht überzog.
Sarah wusste nicht, was sie sagen sollte, wollte diesen Moment nicht zerstören. Andererseits wollte sie auch etwas Unglaubliches sagen. Eduardo sollte nicht denken, dass sie sich nur schriftlich ausdrücken konnte.
âSarah?â
âJa?â
âDu fehlst mir.â
Ihre Augen begannen zu tränen. âDu mir auch.â
âJeder Tag ohne dich ist eine Qual. Wären deine Briefe nicht, ich wüsste nicht, wie ich die Stunden überstehen sollte.â
âWann...wann werden wir uns wieder sehen?â
Sie hörte ein leises Rascheln. âDein Geburtstag ist ein Samstag. Ich werde am Donnerstag davor ankommen und eine Woche bleiben. Früher geht es leider nicht. Ich hoffe, du bist mir nicht böse. Aber ich werde dir schreiben. Mindestens einmal die Woche, und ich werde wieder anrufen.â
âNein, ich bin dir nicht böse. Wie könnte ich?â Sie lächelte. âIch freue mich. Auf jeden Anruf, auf jeden Brief. Und auf Dezember. Ich...ich kann es gar nicht mehr erwarten.â
âDie Zeit wird schnell vergehen. Ich liebe dich, mein schöner Engel.â
âIch...ich liebe dich auch!â Sarahs Stimme überschlug sich.
âIch muss aufhören, es wird schon sehr teuer. Ich melde mich bald wieder.â
âJa, okay. Bis...bis bald.â
Sarah fühlte sich noch schwindelig, als sie zurück in die Küche ging. Ihr Herz raste immer noch.
âWer war das? Das hat ja lange gedauert.â
âSvenja.â Sarah wich dem Blick ihrer GroÃmutter aus.
âIhr jungen Dinger solltet euch lieber öfters an der frischen Luft treffen als zu telefonieren!â
Sarah erhielt wenige Tage später tatsächlich den ersten Brief von Eduardo. Diesem folgten viele weitere. Eduardo hatte diesbezüglich Wort gehalten. Er rief sie auch alle zwei Wochen an. Zu Zeitpunkten, wo sie alleine zuhause war. Sarah hatte nie wieder mit Maja über Eduardo gesprochen. Ilse durfte es noch nicht erfahren, sie würde es nicht verstehen. Sarah hatte ihren Freundinnen von ihrer Beziehung erzählt, diese hatten ihr jedoch kein Wort geglaubt.
So saà Sarah beinahe täglich stundenlang auf ihrem Bett um seine Briefe zu lesen. Immer und immer wieder. Seine Worte waren voller Leidenschaft und Liebe. Sie schienen Sarah nicht mehr los zu lassen.
Als der erste Schnee fiel, rief Eduardo ein letztes Mal vor ihrem Wiedersehen an um die Uhrzeit zu bestätigen.
Sarah verbrachte die folgenden zwei Wochen unruhig und nervös.
Sie spürte, wie sehr sich ihr Leben verändert hatte und wie sehr es sich noch verändern würde.
Sarah war sich allerdings noch nicht bewusst, in welche Richtung der neue Weg sie tatsächlich führen sollte.
Als sie in der Flughafenhalle auf ihn wartete, las sie seinen letzten Brief. Immer und immer wieder.
Liebste Sarah, mein zauberhafter Engel,
Tausende Kilometer trennen uns noch. Ich kann es kaum erwarten, wieder in deine schönen Augen zu blicken, deine sinnlichen Lippen zu küssen.
Du fehlst mir so sehr, es macht mich krank.
Es vergeht kein Tag, an welchem ich nicht an dich denke. Dein helles Lachen, die Art wie du dein Haar aus deinem Gesicht gestrichen hast.
Noch ein Monat ohne dich zu betrachten, ohne dich in die Arme zu nehmen und küssen zu dürfen.
Du bist so schön, meine Liebste, so sinnlich und zauberhaft. Du machst mich glücklich, berührst mich tief in meinem Herzen.
Das Schicksal hat uns vereint und wird uns nicht mehr trennen.
In Liebe,
Eduardo
Ihr Herz raste vor Freude, als sie seine Worte las. Es war sein bisher kürzester Brief gewesen. In den meisten hatte er auch von seinem Alltag, seinem faszinierenden Leben, geschrieben. Seine Worte hatten mehrere Seiten gefüllt und Sarah in einen regelrechten Bann gezogen. Manchmal hatte er auch Fotos mitgeschickt.
Sie liebte jeden einzelnen seiner Briefe und konnte ihr Glück gar nicht fassen.
Erst Jahre später sollte sie verstehen, dass er genau das geschrieben hatte, was sie hatte lesen wollen.
Wow, vielen, vielen Dank für eure Worte! Es freut mich, dass euch meine Geschichte so gut gefällt. Ihr motiviert mich so sehr, deshalb habe ich heute früh gleich weiter geschrieben und stelle jetzt den neuen Teil online.
Ich hoffe, er gefällt euch. Wie immer freue ich mich schon sehr auf eure Feedbacks! :freu:
Hab euch lieb und wünsch euch einen schönen Tag!
Bussi Selene
27. Teil
Sarah
Stockholm, 1977
Die Sonne strich sanft durch ihr Haar. Mit einem seligen Lächeln lieà sich Sarah auf das groÃe dunkelblaue Handtuch sinken. Sie schob die Sonnenbrille zu Recht, drehte das Radio, welches sie in das grüne Gras, zwischen zahlreiche bunte Pflanzen, gestellt hatte, etwas lauter und nippte an ihrem Glas Coca Cola. Als ein neuer Hit von Abba folgte, wippte sie in Takt und blätterte in einem Magazin, welches ihre Mutter mitgebracht hatte. Sie hatte auf Maja gehört und die letzten beiden Wochen so weit ausgekostet, wie es nur möglich gewesen war. Sarah hatte sich mit Freundinnen getroffen, war mit ihrer Mutter und GroÃmutter einkaufen und essen gegangen. Dennoch hatte sie dreimal pro Woche einen Brief an Eduardo geschrieben. Sie vermisste ihn immer noch, nützte Majas Ratschlag lediglich, weil es ihr half nicht ständig an ihn denken zu müssen. War sie Mittags zuhause, wartete sie immer noch ungeduldig auf den älteren Briefträger, welcher der Familie Turunen seit Jahrhunderten die Post zu bringen schien. Kam sie erst Abends nachhause, sah sie sofort die Post durch, welche Ilse meist desinteressiert auf den Küchentisch gelegt hatte. Ihre GroÃmutter erhielt nur Werbesendungen und hin und wieder eine Karte ihrer jüngeren Schwester Inga. Diese pflegte jedoch in ihren Worten an Ilse hauptsächlich über Gott und die Welt zu nörgeln, weshalb die Ãltere die Post von ihr sogar manchmal einfach ungelesen verschwinden lieÃ.
An diesem Tag vergaà Sarah die Zeit. Sie schreckte aus ihren Gedanken, als der Briefträger plötzlich vor ihr stand.
âEntschuldige.â Er sah verlegen zur Seite. Es war ihm sichtlich unangenehm, Ilses Enkeltochter lediglich in ihrem schwarzen Badeanzug bekleidet zu sehen. âDie Klingel funktioniert nicht...ich hörte Musik aus dem Garten...das Tor war nicht verschlossen...â
âSchon gut.â Sarah winkte lächelnd ab und wickelte das Handtuch um ihren Körper. Erst nun wagte der ältere Mann ihr wieder in die Augen zu sehen.
âIch habe ein Paket.â Erklärte er und zog eine groÃe, braune Schachtel aus seiner riesigen, blauen Umhängetasche.
Sarah nickte. Ihre Mutter hatte schon oft Katalogbestellungen aufgegeben. Meist war sie nicht zuhause gewesen und Sarah hatte für sie unterschrieben.
Der ältere Mann zog einen riesigen Block aus der Tasche. âIch bekomme eine Unterschrift von dir.â
Sarah nickte erneut mechanisch. âMeine Mutter bestellt zu viel.â Versuchte sie die trockene Situation aufzuheitern.
âWas?â Er runzelte die Stirn und warf einen genaueren Blick auf das Paket. âHier steht nicht Maja, sondern Sarah Turunen.â
Ein Blitz durchfuhr sie. Sarah begann zu taumeln. Sie lehnte sich vor um die Briefmarke besser sehen zu können, der Briefträger verdeckte diese jedoch mit seinem Arm.
Wahrscheinlich von meinem Vater. Sagte sie sich. Er versuchte es schlieÃlich immer mal wieder ihre Liebe zu erkaufen, in dem er ihr ein neues Buch oder eine Platte schickte. Die gedanklichen Worte führten jedoch nicht zum gewünschten Ergebnis. Ihr Herz raste, ihre Hände wurden feucht. Ihre Finger zitterten, als sie ihre Unterschrift auf den Papierbogen setzte. Der Briefträger musterte sie Stirn runzelnd. âAlles in Ordnung?â
âJa, klar.â Sie mühte sich um ein Lächeln und blickte ungeduldig auf das Paket. âDie Hitze. Ich war wohl zu lange in der Sonne...â
Der Mann nickte. âDu solltest einen Hut tragen. Oder zumindest in den Mittagsstunden hinein gehen.â
âSie haben vollkommen Recht...â Sarah unterdrückte ein Seufzen.
âWie ich jung war, gab es diese Hitze noch nicht...â Er schüttelte den Kopf. âUnsere Sommer waren heiÃ, aber nicht so glühend. Wir sind oft ans Meer gefahren. Um uns zu erfrischen. Ich kenne deine GroÃmutter schon länger. Wir sind zur selben Zeit aus Finnland emigriert. Aber das hat Ilse dir gewiss schon einmal erzählt.â
âJa.â Sarah lächelte und blickte sehnsüchtig und ängstlich zugleich auf das Paket.
âNun gut. Ich muss weiter.â Er reichte Sarah das Paket, welche es zitternd ergriff. Erst als er wieder auÃer Sichtweite war, wagte sie es einen Blick auf die Briefmarke und den Poststempel zu werfen. Schweden. Ihr Vater hatte ihr Krieg und Frieden geschickt. Die Enttäuschung lastete auf ihrem Herzen wie ein schwerer Stein. Sieben Wochen. Sie hatte seit sieben Wochen nichts von Eduardo gehört. Sarah unterdrückte die Tränen. Sie packte ihre Sachen und ging in ihr Zimmer. Dort lieà sie sich seufzend auf ihr Bett fallen und starrte auf die Decke. Hatte sie sich tatsächlich so in ihm getäuscht? Sie wollte es einfach nicht glauben.
Es schienen Jahre vergangen, als Ilses Stimme durch das Haus hallte. âSarah? Bist du zuhause?â
Sarah seufzte leise und erhob sich. Ihr Körper zitterte immer noch aufgrund der Last ihres Herzens. Sie besah sich kurz im Badezimmerspiegel, bevor sie die Küche betrat.
Ilse saà gerade über ein Kochbuch gebeugt am Küchentisch und blickte nicht noch, als ihre Enkeltochter den Raum betrat. âIch möchte, dass wir heute gemeinsam Abendessen kochen. Als Ãberraschung für deine Mutter. Sie muss heute etwas länger arbeiten, wie du weiÃt.â
Sarah nickte. âOkay.â
âHol schon mal Eier und Mehl.â
Das Mädchen folgte wortlos.
Ilse sah hoch. âSarah? Warte!â
Sarah hielt inne und drehte sich um. âJa?â
âDu warst doch nicht wieder den ganzen Tag in deinem Zimmer?â
âNein.â Antwortete die Enkeltochter wahrheitsgemäÃ.
âIch warte auf eine Paketsendung...â Ilse schüttelte den Kopf. âEs hätte schon vor einer Woche ankommen müssen. Es war wohl auch heute nicht dabei...â
âNein. Es kam nur ein Paket von Vater.â Sie seufzte.
Ilse kräuselte die Lippen. âWas schickt er denn diesmal?â
âEin Buch und ein paar bedeutungslose Zeilen.â Sarah zuckte mit den Schultern. Zu Ilse konnte sie bezüglich ihrer Meinung über ihren Vater vollkommen ehrlich sein.
Die GroÃmutter rollte mit den Augen. âRuf ihn kurz an.â Sagte sie schlieÃlich.
Sarah runzelte die Stirn.
âWenn du dich so selten bedankst, wirft das ein schlechtes Licht auf dich und unsere Erziehung. Willst du ihm diesen Triumph gönnen?â
âNein.â Sarah nickte. âIch werde ihn anrufen, sobald wir gekocht haben.â
Ilse blickte auf die Küchenuhr. âMach es jetzt. Du kannst mir danach schon noch genug helfen.â
Sarah folgte und ging in das kleine Vorzimmer, in welchem das Telefon stand. Sie wählte die Nummer langsam und bat, dass niemand zuhause sein möge. Doch die Stimme ihres Vaters meldete sich bereits nach wenigen Sekunden. âJa?â
âHallo...â Begann Sarah zögernd. âHier ist Sarah.â
âSarah? Was für eine nette Ãberraschung. Wie geht es dir?â
âEs geht...â
âDas ist schön. Hast du mein Paket erhalten?â
âJa, vielen Dank.â
âDu hast das Buch doch noch nicht?â
Sarah seufzte. âNein.â
Es wurde ruhig in der Leitung.
âWie geht es dir?â Fragte Sarah schlieÃlich höflich.
âGut. Astrid sitzt gerade neben mir. Sie lässt dich grüÃen.â
âDanke.â Sarah hatte die derzeitige Freundin ihres Vaters nur einmal gesehen. Das hatte genügt, um sich ein Urteil über sie zu bilden.
âIch werde ihr auch von dir GrüÃe bestellen. Möchtest du vielleicht kurz mit ihr sprechen?â
âLiebend gern.â Sarah gelang es nur mit Mühe den Unterton zu verbergen. âAber ich muss leider gleich weg. Wir haben einen Tisch reserviert. Wenn wir zu spät kommen, wird er vergeben.â
âDann eben das nächste Mal. Sag mal, hast du Lust uns Ende August zu besuchen?â
Sarah seufzte leise. âIch werde mich diesbezüglich noch melden.â
âMach das. Ich hab dich lieb. Bis bald, Spätzchen.â
âBis bald.â Sie legte Kopf schüttelnd auf.
Als sie zurück in die Küche kam, vernahm sie plötzlich das Klingeln des Telefons. Sie rollte mit den Augen. âWahrscheinlich Vater. Entweder es ist ihm noch etwas eingefallen, oder er will überprüfen, ob ich die Wahrheit gesagt habe. Laut meiner Worte gehen wir nämlich nun essen, ein Tisch wartet auf uns.â
âGeh bitte ran, Sarah.â Ilse klang hektisch. âIch kann jetzt nicht. Es könnte jemand wegen meiner Bestellung anrufen. Sollte es dein Vater sein, hat deine Mutter eben mal wieder ewig im Badezimmer gebraucht...â
Sarah unterdrückte ein Seufzen. Sie hasste diese Lügen. Doch sie hatte auch keinerlei Interesse daran, jemals wieder eine Beziehung zu ihrem Vater aufzubauen. Wenn sie gewusst hätte, was er wenige Jahre später für sie tun würde, hätte sie womöglich gar nicht angerufen.
âTurunen.â Sie versuchte so hektisch wie möglich zu klingen. SchlieÃlich mussten sie doch weg. Sarah war sich sicher, dass es ihr Vater sein würde. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass er anrief, nachdem sie bereits telefoniert hatten.
âSarah?â Die Stimme klang leiser und ferner, als die ihres Vaters geklungen hatte.
Sarahs Magen krampfte sich zusammen. Ihr Herz begann erneut zu rasen. Das konnte nicht sein, sie musste träumen.
âEduardo?â Ihre Stimme wurde heiser. Sie räusperte sich.
âEs ist schön, deine Stimme zu hören. Wie geht es dir?â
Sie seufzte lächelnd. âBestens.â
âHast du meinen Brief erhalten? Ich habe ihn vor zehn Tagen gesendet.â
Sarah hielt sich an dem kleinen, hölzernen Kasten, auf welchem das Telefon stand, fest. âNein, leider.â Ihre Stimme zitterte. Er hatte ihr geschrieben. Er hatte angerufen.
âIch hoffe, dass du ihn bald erhalten wirst. Es tut mir leid, dass ich nicht eher schreiben konnte. Es gab hier ein paar Probleme...Danke für deine wundervollen Briefe. Ich habe jeden einzelnen erhalten.â
Sarah musste lächeln. âBitte.â
âDu hast eine unglaubliche Art zu schreiben, ich glaube, tief in dein Herz zu blicken. Danke, dass du es mir so öffnest...â
Seine Stimme war sanfter geworden.
Sie spürte, wie eine glühende Röte ihr Gesicht überzog.
Sarah wusste nicht, was sie sagen sollte, wollte diesen Moment nicht zerstören. Andererseits wollte sie auch etwas Unglaubliches sagen. Eduardo sollte nicht denken, dass sie sich nur schriftlich ausdrücken konnte.
âSarah?â
âJa?â
âDu fehlst mir.â
Ihre Augen begannen zu tränen. âDu mir auch.â
âJeder Tag ohne dich ist eine Qual. Wären deine Briefe nicht, ich wüsste nicht, wie ich die Stunden überstehen sollte.â
âWann...wann werden wir uns wieder sehen?â
Sie hörte ein leises Rascheln. âDein Geburtstag ist ein Samstag. Ich werde am Donnerstag davor ankommen und eine Woche bleiben. Früher geht es leider nicht. Ich hoffe, du bist mir nicht böse. Aber ich werde dir schreiben. Mindestens einmal die Woche, und ich werde wieder anrufen.â
âNein, ich bin dir nicht böse. Wie könnte ich?â Sie lächelte. âIch freue mich. Auf jeden Anruf, auf jeden Brief. Und auf Dezember. Ich...ich kann es gar nicht mehr erwarten.â
âDie Zeit wird schnell vergehen. Ich liebe dich, mein schöner Engel.â
âIch...ich liebe dich auch!â Sarahs Stimme überschlug sich.
âIch muss aufhören, es wird schon sehr teuer. Ich melde mich bald wieder.â
âJa, okay. Bis...bis bald.â
Sarah fühlte sich noch schwindelig, als sie zurück in die Küche ging. Ihr Herz raste immer noch.
âWer war das? Das hat ja lange gedauert.â
âSvenja.â Sarah wich dem Blick ihrer GroÃmutter aus.
âIhr jungen Dinger solltet euch lieber öfters an der frischen Luft treffen als zu telefonieren!â
Sarah erhielt wenige Tage später tatsächlich den ersten Brief von Eduardo. Diesem folgten viele weitere. Eduardo hatte diesbezüglich Wort gehalten. Er rief sie auch alle zwei Wochen an. Zu Zeitpunkten, wo sie alleine zuhause war. Sarah hatte nie wieder mit Maja über Eduardo gesprochen. Ilse durfte es noch nicht erfahren, sie würde es nicht verstehen. Sarah hatte ihren Freundinnen von ihrer Beziehung erzählt, diese hatten ihr jedoch kein Wort geglaubt.
So saà Sarah beinahe täglich stundenlang auf ihrem Bett um seine Briefe zu lesen. Immer und immer wieder. Seine Worte waren voller Leidenschaft und Liebe. Sie schienen Sarah nicht mehr los zu lassen.
Als der erste Schnee fiel, rief Eduardo ein letztes Mal vor ihrem Wiedersehen an um die Uhrzeit zu bestätigen.
Sarah verbrachte die folgenden zwei Wochen unruhig und nervös.
Sie spürte, wie sehr sich ihr Leben verändert hatte und wie sehr es sich noch verändern würde.
Sarah war sich allerdings noch nicht bewusst, in welche Richtung der neue Weg sie tatsächlich führen sollte.
Als sie in der Flughafenhalle auf ihn wartete, las sie seinen letzten Brief. Immer und immer wieder.
Liebste Sarah, mein zauberhafter Engel,
Tausende Kilometer trennen uns noch. Ich kann es kaum erwarten, wieder in deine schönen Augen zu blicken, deine sinnlichen Lippen zu küssen.
Du fehlst mir so sehr, es macht mich krank.
Es vergeht kein Tag, an welchem ich nicht an dich denke. Dein helles Lachen, die Art wie du dein Haar aus deinem Gesicht gestrichen hast.
Noch ein Monat ohne dich zu betrachten, ohne dich in die Arme zu nehmen und küssen zu dürfen.
Du bist so schön, meine Liebste, so sinnlich und zauberhaft. Du machst mich glücklich, berührst mich tief in meinem Herzen.
Das Schicksal hat uns vereint und wird uns nicht mehr trennen.
In Liebe,
Eduardo
Ihr Herz raste vor Freude, als sie seine Worte las. Es war sein bisher kürzester Brief gewesen. In den meisten hatte er auch von seinem Alltag, seinem faszinierenden Leben, geschrieben. Seine Worte hatten mehrere Seiten gefüllt und Sarah in einen regelrechten Bann gezogen. Manchmal hatte er auch Fotos mitgeschickt.
Sie liebte jeden einzelnen seiner Briefe und konnte ihr Glück gar nicht fassen.
Erst Jahre später sollte sie verstehen, dass er genau das geschrieben hatte, was sie hatte lesen wollen.