20.02.2007, 12:52
Hallo meine SüÃen :knuddel:
Danke, dass ihr mir so treue Leserinnen seid. Ich freue mich immer total über eure Feedbacks. Vielen, vielen Dank dafür! Schön, dass euch meine Geschichte so gut gefällt!
Ich habe weiter geschrieben und hoffe, euch gefallen die neuen Kapiteln.
Freu mich schon sehr auf eure Feedbacks!
Schönen Tag noch!
Bussi Selene
PS: Habe leider nur kurz Zeit. Werde aber noch diese Woche weiter schreiben und auch das Re-FB nachholen
28. Teil
Lillian
Spanish Harlem, 2000
Als die frühe Morgensonne den Himmel in bunte Farben tauchte, verlieà Lillian mit einem kleinen Korb bepackt das Wohnhaus. Auf den StraÃen war es noch ungewöhnlich ruhig, sie schienen wie ausgestorben. Die kleine Bäckerei öffnete bereits um sieben Uhr früh. Ana liebte die frischen Semmeln, welche es sonntags stets gab.
Lillian hatte es die ganze Nacht nicht geschafft einzuschlafen. Zu viel Last lag auf ihrem Herzen. Ihr Kopf rumorte, ihre Beine schien jeder Schritt anzustrengen. Die Bäckerin begrüÃte sie mit einem munteren Lächeln. Lillian erinnerte sich daran, dass sie mit Rosa manchmal hier gewesen war, bevor sie Ana besucht hatten. Ihre Mutter hatte stets fröhlich mit der schon sehr betagten Frau geplaudert. Auf dem Weg zu Anas Wohnung hatte sie alle Menschen, die ihnen begegnet waren, sehr freundlich gegrüÃt. Meist war sie auch stehen geblieben um mehrere Worte zu wechseln. Sie war sogar zu jenen zuvorkommend und höflich gewesen, welche hinter ihrem Rücken niemals ein gutes Haar gelassen hatten. Lillian erinnerte sich an Anas Worte. Deine Mutter ist nun ein wunderschöner Engel, der von oben über uns wacht. Ein kurzes Lächeln umspielte ihre Lippen. Sollte es tatsächlich Engel geben, musste Rosa einer sein. Es konnte keinen anderen Menschen geben, welcher ihr an Herz und Güte ebenbürtig war. Trotz dieses Wissens, oder möglicherweise gerade deswegen, gelang es Lillians Herzen noch nicht von der der tiefen Verletzung aufgrund Rosas Lüge zu heilen.
Als sie die Wohnung betrat, kam ihr Ana bereits entgegen. âWo warst du, Cariña?â Der Blick ihrer GroÃmutter fiel auf das duftende Säckchen. Sie schlug lächelnd die Hände zusammen. âDas ist eine wunderbare Ãberraschung.â
Lillian lächelte. âIch dachte, es wäre wieder einmal Zeit dafür.â Es war nur eine Kleinigkeit, die sie für Ana tat. Dennoch schien es im Moment mehr als das. Sie wusste, dass auch Ana oft an jene Jahre dachte, als ihre Tochter und ihre Enkeltochter sonntags vor dem Kirchgang mit duftendem Frühstück vorbei gekommen waren.
âSetz dich, Kind. Ich mache uns Tee. Warum hast du denn nicht länger geschlafen? Es ist gestern doch so spät geworden...â
âIch muss heute sehr viel lernen.â
âÃbertreibe es aber nicht...â Plötzlich veränderte sich Anas Gesichtsausdruck. Sie runzelte die Stirn. âGestern hat jemand für dich angerufen.â Sie deutete auf den kleinen Zettel am Tisch. Lillian ergriff ihn. âEin Mann aus Kalifornien, Los Angeles glaub ich. Die Verbindung war nicht so gut, ich konnte seinen Namen nicht verstehen. Er meinte, dass er es heute oder morgen wieder versuchen würde. Wen kennst du denn in Kalifornien?â
Lillian runzelte die Stirn. Mitarbeiter der Universitäten, bei welchen sie sich beworben hatte, hätten nicht Samstagabends angerufen. Ein seltsamer Druck erfasste ihr Herz. Sie kannte niemandem aus dem fernen Staat an der Westküste. Was könnte ein Fremder von ihr wollen? Sie erinnerte sich an das bedrückende Gefühl, welches sie die letzten Tage oftmals verspürt hatte. Das Gefühl beobachtet zu werden. War das kein Hirngespinst gewesen? Hatte ihr ihre Phantasie doch keinen Streich gespielt?
âEin ehemaliger Schulkollege und guter Freund zog letztes Jahr nach Kalifornien.â Antwortete sie zögernd. Es gelang ihr dabei nicht, Ana in die Augen zu sehen. Ihre GroÃmutter durfte nichts von ihren Sorgen erfahren. Zumindest noch nicht, nicht bevor sie mehr darüber wusste. Sie würde sich zu sehr aufregen. Lillian wusste um die Schwäche Anas Herzens und wollte es nicht unnötig belasten.
Die GroÃmutter musterte sie Stirn runzelnd, sagte jedoch nichts. Der Mann hatte älter geklungen als Lillian, deutlich älter. Das musste zwar nicht automatisch bedeuten, dass es auch so war, aber Ana kannte die Fähigkeit ihrer Enkeltochter zu lügen. Um die momentane Spannung aber nicht noch mehr zu steigern, beschloss sie, sich vorerst mit Lillians Antwort zufrieden zu geben. Eine Entscheidung, welche sie später nicht nur einmal bereuen würde.
Der Fremde rief nicht mehr an. Lillian schien es wie ein Wunder, dass sie trotz ihrer wirren Gefühle die Konzentration fand um den restlichen Stoff für ihre Abschlussprüfungen in der darauf folgenden Woche zu lernen. Sie traf sich nur zweimal mit Elena, ging mit Ana zur Kirche und zum Friedhof, und verbrachte die restliche Zeit hinter ihren Büchern. Ihre GroÃmutter beobachtete sie besorgt, schwieg aber mit der Hoffnung, nach dem Druck der Prüfungen mehr Erfolg auf eine erneute Aussprache zu haben. Lillian gab sich betont fröhlich, wenn auch immer zu hektisch, der Schmerz und die Leere schienen jedoch aus ihren Augen zu sprechen. Die Abschlussprüfungen waren nicht der einzige Grund für Anas Entscheidung zu dem Aufschub des immer dringender scheinenden Gesprächs. Sie hatte Angst. Angst davor, einen Fehler gemacht zu haben. Angst davor, dass ihre Beziehung nie wieder so sein würde, wie sie einst gewesen war.
Es war ein heiÃer Tag kurz vor den Prüfungen, als Lillians Herz eine Entscheidung traf, dessen wahre Bedeutung ihr erst viel später bewusst werden sollte.
Die Tür des Ladens war geöffnet. Der sanfte Klang eines Radios drang auf die StraÃen. Lillian atmete tief durch und betrat das kleine Geschäft zögernd. Ihre Augen wanderten durch den Raum. Nur wenig Licht drang durch die alten, leicht verstaubten Fenster. Der Boden knarrte, als sie einen Schritt vorwärts machte. Plötzlich kam Antonio aus einem Hinterzimmer. âIch hatte mir doch gedacht, etwas gehört zu haben. Hey.â
âHey.â Sie lächelte kurz und trat unschlüssig von einem Fuà auf den anderen.
Er musterte sie Stirn runzelnd. âAlles in Ordnung? Du bist so blass.â
âIch bin nur etwas nervös. Meine ersten Prüfungen finden übermorgen statt.â
Antonio nickte. âFalls du Arturo suchst, er holt eine Lieferung ab und wird nicht vor Mittag zurück sein.â
Lillian unterdrückte ein Seufzen. âIch wollte nicht zu ihm. Die Lade unseres Kastens hat sich ausgehängt. Ich brauche einen Schraubenschlüssel.â Dass Ana der Meinung war, es ginge auch so und sie sollten kein Geld für diesen Unsinn ausgeben, verschwieg sie.
âDu willst es selbst reparieren?â Antonio musterte sie ungläubig.
âTraust du mir das denn nicht zu?â
âEhrlich gesagt nicht. Und komm mir jetzt bitte nicht schon wieder mit männerfeindlichen Sprüchen. Meine Schwester Anita half mir letzte Woche bei der Reparatur unseres Autos. Aber du...â Er verkniff sich ein Grinsen. â...du solltest keine Werkzeuge mehr anfassen. Ich würde es eher deiner GroÃmutter machen lassen...â
Lillian stemmte die Arme in die Hüften. âDie Sache mit dem Hammer ist fünf Jahre her!â
âÃber deinen schmerzenden Daumen hast du aber Wochen danach noch gejammert.â Er musterte sie amüsiert. âIch würde mir eher darüber sorgen machen, dass du nicht einmal kochen kannst.â
Lillian rollte mit den Augen. âBekomme ich jetzt meinen Schraubenschlüssel?â
âAber sicher. Welche GröÃe brauchst du denn?â
Sie runzelte die Stirn. âGib mir einfach ein Set.â
âEin Set? Dafür wirft dich deine GroÃmutter aus der Wohnung. Aber bei den Temperaturen kannst du ja unter einer Brücke schlafen.â
âDas ist zum Glück mein Problem.â Lillian warf einen kurzen Blick auf die Uhr des Ladens, als Anita den Raum betrat. Sie grüÃte die junge Frau mit einem kurzen Lächeln, wandte sich wieder an deren Bruder. âKönntest du dich etwas mit deinem Spott mir gegenüber beeilen? Ich komme sonst zu spät. Die Vorbereitungsstunden sind wichtig für meine Prüfungen...â Sie runzelte verzweifelt die Stirn.
âWarst du schon wieder gemein zu ihr?â Anita, welche gerade den Kasten neben der Theke aussortierte, warf ihm einen strafenden Blick zu.
Antonios Miene wurde sanfter. âEntschuldige.â Er warf einen Blick auf die Uhr. âIch mach dir einen Vorschlag. Ich repariere die Lade heute Nachmittag und fahre dich jetzt, okay?â Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich an Anita. âSchaffst du es eine halbe Stunde alleine?â
Sie nickte kurz. âIch denke schon.â Der genervte Unter ton war nicht zu überhören.
âDu musst mich nicht fahren.â Wandte Lillian ein.
âDu willst doch pünktlich sein, oder? Wir sind dreimal so schnell wie die U-Bahn, versprochen.â
Lillian blickte nochmals auf die Uhr. Ein Seufzen entwich ihr. âOkay. Danke...â
Als sie ins Auto eingestiegen waren, fasste sie sich schlieÃlich ein Herz. âEs tut mir leid...â Sie seufzte leise. âDer Abend im Club...ich war ziemlich betrunken...â
Antonio schien kurz zu überlegen. âDas war sehr amüsant, ja.â Er grinste. âWir beide müssen öfters etwas unternehmen, dann würdest du sicherlich mehr vertragen.â
âIch meine es ernst. Ich habe mich an diesem Abend idiotisch benommen.â
âAlso mir gegenüber warst du wie immer.â
Sie wandte ihren Blick seufzend aus dem Fenster.
Antonio berührte ihren Arm kurz. âMach dir keine Sorgen. Er wird sich schon beruhigen.â
Lillian sah ihn an. âDu weiÃt von dem Streit? Hat er dir davon erzählt?â
âNein, aber hier gibt es keine Geheimnisse. Yolanda sah, wie ihr euch strittet, andere bemerkten, dass ihr euch die letzten Tage nicht getroffen hättet. Natürlich wird nun behauptet, irgendetwas Dramatisches wäre passiert. Du weiÃt doch. Die Leute reden immer. Was sollâs? Lass sie doch, wenn es sie erfreut.â
âWas sagen sie denn?â Lillian biss sich auf die Unterlippe. Es war nicht von Bedeutung. Antonio hatte Recht. âIst Arturo noch sehr wütend auf mich?â
Er beobachtete sie aus dem Augenwinkel. âWir haben nicht über dich gesprochen. Ich weià es nicht. Wenn du es wissen möchtest, solltest du mit ihm sprechen.â
Sie nickte zögernd. âWahrscheinlich...â Der Druck zog sich fester um ihr Herz.
âWie wirst du denn deinen Geburtstag feiern?â Antonio wechselte das Thema, wofür sie ihm sehr dankbar war.
âIch weià es noch nicht. GroÃmutter möchte mit mir essen gehen. Elena und Emilio werden uns wahrscheinlich begleiten.â
Er nickte. âElena scheint es besser zu gehen. Schön, dass sie wieder einmal raus gegangen ist...â
Lillian lächelte. âJa. Ich war sehr besorgt um sie.â
âDas waren wir alle. Seit Estebans Tod verfiel sie immer mehr.â
âDie Nachricht hatte sie wie ein schmerzender Pfeil mitten ins Herz getroffen, ihr den Boden unter den FüÃen weggezogen. Er und Emilio waren alles gewesen, was sie hatte. Ich weiÃ...â Lillian seufzte leise. âIch weiÃ, wie sie sich gefühlt haben muss.â
Antonio runzelte die Stirn. âSie hat dich. Deine GroÃmutter. Ihr seid sehr wichtig für sie und ihren Sohn.â
âSie hat auch in dir und Arturo sehr gute Freunde. Elena ist dankbar, dass ihr sie so unterstützt.â
Er seufzte. âIch würde mehr für sie tun...â
Lillian nickte. âSie hasst es Hilfe anzunehmen und tut es leider nur, wenn sie keine andere Wahl mehr hat. Es ist leider unmöglich mit ihr über dieses Thema zu sprechen. Sie blockt immer ab. Darin ist so fast so gut wie ich.â
âJa...fast.â
Lillian schenkte ihm ein leichtes Lächeln. âIch weiÃ, was du für sie empfindest...â
Er hielt vor dem groÃen Schuldgebäude. âWas sollâs?â Er zuckte mit den Schultern. âSoll ich mit Arturo sprechen?â
Sie atmete tief durch. âNein. Danke. Sag ihm bitte nicht, dass ich da war.â
Er nickte. âWarte nicht zu lange, okay?â
Lillian ging nicht darauf ein. Bevor sie das Auto verlieÃ, fragte sie zögernd. âAntonio?â
âJa?â
Sie betrachtete ihre Finger. âWürdest du die Lade tatsächlich reparieren?â
Er grinste. âIch werde deine GroÃmutter anrufen, dass ich um zwei Uhr bei ihr bin.â
âDanke.â Lillian schenkte ihm ein kurzes Lächeln bevor sie ausstieg.
Die Mittagssonne erfüllte New York City mit einem weiteren Temperaturanstieg. Lillian sehnte sich beinahe nach dem zumindest etwas kühleren Klassenzimmer zurück, als sie die steinernen Stufen des Gebäudes hinab ging. Es war ungewöhnlich wenig Verkehr für diese Gegend. Lillian atmete die Luft lächelnd ein und beschloss noch ein wenig durch den Central Park zu gehen. Das hatte sie schon lange nicht mehr gemacht. Vielleicht würde es sie ein wenig ablenken von den Sorgen, welche ihr die Luft zum Atmen zu nehmen schienen. Zumindest für eine halbe Stunde. Sie überquerte die StraÃe nach ihrer normalerweise vorletzten U-Bahn Station und richtete ihren Blick bereits auf eine der freien Parkbänke. Sie nahm nur aus dem Augenwinkel wahr, dass ein groÃes schwarzes Auto dicht an ihr vorbei fuhr und auf einem Parkplatz gegenüber hielt. Lillian war schon längst in eines ihrer Bücher für die bevorstehenden Prüfungen vertieft, als sich Schritte näherten und ein Mann vor ihr hielt. Sie sah erst auf, als er sie ansprach.
29. Teil
Sarah
1981
Der kleine Park schien menschenleer, als Sarah auf einer der knarrenden Bänke sank. Sie betrachtete das Meer aus Palmen vor ihren Augen und seufzte leise. Der Duft des Ozeans schien ihr bis hier her gefolgt zu sein. Bunte Vögel zwitscherten ihre fremden Gesänge.
âDas Paradies...â Flüsterte sie leise. âIch dachte einst, ich wäre im Paradies angekommen.â
Penelope, welche zu ihr getreten war und sich schlieÃlich neben sie setzte, betrachtete sie Stirn runzelnd. Sie hatte jedes Wort verstanden.
âDoch, das ist nicht das Paradies...â Sarah schüttelte den Kopf. âEs ist Illusion. Es gibt kein Paradies. Nirgendwo auf der Welt.â
Penelope drückte sanft ihre Hand. âÃberall, überall auf der Welt ist es möglich das Paradies zu finden. Wenn du die Augen geöffnet hältst.â
âSie zwangen mich sie zu schlieÃen...â Sarah senkte den Blick. âVor langer Zeit.â
Ihre Freundin seufzte leise, wusste nicht, was sie antworten sollte.
âPenelope?â Sarah blickte ihrer Freundin Stirn runzelnd in die Augen. âHat er...hat er mich jemals geliebt?â Eine einzelne Träne rann über ihre Wange.
Penelope verwischte sie. âJa...Auf seine Weise.â
Sarah schüttelte den Kopf. âIch war die glücklichste Frau der Welt...glaubte dies zumindest. Ich hatte ihm mein Herz geschenkt und fest daran geglaubt die richtige Entscheidung zu treffen. GroÃmutter, Mutter...sie alle hassen mich dafür. Ich habe sie geopfert...für einen Mann, der in mir lediglich eine weitere Trophäe gesehen hatte. Ein weiteres Schmuckstück, welches er besitzen wollte.â
Penelopes Augen begannen zu tränen.
Sarah beobachtete die kleinen bunten Vögel, die nun nahe ihrer Beine hüpften. Sie warf ihnen Brotkrümel zu. âSiehst du die Vöglein? Hast du ihren Gesang vorhin gehört? Wie schön und rein? Voller Unschuld und Sanftmut. Beinahe einer Nachtigall ebenbürtig. Meine GroÃmutter erzählte mir in meiner Kindheit oft von einem unartigen kleinen Jungen, welcher eine Nachtigall, fasziniert von ihrem Gesang und ihrer Anmut, fing und in einen Käfig im Keller sperrte. Sie verlernte zu singen, verstarb wenig später. GroÃmutter hatte es mir nur erzählt, weil ich lernen musste, die Natur zu achten. Aber hinter ihren Worte steckte so viel mehr.â Sarah strich sich eine Haarsträne hinter ihr Ohr. âIch bin schwanger, Penelope.â
Die Freundin musterte sie nachdenklich, wusste nicht, wie sie reagieren sollte.
âUnd weiÃt du was?â Sarah erhob sich. âIch weiÃ, dass sich dadurch nichts ändern wird. Ich wünschte, es wäre anders, aber ich weià es...â
Danke, dass ihr mir so treue Leserinnen seid. Ich freue mich immer total über eure Feedbacks. Vielen, vielen Dank dafür! Schön, dass euch meine Geschichte so gut gefällt!
Ich habe weiter geschrieben und hoffe, euch gefallen die neuen Kapiteln.
Freu mich schon sehr auf eure Feedbacks!
Schönen Tag noch!
Bussi Selene
PS: Habe leider nur kurz Zeit. Werde aber noch diese Woche weiter schreiben und auch das Re-FB nachholen
28. Teil
Lillian
Spanish Harlem, 2000
Als die frühe Morgensonne den Himmel in bunte Farben tauchte, verlieà Lillian mit einem kleinen Korb bepackt das Wohnhaus. Auf den StraÃen war es noch ungewöhnlich ruhig, sie schienen wie ausgestorben. Die kleine Bäckerei öffnete bereits um sieben Uhr früh. Ana liebte die frischen Semmeln, welche es sonntags stets gab.
Lillian hatte es die ganze Nacht nicht geschafft einzuschlafen. Zu viel Last lag auf ihrem Herzen. Ihr Kopf rumorte, ihre Beine schien jeder Schritt anzustrengen. Die Bäckerin begrüÃte sie mit einem munteren Lächeln. Lillian erinnerte sich daran, dass sie mit Rosa manchmal hier gewesen war, bevor sie Ana besucht hatten. Ihre Mutter hatte stets fröhlich mit der schon sehr betagten Frau geplaudert. Auf dem Weg zu Anas Wohnung hatte sie alle Menschen, die ihnen begegnet waren, sehr freundlich gegrüÃt. Meist war sie auch stehen geblieben um mehrere Worte zu wechseln. Sie war sogar zu jenen zuvorkommend und höflich gewesen, welche hinter ihrem Rücken niemals ein gutes Haar gelassen hatten. Lillian erinnerte sich an Anas Worte. Deine Mutter ist nun ein wunderschöner Engel, der von oben über uns wacht. Ein kurzes Lächeln umspielte ihre Lippen. Sollte es tatsächlich Engel geben, musste Rosa einer sein. Es konnte keinen anderen Menschen geben, welcher ihr an Herz und Güte ebenbürtig war. Trotz dieses Wissens, oder möglicherweise gerade deswegen, gelang es Lillians Herzen noch nicht von der der tiefen Verletzung aufgrund Rosas Lüge zu heilen.
Als sie die Wohnung betrat, kam ihr Ana bereits entgegen. âWo warst du, Cariña?â Der Blick ihrer GroÃmutter fiel auf das duftende Säckchen. Sie schlug lächelnd die Hände zusammen. âDas ist eine wunderbare Ãberraschung.â
Lillian lächelte. âIch dachte, es wäre wieder einmal Zeit dafür.â Es war nur eine Kleinigkeit, die sie für Ana tat. Dennoch schien es im Moment mehr als das. Sie wusste, dass auch Ana oft an jene Jahre dachte, als ihre Tochter und ihre Enkeltochter sonntags vor dem Kirchgang mit duftendem Frühstück vorbei gekommen waren.
âSetz dich, Kind. Ich mache uns Tee. Warum hast du denn nicht länger geschlafen? Es ist gestern doch so spät geworden...â
âIch muss heute sehr viel lernen.â
âÃbertreibe es aber nicht...â Plötzlich veränderte sich Anas Gesichtsausdruck. Sie runzelte die Stirn. âGestern hat jemand für dich angerufen.â Sie deutete auf den kleinen Zettel am Tisch. Lillian ergriff ihn. âEin Mann aus Kalifornien, Los Angeles glaub ich. Die Verbindung war nicht so gut, ich konnte seinen Namen nicht verstehen. Er meinte, dass er es heute oder morgen wieder versuchen würde. Wen kennst du denn in Kalifornien?â
Lillian runzelte die Stirn. Mitarbeiter der Universitäten, bei welchen sie sich beworben hatte, hätten nicht Samstagabends angerufen. Ein seltsamer Druck erfasste ihr Herz. Sie kannte niemandem aus dem fernen Staat an der Westküste. Was könnte ein Fremder von ihr wollen? Sie erinnerte sich an das bedrückende Gefühl, welches sie die letzten Tage oftmals verspürt hatte. Das Gefühl beobachtet zu werden. War das kein Hirngespinst gewesen? Hatte ihr ihre Phantasie doch keinen Streich gespielt?
âEin ehemaliger Schulkollege und guter Freund zog letztes Jahr nach Kalifornien.â Antwortete sie zögernd. Es gelang ihr dabei nicht, Ana in die Augen zu sehen. Ihre GroÃmutter durfte nichts von ihren Sorgen erfahren. Zumindest noch nicht, nicht bevor sie mehr darüber wusste. Sie würde sich zu sehr aufregen. Lillian wusste um die Schwäche Anas Herzens und wollte es nicht unnötig belasten.
Die GroÃmutter musterte sie Stirn runzelnd, sagte jedoch nichts. Der Mann hatte älter geklungen als Lillian, deutlich älter. Das musste zwar nicht automatisch bedeuten, dass es auch so war, aber Ana kannte die Fähigkeit ihrer Enkeltochter zu lügen. Um die momentane Spannung aber nicht noch mehr zu steigern, beschloss sie, sich vorerst mit Lillians Antwort zufrieden zu geben. Eine Entscheidung, welche sie später nicht nur einmal bereuen würde.
Der Fremde rief nicht mehr an. Lillian schien es wie ein Wunder, dass sie trotz ihrer wirren Gefühle die Konzentration fand um den restlichen Stoff für ihre Abschlussprüfungen in der darauf folgenden Woche zu lernen. Sie traf sich nur zweimal mit Elena, ging mit Ana zur Kirche und zum Friedhof, und verbrachte die restliche Zeit hinter ihren Büchern. Ihre GroÃmutter beobachtete sie besorgt, schwieg aber mit der Hoffnung, nach dem Druck der Prüfungen mehr Erfolg auf eine erneute Aussprache zu haben. Lillian gab sich betont fröhlich, wenn auch immer zu hektisch, der Schmerz und die Leere schienen jedoch aus ihren Augen zu sprechen. Die Abschlussprüfungen waren nicht der einzige Grund für Anas Entscheidung zu dem Aufschub des immer dringender scheinenden Gesprächs. Sie hatte Angst. Angst davor, einen Fehler gemacht zu haben. Angst davor, dass ihre Beziehung nie wieder so sein würde, wie sie einst gewesen war.
Es war ein heiÃer Tag kurz vor den Prüfungen, als Lillians Herz eine Entscheidung traf, dessen wahre Bedeutung ihr erst viel später bewusst werden sollte.
Die Tür des Ladens war geöffnet. Der sanfte Klang eines Radios drang auf die StraÃen. Lillian atmete tief durch und betrat das kleine Geschäft zögernd. Ihre Augen wanderten durch den Raum. Nur wenig Licht drang durch die alten, leicht verstaubten Fenster. Der Boden knarrte, als sie einen Schritt vorwärts machte. Plötzlich kam Antonio aus einem Hinterzimmer. âIch hatte mir doch gedacht, etwas gehört zu haben. Hey.â
âHey.â Sie lächelte kurz und trat unschlüssig von einem Fuà auf den anderen.
Er musterte sie Stirn runzelnd. âAlles in Ordnung? Du bist so blass.â
âIch bin nur etwas nervös. Meine ersten Prüfungen finden übermorgen statt.â
Antonio nickte. âFalls du Arturo suchst, er holt eine Lieferung ab und wird nicht vor Mittag zurück sein.â
Lillian unterdrückte ein Seufzen. âIch wollte nicht zu ihm. Die Lade unseres Kastens hat sich ausgehängt. Ich brauche einen Schraubenschlüssel.â Dass Ana der Meinung war, es ginge auch so und sie sollten kein Geld für diesen Unsinn ausgeben, verschwieg sie.
âDu willst es selbst reparieren?â Antonio musterte sie ungläubig.
âTraust du mir das denn nicht zu?â
âEhrlich gesagt nicht. Und komm mir jetzt bitte nicht schon wieder mit männerfeindlichen Sprüchen. Meine Schwester Anita half mir letzte Woche bei der Reparatur unseres Autos. Aber du...â Er verkniff sich ein Grinsen. â...du solltest keine Werkzeuge mehr anfassen. Ich würde es eher deiner GroÃmutter machen lassen...â
Lillian stemmte die Arme in die Hüften. âDie Sache mit dem Hammer ist fünf Jahre her!â
âÃber deinen schmerzenden Daumen hast du aber Wochen danach noch gejammert.â Er musterte sie amüsiert. âIch würde mir eher darüber sorgen machen, dass du nicht einmal kochen kannst.â
Lillian rollte mit den Augen. âBekomme ich jetzt meinen Schraubenschlüssel?â
âAber sicher. Welche GröÃe brauchst du denn?â
Sie runzelte die Stirn. âGib mir einfach ein Set.â
âEin Set? Dafür wirft dich deine GroÃmutter aus der Wohnung. Aber bei den Temperaturen kannst du ja unter einer Brücke schlafen.â
âDas ist zum Glück mein Problem.â Lillian warf einen kurzen Blick auf die Uhr des Ladens, als Anita den Raum betrat. Sie grüÃte die junge Frau mit einem kurzen Lächeln, wandte sich wieder an deren Bruder. âKönntest du dich etwas mit deinem Spott mir gegenüber beeilen? Ich komme sonst zu spät. Die Vorbereitungsstunden sind wichtig für meine Prüfungen...â Sie runzelte verzweifelt die Stirn.
âWarst du schon wieder gemein zu ihr?â Anita, welche gerade den Kasten neben der Theke aussortierte, warf ihm einen strafenden Blick zu.
Antonios Miene wurde sanfter. âEntschuldige.â Er warf einen Blick auf die Uhr. âIch mach dir einen Vorschlag. Ich repariere die Lade heute Nachmittag und fahre dich jetzt, okay?â Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich an Anita. âSchaffst du es eine halbe Stunde alleine?â
Sie nickte kurz. âIch denke schon.â Der genervte Unter ton war nicht zu überhören.
âDu musst mich nicht fahren.â Wandte Lillian ein.
âDu willst doch pünktlich sein, oder? Wir sind dreimal so schnell wie die U-Bahn, versprochen.â
Lillian blickte nochmals auf die Uhr. Ein Seufzen entwich ihr. âOkay. Danke...â
Als sie ins Auto eingestiegen waren, fasste sie sich schlieÃlich ein Herz. âEs tut mir leid...â Sie seufzte leise. âDer Abend im Club...ich war ziemlich betrunken...â
Antonio schien kurz zu überlegen. âDas war sehr amüsant, ja.â Er grinste. âWir beide müssen öfters etwas unternehmen, dann würdest du sicherlich mehr vertragen.â
âIch meine es ernst. Ich habe mich an diesem Abend idiotisch benommen.â
âAlso mir gegenüber warst du wie immer.â
Sie wandte ihren Blick seufzend aus dem Fenster.
Antonio berührte ihren Arm kurz. âMach dir keine Sorgen. Er wird sich schon beruhigen.â
Lillian sah ihn an. âDu weiÃt von dem Streit? Hat er dir davon erzählt?â
âNein, aber hier gibt es keine Geheimnisse. Yolanda sah, wie ihr euch strittet, andere bemerkten, dass ihr euch die letzten Tage nicht getroffen hättet. Natürlich wird nun behauptet, irgendetwas Dramatisches wäre passiert. Du weiÃt doch. Die Leute reden immer. Was sollâs? Lass sie doch, wenn es sie erfreut.â
âWas sagen sie denn?â Lillian biss sich auf die Unterlippe. Es war nicht von Bedeutung. Antonio hatte Recht. âIst Arturo noch sehr wütend auf mich?â
Er beobachtete sie aus dem Augenwinkel. âWir haben nicht über dich gesprochen. Ich weià es nicht. Wenn du es wissen möchtest, solltest du mit ihm sprechen.â
Sie nickte zögernd. âWahrscheinlich...â Der Druck zog sich fester um ihr Herz.
âWie wirst du denn deinen Geburtstag feiern?â Antonio wechselte das Thema, wofür sie ihm sehr dankbar war.
âIch weià es noch nicht. GroÃmutter möchte mit mir essen gehen. Elena und Emilio werden uns wahrscheinlich begleiten.â
Er nickte. âElena scheint es besser zu gehen. Schön, dass sie wieder einmal raus gegangen ist...â
Lillian lächelte. âJa. Ich war sehr besorgt um sie.â
âDas waren wir alle. Seit Estebans Tod verfiel sie immer mehr.â
âDie Nachricht hatte sie wie ein schmerzender Pfeil mitten ins Herz getroffen, ihr den Boden unter den FüÃen weggezogen. Er und Emilio waren alles gewesen, was sie hatte. Ich weiÃ...â Lillian seufzte leise. âIch weiÃ, wie sie sich gefühlt haben muss.â
Antonio runzelte die Stirn. âSie hat dich. Deine GroÃmutter. Ihr seid sehr wichtig für sie und ihren Sohn.â
âSie hat auch in dir und Arturo sehr gute Freunde. Elena ist dankbar, dass ihr sie so unterstützt.â
Er seufzte. âIch würde mehr für sie tun...â
Lillian nickte. âSie hasst es Hilfe anzunehmen und tut es leider nur, wenn sie keine andere Wahl mehr hat. Es ist leider unmöglich mit ihr über dieses Thema zu sprechen. Sie blockt immer ab. Darin ist so fast so gut wie ich.â
âJa...fast.â
Lillian schenkte ihm ein leichtes Lächeln. âIch weiÃ, was du für sie empfindest...â
Er hielt vor dem groÃen Schuldgebäude. âWas sollâs?â Er zuckte mit den Schultern. âSoll ich mit Arturo sprechen?â
Sie atmete tief durch. âNein. Danke. Sag ihm bitte nicht, dass ich da war.â
Er nickte. âWarte nicht zu lange, okay?â
Lillian ging nicht darauf ein. Bevor sie das Auto verlieÃ, fragte sie zögernd. âAntonio?â
âJa?â
Sie betrachtete ihre Finger. âWürdest du die Lade tatsächlich reparieren?â
Er grinste. âIch werde deine GroÃmutter anrufen, dass ich um zwei Uhr bei ihr bin.â
âDanke.â Lillian schenkte ihm ein kurzes Lächeln bevor sie ausstieg.
Die Mittagssonne erfüllte New York City mit einem weiteren Temperaturanstieg. Lillian sehnte sich beinahe nach dem zumindest etwas kühleren Klassenzimmer zurück, als sie die steinernen Stufen des Gebäudes hinab ging. Es war ungewöhnlich wenig Verkehr für diese Gegend. Lillian atmete die Luft lächelnd ein und beschloss noch ein wenig durch den Central Park zu gehen. Das hatte sie schon lange nicht mehr gemacht. Vielleicht würde es sie ein wenig ablenken von den Sorgen, welche ihr die Luft zum Atmen zu nehmen schienen. Zumindest für eine halbe Stunde. Sie überquerte die StraÃe nach ihrer normalerweise vorletzten U-Bahn Station und richtete ihren Blick bereits auf eine der freien Parkbänke. Sie nahm nur aus dem Augenwinkel wahr, dass ein groÃes schwarzes Auto dicht an ihr vorbei fuhr und auf einem Parkplatz gegenüber hielt. Lillian war schon längst in eines ihrer Bücher für die bevorstehenden Prüfungen vertieft, als sich Schritte näherten und ein Mann vor ihr hielt. Sie sah erst auf, als er sie ansprach.
29. Teil
Sarah
1981
Der kleine Park schien menschenleer, als Sarah auf einer der knarrenden Bänke sank. Sie betrachtete das Meer aus Palmen vor ihren Augen und seufzte leise. Der Duft des Ozeans schien ihr bis hier her gefolgt zu sein. Bunte Vögel zwitscherten ihre fremden Gesänge.
âDas Paradies...â Flüsterte sie leise. âIch dachte einst, ich wäre im Paradies angekommen.â
Penelope, welche zu ihr getreten war und sich schlieÃlich neben sie setzte, betrachtete sie Stirn runzelnd. Sie hatte jedes Wort verstanden.
âDoch, das ist nicht das Paradies...â Sarah schüttelte den Kopf. âEs ist Illusion. Es gibt kein Paradies. Nirgendwo auf der Welt.â
Penelope drückte sanft ihre Hand. âÃberall, überall auf der Welt ist es möglich das Paradies zu finden. Wenn du die Augen geöffnet hältst.â
âSie zwangen mich sie zu schlieÃen...â Sarah senkte den Blick. âVor langer Zeit.â
Ihre Freundin seufzte leise, wusste nicht, was sie antworten sollte.
âPenelope?â Sarah blickte ihrer Freundin Stirn runzelnd in die Augen. âHat er...hat er mich jemals geliebt?â Eine einzelne Träne rann über ihre Wange.
Penelope verwischte sie. âJa...Auf seine Weise.â
Sarah schüttelte den Kopf. âIch war die glücklichste Frau der Welt...glaubte dies zumindest. Ich hatte ihm mein Herz geschenkt und fest daran geglaubt die richtige Entscheidung zu treffen. GroÃmutter, Mutter...sie alle hassen mich dafür. Ich habe sie geopfert...für einen Mann, der in mir lediglich eine weitere Trophäe gesehen hatte. Ein weiteres Schmuckstück, welches er besitzen wollte.â
Penelopes Augen begannen zu tränen.
Sarah beobachtete die kleinen bunten Vögel, die nun nahe ihrer Beine hüpften. Sie warf ihnen Brotkrümel zu. âSiehst du die Vöglein? Hast du ihren Gesang vorhin gehört? Wie schön und rein? Voller Unschuld und Sanftmut. Beinahe einer Nachtigall ebenbürtig. Meine GroÃmutter erzählte mir in meiner Kindheit oft von einem unartigen kleinen Jungen, welcher eine Nachtigall, fasziniert von ihrem Gesang und ihrer Anmut, fing und in einen Käfig im Keller sperrte. Sie verlernte zu singen, verstarb wenig später. GroÃmutter hatte es mir nur erzählt, weil ich lernen musste, die Natur zu achten. Aber hinter ihren Worte steckte so viel mehr.â Sarah strich sich eine Haarsträne hinter ihr Ohr. âIch bin schwanger, Penelope.â
Die Freundin musterte sie nachdenklich, wusste nicht, wie sie reagieren sollte.
âUnd weiÃt du was?â Sarah erhob sich. âIch weiÃ, dass sich dadurch nichts ändern wird. Ich wünschte, es wäre anders, aber ich weià es...â