22.05.2007, 12:32
„Sarah?“
Sie erschrak, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte. Sie drehte sich langsam um und starrte in Eduardos Augen.
„Ich konnte es nicht.“
Sie musterte ihn, unfähig etwas zu erwidern. Ihr Herzschlag wurde schneller.
Er strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn und betrachtete ihr Gesicht. „Ich war kurz davor einzusteigen, aber ich konnte es einfach nicht...“
„Woher wusstest du, dass ich hier bin?“
„Ich wusste, dass du zumindest früher oder später hierher kommen würdest. SchlieÃlich hat hier alles begonnen.“
„Dein Brief...“
„Es tut mir leid, Sarah. Es tut mir so leid. Ich dachte, es wäre besser so. Mein Verstand hat ausgesetzt, zum Glück habe ich es rechtzeitig gemerkt...“ Er strich ihr eine Träne von der Wange. „Ich liebe dich und kann nicht mehr ohne dich sein. Verzeih mir meine Dummheit, meine Wut. Ich verspreche dir es wieder gut zu machen.“
„Wer wäre an deiner Stelle nicht wütend gewesen?“ Ihre Stimme stockte.
„Ich hätte nicht einfach davonlaufen dürfen. Du hast Recht, es wird sich alles zum Guten für uns beide entwickeln.“
„Glaubst du das wirklich?“ Ihre Stimme bebte. Sie hatte Angst davor ein Gefühl von Glück zuzulassen. Zu sehr war ihr die Zerbrechlichkeit ihres Herzens bewusst geworden.
Eduardo nickte. „Mehr als alles andere.“ Er griff in die Tasche seines Mantels und zog eine kleine Schachtel heraus.
Sarah musterte diese Stirn runzelnd. „Was ist das?“
Er öffnete sie langsam. Sie erstarrte. Ein Schwindel begann sie zu erfassen.
„Sarah...“ Er atmete tief durch. „Ich liebe dich, und du sollst wissen, wie ernst es mir mit dir ist.“
Ihre Kehle wurde trocken. Der silberne Ring funkelte im Sonnenlicht. Träumte sie?
„Ich möchte mein restliches Leben mit dir verbringen. Dich für immer an meiner Seite wissen. Deshalb frage ich dich: Möchtest du meine Frau werden?“
Sarah wurde einen Moment schwarz vor den Augen. Sie stützte sich am Brunnen ab.
„Du musst nicht sofort antworten. Ich weiÃ, dass kommt sehr plötzlich. Aber ich liebe dich und weiÃ, dass wir zusammen gehören. So viele Paare verschwenden Jahre, das möchte ich nicht.“
„Eduardo...“ Tränen rannen über ihre Wangen. Sie wollte diesen Moment nicht zerstören, nichts Falsches sagen. Eine Hitzewelle erfüllte ihr Herz, es klopfte so schnell, dass sie glaubte, es würde zerspringen. „Ich liebe dich...und ja, ich möchte dich von ganzem Herzen heiraten.“
Eduardo verwischte lächelnd ihre Tränen und zog ihr den linken Handschuh aus. Er küsste ihren Ringfinger, bevor er den Ring darüber schob. „Du machst mich zum glücklichsten Mann der Welt.“ Er zog sie in seine Arme und küsste sie zärtlich. „Versprich mir, mich nicht dafür zu hassen. Aber ich muss morgen früh nachhause fliegen. Mein Vater drängt darauf, es gibt viel Arbeit.“
„Nimm mich mit. Bitte.“ Sie blickte in flehend an. „Lass mich nicht alleine.“
„Wir müssen noch ein Jahr warten.“ Er strich ihr durchs Haar. „Dann heirate ich dich und nehme dich mit mir. Wenn du es noch möchtest.“
„Ich zähle die Tage bis zu meinem sechzehnten Geburtstag.“
„Wir werden dann die Unterschrift eines deiner Elternteile benötigen...“
Sie nickte. „Ich werde eine Lösung finden.“ Sarah war davon überzeugt, dass Maja früher oder später dieser Bindung zustimmen würde. Ihre Mutter würde verstehen, dass es ihr Schicksal war. Die nächsten Wochen würde sie ihr aber noch nichts von der Verlobung erzählen.
Eduardo lächelte. „Sollte ich warten müssen, bis du achtzehn bist, werde ich auch das tun.“
Sie schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn. Nur mehr ein Jahr. In einem Jahr würde sie ihrer Heimat den Rücken kehren und mit ihm gehen. Jede Nacht neben ihm einschlafen. Jeden Morgen neben ihm aufwachen. Sie würde ihm Kinder schenken und an seiner Seite alt werden.
Lieber Eduardo,
Mein Herz verzehrt sich nach dir.
Noch zehn Monate.
Ich hoffe, du schaffst es, mich davor zu besuchen.
Ich liebe unsere Telefonate. Sie beflügeln mich, geben meinem tristen Dasein einen Sinn.
Ich lerne gerade fleiÃig Spanisch. Eigentlich mache ich nichts anderes als dir zu schreiben, zu lernen und auf deine Briefe und Anrufe zu warten.
Ich habe noch nicht mit meiner Mutter gesprochen. Unser Verhältnis hat sich verändert, doch das wird wieder. Sie braucht immer eine gewisse Zeit.
Mein Liebling, ich vermisse dich. Du bist mein Leben, mein Atem, meine Seele.
Ich liebe dich.
Deine Sarah
Mein geliebter Eduardo,
Danke für deinen wundervollen Brief, die Fotos. Ich habe ihn in der letzten Stunde bestimmt zehn Mal gelesen. Nachdem ich dir geschrieben habe, werde ich es wieder tun.
Das Haus auf dem Bild ist traumhaft. Ich stelle mir vor, wie es sein wird dort mit dir zu leben. Jeden Tag im Garten zu frühstücken. Die Vögel zu beobachten und die prächtigen Palmen zu bestaunen.
Mein Liebling, noch neuneinhalb Monate bis du dich mit mir in unser Paradies nimmst. Ich streiche die Tage auf dem Kalender mit einem roten Filzstift durch. Es deprimiert mich, aber an manchen Tagen motiviert es mich auch. Besonders an Tagen wie heute, an welchen ich so einen Brief von dir erhalten habe. Denn ich weiÃ, mein Liebster, du bist jede Stunde, jede Woche, jedes Monat wert, das ich noch warten muss.
Ich war heute Nachmittag mit Svenja, Maika und Lena spazieren. Danach waren wir noch im Kino. Es war lustig, dennoch, ich merke, wie sehr ich mich verändert habe.
Ich habe ihnen von dir erzählt. Sogar von unserer Verlobung. Ich musste es einfach jemandem erzählen, so glücklich bin ich. Doch sie halten es für Erfindung, Angeberei. Nur weil sie dich noch nicht kennen gelernt haben. Sie wollen einen deiner Briefe lesen, doch ich werde ihnen keinen zeigen. Es ist ihr Problem, wenn sie mir nicht glauben. Unsere Briefe sind etwas Persönliches, Intimes.
Meine Mutter verhält sich sehr komisch in den letzten Tagen. Heute habe ich wieder alleine mit GroÃmutter zu Abend gegessen. Sie sagte, meine Mutter hätte womöglich jemanden kennen gelernt, wolle es uns aber erst mitteilen, wenn es etwas Ernstes ist. Ich hoffe, dass es stimmt. Denn wenn meine Mutter erst wieder glücklich in Sachen Liebe ist, wird sie das mit uns beiden gewiss verstehen.
GroÃmutter weiÃ, dass wir regen Kontakt haben. Sie redet mir aber nicht mehr ins Gewissen. GroÃmutter hält es wahrscheinlich für reine Brieffreundschaft, scheint nicht mehr besorgt zu sein. Sie ist nach wie vor meine engste Vertraute, nach dir natürlich. Manchmal würde ich es ihr gerne erzählen. Aber ich weiÃ, es ist besser, noch ein wenig zu warten.
Ich muss aufhören, Geliebter. Doch mein nächster Brief folgt morgen.
In ewiger Liebe
Sarah
Mein Liebling,
Der Frühling hat begonnen. Die Pflanzen sprieÃen, die Vögel summen. Unser Park leuchtet im satten grün. Du solltest hier sein, bei mir. Mit mir vor unserem Brunnen sitzen.
Ich hoffe, es geht dir gut. Dein Vater nimmt dich zurzeit sehr stark in Anspruch.
Meine Mutter war die letzte Woche wieder zweimal aus. Ich hatte gesehen, wie sie sich zu Recht machte. Doch ich stelle keine Fragen. GroÃmutter meint, Mutter würde darüber sprechen, wenn sie soweit ist. Im Grunde genommen, ist es mir auch nicht mehr so wichtig. Das Verhältnis von meiner Mutter und mir ist abgekühlt. Früher konnten wir über alles sprechen, doch sie scheint es nicht zu akzeptieren, dass ich erwachsen geworden bin.
Du fehlst mir so sehr, mein Liebster, ich freue mich über jeden Tag, der vergeht, unser Wiedersehen näher rücken lässt.
In ewiger Liebe,
Sarah
Liebster Eduardo,
Es ist schade, dass du dieses Wochenende doch nicht kommen konntest. Heute vor einem Jahr lernten wir uns kennen. In Finnland, weiÃt du noch? Es war einer der schönsten Tage meines Lebens.
Das Schicksal scheint uns erneut auf die Probe zu stellen, denn meine Mutter, hat einen deiner Briefe beim Spionieren in meinem Zimmer gefunden und weià nun, dass wir noch in Kontakt stehen.
Meine GroÃmutter und Mutter streiten schon wieder laut, weil sie ihr nichts davon gesagt hat. Nun ist auch GroÃmama wütend auf mich, weil ich verheimlicht habe, dass wir noch zusammen sind.
Ich habe Maika einen deiner Briefe gezeigt, den kurzen mit der Absage, in welchem nicht zu viel Persönliches steht. Sie glaubt mir nun und hat versprochen zu schweigen. Wir können ihr vertrauen. Schicke deine Briefe bitte in nächster Zeit an ihre Adresse, ich werde diese im Umschlag beilegen.
Das Verhältnis von Maika und mir hat sich verbessert. Wir unternehmen oft nur noch zu zweit etwas. Svenja und Lena haben nun beide einen Freund, zwei ebenfalls befreundete Jungs, welche zwei Klassen über uns sind. Sie wollen meist ohnehin nur noch unter sich sein.
Manchmal glaube ich, dass Maika die Einzige ist, die ich wirklich vermissen werde. Doch ich habe versprochen, den Kontakt mit ihr niemals zu lösen.
Maika ist ein Goldstück, aber überbesorgt. Sie heiÃt es nicht gut, dass wir uns so schnell verlobten, wird mir aber trotzdem helfen. Sie ist eine wahre Freundin. Im Gegensatz zu Lena, welche mich mit einem anderen Freund ihres Freundes verkuppeln wollte.
Ich liebe dich, mein Schatz, mehr als alles andere. Sorge dich nicht wegen meiner Familie. Das bekommen wir schon hin. Unsere Liebe ist stärker als alles andere. Ich werde dich an meinem sechzehnten Geburtstag heiraten, niemand wird dies verhindern können.
In ewiger Liebe
Sarah
Mein geliebter Eduardo,
Der schwarze Himmel hat sich über mein Leben ausgebreitet und droht nun mich zu verschlingen.
Sie hat mich verraten. Meine eigene Mutter.
Maika und ich waren heute im Freibad. Als ich nachhause kam, saà mein Vater neben meiner Mutter im Garten. Vor ihnen stand eine Flasche Wein. Mutter hatte mich wohl noch nicht zurück erwartet.
Ich war sprachlos, ihr schien es ebenso zu gehen. Und mein Vater hatte natürlich nichts Geistreicheres zu sagen, als „Willst du deinen Vater nicht begrüÃen?“
Ich rannte in mein Zimmer, meine Mutter folgte mir. Sie wollte es mir erklären, wir begannen zu streiten.
Ich verstehe es einfach nicht, wie sie so etwas tun konnte, nach all dem, was er uns angetan hatte!
Der nächste Punkt, der mich wütend macht, ist, dass sie mir den Kontakt zu dir verbieten will, sie sich aber mit einem Mann einlässt, der sie, und uns alle, nur in Unglück stürzen kann. Mein Vater hat noch nie etwas Sinnvolles getan.
Meine GroÃmutter ist ebenfalls verärgert deshalb, sie machte meiner Mutter Vorwürfe. Allerdings hat sich ihr Streit schnell gelegt und sie scheint nun gleichgültig.
Ich habe Angst, mein Geliebter. Sollte mein Vater wieder einziehen, bezweifle ich, dass meine GroÃmama bleiben wird. Sie hasst ihn noch mehr als ich.
Ich fühle mich so alleine, würde am liebsten in das nächste Flugzeug steigen und zu dir fliegen. Zu unserem wunderschönen Haus mit dem prächtigen Palmengarten, den bunten Vögeln. Ich will, dass du mich in deine Arme nimmst und nie wieder los lässt.
Du fehlst mir von Tag zu Tag mehr, ich scheine jeden Tag ein Stückchen mehr zu sterben. Lass mich nicht mehr lange alleine, versprochen? Deine Liebe ist alles, was mir im Moment Kraft zu geben scheint.
Deine Sarah
Mein Liebster,
Ich danke dir für deine aufbauenden Worte. Du ahnst gar nicht, wie sehr du mir damit hilfst.
Ich habe deinen letzten Brief verschlungen. Es gefällt mir, was du über deine Stadt erzählst. Bald wird sie ja auch meine sein. Nur noch dreieinhalb Monate.
Mein Herz verzehrt sich nach dir. Ich liebe dich und danke jeden Tag für dieses frühe Schicksal.
Vater war erneut bei uns zum Essen eingeladen. Er bemüht sich sehr um GroÃmama und mich, es ist geradezu lächerlich. Wir stritten erneut, doch das gehört schon zum üblichen Samstagabendprogramm.
Meiner Mutter und mir gelingt es nicht mehr auf einen grünen Zweig zu gelangen, es ist zu viel passiert. Doch ich möchte dich nicht belasten. Du hast genügend eigene Sorgen. Und ich stimme dir zu, mein Liebling, wir schaffen das.
Ich kann den ersten Schnee kaum mehr erwarten, denn dann bist du bald bei mir.
Ich liebe dich.
Deine Sarah
Sie erschrak, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte. Sie drehte sich langsam um und starrte in Eduardos Augen.
„Ich konnte es nicht.“
Sie musterte ihn, unfähig etwas zu erwidern. Ihr Herzschlag wurde schneller.
Er strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn und betrachtete ihr Gesicht. „Ich war kurz davor einzusteigen, aber ich konnte es einfach nicht...“
„Woher wusstest du, dass ich hier bin?“
„Ich wusste, dass du zumindest früher oder später hierher kommen würdest. SchlieÃlich hat hier alles begonnen.“
„Dein Brief...“
„Es tut mir leid, Sarah. Es tut mir so leid. Ich dachte, es wäre besser so. Mein Verstand hat ausgesetzt, zum Glück habe ich es rechtzeitig gemerkt...“ Er strich ihr eine Träne von der Wange. „Ich liebe dich und kann nicht mehr ohne dich sein. Verzeih mir meine Dummheit, meine Wut. Ich verspreche dir es wieder gut zu machen.“
„Wer wäre an deiner Stelle nicht wütend gewesen?“ Ihre Stimme stockte.
„Ich hätte nicht einfach davonlaufen dürfen. Du hast Recht, es wird sich alles zum Guten für uns beide entwickeln.“
„Glaubst du das wirklich?“ Ihre Stimme bebte. Sie hatte Angst davor ein Gefühl von Glück zuzulassen. Zu sehr war ihr die Zerbrechlichkeit ihres Herzens bewusst geworden.
Eduardo nickte. „Mehr als alles andere.“ Er griff in die Tasche seines Mantels und zog eine kleine Schachtel heraus.
Sarah musterte diese Stirn runzelnd. „Was ist das?“
Er öffnete sie langsam. Sie erstarrte. Ein Schwindel begann sie zu erfassen.
„Sarah...“ Er atmete tief durch. „Ich liebe dich, und du sollst wissen, wie ernst es mir mit dir ist.“
Ihre Kehle wurde trocken. Der silberne Ring funkelte im Sonnenlicht. Träumte sie?
„Ich möchte mein restliches Leben mit dir verbringen. Dich für immer an meiner Seite wissen. Deshalb frage ich dich: Möchtest du meine Frau werden?“
Sarah wurde einen Moment schwarz vor den Augen. Sie stützte sich am Brunnen ab.
„Du musst nicht sofort antworten. Ich weiÃ, dass kommt sehr plötzlich. Aber ich liebe dich und weiÃ, dass wir zusammen gehören. So viele Paare verschwenden Jahre, das möchte ich nicht.“
„Eduardo...“ Tränen rannen über ihre Wangen. Sie wollte diesen Moment nicht zerstören, nichts Falsches sagen. Eine Hitzewelle erfüllte ihr Herz, es klopfte so schnell, dass sie glaubte, es würde zerspringen. „Ich liebe dich...und ja, ich möchte dich von ganzem Herzen heiraten.“
Eduardo verwischte lächelnd ihre Tränen und zog ihr den linken Handschuh aus. Er küsste ihren Ringfinger, bevor er den Ring darüber schob. „Du machst mich zum glücklichsten Mann der Welt.“ Er zog sie in seine Arme und küsste sie zärtlich. „Versprich mir, mich nicht dafür zu hassen. Aber ich muss morgen früh nachhause fliegen. Mein Vater drängt darauf, es gibt viel Arbeit.“
„Nimm mich mit. Bitte.“ Sie blickte in flehend an. „Lass mich nicht alleine.“
„Wir müssen noch ein Jahr warten.“ Er strich ihr durchs Haar. „Dann heirate ich dich und nehme dich mit mir. Wenn du es noch möchtest.“
„Ich zähle die Tage bis zu meinem sechzehnten Geburtstag.“
„Wir werden dann die Unterschrift eines deiner Elternteile benötigen...“
Sie nickte. „Ich werde eine Lösung finden.“ Sarah war davon überzeugt, dass Maja früher oder später dieser Bindung zustimmen würde. Ihre Mutter würde verstehen, dass es ihr Schicksal war. Die nächsten Wochen würde sie ihr aber noch nichts von der Verlobung erzählen.
Eduardo lächelte. „Sollte ich warten müssen, bis du achtzehn bist, werde ich auch das tun.“
Sie schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn. Nur mehr ein Jahr. In einem Jahr würde sie ihrer Heimat den Rücken kehren und mit ihm gehen. Jede Nacht neben ihm einschlafen. Jeden Morgen neben ihm aufwachen. Sie würde ihm Kinder schenken und an seiner Seite alt werden.
Lieber Eduardo,
Mein Herz verzehrt sich nach dir.
Noch zehn Monate.
Ich hoffe, du schaffst es, mich davor zu besuchen.
Ich liebe unsere Telefonate. Sie beflügeln mich, geben meinem tristen Dasein einen Sinn.
Ich lerne gerade fleiÃig Spanisch. Eigentlich mache ich nichts anderes als dir zu schreiben, zu lernen und auf deine Briefe und Anrufe zu warten.
Ich habe noch nicht mit meiner Mutter gesprochen. Unser Verhältnis hat sich verändert, doch das wird wieder. Sie braucht immer eine gewisse Zeit.
Mein Liebling, ich vermisse dich. Du bist mein Leben, mein Atem, meine Seele.
Ich liebe dich.
Deine Sarah
Mein geliebter Eduardo,
Danke für deinen wundervollen Brief, die Fotos. Ich habe ihn in der letzten Stunde bestimmt zehn Mal gelesen. Nachdem ich dir geschrieben habe, werde ich es wieder tun.
Das Haus auf dem Bild ist traumhaft. Ich stelle mir vor, wie es sein wird dort mit dir zu leben. Jeden Tag im Garten zu frühstücken. Die Vögel zu beobachten und die prächtigen Palmen zu bestaunen.
Mein Liebling, noch neuneinhalb Monate bis du dich mit mir in unser Paradies nimmst. Ich streiche die Tage auf dem Kalender mit einem roten Filzstift durch. Es deprimiert mich, aber an manchen Tagen motiviert es mich auch. Besonders an Tagen wie heute, an welchen ich so einen Brief von dir erhalten habe. Denn ich weiÃ, mein Liebster, du bist jede Stunde, jede Woche, jedes Monat wert, das ich noch warten muss.
Ich war heute Nachmittag mit Svenja, Maika und Lena spazieren. Danach waren wir noch im Kino. Es war lustig, dennoch, ich merke, wie sehr ich mich verändert habe.
Ich habe ihnen von dir erzählt. Sogar von unserer Verlobung. Ich musste es einfach jemandem erzählen, so glücklich bin ich. Doch sie halten es für Erfindung, Angeberei. Nur weil sie dich noch nicht kennen gelernt haben. Sie wollen einen deiner Briefe lesen, doch ich werde ihnen keinen zeigen. Es ist ihr Problem, wenn sie mir nicht glauben. Unsere Briefe sind etwas Persönliches, Intimes.
Meine Mutter verhält sich sehr komisch in den letzten Tagen. Heute habe ich wieder alleine mit GroÃmutter zu Abend gegessen. Sie sagte, meine Mutter hätte womöglich jemanden kennen gelernt, wolle es uns aber erst mitteilen, wenn es etwas Ernstes ist. Ich hoffe, dass es stimmt. Denn wenn meine Mutter erst wieder glücklich in Sachen Liebe ist, wird sie das mit uns beiden gewiss verstehen.
GroÃmutter weiÃ, dass wir regen Kontakt haben. Sie redet mir aber nicht mehr ins Gewissen. GroÃmutter hält es wahrscheinlich für reine Brieffreundschaft, scheint nicht mehr besorgt zu sein. Sie ist nach wie vor meine engste Vertraute, nach dir natürlich. Manchmal würde ich es ihr gerne erzählen. Aber ich weiÃ, es ist besser, noch ein wenig zu warten.
Ich muss aufhören, Geliebter. Doch mein nächster Brief folgt morgen.
In ewiger Liebe
Sarah
Mein Liebling,
Der Frühling hat begonnen. Die Pflanzen sprieÃen, die Vögel summen. Unser Park leuchtet im satten grün. Du solltest hier sein, bei mir. Mit mir vor unserem Brunnen sitzen.
Ich hoffe, es geht dir gut. Dein Vater nimmt dich zurzeit sehr stark in Anspruch.
Meine Mutter war die letzte Woche wieder zweimal aus. Ich hatte gesehen, wie sie sich zu Recht machte. Doch ich stelle keine Fragen. GroÃmutter meint, Mutter würde darüber sprechen, wenn sie soweit ist. Im Grunde genommen, ist es mir auch nicht mehr so wichtig. Das Verhältnis von meiner Mutter und mir ist abgekühlt. Früher konnten wir über alles sprechen, doch sie scheint es nicht zu akzeptieren, dass ich erwachsen geworden bin.
Du fehlst mir so sehr, mein Liebster, ich freue mich über jeden Tag, der vergeht, unser Wiedersehen näher rücken lässt.
In ewiger Liebe,
Sarah
Liebster Eduardo,
Es ist schade, dass du dieses Wochenende doch nicht kommen konntest. Heute vor einem Jahr lernten wir uns kennen. In Finnland, weiÃt du noch? Es war einer der schönsten Tage meines Lebens.
Das Schicksal scheint uns erneut auf die Probe zu stellen, denn meine Mutter, hat einen deiner Briefe beim Spionieren in meinem Zimmer gefunden und weià nun, dass wir noch in Kontakt stehen.
Meine GroÃmutter und Mutter streiten schon wieder laut, weil sie ihr nichts davon gesagt hat. Nun ist auch GroÃmama wütend auf mich, weil ich verheimlicht habe, dass wir noch zusammen sind.
Ich habe Maika einen deiner Briefe gezeigt, den kurzen mit der Absage, in welchem nicht zu viel Persönliches steht. Sie glaubt mir nun und hat versprochen zu schweigen. Wir können ihr vertrauen. Schicke deine Briefe bitte in nächster Zeit an ihre Adresse, ich werde diese im Umschlag beilegen.
Das Verhältnis von Maika und mir hat sich verbessert. Wir unternehmen oft nur noch zu zweit etwas. Svenja und Lena haben nun beide einen Freund, zwei ebenfalls befreundete Jungs, welche zwei Klassen über uns sind. Sie wollen meist ohnehin nur noch unter sich sein.
Manchmal glaube ich, dass Maika die Einzige ist, die ich wirklich vermissen werde. Doch ich habe versprochen, den Kontakt mit ihr niemals zu lösen.
Maika ist ein Goldstück, aber überbesorgt. Sie heiÃt es nicht gut, dass wir uns so schnell verlobten, wird mir aber trotzdem helfen. Sie ist eine wahre Freundin. Im Gegensatz zu Lena, welche mich mit einem anderen Freund ihres Freundes verkuppeln wollte.
Ich liebe dich, mein Schatz, mehr als alles andere. Sorge dich nicht wegen meiner Familie. Das bekommen wir schon hin. Unsere Liebe ist stärker als alles andere. Ich werde dich an meinem sechzehnten Geburtstag heiraten, niemand wird dies verhindern können.
In ewiger Liebe
Sarah
Mein geliebter Eduardo,
Der schwarze Himmel hat sich über mein Leben ausgebreitet und droht nun mich zu verschlingen.
Sie hat mich verraten. Meine eigene Mutter.
Maika und ich waren heute im Freibad. Als ich nachhause kam, saà mein Vater neben meiner Mutter im Garten. Vor ihnen stand eine Flasche Wein. Mutter hatte mich wohl noch nicht zurück erwartet.
Ich war sprachlos, ihr schien es ebenso zu gehen. Und mein Vater hatte natürlich nichts Geistreicheres zu sagen, als „Willst du deinen Vater nicht begrüÃen?“
Ich rannte in mein Zimmer, meine Mutter folgte mir. Sie wollte es mir erklären, wir begannen zu streiten.
Ich verstehe es einfach nicht, wie sie so etwas tun konnte, nach all dem, was er uns angetan hatte!
Der nächste Punkt, der mich wütend macht, ist, dass sie mir den Kontakt zu dir verbieten will, sie sich aber mit einem Mann einlässt, der sie, und uns alle, nur in Unglück stürzen kann. Mein Vater hat noch nie etwas Sinnvolles getan.
Meine GroÃmutter ist ebenfalls verärgert deshalb, sie machte meiner Mutter Vorwürfe. Allerdings hat sich ihr Streit schnell gelegt und sie scheint nun gleichgültig.
Ich habe Angst, mein Geliebter. Sollte mein Vater wieder einziehen, bezweifle ich, dass meine GroÃmama bleiben wird. Sie hasst ihn noch mehr als ich.
Ich fühle mich so alleine, würde am liebsten in das nächste Flugzeug steigen und zu dir fliegen. Zu unserem wunderschönen Haus mit dem prächtigen Palmengarten, den bunten Vögeln. Ich will, dass du mich in deine Arme nimmst und nie wieder los lässt.
Du fehlst mir von Tag zu Tag mehr, ich scheine jeden Tag ein Stückchen mehr zu sterben. Lass mich nicht mehr lange alleine, versprochen? Deine Liebe ist alles, was mir im Moment Kraft zu geben scheint.
Deine Sarah
Mein Liebster,
Ich danke dir für deine aufbauenden Worte. Du ahnst gar nicht, wie sehr du mir damit hilfst.
Ich habe deinen letzten Brief verschlungen. Es gefällt mir, was du über deine Stadt erzählst. Bald wird sie ja auch meine sein. Nur noch dreieinhalb Monate.
Mein Herz verzehrt sich nach dir. Ich liebe dich und danke jeden Tag für dieses frühe Schicksal.
Vater war erneut bei uns zum Essen eingeladen. Er bemüht sich sehr um GroÃmama und mich, es ist geradezu lächerlich. Wir stritten erneut, doch das gehört schon zum üblichen Samstagabendprogramm.
Meiner Mutter und mir gelingt es nicht mehr auf einen grünen Zweig zu gelangen, es ist zu viel passiert. Doch ich möchte dich nicht belasten. Du hast genügend eigene Sorgen. Und ich stimme dir zu, mein Liebling, wir schaffen das.
Ich kann den ersten Schnee kaum mehr erwarten, denn dann bist du bald bei mir.
Ich liebe dich.
Deine Sarah