11.06.2007, 11:46
So... also der neue Teil ist jetzt da... ich hoffe er gefällt euch...
Ich bedanke mich wie immer sehr herzlich bei meiner lieben liebsten betaleserin Selene... dafür dass sie sich so schnell Zeit genommen hat. Ich weiss sie hat eine Menge zu tun, und ich habe regelmässig ein schlechtes Gewissen, wenn ich ihr einen neuen Teil aufs Auge drücke. Deshalb warte ich diesmal noch ein bisschen, der nächste ist nämlich noch lange nicht fertig...
Also... viel Spass beim lesen!
Kapitel 31. Kampflustig
Die Wolken am Himmel werden immer dichter. Dicke Wassertropfen trommeln gegen die Fensterscheibe und laufen an dieser herunter. Die Menschen auf der StraÃe laufen, rennen, mache von ihnen rutschen sogar aus, fallen hin. Doch alle rappeln sich wieder auf und laufen weiter. Sehen sich nur beschämt um, um sicher zu gehen, dass niemand sie beobachtet hat. Und sie alle bemerken mich nicht.
Ich fühle mich alleine gelassen. Alleine gelassen von jener Menschheit, die so beschämt ihre Fehler nicht zugeben kann. Aufsteht und einfach weiter rennt, aus Angst ausgelacht und verpönt zu werden. Ich schlieÃe die Augen und trete näher an die beschlagene Scheibe. Meine Gedanken kreisen, doch ich kann nicht sagen um was. Mir ist alles nur noch fremd, alles ist nur noch kalt, einfach ungenieÃbar. Als er endlich beginnt zu sprechen, zucke ich zusammen.
Du hast die Wahl, Rory... seine Stimme ist tief, ruhig. Doch ich weiÃ, das ist nur nach auÃen. Nach innen schreit er vor Hilflosigkeit. Entweder es geht alles genauso lahm voran wie bisher... er macht eine Pause und ich senke den Kopf. Oder ich lasse ein paar Beziehungen spielen und wir sind in maximal einem Jahr vor Gericht. Vor Gericht. Die Anhörung wird höchstens ein paar Monate brauchen.
Ich schlucke. Ich weiÃ, was kommt, wenn ich nicht antworte. Ich will mir nicht schon wieder sagen lassen müssen wie groÃe Angst ich habe. Das kann ich mir selbst ausrechnen. Er will schon ansetzen, doch bevor er es schafft, unterbreche ich ihn.
Tu es, sage ich und meine Stimme klingt kalt. Ich sehe ihn nicht an, blicke nur aus dem Fenster. Regungslos. Kalt. Berechnend. Ich mache mir selbst Angst.
Aus den Augenwinkeln sehe ich ihn nicken. Er denkt wohl, mich viel zu schnell umgestimmt zu haben, denn er setzt erneut an. Bist du sicher? Fragt er leise.
Ich sehe mich zu Jess um. Er liegt in seinem Bett und schläft noch immer, seit fast neun Stunden.
Otello... sage ich und sehe ihn erneut an. Ich... kann dir versichern, ich hatte noch nie so viel Angst, wie die letzten Monate. Ich dachte es ist vorbei, aber ich sollte mich irren. Ich will, dass das hier vorbei ist, denn ich bin dabei die Freunde, die ich habe, die ich an einer Hand abzählen kann, Stück für Stück zu verlieren. Und es ist meine Schuld, wenn ich eines Tages alleine da stehe. Bei Afrika war ich nicht sicher, dass er dahinter steckt. Als er Michael mitgenommen hatte, dachte ich, wir bleiben fair, einer gegen einen. Das mit Sam... Gott weiÃ, was ich dachte. Aber das hier... ich strecke meinen Arm nach hinten aus und sehe ihn gequält an. Ich denke nicht an das, was war. Nicht an das, was er getan hat. Sondern viel mehr an das, was uns noch bevorsteht, wenn ich nichts unternehme. Ich sehe zu Boden und atme schwer ein. Ich sitze schon viel zu lange auf der Reservebank. Dabei geht es einzig und allein nur um mich. Alle anderen sind lediglich mit der falschen Person befreundet...
Otello sieht mich liebevoll an. Lange steht er still da, dann greift er nach meiner Hand und zieht mich in seine Arme. Er drückt mich sehr fest an sich, und ich spüre wie seine Knie zittern. Ich lege meine Arme um ihn und drücke ihn ebenfalls lange. Ich atme tief ein, seinen wohltuenden Geruch; eine Mischung aus Aftershave, Minzkaugummi und schwarzem Kaffee.
Wir schaffen das, sagt er und seine Stimme klingt fest. Standhaft.
Ich nicke und löse mich von ihm. Ja. Wir schaffen das. Er will Krieg? Dann soll er Krieg haben... entschlossen sehe ich erneut aus dem Fenster.
Er streicht mir mit seiner weichen Hand über die Wange und ich sehe ihn erneut an. Er versucht etwas zu sagen, doch er bekommt kein Wort heraus. Als ich ihn fragend ansehe, sagt er endlich, was er sagen will.
Du bist so tapfer. Ich an deiner Stelle, wäre längst zusammen gebrochen. Ich muss lächeln.
Und du bist ziemlich mutig, gebe ich zu. Ich an deiner Stelle, wäre längst auf und davon... es ist eine sehr ungewöhnliche Art und Weise ihm zu danken, doch er versteht es. Besser als jeder andere.
Er schmunzelt. Für dich, immer wieder gerne, sagt er. Du wirst sehen. Bald ist es vorbei. Sehr bald... er drückt noch einmal meine Hand und ich sehe ihm nach, wie er langsam zur Tür geht. Kurze Zeit später ist er verschwunden.
Ich bin nicht lange alleine. Ich sitze an Jess’ Bett und starre aus dem Fenster. Die Schwestern kommen und gehen und sehen nach ihm, und die Zeit vergeht so elend langsam, dass ich daran zweifle, dass sie überhaupt vergeht. Als ich schon kurz davor bin mich irgendwo auf den Boden zu legen, klopft es an der Tür und ohne eine Antwort abzuwarten, geht sie auf.
Ich starre mit offenem Mund auf den soeben gekommenen Besucher, ich kann es einfach nicht fassen.
Hey Rory, sagt er und wirkt ein bisschen nervös. Deine Mutter hat mich angerufen und mir erzählt was passiert ist. Ich dachte... vielleicht sollte ich mal vorbei kommen und sehen, wie es euch geht.
Er kommt näher und stellt eine kleine Tasche auf den Stuhl. Ich weiÃ, ich hätte vorher anrufen sollen... aber ich habe deine neue Handynummer nicht... sagt er und ich fasse mich wieder.
Das... das macht doch nichts, Grandpa. Ich streiche mir nervös einzelne Haarsträhnen aus dem Gesicht und bete im Stillen, dass sie wieder zurück fallen, nur um etwas zu tun zu haben. Ich schlucke nervös.
Ich starre ihn an. Er ist schmal geworden. Schmal und alt. Aber das ist mir bei unserer letzten Begegnung schon aufgefallen. Ich stehe da und habe nichts Besseres zu tun als auf meine Schuhe zu starren.
Rory... ich... ich sehe auf, erleichtert darüber, dass er das Wort ergreift. Ich würde gerne helfen... Sag mir, was du brauchst und schon bin ich unterwegs.
Wir stehen keinen halben Meter voneinander entfernt, und plötzlich liege ich in seinen Armen. Es ist so schön, ich fühle mich so geborgen, und es scheint alles wie früher. Jedoch nur für einen Augenblick. Bis ich mich von ihm löse und erneut zum Fenster gehe. Ich sehe hinunter auf die StraÃe und er kommt näher, stellt sich neben mich. Auf Jess, der schlafend in seinem Bett liegt, achtet keiner von uns.
Danke, Grandpa, ich schmunzle ein bisschen. Aber im Moment bin ich nur so sauer auf Logan, dass ich einzig und allein eine Atombombe möchte, die nur ihn zerstört. Ich bin... sauer... enttäuscht... von mir selbst. Ich war so naiv und so dumm... dumm genug um zu glauben, dass alles schnell vorbei sein würde, wenn ich es nur über mich ergehen lassen würde. Ich... ich schüttele den Kopf und kann nicht anders als kalt aufzulachen, nur um den Schmerz zu verbergen.
Er weià nicht, was er sagen soll, denn er schweigt einige Zeit. Dann öffnet er die Tasche, die er auf den Stuhl stellte und ich drehe mich zu ihm um.
Ich... hab dir etwas mitgebracht... sagt er und hält mir drei Bücher entgegen. Auf die Gefahr hin, dass sie schon in deinem Bücherregal stehen... ich dachte hier kannst du etwas zu lesen brauchen...
Meine Wimpern flattern ungewöhnlich. Ich bin gerührt, den Tränen nahe. Danke, sage ich schlieÃlich, und begutachte die Bücher in meiner Hand. Die Schatzinsel, Huck Finn und...
Du hast einen Hemingway mitgebracht? Frage ich zögernd und starre auf das letzte Buch.
Ja... antwortet er. Ich weiÃ, du magst ihn nicht besonders, aber...
Ich unterbreche ihn, bevor er zu Ende gesprochen hat. Ist schon gut... ich... er mag ihn gerne, mir entweicht ein leises Lächeln, als ich zu Jess sehe.
Und wie als wäre es sein Stichwort, beginnt er sich zu bewegen. Er stöhnt leise, als er den Kopf dreht und mühsam schluckt. Ich komme ein bisschen näher und nehme seine Hand. Langsam öffnet er die Augen und sieht mich müde an.
Hi... sagt er tonlos.
Hey... sage ich und streiche ihm mit der flachen Hand über die Stirn.
Er schlieÃt kurz die Augen und als er sie öffnet, sieht er Grandpa, der wortlos neben ihm steht.
Mr. Gilmore, haucht er leise und ringt sich ein schlaffes Lächeln ab, das sofort wieder verblasst. Ich berühre erneut seine Stirn und stelle erleichtert fest, dass das Fieber gesunken ist.
Guten Morgen, mein Junge, sagt Grandpa und klingt sehr besorgt. Verwundert sehe ich ihn an. Er steht da und ich erkenne sofort, er fühlt sich sehr unwohl. Er weià nicht, was er sagen soll, und es ist ein ungewöhnliches Bild, ein ganz anderer Richard Gilmore. Ich sehe ihn lange an, doch er merkt es nicht. Er sieht nur zu Jess, der da liegt und gedankenverloren an die Decke starrt.
Wo ist Claire? Fragt er plötzlich. Seine Stimme ist ungewöhnlich fest. Erstaunt sehe ich ihn an. Er starrt noch immer an die Decke, dann bewegt er den Kopf und sieht mich an.
Sie... ist bei Luke. Er hat das Diner heute nicht geöffnet... fahre ich fort und sehe ihn besorgt an. Hast du Schmerzen?
Er schluckt trocken und sieht mich mit zusammen gekniffenen Augen an. Es geht so... dann sieht er zum Fenster. Es ist dunkel, bemerkt er.
Ich nicke. Ja... du hast den ganzen Tag geschlafen, sage ich leise.
Du... warst die ganze Zeit hier... murmelt er, und es klingt verwundert.
Natürlich... sage ich, als gäbe es nichts Normaleres auf der Welt. Brauchst du etwas?
Er räuspert sich lange, und sehr leise. Ein Schluck Wasser wäre jetzt wundervoll, sagt er müde.
Ich lächle. Wenigstens redet er wieder halbwegs normal. Er stockt kaum noch, seine Atmung ist ruhiger. Ich nicke und fülle ein Plastikbecher mit Wasser aus einer kleinen Flasche.
Grandpa steht die ganze Zeit nur stumm da, ohne ein Wort zu sagen. Jess trinkt einen Schluck Wasser und als ich ihm Grandpas Hemingway zeige, schafft er es sogar zu grinsen. Dein GroÃvater weiÃ, was gut ist, flüstert er.
Ich lege das Buch weg und streiche ihm erneut über die Stirn. Er atmet tief ein und plötzlich verzerrt er sein Gesicht. Nur ein wenig, Grandpa hat es nicht mal bemerkt. Ich schon.
Hast du Schmerzen? Frage ich zum wiederholten Mal. Diesmal ziemlich unnötigerweise.
Er schüttelt mit dem Kopf. Nein, sagt er leise.
Ich sehe ihn nachdenklich an. Du warst schon immer ein verdammt schlechter Lügner, sage ich dann.
Er sieht mich standhaft an, und ich weià in diesem Augenblick nicht, was er denkt. Bis er es sagt. Ich will nicht, dass du dir Sorgen machst...
Ich muss lächeln. Zu spät, sage ich und versuche es zu halten.
Er weià nicht, was er sagen soll. Ich ebenso wenig. Und Grandpa ist sowieso sprachlos. So stehen wir da, einer links, der andere rechts von Jess’ Bett, und schweigen.
Wie um die Situation zu erleichtern, klingelt mein Handy. Ich sehe die beiden entschuldigend an und entferne mich einige Schritte. Erst dann ziehe ich es aus der Tasche und klappe es auf. Es ist Mum.
Hi, Mum, sage ich leise.
Hey, Schatz... Wie geht es dir? Fragt sie, und ihre Stimme klingt aufheiternd. Ich lächle. Sie will mich aufmuntern.
Besser, danke, sage ich und sehe zu Jess herüber. Zu meinem Erstaunen hat Grandpa sich auf den Stuhl gesetzt und unterhält sich mit ihm. Wie geht es euch? Hat Claire etwas angestellt? Frage ich, nur weil ich nicht weiÃ, was ich sonst fragen soll.
Doch ich sehe förmlich wie sie lächelnd den Kopf schüttelt. Nein, sie ist ein Schatz. Sie hat Michel die Zunge rausgestreckt als er sagte, sie sei ein „Teuflisches kleines Biest“, sagt sie und ahmt dabei Michels Akzent nach.
Ich lache laut und hell auf. Grandpa und Jess sehen verwundert zu mir rüber. Das ist meine Tochter, sage ich ohne auf die beiden zu achten.
Wie geht es Jess? Fragt sie leise.
Etwas besser, denke ich. Er unterhält sich mit Grandpa über Hemingway...
Ach ja? Fragt sie. Dann räuspert sie sich und redet dann weiter. Warum ist dein GroÃvater da? Fragt sie dann.
Ich muss erneut lachen. Tu doch nicht so! Du hast ihn doch angerufen... ich sehe aus dem Fenster. Es ist dunkel, und trotzdem sehe ich den Vogel im Baum gegenüber liegen. In einem Nest thront er wie ein König und versucht seine Jungen vor dem Regen zu schützen.
Mum druckst ein bisschen herum, räuspert sich und stottert lange herum. Bis ich dem ein Ende bereite. Mum? Mache ich, doch sie stottert weiter vor sich hin. Mum! Sage ich lauter. So laut, dass Grandpa, der Jess gerade etwas erklärte, augenblicklich still ist und zu mir rüber blickt. Auch Jess hat seinen Kopf zu mir gedreht und sieht mich verwundert an. Ich sehe sie entschuldigend an und drehe mich weg vom Fenster.
Was denn? Fragt Mum kleinlaut.
Danke, sage ich und starre zu Boden.
Ist schon okay, Schatz, sagt sie und ich muss lächeln. Glaubst du, es wird zu viel, wenn Luke und ich nachher vorbei kommen? Claire würde euch so gerne besuchen kommen...
Ich sehe zu Jess hinüber. Grandpa redet auf ihn ein, und er hört ihm zu. Ich spüre wie entspannt er ist. Und ohne zu wissen warum, beschleicht mich ein Gefühl von Hoffnung. Es geht ihm gut, er wird es überstehen. Und ich mit ihm. Ich sehe die beiden so lange an, dass Mum am anderen Ende ungeduldig wird.
Rory? Fragt sie auf einmal. Bist du noch dran?
Ich zucke zusammen. Was? Ja, ich bin noch dran... sage ich leise und sehe weiterhin aus dem Fenster. Es hat aufgehört zu regnen. Die Wolken, die für diesen Tag genug Wasser gelassen haben, stehen noch immer bedrohlich am Himmel. Dennoch wird es durch das gelbliche Licht der Laternen ein bisschen ins Lächerliche gezogen.
...
Ich bedanke mich wie immer sehr herzlich bei meiner lieben liebsten betaleserin Selene... dafür dass sie sich so schnell Zeit genommen hat. Ich weiss sie hat eine Menge zu tun, und ich habe regelmässig ein schlechtes Gewissen, wenn ich ihr einen neuen Teil aufs Auge drücke. Deshalb warte ich diesmal noch ein bisschen, der nächste ist nämlich noch lange nicht fertig...
Also... viel Spass beim lesen!
Kapitel 31. Kampflustig
Die Wolken am Himmel werden immer dichter. Dicke Wassertropfen trommeln gegen die Fensterscheibe und laufen an dieser herunter. Die Menschen auf der StraÃe laufen, rennen, mache von ihnen rutschen sogar aus, fallen hin. Doch alle rappeln sich wieder auf und laufen weiter. Sehen sich nur beschämt um, um sicher zu gehen, dass niemand sie beobachtet hat. Und sie alle bemerken mich nicht.
Ich fühle mich alleine gelassen. Alleine gelassen von jener Menschheit, die so beschämt ihre Fehler nicht zugeben kann. Aufsteht und einfach weiter rennt, aus Angst ausgelacht und verpönt zu werden. Ich schlieÃe die Augen und trete näher an die beschlagene Scheibe. Meine Gedanken kreisen, doch ich kann nicht sagen um was. Mir ist alles nur noch fremd, alles ist nur noch kalt, einfach ungenieÃbar. Als er endlich beginnt zu sprechen, zucke ich zusammen.
Du hast die Wahl, Rory... seine Stimme ist tief, ruhig. Doch ich weiÃ, das ist nur nach auÃen. Nach innen schreit er vor Hilflosigkeit. Entweder es geht alles genauso lahm voran wie bisher... er macht eine Pause und ich senke den Kopf. Oder ich lasse ein paar Beziehungen spielen und wir sind in maximal einem Jahr vor Gericht. Vor Gericht. Die Anhörung wird höchstens ein paar Monate brauchen.
Ich schlucke. Ich weiÃ, was kommt, wenn ich nicht antworte. Ich will mir nicht schon wieder sagen lassen müssen wie groÃe Angst ich habe. Das kann ich mir selbst ausrechnen. Er will schon ansetzen, doch bevor er es schafft, unterbreche ich ihn.
Tu es, sage ich und meine Stimme klingt kalt. Ich sehe ihn nicht an, blicke nur aus dem Fenster. Regungslos. Kalt. Berechnend. Ich mache mir selbst Angst.
Aus den Augenwinkeln sehe ich ihn nicken. Er denkt wohl, mich viel zu schnell umgestimmt zu haben, denn er setzt erneut an. Bist du sicher? Fragt er leise.
Ich sehe mich zu Jess um. Er liegt in seinem Bett und schläft noch immer, seit fast neun Stunden.
Otello... sage ich und sehe ihn erneut an. Ich... kann dir versichern, ich hatte noch nie so viel Angst, wie die letzten Monate. Ich dachte es ist vorbei, aber ich sollte mich irren. Ich will, dass das hier vorbei ist, denn ich bin dabei die Freunde, die ich habe, die ich an einer Hand abzählen kann, Stück für Stück zu verlieren. Und es ist meine Schuld, wenn ich eines Tages alleine da stehe. Bei Afrika war ich nicht sicher, dass er dahinter steckt. Als er Michael mitgenommen hatte, dachte ich, wir bleiben fair, einer gegen einen. Das mit Sam... Gott weiÃ, was ich dachte. Aber das hier... ich strecke meinen Arm nach hinten aus und sehe ihn gequält an. Ich denke nicht an das, was war. Nicht an das, was er getan hat. Sondern viel mehr an das, was uns noch bevorsteht, wenn ich nichts unternehme. Ich sehe zu Boden und atme schwer ein. Ich sitze schon viel zu lange auf der Reservebank. Dabei geht es einzig und allein nur um mich. Alle anderen sind lediglich mit der falschen Person befreundet...
Otello sieht mich liebevoll an. Lange steht er still da, dann greift er nach meiner Hand und zieht mich in seine Arme. Er drückt mich sehr fest an sich, und ich spüre wie seine Knie zittern. Ich lege meine Arme um ihn und drücke ihn ebenfalls lange. Ich atme tief ein, seinen wohltuenden Geruch; eine Mischung aus Aftershave, Minzkaugummi und schwarzem Kaffee.
Wir schaffen das, sagt er und seine Stimme klingt fest. Standhaft.
Ich nicke und löse mich von ihm. Ja. Wir schaffen das. Er will Krieg? Dann soll er Krieg haben... entschlossen sehe ich erneut aus dem Fenster.
Er streicht mir mit seiner weichen Hand über die Wange und ich sehe ihn erneut an. Er versucht etwas zu sagen, doch er bekommt kein Wort heraus. Als ich ihn fragend ansehe, sagt er endlich, was er sagen will.
Du bist so tapfer. Ich an deiner Stelle, wäre längst zusammen gebrochen. Ich muss lächeln.
Und du bist ziemlich mutig, gebe ich zu. Ich an deiner Stelle, wäre längst auf und davon... es ist eine sehr ungewöhnliche Art und Weise ihm zu danken, doch er versteht es. Besser als jeder andere.
Er schmunzelt. Für dich, immer wieder gerne, sagt er. Du wirst sehen. Bald ist es vorbei. Sehr bald... er drückt noch einmal meine Hand und ich sehe ihm nach, wie er langsam zur Tür geht. Kurze Zeit später ist er verschwunden.
Ich bin nicht lange alleine. Ich sitze an Jess’ Bett und starre aus dem Fenster. Die Schwestern kommen und gehen und sehen nach ihm, und die Zeit vergeht so elend langsam, dass ich daran zweifle, dass sie überhaupt vergeht. Als ich schon kurz davor bin mich irgendwo auf den Boden zu legen, klopft es an der Tür und ohne eine Antwort abzuwarten, geht sie auf.
Ich starre mit offenem Mund auf den soeben gekommenen Besucher, ich kann es einfach nicht fassen.
Hey Rory, sagt er und wirkt ein bisschen nervös. Deine Mutter hat mich angerufen und mir erzählt was passiert ist. Ich dachte... vielleicht sollte ich mal vorbei kommen und sehen, wie es euch geht.
Er kommt näher und stellt eine kleine Tasche auf den Stuhl. Ich weiÃ, ich hätte vorher anrufen sollen... aber ich habe deine neue Handynummer nicht... sagt er und ich fasse mich wieder.
Das... das macht doch nichts, Grandpa. Ich streiche mir nervös einzelne Haarsträhnen aus dem Gesicht und bete im Stillen, dass sie wieder zurück fallen, nur um etwas zu tun zu haben. Ich schlucke nervös.
Ich starre ihn an. Er ist schmal geworden. Schmal und alt. Aber das ist mir bei unserer letzten Begegnung schon aufgefallen. Ich stehe da und habe nichts Besseres zu tun als auf meine Schuhe zu starren.
Rory... ich... ich sehe auf, erleichtert darüber, dass er das Wort ergreift. Ich würde gerne helfen... Sag mir, was du brauchst und schon bin ich unterwegs.
Wir stehen keinen halben Meter voneinander entfernt, und plötzlich liege ich in seinen Armen. Es ist so schön, ich fühle mich so geborgen, und es scheint alles wie früher. Jedoch nur für einen Augenblick. Bis ich mich von ihm löse und erneut zum Fenster gehe. Ich sehe hinunter auf die StraÃe und er kommt näher, stellt sich neben mich. Auf Jess, der schlafend in seinem Bett liegt, achtet keiner von uns.
Danke, Grandpa, ich schmunzle ein bisschen. Aber im Moment bin ich nur so sauer auf Logan, dass ich einzig und allein eine Atombombe möchte, die nur ihn zerstört. Ich bin... sauer... enttäuscht... von mir selbst. Ich war so naiv und so dumm... dumm genug um zu glauben, dass alles schnell vorbei sein würde, wenn ich es nur über mich ergehen lassen würde. Ich... ich schüttele den Kopf und kann nicht anders als kalt aufzulachen, nur um den Schmerz zu verbergen.
Er weià nicht, was er sagen soll, denn er schweigt einige Zeit. Dann öffnet er die Tasche, die er auf den Stuhl stellte und ich drehe mich zu ihm um.
Ich... hab dir etwas mitgebracht... sagt er und hält mir drei Bücher entgegen. Auf die Gefahr hin, dass sie schon in deinem Bücherregal stehen... ich dachte hier kannst du etwas zu lesen brauchen...
Meine Wimpern flattern ungewöhnlich. Ich bin gerührt, den Tränen nahe. Danke, sage ich schlieÃlich, und begutachte die Bücher in meiner Hand. Die Schatzinsel, Huck Finn und...
Du hast einen Hemingway mitgebracht? Frage ich zögernd und starre auf das letzte Buch.
Ja... antwortet er. Ich weiÃ, du magst ihn nicht besonders, aber...
Ich unterbreche ihn, bevor er zu Ende gesprochen hat. Ist schon gut... ich... er mag ihn gerne, mir entweicht ein leises Lächeln, als ich zu Jess sehe.
Und wie als wäre es sein Stichwort, beginnt er sich zu bewegen. Er stöhnt leise, als er den Kopf dreht und mühsam schluckt. Ich komme ein bisschen näher und nehme seine Hand. Langsam öffnet er die Augen und sieht mich müde an.
Hi... sagt er tonlos.
Hey... sage ich und streiche ihm mit der flachen Hand über die Stirn.
Er schlieÃt kurz die Augen und als er sie öffnet, sieht er Grandpa, der wortlos neben ihm steht.
Mr. Gilmore, haucht er leise und ringt sich ein schlaffes Lächeln ab, das sofort wieder verblasst. Ich berühre erneut seine Stirn und stelle erleichtert fest, dass das Fieber gesunken ist.
Guten Morgen, mein Junge, sagt Grandpa und klingt sehr besorgt. Verwundert sehe ich ihn an. Er steht da und ich erkenne sofort, er fühlt sich sehr unwohl. Er weià nicht, was er sagen soll, und es ist ein ungewöhnliches Bild, ein ganz anderer Richard Gilmore. Ich sehe ihn lange an, doch er merkt es nicht. Er sieht nur zu Jess, der da liegt und gedankenverloren an die Decke starrt.
Wo ist Claire? Fragt er plötzlich. Seine Stimme ist ungewöhnlich fest. Erstaunt sehe ich ihn an. Er starrt noch immer an die Decke, dann bewegt er den Kopf und sieht mich an.
Sie... ist bei Luke. Er hat das Diner heute nicht geöffnet... fahre ich fort und sehe ihn besorgt an. Hast du Schmerzen?
Er schluckt trocken und sieht mich mit zusammen gekniffenen Augen an. Es geht so... dann sieht er zum Fenster. Es ist dunkel, bemerkt er.
Ich nicke. Ja... du hast den ganzen Tag geschlafen, sage ich leise.
Du... warst die ganze Zeit hier... murmelt er, und es klingt verwundert.
Natürlich... sage ich, als gäbe es nichts Normaleres auf der Welt. Brauchst du etwas?
Er räuspert sich lange, und sehr leise. Ein Schluck Wasser wäre jetzt wundervoll, sagt er müde.
Ich lächle. Wenigstens redet er wieder halbwegs normal. Er stockt kaum noch, seine Atmung ist ruhiger. Ich nicke und fülle ein Plastikbecher mit Wasser aus einer kleinen Flasche.
Grandpa steht die ganze Zeit nur stumm da, ohne ein Wort zu sagen. Jess trinkt einen Schluck Wasser und als ich ihm Grandpas Hemingway zeige, schafft er es sogar zu grinsen. Dein GroÃvater weiÃ, was gut ist, flüstert er.
Ich lege das Buch weg und streiche ihm erneut über die Stirn. Er atmet tief ein und plötzlich verzerrt er sein Gesicht. Nur ein wenig, Grandpa hat es nicht mal bemerkt. Ich schon.
Hast du Schmerzen? Frage ich zum wiederholten Mal. Diesmal ziemlich unnötigerweise.
Er schüttelt mit dem Kopf. Nein, sagt er leise.
Ich sehe ihn nachdenklich an. Du warst schon immer ein verdammt schlechter Lügner, sage ich dann.
Er sieht mich standhaft an, und ich weià in diesem Augenblick nicht, was er denkt. Bis er es sagt. Ich will nicht, dass du dir Sorgen machst...
Ich muss lächeln. Zu spät, sage ich und versuche es zu halten.
Er weià nicht, was er sagen soll. Ich ebenso wenig. Und Grandpa ist sowieso sprachlos. So stehen wir da, einer links, der andere rechts von Jess’ Bett, und schweigen.
Wie um die Situation zu erleichtern, klingelt mein Handy. Ich sehe die beiden entschuldigend an und entferne mich einige Schritte. Erst dann ziehe ich es aus der Tasche und klappe es auf. Es ist Mum.
Hi, Mum, sage ich leise.
Hey, Schatz... Wie geht es dir? Fragt sie, und ihre Stimme klingt aufheiternd. Ich lächle. Sie will mich aufmuntern.
Besser, danke, sage ich und sehe zu Jess herüber. Zu meinem Erstaunen hat Grandpa sich auf den Stuhl gesetzt und unterhält sich mit ihm. Wie geht es euch? Hat Claire etwas angestellt? Frage ich, nur weil ich nicht weiÃ, was ich sonst fragen soll.
Doch ich sehe förmlich wie sie lächelnd den Kopf schüttelt. Nein, sie ist ein Schatz. Sie hat Michel die Zunge rausgestreckt als er sagte, sie sei ein „Teuflisches kleines Biest“, sagt sie und ahmt dabei Michels Akzent nach.
Ich lache laut und hell auf. Grandpa und Jess sehen verwundert zu mir rüber. Das ist meine Tochter, sage ich ohne auf die beiden zu achten.
Wie geht es Jess? Fragt sie leise.
Etwas besser, denke ich. Er unterhält sich mit Grandpa über Hemingway...
Ach ja? Fragt sie. Dann räuspert sie sich und redet dann weiter. Warum ist dein GroÃvater da? Fragt sie dann.
Ich muss erneut lachen. Tu doch nicht so! Du hast ihn doch angerufen... ich sehe aus dem Fenster. Es ist dunkel, und trotzdem sehe ich den Vogel im Baum gegenüber liegen. In einem Nest thront er wie ein König und versucht seine Jungen vor dem Regen zu schützen.
Mum druckst ein bisschen herum, räuspert sich und stottert lange herum. Bis ich dem ein Ende bereite. Mum? Mache ich, doch sie stottert weiter vor sich hin. Mum! Sage ich lauter. So laut, dass Grandpa, der Jess gerade etwas erklärte, augenblicklich still ist und zu mir rüber blickt. Auch Jess hat seinen Kopf zu mir gedreht und sieht mich verwundert an. Ich sehe sie entschuldigend an und drehe mich weg vom Fenster.
Was denn? Fragt Mum kleinlaut.
Danke, sage ich und starre zu Boden.
Ist schon okay, Schatz, sagt sie und ich muss lächeln. Glaubst du, es wird zu viel, wenn Luke und ich nachher vorbei kommen? Claire würde euch so gerne besuchen kommen...
Ich sehe zu Jess hinüber. Grandpa redet auf ihn ein, und er hört ihm zu. Ich spüre wie entspannt er ist. Und ohne zu wissen warum, beschleicht mich ein Gefühl von Hoffnung. Es geht ihm gut, er wird es überstehen. Und ich mit ihm. Ich sehe die beiden so lange an, dass Mum am anderen Ende ungeduldig wird.
Rory? Fragt sie auf einmal. Bist du noch dran?
Ich zucke zusammen. Was? Ja, ich bin noch dran... sage ich leise und sehe weiterhin aus dem Fenster. Es hat aufgehört zu regnen. Die Wolken, die für diesen Tag genug Wasser gelassen haben, stehen noch immer bedrohlich am Himmel. Dennoch wird es durch das gelbliche Licht der Laternen ein bisschen ins Lächerliche gezogen.
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