Tod eines Bruders
#30

auf das bitten und flehen von euch habe ich mich dazu durchgerungen den siebten teil zu posten und hoffe, dass er etwas besser ankommt als die vorherergehenden Teile offensichtlich...
also: hier für euch
Teil
7
Als sie wieder aufwachte war es noch dunkel, aber sie konnte förmlich riechen, dass die Sonne draußen bald aufgehen würde. Wieder ein Tag ohne ihn, den sie verbringen musste, ohne vollkommen durchzudrehen
Zumindest das schien sie jetzt überstanden zu haben, denn sie hatte am vorangegangenen Tag begriffen, dass es ihr nichts nützte, wenn sie irgendwelche Löcher ins Eis schlug und dann wartete, bis sie bei ihm war.
Aber er war weit weg von ihr. Viel zu weit, wie sie sich immer wieder sagte, denn sie wollte zu ihm. Nur noch einmal dieses Lachen hören, auch wenn es nur Gekünstelt war, nur noch einmal von ihm verprügelt werden, auch wenn es ein wenig schmerzte. Sie wollte einfach nur wissen, dass er wieder da war.
Sie wischte die Träne weg, die ihr drohte aus dem Augenwinkel zu entweichen und sah sich in dem dunklen Zimmer um, das schwach von einer kleinen Lampe beleuchtet wurde, die anzeigte, dass der Computer in den Standbymodus geschaltet worden war.
Auf ihre Unterlippe beißend hob sie den Kopf noch etwas höher, stützte sich auf ihren Ellebogen ab und bemerkte dabei, dass über sie eine Decke gelegt worden war. Wie war sie hierher gekommen? Der Abend hatte gestern ganz woanders geändert, das wusste sie genau und sie wusste auch wie er geendet hatte.
Das Gefühl war unbeschreiblich gewesen so von ihm geliebt zu werden. Von ihrem besten Freund, mit dem sie sich so etwas niemals hatte vorstellen können, geschweige denn wollen. Sie hatten immer nur Scherze darüber gemacht und manchmal darüber geredet, aber nie hatten sie es ernst gemeint.
Und dann war es einfach passiert und es war einfach wundervoll gewesen. Einige Zeit später war sie in seinen Armen einfach eingeschlafen, als sie merkte, dass es für sie wohl schon zu spät war, um nein zu sagen.
Er schien sie nach unten getragen zu haben, ein Stockwerk tiefer in sein Zimmer. Oder sie war irgendwo anders, aber wo?
Langsam drehte sie ihren Kopf zu ihm und ließ sich wieder ins Bett zurück sinken, um sich dann auf die Seite zu legen und ihn anzustarren, bis es hell wurde und er die Augen aufschlug. Melody wagte es nicht sich zu rühren und ließ ihn erst einmal wach werden, ehe sie etwas sagte oder tat.
Als sein Kopf sich in ihre Richtung zu drehen begann, schlug sie die Augen nieder und versuchte ruhig zu atmen, aber das gelang ihr nicht hier mit ihm in ein und dem selben Bett. Wäre sie angezogen gewesen, wäre das etwas vollkommen anderes gewesen, aber das war sie nicht, wie ihr nicht entgangen war.
Ihr Puls raste und ihr Herz schien einen Ausbruch, aus dem Gefängnis aus Rippen, zu planen, so heftig schlug es, als er ihr eine Strähne ihres roten Haares aus dem Gesicht strich und ihr über die Wange streichelte.
Melody blickte auf und sah ihn halbherzig lächelnd an. Er lächelte zurück und ließ seine warme Hand auf ihrer Wange liegen, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, dass er sie dort hatte.
„Morgen“, flüsterte er ihr zu und sie erwiderte seinen Gruß noch leiser, ihm immer noch fest in die Augen blickend. Keiner der Beiden wagte es den Blick vom Anderen zu lösen und so lagen sie da und sahen sich lange an, ehe irgendwo ein Telefon klingelte und sie ihren Blick von ihm hob um zu sehen, von wo es kam.
Es war sein Handy das klingelte und sie sah ihn fragend an. „Willst du nicht rangehen?“, fragte sie ihn und hob eine Augenbraue, aber er schüttelte nur den Kopf und nutzte ihre halb aufrechte Haltung aus, um sie an sich zu ziehen.
Verdutzt sah sie zu ihm hinunter, ehe sie grinsen musste. Sie wusste nicht, woher sie die Kraft nahm über die Ironie zu grinsen, hier mit ihm in einem Bett zu liegen und doch fand sie es äußert amüsant.
Nun war es Chris, der sie fragend musterte, während das Handy unablässig weiterklingelte und anscheinend auch nich vorhatte aufzuhören. Er seufzte tief, legte ihr einen Arm um die Taille, um sie ja nicht entkommen zu lassen und griff dann den Störenfried auf, um ranzugehen.
„Ja?... Nein, ich kann heute nicht…. Ich muss noch was machen!... Ja, tut mir leid, wir sehen uns Sonntag.“ Er legte auf und warf das Mobiltelefon weit von sich, so das es noch über den Boden schlitterte und an den Schreibtisch abprallte. Dann sah er wieder zu Melody hoch und küsste sie überraschend zärtlich.
Melody wollte gerade fragen, wer das war, aber sie spürte, dass das nicht der richtige Zeitpunkt zum Reden war und so ließ sie sich von ihm leiten. Irgendwo in ihrem Unterbewusstsein schrie etwas auf und brüllte sie an, dass sie das lassen sollte, als sie mit dem gesamten Körper auf ihm lag und erneut mit ihm schlief.
Sie ignorierte die Stimme und genoss das Gefühl nicht allein zu sein, obwohl es schmerzte zu merken, auf welche Art sie versuchte ihre Einsamkeit zu vergessen. Der Punkt der Ekstase erreichte sie früher als ihn und ihre Augen glühten heißhungrig, als sie regelrecht mit ihm aufzugehen schien.
Drei Stunden später ging sie nach Hause. Ihre Eltern hatten ihre Tante eingeladen und ihre Grandma hatte für sie alle gekocht. Wie jedes Jahr gab es Ente und Kaninchen. Und wie jedes Jahr hätte Phil sich darüber aufgeregt, dass es Ente und Kaninchen gab. Aber das konnte er nun nicht mehr, denn er war tief begraben unter einem Haufen gut gedüngter Erde, damit die Blumen, die darauf gepflanzt wurden auch wachsen und gedeihen konnten.
Melody kickte einen Stern vor sich her und zog ihren Schal enger um ihren Hals. Das eisige Wasser hatte keine Spuren hinterlassen, das was danach passiert war allerdings schon. Ihre Gedanken fuhren Achterbahn, als sie zu Hause eintrudelte und ihr Kopf war kurz vorm Platzen, als ihr alle mit aufgesetzter Fröhlichkeit frohe Weihnachten wünschten.
In einer halben Stunde gab es Essen, aber Melodys Magen drehte sich bei dem bloßen Gedanken daran um. Sie würde nichts herunter bekommen. Vielleicht einen halben Kloß und ein halbes Stück Fleisch, aber dann würde sie sich übergeben müssen, denn das war ihr schon rein gedanklich zu viel.
„Ich esse ein wenig später, wenn das okay ist.“, sagte sie zu Kathrin, die sie ansah und dann zur Seite blickte. „Setz dich wenigstens zu uns an den Tisch und nimm nur ein bisschen. Du siehst so verloren aus, als wärst du gerade vorm Ertrinken gerettet worden.“ Wenn sie wüsste, wie Recht sie damit gehabt hatte, hätte sie bestimmt nicht mehr so freundlich gelächelt.
Es zerriss ihr das Herz ihre Mutter so verloren zu sehen ohne ihren Sohn, der sonst immer als erstes am Tisch saß, wenn es etwas zu essen gab. Sie drückte sie an sich und küsste ihre Wange, ehe sie nach oben verschwand und sich umzog.
Auf ihrem Bett lag ihr Kater Tommy, der sie fragend ansah und dann maunzte, als sie auf ihn zuging, sich aufs Bett, neben ihn, legte, und ihn hinter den Ohren kraulte. „Ach Honey du hast ja keine Ahnung.“, sagte sie weinerlich und vergrub ihr Gesicht in seinem Fell, als sie die Tränen wieder aufsteigen spürte.
Ihre Mutter rief unten zum Essen und Melody stand auf. Als sie an ihrem Spiel vorbeikam, blieb sie stehen und sah hinein. War das wirklich noch sie, die sie da anblickte? Oder war das jemand, den sie noch nicht kannte und eigentlich nicht kennen wollte? Sie wusste es nicht und so ging sie leise aufstöhnend nach unten und füllte ihren Teller auf, als sich alle setzten und schweigend zu essen begannen.
Der Platz neben ihr war leer und das machte ihr das Essen im Magen noch schwerer, als es sein sollte. Dass Phil nicht da war, fiel nicht nur ihr auf, sondern auch einem sehr kleinen Gast der Familie, Michael, ihr Cousin erhob plötzlich die Stimme und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Wo is’n der Philli?“, fragte er in die Runde und sie würgte den Rest hinunter und verließ dann fluchtartig das Zimmer, ehe jemand etwas dagegen sagen konnte.
Sie stellte den Teller in der Küche ab und übergab sich dann im Waschbecken. Er war nicht da! Ohne ihn lief hier alles aus dem Ruder! Sie hatte keine Ahnung, was das alles sollte, aber doch fühlte sie, wie die Veränderungen an ihn nagten wie ein Marder am Zündkabel.
Sie spülte das Erbrochene weg und putzte sich dann die Zähne. Dann ging sie nach oben und setzte sich an ihre Laptop, um Roger eine Nachricht zu schreiben, dass er rauskommen sollte. Sie konnte alles verkraften, aber sie konnte sich jetzt kein Haus mit einem Haufen glücklicher Menschen teilen.
Roger hatte Zeit und freute sich, dass sie sich nach drei Wochen endlich wieder bei ihm meldete, so dass er sich eine Viertelstunde später mit ihr traf und an der Feuerwehr, die zu ihrem zweiten Zentrum geworden war, Eine rauchte.
„Wann kommt Laila?“, fragte sie ihn nach einer Weile und er hob seinen Kopf, den er die ganze Zeit gesenkt hielt, um sie nicht ansehen zu müssen. „Übermorgen“, antwortete er kurz und knapp und senkte wieder den Blick.
„Weiß sie…“, fragte sie, aber sie brachte es nicht fertig, dass auszusprechen, was sie noch nicht einmal denken wollte und so nickte er nur. „Okay…“
Er nickte wieder und sie ließ sich auf eine der zwei Bänke fallen, die um einen dicken, knorrigen Baum standen. Roger zog an seiner Kippe und schnippte sie dann von sich, als wäre sie ein lästiges Insekt. Früher hatte er sie immer geworfen, als wären sie Vögel, denen er das Fliegen beibringen wollte.
So vieles hatte sich verändert und sie schien es überhaupt nicht mitbekommen zu haben. Es war einfach so an ihr vorbeigerauscht und hatte sie links liegen lassen.
Laila war Rogers Cousine, die immer mal wieder in den Ferien von Dortmund nach Sachsen, in das kleine Dorf kam, in dem sie lebten. Sie war ziemlich wandelbar und veränderte sich oft, denn zum Einen war sie ein Punk, beim nächsten Treffen schien sie schon wieder mehr auf Gothic zu stehen.
Mit ihr hatte Melody in den letzten Jahren jede Menge Spaß gehabt, aber sie wusste nicht, wie sie das diese Ferien meistern sollte. Da war zum Einen die Sache mit Chris und dann kam Phils plötzlicher Tod hinzu. Melody platzte beinahe der Kopf, als sie daran dachte, was sie im nächsten Jahr alles zu überstehen hatte ohne, dass jemand ihr zur Seite stand.
Vielleicht wird es besser werden ohne ihn, durchfuhr sie ein Gedanke, aber sie hätte sich selbst dafür ohrfeigen können. So etwas auch nur zu denken trieb ihr die Tränen in die Augen. Nichts würde besser ohne ihren Bruder werden. Sie versank ja schon jetzt vollkommen im Chaos.
„Was machen wir zu Silvester?“, fragte sie plötzlich und sah Roger wieder an.
„Na ja, wir hatten ja eigentlich geplant zu feiern… dass ich nen Kasten Bier hole und so…“
„Warum tun wir’s nicht einfach trotzdem? Ich meine so als letzten Abschied, wenn wir alle zusammen sind und vielleicht mal an ihn denken, während wir das neue Jahr feiern… Das wäre doch okay, oder?“, fragte sie leise und schluckte mit aller Kraft den dicken Kloß in ihrem Hals hinunter, der ihre Stimme rau machte.
Roger nickte. „Ja das wäre in Ordnung. Wir müssten es bloß noch Chris und Ron und Laila sagen… vielleicht kommt Rachel ja auch noch…“
An Rachel wollte Melody erst gar nicht denken. Sie würde ihr nicht in die Augen sehen können, bei dem was ihr gestern passiert war, denn Rachel war seit zwei Jahren Chris’ Freundin und es sah nicht so aus, als wollten sie sich trennen.
Und Melody hoffte, dass sie sich nicht trennen würden, denn das würde das ganze noch viel schlimmer machen. Aber Chris hatte sie betrogen. Das stand fest und wenn sie es nicht von ihm erfuhr, dann würde es ein ewiges Geheimnis bleiben, denn sie hatte nicht vor sich in den Dreck ziehen zu lassen.
Nickend schwieg sie sich aus und dachte beinahe eine Stunde darüber nach, was sie alles falsch gemacht hatte, ehe sie nach Hause ging und sich dort in ihr Bett kuschelte um in ihr Tagebuch zu schreiben, was passiert war.
Irgendwann, am hellen Nachmittag, schlief sie über ihrem Tagebuch ein und erwachte erst am nächsten Morgen wieder. Ein Tag wie jeder andere, aber sie wusste, dass es nie wieder so einfach werden würde, wie damals, als sie alle noch vereint waren und niemand mit seinem besten Freund schlief.

Freundschaft flieߟt aus vielen Quellen, am reinsten aus dem Respekt
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