23.02.2008, 15:04
Hallo meine SüÃen :knuddel:
Das neue Kapitel ist endlich fertig, ich hoffe, es gefällt euch.
Ich freu mich über jedes Feedback.
Schönes Wochenende noch!
Bussi Selene
49. Teil
Lillian
Als die ersten Takte von Que le den candela ertönten, zog Lillian Arturo zurück zu dem Tisch, zu welchen sich Elena und Antonio vor wenigen Minuten ebenfalls wieder gesetzt hatten. Carmen und Javier tanzten währenddessen immer noch, was von Antonio grinsend kommentiert wurde: âSie bekommen gar nicht mehr genug von einander.â
Lillian wischte sich den Schweià von der Stirn und nahm einen groÃen Schluck ihrer Soda. Arturo legte einen Arm um ihre Schultern und bemerkte an seinen Freund gewandt: âDas wird sich ändern, so bald sie erst mal wirklich verheiratet sind.â
Lillian betrachtete ihn Stirn runzelnd. âOffenbar weià ich da etwas nicht.â Sie blickte zu Elena, welche nur mit den Schultern zuckte und Carmen hektisch winkte. Diese antwortete lediglich mit einem fröhlichen Lachen, worauf Lillian meinte: âSie versteht deine Zeichen nicht.â
Wenige Minuten später kamen Carmen und Javier schlieÃlich zum Tisch zurück und schenkten den Freunden ein kurzes Lächeln. Ehe sich die junge Frau setzen konnte, hatte Elena jedoch ihren Arm ergriffen. âEntschuldigt uns einen Moment.â, sagte sie zu den Männern und deutete Lillian mitzukommen. Dieser entfuhr ein Grinsen. âWie unauffällig...â
âWas ist denn los?â Carmen folgte den beiden Stirn runzelnd in den Sanitärraum. Kaum hatte Lillian die Tür hinter ihnen geschlossen, ergriff Elena Carmens Hände. âWie konntest du so etwas nur verschweigen?â
Carmen musterte sie einen Augenblick irritiert, ehe sie begriff. Ihre Wangen wurden plötzlich von einer leuchtenden Röte überzogen. Sie wippte unruhig auf und ab. âWoher weiÃt du das? Javier und ich wollten es doch eigentlich erst bei der Feier nächste Woche verkünden...â Sie schüttelte den Kopf. âIch wusste es, Männer tratschen doch mehr als Frauen...â
Elena gestikulierte ungeduldig mit den Händen. âDas tut doch jetzt nichts zur Sache...es stimmt also?â
Carmen schenkte Lillian, welche etwas unbeteiligt wirkend neben ihnen stand, einen kurzen Blick. âJa.â Ein Lächeln überzog ihr hübsches Gesicht. âWir werden heiraten. Im kommenden Winter schon.â
Lillian und Elena umarmten sie kurz. âDas ist schön.â, meinte erstere lächelnd.
âWann hat er dich gefragt?â, erkundigte sich Elena.
Carmen strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. âBei der Hochzeitsfeier meiner Schwester.â
âWow...vor deiner ganzen Familie...das ist so romantisch!â Elena lächelte.
âAuÃer wenn sie abgelehnt hätte...â, gab Lillian zu bedenken, worauf ihr die Freundin einen strengen Blick schenkte.
Carmen zuckte mit den Schultern. âSie hat recht. Das wäre sehr unangenehm gewesen. Allerdings war es ohnehin klar, dass wir früher oder später heiraten würden...â Ihre Stimme wurde sanfter, als sie den überraschten Blick der Freundinnen bemerkte. âMissversteht mich nicht, ich bin glücklich. Ehrlich. Aber es war eben nicht wirklich überraschend. Wir sind schlieÃlich schon ewig zusammen und Javier deutete diese Absicht schon mehrmals bei Papá an, welcher stets erfreut darauf reagierte.â
Elena verharrte einen Augenblick, ehe sie widerwillig den Kopf schüttelte. âUnd dennoch war der Zeitpunkt überraschend.â Wenn Elena sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann wurde es zum unwiderruflichen Faktum. Obwohl ihr Leben von dunklen Schatten gekennzeichnet war, oder gerade deswegen, hatte sie sich eine romantische Seite im Herzen bewahrt. âIch freue mich so für euch.â Sie umarmte Carmen ein weiteres Mal. Die Freundin lieà es einige Sekunden zu, ehe sie sich sanft von ihr löste. âSo...genug für mich gefreut. Zurück zu dem wirklich Wichtigen.â Sie wandte sich an Lillian. âUnsere Kleine ist endlich erwachsen geworden.â
Lillian rollte mit den Augen. âSoviel älter als ich bist du nun auch wieder nicht.â
âWas sollâs?â Carmen zuckte mit den Schultern. âWir sollten irgendetwas Verrücktes machen.â
Lillian blickte unsicher zu Elena, welche in ihrer Tasche wühlte und einen knallroten Lippenstift hervorzog. âWas ist verrückter, als sich hier stundenlang zu unterhalten? Lasst uns wieder tanzen gehen.â
Elena zog ihre Lippen nach und beobachtete die beiden im Spiegel. âHast du eine Idee, Carmencita?â
Carmen runzelte die Stirn. âNichts, was wir uns leisten könnten. Ich habe noch nicht einmal ein Geschenk für dich.â Sie biss sich auf die Unterlippe.
Lillian zuckte mit den Schultern. âDas ist doch nicht wichtig. AuÃerdem hast du mir zwei Getränke bezahlt.â
Carmen wollte gerade etwas erwidern, als die Tür aufging.
âZickenalarm.â, zischte Elena leise, als sie Yolanda und Carla erblickte. Die beiden registrierten die drei nur mit einem kurzen, verächtlichen Blick, ehe sie sich mit einer Puderdose bewaffnet ihren Spiegelbildern zuwandten.
âVersucht ihr zu retten, was geht?â, entfuhr es Elena.
Carla, welche gerade etwas Puder auf die rechte Wange tupfen wollte, hielt einen Moment inne, ehe sie sich umdrehte. âHast du mit mir gesprochen?â
âHat es sonst noch jemand nötig?â
Carla schenkte ihr ein süffisantes Lächeln, ehe sie sich an Carmen wandte. âMan hört, Javier hätte dich endlich gebeten, ihn zu heiraten.â
Carmen runzelte die Stirn. âHört man das?â
âHat das nicht etwas lange gedauert? Seit wann seid ihr nochmals zusammen?â
âWenn du uns etwas Bestimmtes mitteilen möchtest, solltest du das deutlicher sagen.â Lillian schenkte ihr einen kalten Blick.
Carla ignorierte sie und musterte Carmen eingehend. âDu wartest doch schon seit zwei Jahren darauf.â
Eine tiefe Falte bildete sich auf Carmens Stirn, sie öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, es gelang jedoch kein Wort über ihre Lippen.
âDie Frage ist eher...â, begann Yolanda, ohne der Angesprochenen einen Blick zu schenken.
âwarum er so lange gewartet hat...â
Elena funkelte sie wütend an und warf Lillian einen widerwilligen Blick zu, als diese nach ihrem und Carmens Armen griff und die beiden zur Tür zog.
âHey Lillian...â
Die Angesprochene drehte sich seufzend um und bereute diese Reaktion sogleich. âWas?â Sie traf den Tonfall so kalt, wie geplant.
Carla musterte sie eingehend. âMan hört, du hättest deinen Abschluss geschafft. Da du noch immer keinen Job hast, nimmst du wohl an, dass dich irgendein College doch noch mit offenen Armen empfangen wird. Sieh es ein, auch wenn du dich aufgrund deiner Herkunft für etwas Besseres hältst, das bist du nicht.â Sie wechselte einen Blick mit Yolanda. âWie die Mutter, so die Tochter...â
Lillians Fingernägel bohrten sich in ihre Handflächen. Als sie aus dem Augenwinkel bemerkte, dass Elena gerade im Begriff war, etwas zu sagen, fing sie sich wieder und zog die Freundinnen aus dem Sanitärraum.
Bei einem kleinen Stehtisch angekommen, stemmte Elena die Arme in die Hüften und musterte Lillian und Carmen ungläubig. âWarum lasst ihr euch das gefallen? Ihr bestätigt ihren Spott damit!â Sie musterte Lillian Stirn runzelnd. âDu hast gerade den dritten Weltkrieg verhindert, Lilly. Sei bloà nicht stolz darauf.â
Lillian ignorierte den verhassten Spitznamen und schüttelte den Kopf. âSie fühlen sich ohnehin in allem bestätigt, egal, wie man reagiert. Am besten ist es, sie zu ignorieren.â
Elena rollte mit den Augen. âWelch weise Worte...du bist manchmal wirklich zu gut für diese Welt.â
Die Freundin zuckte mit den Schultern. âIch muss Prioritäten setzen und sich über diese unreifen Hühner aufzuregen, wäre Zeit- und Energieverschwendung.â
Elena betrachtete sie nachdenklich. Sie wusste, wie sehr Carlas Worte sie in Wirklichkeit verletzt hatten, beschloss das Thema aber im Moment zu belassen. âDu hast recht. Wir brauchen die Energie für wichtigeres. Wie deine Feier.â Sie lächelte aufmunternd und hängte sich bei Lillian und Carmen ein. Erst in diesem Moment fiel ihr der verunsicherte Gesichtsausdruck der letzteren auf. Sie löste sich von Lillian und fasste Carmen an beiden Händen. âSie sind nur neidisch. Das weiÃt du.â
Carmen seufzte leise. âJa. Aber trotzdem...sie haben recht. Er redet schon so lange darüber, warum hat er mich erst jetzt gefragt?â
âWeil du moderner eingestellt bist als er und er die Sorge hatte, es könnte dir zu schnell gehen? Bitte, mach dir darüber keine Gedanken. Javier liebt dich.â Elena hob Carmens Kinn.
Lillian strich über Carmens Arm. âDas tut er, dafür lege ich beide Hände ins Feuer. Aber du weiÃt, wie manche Männer sind. Sie brauchen etwas länger zu dem groÃen, letzten Schritt.â
Carmens Gesichtmuskeln begannen sich zu entspannen. âIhr habt ja recht. Ich bin manchmal einfach zu ängstlich.â Ihre Stimme klang fester, jedoch noch nicht völlig überzeugt.
Als die drei zurück zum Tisch kamen, waren Arturo, Antonio und Javier so in ein Gespräch vertieft, dass sie die Frauen zuerst gar nicht bemerkten.
Elena stemmte die Arme in die Hüften. âWir mögen zwar nicht so aufregend wie ein V8 Motor sein, aber diese Ignoranz kommt geradezu einer Beleidigung gleich.â
âEin V8 Motor?â Javier lächelte amüsiert. âNicht sehr aufregend.â
Elena rollte mit den Augen. âWen interessiert es?â Sie lieà sich genervt neben Antonio sinken, welcher Lillian einen fragenden Blick zuwarf.
Diese zuckte mit den Schultern. âWir hatten nur eine Begegnung mit Carla und Yolanda.â Sie setzte sich neben Arturo, welcher sie näher an sich zog. Carmen lieà sich ebenfalls neben Javier sinken und schenkte ihm ein leichtes Lächeln.
Antonio betrachtete Elena belustigt. âDu bist verdammt sexy, wenn du so in Rage bist. Was haben euch denn die beiden getan?â
Elena rollte mit den Augen. âSie haben den Mund geöffnet. Sollten sie lieber bleiben lassen, da sowieso nichts Sinnvolles dabei rauskommt.â
Antonio schmunzelte. âDu überrascht mich immer wieder.â Er schob ihr ein Glas zu. âWir haben noch etwas für euch bestellt.â
Elena ergriff das Glas wortlos und hielt es sich vor die Nase, um daran zu riechen. SchlieÃlich machte sie einen kräftigen Schluck.
âStark genug?â
Sie nickte. âPerfekt.â
Lillian lehnte sich währenddessen an Arturos Brust und beobachtete die beiden nachdenklich. Ihr Freund riss sie schlieÃlich aus ihren Gedanken. âIst wirklich alles in Ordnung bei dir?â
Sie wandte sich ihm zu und nickte leicht. Ihr gelang ein Lächeln. âMach dir keine Sorgen.â
Arturo spielte mit einer ihrer Haarsträhnen. âWas haben sie gesagt?â, fragte er so leise, dass nur Lillian es verstehen konnte.
Sie schüttelte seufzend den Kopf. âNur, dass ich mich für etwas Besseres halten würde. Das übliche.â Sie zuckte mit den Schultern und versuchte, möglichst gleichgültig zu wirken. âNur weil ich noch keinen Job habe, bedeutet das für sie, dass ich daran glaube, noch auf einem College angenommen zu werden.â
Arturo runzelte die Stirn. âWolltest du nicht in der Flamenco Bar arbeiten?â
Lillian nickte. âMr. Sanchez hatte mir im Prinzip schon zugesagt, doch kürzlich meinte er, er könnte mich doch nicht einstellen. Wer weiÃ, warum...â
âIch war ohnehin nicht von dieser Idee begeistert...â
âJob ist Job.â
Arturo musterte sie nachdenklich. âDie Bar ist nicht mehr das, was sie einst war. Ich habe keine Lust mit ansehen zu müssen, wie dich alte, betrunkene Kerle lüstern anstarren.â
âNun verdiene ich aber gar kein Geld.â
Er fuhr sich Stirn runzelnd durchs Haar. âDu könntest eine zeitlang bei uns im Laden aushelfen, wenn du möchtest. Besonders viel können wir dir aber nicht bezahlen.â
Lillian lächelte dankbar. âDas wäre toll. Ich werde eine ehrgeizige und flexible Arbeitskraft sein.â
âHast du sonst noch etwas vorzuweisen?â
âWird das jetzt ein Vorstellungsgespräch?â
Arturo zuckte mit den Schultern. âMacht man das nicht so?â
Lillian schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn. âIch habe sehr viel vorzuweisen.â
Er lachte. âOkay, überzeugt. Du kannst übermorgen anfangen. Für die nächsten beiden Wochen können wir jede Kraft brauchen.â
âUnd dein Vater wird nichts dagegen haben?
Arturo schüttelte den Kopf. âIm Gegenteil. Hilfe ist immer willkommen, auch wenn wir sie uns nicht lange leisten können.â
Lillian nickte. âIch werde mich natürlich weiterhin umsehen.â
âVielleicht bekommst du ja doch noch einen erlösenden Anruf.â
Sie runzelte die Stirn. âDas bezweifle ich. Doch allmählich muss ich mich damit abfinden. Es gibt ja auch ein nächstes Jahr.â Sie mühte sich um ein Lächeln.
âHey, lasst uns an eurem Gespräch teilhaben.â Elena blickte neugierig von Lillian zu Arturo. Ihre Freundin hob die Stimme. âArturo bot mir nur an, eine zeitlang bei seiner Familie auszuhelfen.â
Elena nickte. âDas ist gut.â
Javier tauschte einen kurzen Blick mit Carmen, ehe er sich an Lillian wandte. âWenn du möchtest frage ich meine Cousine, ob sie im Cafe jemanden brauchen können. Eine Kellnerin hört in etwa drei Wochen auf.â
Lillian lächelte. âDas wäre toll, danke.â Auch Rosa hatte in jenem Cafe einst als Kellnerin gearbeitet. So würde sie ihrer Mutter näher sein.
âWer hört denn auf?â, erkundigte sich Carmen.
âNicky.â
Ihre Augen weiteten sich überrascht. âWarum das denn?â
âSie heiratet im August.â
âNa und?â
Javier nippte an seinem Glas. âEs genügt doch, wenn ihr Mann Geld verdient.â
âFalsche Antwort.â Elena warf Lillian einen belustigten Blick zu. Diese versuchte ein Schmunzeln zu verbergen.
âNicky und Enrique regeln das eben so, dass sie sich um Kinder und Haushalt kümmert und er arbeitet.â
âUnd was denkst du darüber?â
Arturo und Antonio betrachteten Javier mit erhöhter Aufmerksamkeit, während Elena und Lillian zugleich an ihrem Glas nippten.
âDas ist doch eine faire Regelung.â
Antonio schüttelte den Kopf und warf Arturo einen viel sagenden Blick zu, worauf ihm Elena einen sanften Stoà mit dem Ellenbogen verpasste.
âFair?â Carmens Augen funkelten voller Ãrger und Ungläubigkeit. Die Zweifel von vorhin schienen für den Moment vergessen, es gab erst mal Dringenderes zu klären. âWeiÃt du eigentlich, wie hart es ist, Kinder zu hüten und auch noch den kompletten Haushalt alleine zu führen?â
Arturo nippte an seinem Glas und begann etwas gelangweilt mit Lillians Haar zu spielen. Er war der Einzige, der Carmens und Javiers Diskussionen nicht als heitere Unterhaltung und Kinoersatz betrachtete. Zudem beschäftigte ihn Lillians Gefühlslage zurzeit sehr. Er sorgte sich um seine Freundin und überlegte, ob es für sie nicht wirklich am besten wäre, Spanish Harlem zumindest für eine zeitlang zu verlassen. Doch wo sollte sie hin? Und was wurde dann aus Ana, deren Hauptlebensinhalt ihre Enkeltochter zu sein schien. Und was wurde dann aus ihm? Du bist ein Egoist, schalt er sich gedanklich. Lillian bedeutete ihm mehr als er selbst und er wusste, dass er sie auch gehen lassen würde, sollte das ihr Wunsch sein. Wenn er auch früher mehr seinem draufgängerischen Vater geglichen hatte, war ihm durch seine Freundin bewusst geworden, wie viel doch von seiner Mutter in ihm steckte. Er würde alles für Lillian tun, selbst wenn das bedeutete, selbst zu leiden. Arturo hatte lange gebraucht, um sich diese starken Gefühle für sie einzugestehen. Wie auch Lillian, hatte er Angst davor gehabt. Er betrachtete die dunklen, langen Haare seiner Freundin lächelnd und bewunderte ein weiteres mal ihre scheinbar vollkommene Schönheit, die nicht nur von ihrem anziehenden ÃuÃeren kam, sondern von innen erstrahlte. Arturo wünschte sich einen Moment mit ihr alleine zu sein, um ihr all dies endlich zu sagen. Um sie in seine Arme zu schlieÃen und nicht mehr los zu lassen.
âWeiÃt du eigentlich, wie hart ein Vollzeitjob sein kann?â, meinte Javier Kopf schüttelnd und betrachtete Carmen Stirn runzelnd.
Lillian gab zwar vor interessiert zuzuhören, dennoch schweifte sie immer wieder ab. Heute war ihr Geburtstag, ihr achtzehnter Geburtstag. Wie würde sie diesen Tag verbringen, wären ihre Eltern noch bei ihr? Sie stellte sich vor, wie sie an einem Tisch gesessen und miteinander gelacht hätten. Rosa, Jorge, Lillian und Ana. Der Gedanke an ihre GroÃmutter versetzte ihr einen Stich. Was verheimlichte sie ihr? Hätte sie zuhause bleiben sollen? Bei Ana? War es richtig gewesen fort zu gehen? Sie versuchte die quälenden Gedanken zu ignorieren und konzentrierte sich auf die Hand ihres Freundes, die sich in ihrem vollen Haar zu verfangen schien. Lillian schloss einen Moment die Augen, um sie sogleich wieder zu öffnen und Elena zu betrachten, welche Javier einen strengen Blick zuwarf.
âKinder sind ein Vierundzwanzigstundenjob!â, Carmen erhob ihre Stimme. âDu meine Güte, ihr seid doch auch sieben Geschwister! Hast du wirklich nie bemerkt, wie gestresst deine Mutter ist?â
âSie fühlt sich lediglich erfüllt durch die Erziehung meiner Geschwister. Sie ist sehr glücklich.â
Elena wandte den Blick ab. Sie wusste, dass Javier Carmen absichtlich provozierte. Er liebte sie, auch wenn sich ihre Grundsatzeinstellungen unterschieden. Sie hatten sich während einer dieser Diskussionen zum ersteren Mal geküsst und wahrscheinlich würde dieser Schlagabtausch sie bis ins hohe Alter begleiten. Javier musste zuvor bemerkt haben, dass etwas mit Carmen nicht stimmte. Je mehr sie versuchte ihre Gefühle zu verbergen, umso durchschaubarer war sie in Wirklichkeit doch. Ein kurzes Lächeln umspielte ihre Lippen. Er liebt dich wirklich. Plötzlich wurde sie von einer Wehmut erfüllt. Die Erinnerung an die Vergangenheit trieb ihr Tränen in die Augen. Als sie Antonios Hand auf ihrem Arm spürte, schüttelte sie diese sanft ab und nippte schnell an ihrem Glas, um sich schnell wieder der Diskussion zuzuwenden. Sie schenkte Javier einen möglichst strengen Blick und meinte: âIch liebe meinen Sohn auch über alles. Dennoch ist es alles andere als gesund, seine Kinder zum einzigen Lebensinhalt zu machen.â Sie biss sich auf die Unterlippe und erkannte erleichtert, dass ihr lediglich Lillian Aufmerksamkeit schenkte. Sie schüttelte kaum merklich den Kopf, um zu signalisieren, dass alles in Ordnung war, worauf Lillian den Blick wieder auf Carmen richtete. Elena seufzte leise. Hatte tatsächlich ausgerechnet sie das gesagt? War es sie nicht viel mehr als Javiers Mutter, deren einziger Lebenssinn ihr Sohn darstellte? Was wäre gewesen, gäbe es Emilio nicht? Was hätte sie getan? Sie verwarf diesen Gedanken schnell wieder und begann das Glas in ihren Händen zu drehen.
âWoher willst du das wissen? Hat dich das jemals wirklich interessiert? Eure Mutter schuftet Tag und Nacht für deine Geschwister, haben sie jemals wirkliche Dankbarkeit gezeigt? Hast du es? Jeder Mensch braucht Anerkennung und manchmal auch etwas Zeit für sich selbst. Hat dir dein Vater eingeredet, dass deine Mutter glücklich ist?â Carmen schüttelte fassungslos den Kopf.
Javiers Stirn war von einer tiefen Falte durchzogen. Er wurde allmählich wütend. Wollte sie es nicht verstehen? âIch bin nicht wie er, wenn du mir das sagen möchtest.â
Sie seufzte. âDu weiÃt, dass ich es nicht so meinte. Du bist natürlich anders als er. Aber dennoch verstehe ich deine Einstellung manchmal nicht.â
âDas musst du auch nicht. Du musst auch weder meinen Vater und meine Mutter noch Nicky und Enrique verstehen. Wichtig ist doch nur, dass wir beide ein glückliches gemeinsames Leben beginnen, eine eigene Familie gründen werden.â Javier strich Carmen sanft durchs Haar. Plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck. âWenn du denkst, dass du einem Vollzeitjob während der Kindeserziehung und Hausarbeit gewachsen bist, werde ich dich nicht daran hindern.â
Ihre Augen funkelten provozierend. âIch dich ebenso nicht.â
Javier zog die rechte Augenbraue hoch und betrachtete Carmen eingehend. âDann wäre wohl alles geklärt.â
Sie wich seinem Blick aus und begann in ihrer Tasche zu wühlen. âGibst du mir den Autoschlüssel? Ich habe meine Hustenbonbons im Handschuhfach vergessen, mein Hals kratzt jedoch aufgrund des Rauchs.â Er zog den Schlüssel aus der Hosentasche und hielt ihn so hoch über ihren Kopf, dass sie den Arm strecken musste, um ihn zu erreichen. Carmen erhob sich Augen rollend und warf den Freunden einen kurzen Blick zu, ehe sie sich vom Tisch entfernte. Es dauerte keine Minute, ehe sich Javier ebenfalls erhob. âEs sind zwar nur wenige Meter bis zum Parkplatz, aber es ist nicht ungefährlich um diese Zeit.â Er verschwand ohne den anderen einen letzten Blick zu schenken.
âIm Auto seines Vaters, unglaublich...â Antonio schüttelte belustigt den Kopf.
âEigentlich sind sie beide ziemlich verrückt...â, meinte Elena. âAber lieben wir sie nicht genau dafür? Wie lange schätzt du, werden sie wohl diesmal brauchen?â
âIch hoffe länger als fünfzehn Minuten, sonst werden wir diese spannenden Unterhaltungen wahrscheinlich nicht wieder genieÃen können.â, antwortete Antonio grinsend.
âUnglaublich, wie anregend ein ungelöstes Problem sein kann. Ich hoffe, sie lernen irgendwann einmal miteinander zu sprechen.â Elena schmunzelte.
âVielleicht unterhalten sie sich ja währenddessen weiter.â Antonio grinste.
Lillian wechselte einen kurzen Blick mit Arturo, welcher plötzlich amüsiert wirkte. âIhr solltet nicht immer so sprechen.â
âAch komm schon, Lilly, deine GroÃmutter ist Kilometer entfernt.â Antonio musterte sie grinsend. âSind dir diese Themen etwa noch immer unangenehm? Du hast noch eindeutig zu wenig getrunken.â
âUnd du zu viel.â, bemerkte Lillian mit einem Blick auf sein erneut geleertes Glas.
âArturo, wir müssen aufpassen, sonst verschwinden die beiden auch gleich gemeinsam.â Elena nippte lachend an ihrem Glas.
Arturo erwiderte ihr Lachen. âNun, dann musst du eben mit mir Vorlieb nehmen.â
Sie musterte ihn kurz. âDamit kann ich leben.â
Antonio warf Elena einen irritierten Blick zu, ehe er sich Kopf schüttelnd an Lillian wandte. âDarf ich dir etwas spendieren? Meinetwegen auch ein Soda.â
âNein, du könntest Elena und mir aber einen Cosmopolitan bringen. Du hast doch Lust, SüÃe?â
âJa, klar.â
âWas ist das denn? Haben die so etwas überhaupt?â
âDu darfst dann kosten. Ja, ich habe ihn hier schon ein paar Mal getrunken.â
Antonio musterte sie belustigt und erhob sich. âDu weiÃt, wie alt du bist?â
âDaran erinnerst du mich des Ãfteren.â
Arturo erhob sich ebenfalls. âIch komme mit.â
âWarum hackt er immer auf meinem Alter herum?â Lillian seufzte genervt, als sich die Männer vom Tisch entfernt hatten.
Elena machte eine abweisende Handbewegung. âEr zieht dich doch nur auf. Du lässt dich oft auch wirklich sehr leicht provozieren.â
âAls Arturo uns einander vorstellte war Antonios erstes Kommentar, ob er sich eh nicht strafbar mache...â
Elena zuckte schmunzelnd mit den Schultern. âVergiss diese Bemerkungen, er meint sie nicht so. Du bist eben die Jüngste der Clique. Sei froh darüber. Das hat auch viele Vorteile.â
Das neue Kapitel ist endlich fertig, ich hoffe, es gefällt euch.
Ich freu mich über jedes Feedback.
Schönes Wochenende noch!
Bussi Selene
49. Teil
Lillian
Als die ersten Takte von Que le den candela ertönten, zog Lillian Arturo zurück zu dem Tisch, zu welchen sich Elena und Antonio vor wenigen Minuten ebenfalls wieder gesetzt hatten. Carmen und Javier tanzten währenddessen immer noch, was von Antonio grinsend kommentiert wurde: âSie bekommen gar nicht mehr genug von einander.â
Lillian wischte sich den Schweià von der Stirn und nahm einen groÃen Schluck ihrer Soda. Arturo legte einen Arm um ihre Schultern und bemerkte an seinen Freund gewandt: âDas wird sich ändern, so bald sie erst mal wirklich verheiratet sind.â
Lillian betrachtete ihn Stirn runzelnd. âOffenbar weià ich da etwas nicht.â Sie blickte zu Elena, welche nur mit den Schultern zuckte und Carmen hektisch winkte. Diese antwortete lediglich mit einem fröhlichen Lachen, worauf Lillian meinte: âSie versteht deine Zeichen nicht.â
Wenige Minuten später kamen Carmen und Javier schlieÃlich zum Tisch zurück und schenkten den Freunden ein kurzes Lächeln. Ehe sich die junge Frau setzen konnte, hatte Elena jedoch ihren Arm ergriffen. âEntschuldigt uns einen Moment.â, sagte sie zu den Männern und deutete Lillian mitzukommen. Dieser entfuhr ein Grinsen. âWie unauffällig...â
âWas ist denn los?â Carmen folgte den beiden Stirn runzelnd in den Sanitärraum. Kaum hatte Lillian die Tür hinter ihnen geschlossen, ergriff Elena Carmens Hände. âWie konntest du so etwas nur verschweigen?â
Carmen musterte sie einen Augenblick irritiert, ehe sie begriff. Ihre Wangen wurden plötzlich von einer leuchtenden Röte überzogen. Sie wippte unruhig auf und ab. âWoher weiÃt du das? Javier und ich wollten es doch eigentlich erst bei der Feier nächste Woche verkünden...â Sie schüttelte den Kopf. âIch wusste es, Männer tratschen doch mehr als Frauen...â
Elena gestikulierte ungeduldig mit den Händen. âDas tut doch jetzt nichts zur Sache...es stimmt also?â
Carmen schenkte Lillian, welche etwas unbeteiligt wirkend neben ihnen stand, einen kurzen Blick. âJa.â Ein Lächeln überzog ihr hübsches Gesicht. âWir werden heiraten. Im kommenden Winter schon.â
Lillian und Elena umarmten sie kurz. âDas ist schön.â, meinte erstere lächelnd.
âWann hat er dich gefragt?â, erkundigte sich Elena.
Carmen strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. âBei der Hochzeitsfeier meiner Schwester.â
âWow...vor deiner ganzen Familie...das ist so romantisch!â Elena lächelte.
âAuÃer wenn sie abgelehnt hätte...â, gab Lillian zu bedenken, worauf ihr die Freundin einen strengen Blick schenkte.
Carmen zuckte mit den Schultern. âSie hat recht. Das wäre sehr unangenehm gewesen. Allerdings war es ohnehin klar, dass wir früher oder später heiraten würden...â Ihre Stimme wurde sanfter, als sie den überraschten Blick der Freundinnen bemerkte. âMissversteht mich nicht, ich bin glücklich. Ehrlich. Aber es war eben nicht wirklich überraschend. Wir sind schlieÃlich schon ewig zusammen und Javier deutete diese Absicht schon mehrmals bei Papá an, welcher stets erfreut darauf reagierte.â
Elena verharrte einen Augenblick, ehe sie widerwillig den Kopf schüttelte. âUnd dennoch war der Zeitpunkt überraschend.â Wenn Elena sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann wurde es zum unwiderruflichen Faktum. Obwohl ihr Leben von dunklen Schatten gekennzeichnet war, oder gerade deswegen, hatte sie sich eine romantische Seite im Herzen bewahrt. âIch freue mich so für euch.â Sie umarmte Carmen ein weiteres Mal. Die Freundin lieà es einige Sekunden zu, ehe sie sich sanft von ihr löste. âSo...genug für mich gefreut. Zurück zu dem wirklich Wichtigen.â Sie wandte sich an Lillian. âUnsere Kleine ist endlich erwachsen geworden.â
Lillian rollte mit den Augen. âSoviel älter als ich bist du nun auch wieder nicht.â
âWas sollâs?â Carmen zuckte mit den Schultern. âWir sollten irgendetwas Verrücktes machen.â
Lillian blickte unsicher zu Elena, welche in ihrer Tasche wühlte und einen knallroten Lippenstift hervorzog. âWas ist verrückter, als sich hier stundenlang zu unterhalten? Lasst uns wieder tanzen gehen.â
Elena zog ihre Lippen nach und beobachtete die beiden im Spiegel. âHast du eine Idee, Carmencita?â
Carmen runzelte die Stirn. âNichts, was wir uns leisten könnten. Ich habe noch nicht einmal ein Geschenk für dich.â Sie biss sich auf die Unterlippe.
Lillian zuckte mit den Schultern. âDas ist doch nicht wichtig. AuÃerdem hast du mir zwei Getränke bezahlt.â
Carmen wollte gerade etwas erwidern, als die Tür aufging.
âZickenalarm.â, zischte Elena leise, als sie Yolanda und Carla erblickte. Die beiden registrierten die drei nur mit einem kurzen, verächtlichen Blick, ehe sie sich mit einer Puderdose bewaffnet ihren Spiegelbildern zuwandten.
âVersucht ihr zu retten, was geht?â, entfuhr es Elena.
Carla, welche gerade etwas Puder auf die rechte Wange tupfen wollte, hielt einen Moment inne, ehe sie sich umdrehte. âHast du mit mir gesprochen?â
âHat es sonst noch jemand nötig?â
Carla schenkte ihr ein süffisantes Lächeln, ehe sie sich an Carmen wandte. âMan hört, Javier hätte dich endlich gebeten, ihn zu heiraten.â
Carmen runzelte die Stirn. âHört man das?â
âHat das nicht etwas lange gedauert? Seit wann seid ihr nochmals zusammen?â
âWenn du uns etwas Bestimmtes mitteilen möchtest, solltest du das deutlicher sagen.â Lillian schenkte ihr einen kalten Blick.
Carla ignorierte sie und musterte Carmen eingehend. âDu wartest doch schon seit zwei Jahren darauf.â
Eine tiefe Falte bildete sich auf Carmens Stirn, sie öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, es gelang jedoch kein Wort über ihre Lippen.
âDie Frage ist eher...â, begann Yolanda, ohne der Angesprochenen einen Blick zu schenken.
âwarum er so lange gewartet hat...â
Elena funkelte sie wütend an und warf Lillian einen widerwilligen Blick zu, als diese nach ihrem und Carmens Armen griff und die beiden zur Tür zog.
âHey Lillian...â
Die Angesprochene drehte sich seufzend um und bereute diese Reaktion sogleich. âWas?â Sie traf den Tonfall so kalt, wie geplant.
Carla musterte sie eingehend. âMan hört, du hättest deinen Abschluss geschafft. Da du noch immer keinen Job hast, nimmst du wohl an, dass dich irgendein College doch noch mit offenen Armen empfangen wird. Sieh es ein, auch wenn du dich aufgrund deiner Herkunft für etwas Besseres hältst, das bist du nicht.â Sie wechselte einen Blick mit Yolanda. âWie die Mutter, so die Tochter...â
Lillians Fingernägel bohrten sich in ihre Handflächen. Als sie aus dem Augenwinkel bemerkte, dass Elena gerade im Begriff war, etwas zu sagen, fing sie sich wieder und zog die Freundinnen aus dem Sanitärraum.
Bei einem kleinen Stehtisch angekommen, stemmte Elena die Arme in die Hüften und musterte Lillian und Carmen ungläubig. âWarum lasst ihr euch das gefallen? Ihr bestätigt ihren Spott damit!â Sie musterte Lillian Stirn runzelnd. âDu hast gerade den dritten Weltkrieg verhindert, Lilly. Sei bloà nicht stolz darauf.â
Lillian ignorierte den verhassten Spitznamen und schüttelte den Kopf. âSie fühlen sich ohnehin in allem bestätigt, egal, wie man reagiert. Am besten ist es, sie zu ignorieren.â
Elena rollte mit den Augen. âWelch weise Worte...du bist manchmal wirklich zu gut für diese Welt.â
Die Freundin zuckte mit den Schultern. âIch muss Prioritäten setzen und sich über diese unreifen Hühner aufzuregen, wäre Zeit- und Energieverschwendung.â
Elena betrachtete sie nachdenklich. Sie wusste, wie sehr Carlas Worte sie in Wirklichkeit verletzt hatten, beschloss das Thema aber im Moment zu belassen. âDu hast recht. Wir brauchen die Energie für wichtigeres. Wie deine Feier.â Sie lächelte aufmunternd und hängte sich bei Lillian und Carmen ein. Erst in diesem Moment fiel ihr der verunsicherte Gesichtsausdruck der letzteren auf. Sie löste sich von Lillian und fasste Carmen an beiden Händen. âSie sind nur neidisch. Das weiÃt du.â
Carmen seufzte leise. âJa. Aber trotzdem...sie haben recht. Er redet schon so lange darüber, warum hat er mich erst jetzt gefragt?â
âWeil du moderner eingestellt bist als er und er die Sorge hatte, es könnte dir zu schnell gehen? Bitte, mach dir darüber keine Gedanken. Javier liebt dich.â Elena hob Carmens Kinn.
Lillian strich über Carmens Arm. âDas tut er, dafür lege ich beide Hände ins Feuer. Aber du weiÃt, wie manche Männer sind. Sie brauchen etwas länger zu dem groÃen, letzten Schritt.â
Carmens Gesichtmuskeln begannen sich zu entspannen. âIhr habt ja recht. Ich bin manchmal einfach zu ängstlich.â Ihre Stimme klang fester, jedoch noch nicht völlig überzeugt.
Als die drei zurück zum Tisch kamen, waren Arturo, Antonio und Javier so in ein Gespräch vertieft, dass sie die Frauen zuerst gar nicht bemerkten.
Elena stemmte die Arme in die Hüften. âWir mögen zwar nicht so aufregend wie ein V8 Motor sein, aber diese Ignoranz kommt geradezu einer Beleidigung gleich.â
âEin V8 Motor?â Javier lächelte amüsiert. âNicht sehr aufregend.â
Elena rollte mit den Augen. âWen interessiert es?â Sie lieà sich genervt neben Antonio sinken, welcher Lillian einen fragenden Blick zuwarf.
Diese zuckte mit den Schultern. âWir hatten nur eine Begegnung mit Carla und Yolanda.â Sie setzte sich neben Arturo, welcher sie näher an sich zog. Carmen lieà sich ebenfalls neben Javier sinken und schenkte ihm ein leichtes Lächeln.
Antonio betrachtete Elena belustigt. âDu bist verdammt sexy, wenn du so in Rage bist. Was haben euch denn die beiden getan?â
Elena rollte mit den Augen. âSie haben den Mund geöffnet. Sollten sie lieber bleiben lassen, da sowieso nichts Sinnvolles dabei rauskommt.â
Antonio schmunzelte. âDu überrascht mich immer wieder.â Er schob ihr ein Glas zu. âWir haben noch etwas für euch bestellt.â
Elena ergriff das Glas wortlos und hielt es sich vor die Nase, um daran zu riechen. SchlieÃlich machte sie einen kräftigen Schluck.
âStark genug?â
Sie nickte. âPerfekt.â
Lillian lehnte sich währenddessen an Arturos Brust und beobachtete die beiden nachdenklich. Ihr Freund riss sie schlieÃlich aus ihren Gedanken. âIst wirklich alles in Ordnung bei dir?â
Sie wandte sich ihm zu und nickte leicht. Ihr gelang ein Lächeln. âMach dir keine Sorgen.â
Arturo spielte mit einer ihrer Haarsträhnen. âWas haben sie gesagt?â, fragte er so leise, dass nur Lillian es verstehen konnte.
Sie schüttelte seufzend den Kopf. âNur, dass ich mich für etwas Besseres halten würde. Das übliche.â Sie zuckte mit den Schultern und versuchte, möglichst gleichgültig zu wirken. âNur weil ich noch keinen Job habe, bedeutet das für sie, dass ich daran glaube, noch auf einem College angenommen zu werden.â
Arturo runzelte die Stirn. âWolltest du nicht in der Flamenco Bar arbeiten?â
Lillian nickte. âMr. Sanchez hatte mir im Prinzip schon zugesagt, doch kürzlich meinte er, er könnte mich doch nicht einstellen. Wer weiÃ, warum...â
âIch war ohnehin nicht von dieser Idee begeistert...â
âJob ist Job.â
Arturo musterte sie nachdenklich. âDie Bar ist nicht mehr das, was sie einst war. Ich habe keine Lust mit ansehen zu müssen, wie dich alte, betrunkene Kerle lüstern anstarren.â
âNun verdiene ich aber gar kein Geld.â
Er fuhr sich Stirn runzelnd durchs Haar. âDu könntest eine zeitlang bei uns im Laden aushelfen, wenn du möchtest. Besonders viel können wir dir aber nicht bezahlen.â
Lillian lächelte dankbar. âDas wäre toll. Ich werde eine ehrgeizige und flexible Arbeitskraft sein.â
âHast du sonst noch etwas vorzuweisen?â
âWird das jetzt ein Vorstellungsgespräch?â
Arturo zuckte mit den Schultern. âMacht man das nicht so?â
Lillian schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn. âIch habe sehr viel vorzuweisen.â
Er lachte. âOkay, überzeugt. Du kannst übermorgen anfangen. Für die nächsten beiden Wochen können wir jede Kraft brauchen.â
âUnd dein Vater wird nichts dagegen haben?
Arturo schüttelte den Kopf. âIm Gegenteil. Hilfe ist immer willkommen, auch wenn wir sie uns nicht lange leisten können.â
Lillian nickte. âIch werde mich natürlich weiterhin umsehen.â
âVielleicht bekommst du ja doch noch einen erlösenden Anruf.â
Sie runzelte die Stirn. âDas bezweifle ich. Doch allmählich muss ich mich damit abfinden. Es gibt ja auch ein nächstes Jahr.â Sie mühte sich um ein Lächeln.
âHey, lasst uns an eurem Gespräch teilhaben.â Elena blickte neugierig von Lillian zu Arturo. Ihre Freundin hob die Stimme. âArturo bot mir nur an, eine zeitlang bei seiner Familie auszuhelfen.â
Elena nickte. âDas ist gut.â
Javier tauschte einen kurzen Blick mit Carmen, ehe er sich an Lillian wandte. âWenn du möchtest frage ich meine Cousine, ob sie im Cafe jemanden brauchen können. Eine Kellnerin hört in etwa drei Wochen auf.â
Lillian lächelte. âDas wäre toll, danke.â Auch Rosa hatte in jenem Cafe einst als Kellnerin gearbeitet. So würde sie ihrer Mutter näher sein.
âWer hört denn auf?â, erkundigte sich Carmen.
âNicky.â
Ihre Augen weiteten sich überrascht. âWarum das denn?â
âSie heiratet im August.â
âNa und?â
Javier nippte an seinem Glas. âEs genügt doch, wenn ihr Mann Geld verdient.â
âFalsche Antwort.â Elena warf Lillian einen belustigten Blick zu. Diese versuchte ein Schmunzeln zu verbergen.
âNicky und Enrique regeln das eben so, dass sie sich um Kinder und Haushalt kümmert und er arbeitet.â
âUnd was denkst du darüber?â
Arturo und Antonio betrachteten Javier mit erhöhter Aufmerksamkeit, während Elena und Lillian zugleich an ihrem Glas nippten.
âDas ist doch eine faire Regelung.â
Antonio schüttelte den Kopf und warf Arturo einen viel sagenden Blick zu, worauf ihm Elena einen sanften Stoà mit dem Ellenbogen verpasste.
âFair?â Carmens Augen funkelten voller Ãrger und Ungläubigkeit. Die Zweifel von vorhin schienen für den Moment vergessen, es gab erst mal Dringenderes zu klären. âWeiÃt du eigentlich, wie hart es ist, Kinder zu hüten und auch noch den kompletten Haushalt alleine zu führen?â
Arturo nippte an seinem Glas und begann etwas gelangweilt mit Lillians Haar zu spielen. Er war der Einzige, der Carmens und Javiers Diskussionen nicht als heitere Unterhaltung und Kinoersatz betrachtete. Zudem beschäftigte ihn Lillians Gefühlslage zurzeit sehr. Er sorgte sich um seine Freundin und überlegte, ob es für sie nicht wirklich am besten wäre, Spanish Harlem zumindest für eine zeitlang zu verlassen. Doch wo sollte sie hin? Und was wurde dann aus Ana, deren Hauptlebensinhalt ihre Enkeltochter zu sein schien. Und was wurde dann aus ihm? Du bist ein Egoist, schalt er sich gedanklich. Lillian bedeutete ihm mehr als er selbst und er wusste, dass er sie auch gehen lassen würde, sollte das ihr Wunsch sein. Wenn er auch früher mehr seinem draufgängerischen Vater geglichen hatte, war ihm durch seine Freundin bewusst geworden, wie viel doch von seiner Mutter in ihm steckte. Er würde alles für Lillian tun, selbst wenn das bedeutete, selbst zu leiden. Arturo hatte lange gebraucht, um sich diese starken Gefühle für sie einzugestehen. Wie auch Lillian, hatte er Angst davor gehabt. Er betrachtete die dunklen, langen Haare seiner Freundin lächelnd und bewunderte ein weiteres mal ihre scheinbar vollkommene Schönheit, die nicht nur von ihrem anziehenden ÃuÃeren kam, sondern von innen erstrahlte. Arturo wünschte sich einen Moment mit ihr alleine zu sein, um ihr all dies endlich zu sagen. Um sie in seine Arme zu schlieÃen und nicht mehr los zu lassen.
âWeiÃt du eigentlich, wie hart ein Vollzeitjob sein kann?â, meinte Javier Kopf schüttelnd und betrachtete Carmen Stirn runzelnd.
Lillian gab zwar vor interessiert zuzuhören, dennoch schweifte sie immer wieder ab. Heute war ihr Geburtstag, ihr achtzehnter Geburtstag. Wie würde sie diesen Tag verbringen, wären ihre Eltern noch bei ihr? Sie stellte sich vor, wie sie an einem Tisch gesessen und miteinander gelacht hätten. Rosa, Jorge, Lillian und Ana. Der Gedanke an ihre GroÃmutter versetzte ihr einen Stich. Was verheimlichte sie ihr? Hätte sie zuhause bleiben sollen? Bei Ana? War es richtig gewesen fort zu gehen? Sie versuchte die quälenden Gedanken zu ignorieren und konzentrierte sich auf die Hand ihres Freundes, die sich in ihrem vollen Haar zu verfangen schien. Lillian schloss einen Moment die Augen, um sie sogleich wieder zu öffnen und Elena zu betrachten, welche Javier einen strengen Blick zuwarf.
âKinder sind ein Vierundzwanzigstundenjob!â, Carmen erhob ihre Stimme. âDu meine Güte, ihr seid doch auch sieben Geschwister! Hast du wirklich nie bemerkt, wie gestresst deine Mutter ist?â
âSie fühlt sich lediglich erfüllt durch die Erziehung meiner Geschwister. Sie ist sehr glücklich.â
Elena wandte den Blick ab. Sie wusste, dass Javier Carmen absichtlich provozierte. Er liebte sie, auch wenn sich ihre Grundsatzeinstellungen unterschieden. Sie hatten sich während einer dieser Diskussionen zum ersteren Mal geküsst und wahrscheinlich würde dieser Schlagabtausch sie bis ins hohe Alter begleiten. Javier musste zuvor bemerkt haben, dass etwas mit Carmen nicht stimmte. Je mehr sie versuchte ihre Gefühle zu verbergen, umso durchschaubarer war sie in Wirklichkeit doch. Ein kurzes Lächeln umspielte ihre Lippen. Er liebt dich wirklich. Plötzlich wurde sie von einer Wehmut erfüllt. Die Erinnerung an die Vergangenheit trieb ihr Tränen in die Augen. Als sie Antonios Hand auf ihrem Arm spürte, schüttelte sie diese sanft ab und nippte schnell an ihrem Glas, um sich schnell wieder der Diskussion zuzuwenden. Sie schenkte Javier einen möglichst strengen Blick und meinte: âIch liebe meinen Sohn auch über alles. Dennoch ist es alles andere als gesund, seine Kinder zum einzigen Lebensinhalt zu machen.â Sie biss sich auf die Unterlippe und erkannte erleichtert, dass ihr lediglich Lillian Aufmerksamkeit schenkte. Sie schüttelte kaum merklich den Kopf, um zu signalisieren, dass alles in Ordnung war, worauf Lillian den Blick wieder auf Carmen richtete. Elena seufzte leise. Hatte tatsächlich ausgerechnet sie das gesagt? War es sie nicht viel mehr als Javiers Mutter, deren einziger Lebenssinn ihr Sohn darstellte? Was wäre gewesen, gäbe es Emilio nicht? Was hätte sie getan? Sie verwarf diesen Gedanken schnell wieder und begann das Glas in ihren Händen zu drehen.
âWoher willst du das wissen? Hat dich das jemals wirklich interessiert? Eure Mutter schuftet Tag und Nacht für deine Geschwister, haben sie jemals wirkliche Dankbarkeit gezeigt? Hast du es? Jeder Mensch braucht Anerkennung und manchmal auch etwas Zeit für sich selbst. Hat dir dein Vater eingeredet, dass deine Mutter glücklich ist?â Carmen schüttelte fassungslos den Kopf.
Javiers Stirn war von einer tiefen Falte durchzogen. Er wurde allmählich wütend. Wollte sie es nicht verstehen? âIch bin nicht wie er, wenn du mir das sagen möchtest.â
Sie seufzte. âDu weiÃt, dass ich es nicht so meinte. Du bist natürlich anders als er. Aber dennoch verstehe ich deine Einstellung manchmal nicht.â
âDas musst du auch nicht. Du musst auch weder meinen Vater und meine Mutter noch Nicky und Enrique verstehen. Wichtig ist doch nur, dass wir beide ein glückliches gemeinsames Leben beginnen, eine eigene Familie gründen werden.â Javier strich Carmen sanft durchs Haar. Plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck. âWenn du denkst, dass du einem Vollzeitjob während der Kindeserziehung und Hausarbeit gewachsen bist, werde ich dich nicht daran hindern.â
Ihre Augen funkelten provozierend. âIch dich ebenso nicht.â
Javier zog die rechte Augenbraue hoch und betrachtete Carmen eingehend. âDann wäre wohl alles geklärt.â
Sie wich seinem Blick aus und begann in ihrer Tasche zu wühlen. âGibst du mir den Autoschlüssel? Ich habe meine Hustenbonbons im Handschuhfach vergessen, mein Hals kratzt jedoch aufgrund des Rauchs.â Er zog den Schlüssel aus der Hosentasche und hielt ihn so hoch über ihren Kopf, dass sie den Arm strecken musste, um ihn zu erreichen. Carmen erhob sich Augen rollend und warf den Freunden einen kurzen Blick zu, ehe sie sich vom Tisch entfernte. Es dauerte keine Minute, ehe sich Javier ebenfalls erhob. âEs sind zwar nur wenige Meter bis zum Parkplatz, aber es ist nicht ungefährlich um diese Zeit.â Er verschwand ohne den anderen einen letzten Blick zu schenken.
âIm Auto seines Vaters, unglaublich...â Antonio schüttelte belustigt den Kopf.
âEigentlich sind sie beide ziemlich verrückt...â, meinte Elena. âAber lieben wir sie nicht genau dafür? Wie lange schätzt du, werden sie wohl diesmal brauchen?â
âIch hoffe länger als fünfzehn Minuten, sonst werden wir diese spannenden Unterhaltungen wahrscheinlich nicht wieder genieÃen können.â, antwortete Antonio grinsend.
âUnglaublich, wie anregend ein ungelöstes Problem sein kann. Ich hoffe, sie lernen irgendwann einmal miteinander zu sprechen.â Elena schmunzelte.
âVielleicht unterhalten sie sich ja währenddessen weiter.â Antonio grinste.
Lillian wechselte einen kurzen Blick mit Arturo, welcher plötzlich amüsiert wirkte. âIhr solltet nicht immer so sprechen.â
âAch komm schon, Lilly, deine GroÃmutter ist Kilometer entfernt.â Antonio musterte sie grinsend. âSind dir diese Themen etwa noch immer unangenehm? Du hast noch eindeutig zu wenig getrunken.â
âUnd du zu viel.â, bemerkte Lillian mit einem Blick auf sein erneut geleertes Glas.
âArturo, wir müssen aufpassen, sonst verschwinden die beiden auch gleich gemeinsam.â Elena nippte lachend an ihrem Glas.
Arturo erwiderte ihr Lachen. âNun, dann musst du eben mit mir Vorlieb nehmen.â
Sie musterte ihn kurz. âDamit kann ich leben.â
Antonio warf Elena einen irritierten Blick zu, ehe er sich Kopf schüttelnd an Lillian wandte. âDarf ich dir etwas spendieren? Meinetwegen auch ein Soda.â
âNein, du könntest Elena und mir aber einen Cosmopolitan bringen. Du hast doch Lust, SüÃe?â
âJa, klar.â
âWas ist das denn? Haben die so etwas überhaupt?â
âDu darfst dann kosten. Ja, ich habe ihn hier schon ein paar Mal getrunken.â
Antonio musterte sie belustigt und erhob sich. âDu weiÃt, wie alt du bist?â
âDaran erinnerst du mich des Ãfteren.â
Arturo erhob sich ebenfalls. âIch komme mit.â
âWarum hackt er immer auf meinem Alter herum?â Lillian seufzte genervt, als sich die Männer vom Tisch entfernt hatten.
Elena machte eine abweisende Handbewegung. âEr zieht dich doch nur auf. Du lässt dich oft auch wirklich sehr leicht provozieren.â
âAls Arturo uns einander vorstellte war Antonios erstes Kommentar, ob er sich eh nicht strafbar mache...â
Elena zuckte schmunzelnd mit den Schultern. âVergiss diese Bemerkungen, er meint sie nicht so. Du bist eben die Jüngste der Clique. Sei froh darüber. Das hat auch viele Vorteile.â