07.03.2008, 15:04
...
Ich denke trotzdem, dass er ein Arschloch ist, flüstert er seiner Mutter entgegen.
Sie hat darauf nichts zu sagen. Nicht mehr. Früher hat sie versucht ihn umzustimmen. Doch er war immer dieser Meinung, und er würde sie wohl auch immer beibehalten. Bis er selbst bereit dazu wäre, sie von alleine zu ändern.
Die Stille, die entsteht, wird jäh unterbrochen, als der Schlüssel ins Türschloss gesteckt und umgedreht wird. Dann wird die Tür aufgeschoben und augenblicklich toben zwei halbgroÃe Hunde in die Küche, gefolgt von einer heiser fluchenden Stimme.
Das wird Jess sein, sagt Rory unnötigerweise und steht auf.
Als er die Tür schlieÃt, hebt er den Rucksack, über den er soeben gestolpert ist, vom Boden auf und kommt zu ihr an den Kücheneingang. Hey!, sagt er gut gelaunt und nimmt sie in den Arm. Ich hab dich vermisst, nuschelt er in ihr Haar. Sie schenkt ihm ein liebevolles Lächeln als sie sich voneinander lösen. Dann gehen beide zurück in die Küche.
Michael ist aufgestanden, sieht Jess entgegen und denkt an all die schönen Erinnerungen, die er ihm schenkte. Er war es, der ihn mit zum See nahm, der ihm und Claire das Schwimmen beibrachte. Er war es, der mit ihnen ins Autokino ging, der ihnen Popcorn kaufte und mit Claire Schlittschuh lief. Er war es, der Michael seine erste Fahrstunde gegeben und der ihn Prüfungsstoff abgefragt hatte. Er war es, der ihm geholfen hatte, sein erstes Auto selbst zusammen zu basteln. All diese Erinnerungen kamen erneut in ihm auf und lieÃen ihn zu dem einzig richtigem Schluss kommen: Jess war sein Dad. Egal, was auf dem Papier stand.
Michael, Kleiner!, ruft Jess aus und holt Michael aus seiner Traumwelt, zieht ihn kurz in seine Arme. Rory schmunzelt. Wie sehr sie sich doch verändert haben. Mit der Zeit. Alle beide.
Jess, macht Michael nur und bringt ein halbwegs natürliches Lächeln zustande.
Was machst du denn für ein Gesicht? Und wie siehst du aus! Was ist passiert?, fragt Jess und das Lächeln auf seinem Gesicht fällt ein wenig in sich zusammen.
Michael sieht zu seiner Mutter, die sofort einspringen will. Sie will vermeiden, dass er Jess davon erzählen muss, wenn er nicht will. Doch bevor sie etwas sagen kann, hat er schon geantwortet.
Maggie hat mich betrogen, sagt er trocken. So trocken, dass Jessâ Augen förmlich aus ihren Höhlen springen.
Er wird blass. Für einen Moment stützt er sich am Küchentisch ab.
Ist alles in Ordnung?, fragt Michael besorgt. Eigentlich bin ich es, der vollkommen am Boden sein sollte.
Ja, ja. Es kommt nur ein bisschen plötzlich, sagt Jess leise. Ich... es tut mir leid.
Michael nickt wortlos. Doch dann, nach einigen Minuten peinlicher Stille, bricht er diese erneut. Könnt ihr mir einen Gefallen tun?, fragt er.
Jess nickt wortlos. Rory tut es ihm gleich.
Nehmt es nicht zu ernst, sagt Michael. Ich will kein Trübsal blasen. Es ist vorbei. Ich will nicht ewig rum heulen. Ein bisschen Humor und Ablenkung würde die Sache etwas auflockern, er sieht Jess herausfordernd an.
Willkommen im Club der Verarschten, sagt dieser und streckt Michael vollkommen ernst seine Hand entgegen.
Was soll denn das bitte heiÃen?, fragt Rory verwirrt.
Ich bin so bekloppt und denke, dass dieses inkompetente Arschloch ohne mich klar kommt. Kann ich denn ahnen, dass der Idiot 60.000 Kopien von einem Buch in Druck gibt, statt 6.000? Jetzt sitze ich auf 54.000 Kopien eines Erstlingswerkes. Und selbst wenn das Buch gut ist... es müsste schon ein Harry Potter sein, damit ich sie alle los werde... Jess hat sich wieder gefasst und fährt sich mit der Hand durch das kurze Haar. Er geht zum Kühlschrank und holt eine Flasche Wasser heraus. Als er zurückkommt, sieht er auÃerordentlich müde aus. Wie um Monate gealtert in nur fünf Schritten.
Ist das dein Ernst oder versuchst du tatsächlich nur mich abzulenken?, fragt Michael irritiert.
Nein, das ist mein Ernst... er zieht einen Stuhl unter dem Tisch hervor und lässt sich darauf fallen. Auch Michael setzt sich erneut, während Rory den Wasserkocher aus dem Schrank holt, um einen Tee zu kochen. Jess sieht zu ihr und schüttelt den Kopf. Nein, ist gut Rory! Ich trinke auch einen Kaffee, sagt er, als er bemerkt, was sie vor hat und Rory dreht sich verwirrt um.
Geht es dir gut?, fragt sie belustigt.
Michael lächelt. So hat er es sich vorgestellt. Dass er hier ankommt und erstmal abgelenkt wird. So ist seine Familie, und das ist gut so. Er freut sich, dass sie so unkompliziert sind. Dadurch fühlt er sich gleich doppelt zu Hause. Er denkt an all die Abende, die er in Frankreich verbracht hatte, in denen er weder Maggie noch seine Familie um sich gehabt hatte. Und nun weià er, was er so vermisst hat.
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Michael Gilmore, 20.
Stars Hollow, 24. Juni 2028, 16:05.
Leise öffnet er die Tür. Er hofft, bangt und betet, dass sie nicht da ist. Er will sie nicht sehen. Nicht jetzt und nicht irgendwann. Er lässt die Tür leise ins Schloss fallen und geht auf Zehenspitzen ins Wohnzimmer. Warum, weià er selbst nicht. Wenn sie nicht da ist, müsste er nicht leise sein; und wenn sie da ist, wird er ihr sowieso früher oder später über den Weg laufen. So groà ist die Wohnung ja nicht. Aber das Risiko musste er ja wohl eingehen.
Er atmet tief ein und geht zu dem groÃen Schreibtisch am Fenster. Darauf stehen noch sein Drucker und die Boxen, die er von Maggie geschenkt bekam, als sie zusammen zogen. Er ist im Moment nur an seinem Drucker interessiert. Alles andere... alles was mit Maggie zu tun hat muss hier bleiben.
Er steht einen Moment da und sieht aus dem Fenster. DrauÃen strahlt die Sonne, doch ihm ist nur nach Regen zumute.
Ihm wird klar, dass er nicht so leise hätte sein müssen, denn keine zehn Minuten nach ihm wird die Tür erneut geöffnet. Sie ist es. Er hört es an der Art und Weise mit der sie ihren Schlüssel auf die Kommode legt. Die Art und Weise wie die Tür sanft ins Schloss fällt. Die Art und Weise mit der ihre Schritte durch den Raum kommen. Und abrupt stoppen. Er, der mit dem Rücken zu ihr stand, dreht sich nun um und sieht direkt in ihr verdutztes Gesicht. Sie hält Post in der Hand, von der mindestens die Hälfte an ihn bestimmt ist.
Michael... haucht sie und wird urplötzlich kreidebleich. Sie setzt sich in Bewegung und stoppt knapp einen Meter vor ihm. Sie betrachtet das Veilchen und die aufgeplatzte Lippe. Was ist passiert?, fragt sie.
Zu viel, sagt Michael und sieht zu Boden.
Warum bist du hier?, fragt sie und ignoriert den Einwurf.
Ich... wollte nur ein paar Sachen holen. Der Drucker und... einige andere Dinge. Wo ich schon mal hier bin, er versucht zu lachen, doch alles was er herausbringt, ist ein ungesund klingendes Grunzen.
Maggie denkt an John. Sie sah ihn heute Morgen, und er sah nicht viel anders aus als Michael. Sie sieht die beiden vor ihrem inneren Augen auf dem Boden hin und her rangeln. Keiner von beiden ist ein sonderlicher Schlägertyp. Doch wenn sie sich die Verletzungen der beiden so ansieht, haben sie es ordentlich gut mit dem anderen gemeint. John hatte zwar keine aufgeplatzte Lippe, dafür war seine Nase aber dick angeschwollen. Es ist das erste Mal, dass sich zwei Typen wegen ihr streiten, doch sie hatte es sich nicht so vorgestellt wie es letztendlich ist. Sie fühlt sich schlecht. Als hätte sie den Weltuntergang hervor gerufen. Und in einer gewissen Art und Weise hat sie das ja auch. Für Michael ist eine Welt zusammen gestürzt. Er hat von einem Moment auf den anderen mit ihr und mit seinem besten Freund gebrochen. Doch Maggie hütet sich das Thema John anzuschneiden. Als sie aus ihren Gedanken zurück findet, ist Michael an ihr vorbei gegangen. Er hat bereits den Drucker auf den Tisch gestellt, und ist auf dem Weg ins Schlafzimmer.
Sie geht ihm nach, bleibt in der Tür stehen und beobachtet ihn dabei wie er einige Bücher aus dem Regal zieht und sie in seinen Rucksack packt.
Wie geht es dir?, fragt sie, nur weil sie nicht anders kann.
Wundervoll, lügt er sarkastisch. Und dir?
Ich werde mein Studium abbrechen. Ich werde anfangen zu arbeiten... sie sieht ihn niedergeschlagen an.
So? Er bemüht sich sie so kalt wie möglich anzusehen. Und trotzdem zieht es ihm den Boden unter den FüÃen hinweg. Lässt ihn hart auf Stein schlagen und entsetzt aufkeuchen.
Ich werde die Wohnung aufgeben und zurück zu meinen Eltern ziehen.
Ach ja?, fragt er kühl.
Macht dir das nichts aus? Prüfend sieht sie ihn an.
Warum sollte es? Er zuckt mit den Schultern.
Du könntest ja wenigstens so tun, als würde es dich interessieren!, sagt sie und es klingt herablassend. Doch er weiÃ: es ist nur ihr Selbstschutz.
Also gut, was ist los? In wie vielen Fächern bist du durchgerasselt? Hast du eine miese Note geschrieben?, fragt er kalt und zieht mit einem Ruck den ReiÃverschluss zu.
Nein. Ich bin schwanger, sagt sie direkt.
Was? Seine Wimpern flattern, seine Augen werden immer gröÃer.
Du hast mich schon verstanden, diesmal ist es sie, die kalt wirkt.
Oh man. Ich hoffe doch, er ist glücklich!, murrt Michael laut, greift nach dem Rucksack und geht kopfschüttelnd an ihr vorbei ins Wohnzimmer.
Wer?, fragt Maggie verständnislos und folgt ihm.
Na John, sagt Michael.
Warum sollte er?, fragt sie verwirrt.
Na ja... erst schläft er mit meiner Freundin... und dann schwängert er sie auch noch! Er sieht sie nicht an. Es fällt ihm schwer ihr zu zuhören, ihren einzigartigen Geruch auf seiner Haut zu spüren. Seine Kehle brennt, mit jedem weiterem Wort ein bisschen mehr. Ihre Worte, ihre Stimme... brennt sich tief in seine Seele. Ihre Anwesenheit reiÃt tiefe Furchen in sein Herz, doch sie sieht das Blut nicht, das heraus tropft und ihn langsam aber sicher in sich zusammen sinken lässt.
Michael... John ist nicht der Vater, sagt sie leise und nimmt ein Kissen von der Couch.
Ach, gab es noch mehr?, fragt er kalt. Eigentlich will er es nicht sagen. Aber es rutscht ihm einfach so raus. Warum, weià er selbst nicht.
Du bist der Vater, verdammt!, ruft sie ungeduldig aus und schmeiÃt das Kissen auf den FuÃboden. Tränen stehen in ihren Augen. Es sind Tränen der Verzweiflung. Des Schmerzes. Doch er sieht sie nicht. Will sie nicht sehen. Was sie getan hat, tut ihm weh, und er versucht alles zu tun, um den Schmerz nicht mehr zu spüren.
Woher weiÃt du das so genau? Machst du jetzt DNS Analysen mit deinem Röntgenblick?, spottet er, doch er selbst findet nichts daran lustig.
Nein. Aber nach John hatte ich meine Tage, sagt sie und wendet ihren Blick von ihm ab, sieht aus dem Fenster.
So?, sagt er heiser.
Ja. Mensch Michael, jetzt sei doch nicht so ekelhaft kalt! Ich erwarte ein Kind von dir, verdammt noch mal! In ihrer Stimme schwingt so viel Wut und Trauer mit, dass Michael erschrocken zusammen zuckt. Er fängt sich jedoch schnell wieder, beiÃt die Zähne zusammen und schiebt den Rucksack mit dem Fuà ein Stückchen weiter der Tür entgegen, während er den Drucker an sich nimmt. Schweigend geht er bis zur Tür, öffnet diese und geht nach unten. Maggie bleibt alleine zurück, doch sie weià ganz genau, dass er wieder zurückkommt. Dass er nur den Drucker zum Wagen bringt.
Keine drei Minuten später steht er wieder vor ihr. Er nimmt den Rucksack und wirft ihn sich über die rechte Schulter. Bevor er nach dem Koffer greift, der im Eingang steht, dreht er sich noch einmal zu Maggie um und ergreift das Wort. Ich... du musst mich schon ein bisschen verstehen. Ich kann dich nicht ansehen, ohne dass es mir kalt den Rücken runter läuft. Ich bin dabei den Respekt vor dir zu verlieren, und das ist absolut nicht gut, seine Stimme klingt traurig, und Maggie steigen erneut Tränen in die Augen. Sie hat alles vermasselt. Sie macht immer alles kaputt. Warum kann sie nicht einmal zurück stecken, einfach nur ein bisschen mehr an andere denken? Ihr Leben lang ist ihr das nicht schwer gefallen. Doch nun, wo sie weiÃ, dass Michael nichts anderes übrig bleibt, als zu gehen, denkt sie egoistisch. Sie will nicht, dass er geht. Aber sie weiÃ... sie hätte es sich vorher überlegen sollen.
Seine Stimme reiÃt sie aus ihren Gedanken. Er hat den kleinen Koffer mit dem Fuà vor die Tür geschoben und sieht sie nun noch einmal an. Sie erkennt ihn kaum wieder, die Tränen verschleiern ihr die Sicht.
Du erwartest nun von mir, dass ich dir verzeihe, nachdem du mich betrogen und hintergangen hast, sagt Michael, und seine Stimme klingt schneidend, scharf, legt es darauf an sie zu verletzen. Er weià nicht warum, doch seine Worte werden geführt, von einem Gefühl, das er nicht kannte. Er will ihr weh tun, sie verletzen... ihr zeigen, wie schmerzvoll es für ihn ist. Und doch bricht es ihm das Herz die Tränen nicht aus ihren Augen wischen zu können. Du willst, dass wir erneut zusammen ziehen, damit dein Kind einen Vater hat. Aber ich denke nicht, dass es eine glückliche Kindheit wird, wenn ich durch deinen Anblick immer wieder daran erinnert werde, dass du und John euch so nahe wart. Und dass du dachtest mit deinem ersten âIch liebe dich!â alles wieder in Ordnung bringen zu können! Nein! So einfach geht das nicht, Maggie! Vier Jahre! Vier Jahre, Maggie! Einfach so über Bord geworfen! Für eine Nacht! Denk mal darüber nach! Und das nächste was sie hört, ist die Tür, die krachend ins Schloss fällt.
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Ich denke trotzdem, dass er ein Arschloch ist, flüstert er seiner Mutter entgegen.
Sie hat darauf nichts zu sagen. Nicht mehr. Früher hat sie versucht ihn umzustimmen. Doch er war immer dieser Meinung, und er würde sie wohl auch immer beibehalten. Bis er selbst bereit dazu wäre, sie von alleine zu ändern.
Die Stille, die entsteht, wird jäh unterbrochen, als der Schlüssel ins Türschloss gesteckt und umgedreht wird. Dann wird die Tür aufgeschoben und augenblicklich toben zwei halbgroÃe Hunde in die Küche, gefolgt von einer heiser fluchenden Stimme.
Das wird Jess sein, sagt Rory unnötigerweise und steht auf.
Als er die Tür schlieÃt, hebt er den Rucksack, über den er soeben gestolpert ist, vom Boden auf und kommt zu ihr an den Kücheneingang. Hey!, sagt er gut gelaunt und nimmt sie in den Arm. Ich hab dich vermisst, nuschelt er in ihr Haar. Sie schenkt ihm ein liebevolles Lächeln als sie sich voneinander lösen. Dann gehen beide zurück in die Küche.
Michael ist aufgestanden, sieht Jess entgegen und denkt an all die schönen Erinnerungen, die er ihm schenkte. Er war es, der ihn mit zum See nahm, der ihm und Claire das Schwimmen beibrachte. Er war es, der mit ihnen ins Autokino ging, der ihnen Popcorn kaufte und mit Claire Schlittschuh lief. Er war es, der Michael seine erste Fahrstunde gegeben und der ihn Prüfungsstoff abgefragt hatte. Er war es, der ihm geholfen hatte, sein erstes Auto selbst zusammen zu basteln. All diese Erinnerungen kamen erneut in ihm auf und lieÃen ihn zu dem einzig richtigem Schluss kommen: Jess war sein Dad. Egal, was auf dem Papier stand.
Michael, Kleiner!, ruft Jess aus und holt Michael aus seiner Traumwelt, zieht ihn kurz in seine Arme. Rory schmunzelt. Wie sehr sie sich doch verändert haben. Mit der Zeit. Alle beide.
Jess, macht Michael nur und bringt ein halbwegs natürliches Lächeln zustande.
Was machst du denn für ein Gesicht? Und wie siehst du aus! Was ist passiert?, fragt Jess und das Lächeln auf seinem Gesicht fällt ein wenig in sich zusammen.
Michael sieht zu seiner Mutter, die sofort einspringen will. Sie will vermeiden, dass er Jess davon erzählen muss, wenn er nicht will. Doch bevor sie etwas sagen kann, hat er schon geantwortet.
Maggie hat mich betrogen, sagt er trocken. So trocken, dass Jessâ Augen förmlich aus ihren Höhlen springen.
Er wird blass. Für einen Moment stützt er sich am Küchentisch ab.
Ist alles in Ordnung?, fragt Michael besorgt. Eigentlich bin ich es, der vollkommen am Boden sein sollte.
Ja, ja. Es kommt nur ein bisschen plötzlich, sagt Jess leise. Ich... es tut mir leid.
Michael nickt wortlos. Doch dann, nach einigen Minuten peinlicher Stille, bricht er diese erneut. Könnt ihr mir einen Gefallen tun?, fragt er.
Jess nickt wortlos. Rory tut es ihm gleich.
Nehmt es nicht zu ernst, sagt Michael. Ich will kein Trübsal blasen. Es ist vorbei. Ich will nicht ewig rum heulen. Ein bisschen Humor und Ablenkung würde die Sache etwas auflockern, er sieht Jess herausfordernd an.
Willkommen im Club der Verarschten, sagt dieser und streckt Michael vollkommen ernst seine Hand entgegen.
Was soll denn das bitte heiÃen?, fragt Rory verwirrt.
Ich bin so bekloppt und denke, dass dieses inkompetente Arschloch ohne mich klar kommt. Kann ich denn ahnen, dass der Idiot 60.000 Kopien von einem Buch in Druck gibt, statt 6.000? Jetzt sitze ich auf 54.000 Kopien eines Erstlingswerkes. Und selbst wenn das Buch gut ist... es müsste schon ein Harry Potter sein, damit ich sie alle los werde... Jess hat sich wieder gefasst und fährt sich mit der Hand durch das kurze Haar. Er geht zum Kühlschrank und holt eine Flasche Wasser heraus. Als er zurückkommt, sieht er auÃerordentlich müde aus. Wie um Monate gealtert in nur fünf Schritten.
Ist das dein Ernst oder versuchst du tatsächlich nur mich abzulenken?, fragt Michael irritiert.
Nein, das ist mein Ernst... er zieht einen Stuhl unter dem Tisch hervor und lässt sich darauf fallen. Auch Michael setzt sich erneut, während Rory den Wasserkocher aus dem Schrank holt, um einen Tee zu kochen. Jess sieht zu ihr und schüttelt den Kopf. Nein, ist gut Rory! Ich trinke auch einen Kaffee, sagt er, als er bemerkt, was sie vor hat und Rory dreht sich verwirrt um.
Geht es dir gut?, fragt sie belustigt.
Michael lächelt. So hat er es sich vorgestellt. Dass er hier ankommt und erstmal abgelenkt wird. So ist seine Familie, und das ist gut so. Er freut sich, dass sie so unkompliziert sind. Dadurch fühlt er sich gleich doppelt zu Hause. Er denkt an all die Abende, die er in Frankreich verbracht hatte, in denen er weder Maggie noch seine Familie um sich gehabt hatte. Und nun weià er, was er so vermisst hat.
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Michael Gilmore, 20.
Stars Hollow, 24. Juni 2028, 16:05.
Leise öffnet er die Tür. Er hofft, bangt und betet, dass sie nicht da ist. Er will sie nicht sehen. Nicht jetzt und nicht irgendwann. Er lässt die Tür leise ins Schloss fallen und geht auf Zehenspitzen ins Wohnzimmer. Warum, weià er selbst nicht. Wenn sie nicht da ist, müsste er nicht leise sein; und wenn sie da ist, wird er ihr sowieso früher oder später über den Weg laufen. So groà ist die Wohnung ja nicht. Aber das Risiko musste er ja wohl eingehen.
Er atmet tief ein und geht zu dem groÃen Schreibtisch am Fenster. Darauf stehen noch sein Drucker und die Boxen, die er von Maggie geschenkt bekam, als sie zusammen zogen. Er ist im Moment nur an seinem Drucker interessiert. Alles andere... alles was mit Maggie zu tun hat muss hier bleiben.
Er steht einen Moment da und sieht aus dem Fenster. DrauÃen strahlt die Sonne, doch ihm ist nur nach Regen zumute.
Ihm wird klar, dass er nicht so leise hätte sein müssen, denn keine zehn Minuten nach ihm wird die Tür erneut geöffnet. Sie ist es. Er hört es an der Art und Weise mit der sie ihren Schlüssel auf die Kommode legt. Die Art und Weise wie die Tür sanft ins Schloss fällt. Die Art und Weise mit der ihre Schritte durch den Raum kommen. Und abrupt stoppen. Er, der mit dem Rücken zu ihr stand, dreht sich nun um und sieht direkt in ihr verdutztes Gesicht. Sie hält Post in der Hand, von der mindestens die Hälfte an ihn bestimmt ist.
Michael... haucht sie und wird urplötzlich kreidebleich. Sie setzt sich in Bewegung und stoppt knapp einen Meter vor ihm. Sie betrachtet das Veilchen und die aufgeplatzte Lippe. Was ist passiert?, fragt sie.
Zu viel, sagt Michael und sieht zu Boden.
Warum bist du hier?, fragt sie und ignoriert den Einwurf.
Ich... wollte nur ein paar Sachen holen. Der Drucker und... einige andere Dinge. Wo ich schon mal hier bin, er versucht zu lachen, doch alles was er herausbringt, ist ein ungesund klingendes Grunzen.
Maggie denkt an John. Sie sah ihn heute Morgen, und er sah nicht viel anders aus als Michael. Sie sieht die beiden vor ihrem inneren Augen auf dem Boden hin und her rangeln. Keiner von beiden ist ein sonderlicher Schlägertyp. Doch wenn sie sich die Verletzungen der beiden so ansieht, haben sie es ordentlich gut mit dem anderen gemeint. John hatte zwar keine aufgeplatzte Lippe, dafür war seine Nase aber dick angeschwollen. Es ist das erste Mal, dass sich zwei Typen wegen ihr streiten, doch sie hatte es sich nicht so vorgestellt wie es letztendlich ist. Sie fühlt sich schlecht. Als hätte sie den Weltuntergang hervor gerufen. Und in einer gewissen Art und Weise hat sie das ja auch. Für Michael ist eine Welt zusammen gestürzt. Er hat von einem Moment auf den anderen mit ihr und mit seinem besten Freund gebrochen. Doch Maggie hütet sich das Thema John anzuschneiden. Als sie aus ihren Gedanken zurück findet, ist Michael an ihr vorbei gegangen. Er hat bereits den Drucker auf den Tisch gestellt, und ist auf dem Weg ins Schlafzimmer.
Sie geht ihm nach, bleibt in der Tür stehen und beobachtet ihn dabei wie er einige Bücher aus dem Regal zieht und sie in seinen Rucksack packt.
Wie geht es dir?, fragt sie, nur weil sie nicht anders kann.
Wundervoll, lügt er sarkastisch. Und dir?
Ich werde mein Studium abbrechen. Ich werde anfangen zu arbeiten... sie sieht ihn niedergeschlagen an.
So? Er bemüht sich sie so kalt wie möglich anzusehen. Und trotzdem zieht es ihm den Boden unter den FüÃen hinweg. Lässt ihn hart auf Stein schlagen und entsetzt aufkeuchen.
Ich werde die Wohnung aufgeben und zurück zu meinen Eltern ziehen.
Ach ja?, fragt er kühl.
Macht dir das nichts aus? Prüfend sieht sie ihn an.
Warum sollte es? Er zuckt mit den Schultern.
Du könntest ja wenigstens so tun, als würde es dich interessieren!, sagt sie und es klingt herablassend. Doch er weiÃ: es ist nur ihr Selbstschutz.
Also gut, was ist los? In wie vielen Fächern bist du durchgerasselt? Hast du eine miese Note geschrieben?, fragt er kalt und zieht mit einem Ruck den ReiÃverschluss zu.
Nein. Ich bin schwanger, sagt sie direkt.
Was? Seine Wimpern flattern, seine Augen werden immer gröÃer.
Du hast mich schon verstanden, diesmal ist es sie, die kalt wirkt.
Oh man. Ich hoffe doch, er ist glücklich!, murrt Michael laut, greift nach dem Rucksack und geht kopfschüttelnd an ihr vorbei ins Wohnzimmer.
Wer?, fragt Maggie verständnislos und folgt ihm.
Na John, sagt Michael.
Warum sollte er?, fragt sie verwirrt.
Na ja... erst schläft er mit meiner Freundin... und dann schwängert er sie auch noch! Er sieht sie nicht an. Es fällt ihm schwer ihr zu zuhören, ihren einzigartigen Geruch auf seiner Haut zu spüren. Seine Kehle brennt, mit jedem weiterem Wort ein bisschen mehr. Ihre Worte, ihre Stimme... brennt sich tief in seine Seele. Ihre Anwesenheit reiÃt tiefe Furchen in sein Herz, doch sie sieht das Blut nicht, das heraus tropft und ihn langsam aber sicher in sich zusammen sinken lässt.
Michael... John ist nicht der Vater, sagt sie leise und nimmt ein Kissen von der Couch.
Ach, gab es noch mehr?, fragt er kalt. Eigentlich will er es nicht sagen. Aber es rutscht ihm einfach so raus. Warum, weià er selbst nicht.
Du bist der Vater, verdammt!, ruft sie ungeduldig aus und schmeiÃt das Kissen auf den FuÃboden. Tränen stehen in ihren Augen. Es sind Tränen der Verzweiflung. Des Schmerzes. Doch er sieht sie nicht. Will sie nicht sehen. Was sie getan hat, tut ihm weh, und er versucht alles zu tun, um den Schmerz nicht mehr zu spüren.
Woher weiÃt du das so genau? Machst du jetzt DNS Analysen mit deinem Röntgenblick?, spottet er, doch er selbst findet nichts daran lustig.
Nein. Aber nach John hatte ich meine Tage, sagt sie und wendet ihren Blick von ihm ab, sieht aus dem Fenster.
So?, sagt er heiser.
Ja. Mensch Michael, jetzt sei doch nicht so ekelhaft kalt! Ich erwarte ein Kind von dir, verdammt noch mal! In ihrer Stimme schwingt so viel Wut und Trauer mit, dass Michael erschrocken zusammen zuckt. Er fängt sich jedoch schnell wieder, beiÃt die Zähne zusammen und schiebt den Rucksack mit dem Fuà ein Stückchen weiter der Tür entgegen, während er den Drucker an sich nimmt. Schweigend geht er bis zur Tür, öffnet diese und geht nach unten. Maggie bleibt alleine zurück, doch sie weià ganz genau, dass er wieder zurückkommt. Dass er nur den Drucker zum Wagen bringt.
Keine drei Minuten später steht er wieder vor ihr. Er nimmt den Rucksack und wirft ihn sich über die rechte Schulter. Bevor er nach dem Koffer greift, der im Eingang steht, dreht er sich noch einmal zu Maggie um und ergreift das Wort. Ich... du musst mich schon ein bisschen verstehen. Ich kann dich nicht ansehen, ohne dass es mir kalt den Rücken runter läuft. Ich bin dabei den Respekt vor dir zu verlieren, und das ist absolut nicht gut, seine Stimme klingt traurig, und Maggie steigen erneut Tränen in die Augen. Sie hat alles vermasselt. Sie macht immer alles kaputt. Warum kann sie nicht einmal zurück stecken, einfach nur ein bisschen mehr an andere denken? Ihr Leben lang ist ihr das nicht schwer gefallen. Doch nun, wo sie weiÃ, dass Michael nichts anderes übrig bleibt, als zu gehen, denkt sie egoistisch. Sie will nicht, dass er geht. Aber sie weiÃ... sie hätte es sich vorher überlegen sollen.
Seine Stimme reiÃt sie aus ihren Gedanken. Er hat den kleinen Koffer mit dem Fuà vor die Tür geschoben und sieht sie nun noch einmal an. Sie erkennt ihn kaum wieder, die Tränen verschleiern ihr die Sicht.
Du erwartest nun von mir, dass ich dir verzeihe, nachdem du mich betrogen und hintergangen hast, sagt Michael, und seine Stimme klingt schneidend, scharf, legt es darauf an sie zu verletzen. Er weià nicht warum, doch seine Worte werden geführt, von einem Gefühl, das er nicht kannte. Er will ihr weh tun, sie verletzen... ihr zeigen, wie schmerzvoll es für ihn ist. Und doch bricht es ihm das Herz die Tränen nicht aus ihren Augen wischen zu können. Du willst, dass wir erneut zusammen ziehen, damit dein Kind einen Vater hat. Aber ich denke nicht, dass es eine glückliche Kindheit wird, wenn ich durch deinen Anblick immer wieder daran erinnert werde, dass du und John euch so nahe wart. Und dass du dachtest mit deinem ersten âIch liebe dich!â alles wieder in Ordnung bringen zu können! Nein! So einfach geht das nicht, Maggie! Vier Jahre! Vier Jahre, Maggie! Einfach so über Bord geworfen! Für eine Nacht! Denk mal darüber nach! Und das nächste was sie hört, ist die Tür, die krachend ins Schloss fällt.
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