Schattenbilder der Qual (Twilight)
#8

Dankeschön!
Merkt man das ich Jacob nicht mag? Wink

Ok, hier der letzte Teil, auch, wenn ich nicht mehr viel Hoffnung auf mehr als ein zwei FB's habe

*****


Immer, wenn ich nach dem Leben greif,
spür ich, wie es zerbricht.


Er hatte aufgehört in ihr Haus zugehen. Alles was er dort hätte finden können, hatte er bereits gesehen. Es gab keine ungelüfteten Geheimnisse, keine verborgenen Tagebücher, keine Zeitspanne ihres Lebens, die er inzwischen nicht kannte.
Ein Grund, der einzige Grund, aus dem er seiner Gewohnheit überhaupt solange, über Wochen hinweg, treu geblieben war, war Charlie.
Charlies Erinnerungen, um genau zu sein. Jede Nacht hatte er ihnen gelauscht. Sie reichten über Bellas Geburt bis zu ihrem Fortgang. Über ihre gemeinsame Zeit jeden Sommer bis zu ihrer entgültigen Rückkehr. Streit. Glückliche Momente. Kummer. Angst. Misstrauen. Hoffnung. Alle Gefühlslagen, die Eltern durchlebten, hatte auch er erlebt, wenn auch nicht selbst, er selbst würde sie nie erfahren, sondern durch Charlie.
Nachdem er zwei Nächte da gelegen hatte und die selben Geschichten bereits zum zweiten, dritten Mal hörte, hatte er aufgehört.
Was brachte es ihm schon? Ihr Duft war inzwischen kaum noch wahrnehmbar, alles was er spürte, wenn er auf ihrem Bett lag, die Nacht tot schlug, waren Schmerzen. Schmerzen, die nicht besser, nicht weniger wurden, solange er immer wieder hier her kam.
Nach allem, war ihm die Entscheidung so leicht gefallen. Es gab keine Zweifel, keine Reue. Er musste nicht in ihrem Zimmer sein, um sich an sie zu erinnern.
Also, lag er nun, anstatt auf ihrem Bett, auf dem nackten Boden seines alten Zimmers. Erlebtre erneut die schönsten Momente mit ihr, versuchte sich zu überzeugen, das es Zeit war sich zu verabschieden.
‚Edward!‘ Er hörte Alice und doch wusste er, das er sie nicht hören konnte. Ihre Stimme war in seinem Kopf, hatte sich aus dem Sumpf von Gedanken erhoben. Er brummte leise. ‚Denk bloß nicht dran zu verschwinden! Ich bin gleich da, warte auf mich.‘ Was wollte sie hier? Er richtete sich auf, fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Er kannte die Antwort. Hatte sie unterschwellig in ihren Gedanken mitschwingen hören. Sie wollte sich verabschieden. Hatte etwas für ihn. Wollte das er mit nach Hause kam.
Er hatte es nicht eilig nach unten zukommen. Er stieg Stufe für Stufe, in perfekter Imitation menschlicher Geschwindigkeit hinab.
Er hörte Alice‘ Wagen, als er gerade den letzten Treppenabsatz erreichte. Der Lautstärke zu urteilen, bog sie gerade in die Einfahrt ein. Sie drückte aufs Gas, beschleunigte ein letztes Mal, bis ihr Wagen schließlich vor der Eingangstür zum Stehen kam.
Er machte sich nicht die Mühe ihr die Tür zu öffnen, sondern setzte sich einfach auf die untersten Stufen der Treppe und wartete.

Sie kommunizierten nicht, nicht wirklich. Es gab nichts zu sagen. Sie stand vor ihm, begutachtete ihn. „Du warst jagen.“ Eine Feststellung. Er nickte. Er mochte es nicht in den Wäldern um Forks zu jagen, aber er hatte es nicht über sich bringen können, die Stadt weiter, als ein paar Meilen, hinter sich zu lassen. ‚Trotzdem siehst du mies aus.‘ Er reagierte nicht darauf, wusste noch nicht einmal, ob dieser, ihr Gedanke für ihn bestimmt gewesen ist.
Er mied ihren Blick, starrte stattdessen zu dem Podest, auf dem vor Monaten noch sein Piano gestanden hatte.
Sie gab ihre starre auf, setzte sich stattdessen neben ihn, versuchte nicht an das zu denken, was sie ihm sagen wollte, wollte nicht das er es in ihren Gedanken sah. Sie wollte aus laut aussprechen, wollte die Worte tatsächlich gesagt, nicht nur gedacht haben.
„Es ist Zeit, das du wieder zu uns kommst, Edward.“ Sie sah ihn von der Seite an. Er reagierte nicht, änderte nichts an seiner Haltung. „Edward, bitte, für mich?“
Die Frage, die bei diesem Satz mitschwang, ließ ihn seine Haltung wechseln. Er drehte sich zu ihr, traf ihren Blick. „Ich kann nicht. Noch nicht. Du kannst nicht verstehen...“ „Doch, Edward, ich verstehe es!“ Sie klang aufbrausend, aber nichts an ihrer Mimik, Gestik, verriet es „Ich verstehe es. Vielleicht weiß ich nicht wie es sich anfühlt, aber ich verstehe es!“ Schweigen. Stille. Stille, die nur er brechen konnte. „Ich kann... Ich kann nicht gehe, bevor ich mich nicht verabschiedet habe.“ ‚Ich weiß‘
Sie sprach es nicht aus, stattdessen griff sie nach ihrer Tasche, die sie neben sich gestellt hatte, als sie sich setzte. „Ich dachte, du hättest ihn vielleicht gerne.“
Er war überrascht. Sie war gut, verdammt gut. Er hatte es nicht kommen sehen, hatte es nicht in ihren Gedanken gesehen. Dieses kleine schwarze Döschen. Das, was sie für ihn hatte. Er nickte. Ja, ja, sie hatte recht.
„Gib mir noch einen Tag.“ Er sah sie an. Sie sah alles. Es stand in sein Gesicht geschrieben. Der Schmerz, die Angst, die Erinnerungen, die Reue. Alles was er in den letzten zwei Wochen durchlebt hatte lag offen vor ihr, so deutlich, so unübersehbar. ‚Ok!‘

Das Tageslicht schwand. Es war fließend, das er es kaum bemerkte. Aber vielleicht lag es auch daran, das er seit Stunden seinen Blick nicht mehr gehoben hatte. Seine Augen ruhten auf dem Grabstein.
Ihrem Grabstein, Bellas Grabstein. Erst heute morgen war er aufgestellt worden.
Weißer Stein, kein Marmor, aber nichts desto trotz, stach er auf diesem Friedhof hinaus. Alle anderen waren dunkler, einfach grau, grau marmoriert, schwarz-grau, keine weißen.

Isabella Marie Swan
13. September 1987 - 16. März 2006
Geliebte Tochter und Freundin


Die Inschrift hingegen unterschied sich in keinster Weise von dem Rest.
Einfallslos, simpel. So vieles mehr, hätte man über sie sagen können, eingemeißelt in diesem Stein festhalten können, für die Ewigkeit, wenn sie schon nicht für die Ewigkeit war.
Zum ersten Mal seit er sich ihrem Grab genährt hatte, ließ er sich auf die Knie fallen. Wäre er ein Mensch, sein Gesicht wäre nass, von den Tränen, die unkontrolliert über seine Wangen fließen würden. So, saß er nur da, betrachtete den Stein, fühlte wie sein Innerstes rebellierte, schmerzte, sich verkrafte, seine Hände zum Zittern brachte. Er hatte ihr so viel sagen wollen, so viele Dinge waren unausgesprochen, aber keine Worte, kein Wort, das er in seinen hundertfünf Jahren aufgeschnappt hatte, umfasste, beschrieb, was er fühlte.
Das war es. Der Moment, in dem alles zu Ende ging, weil er nicht da gewesen war, weil er sie nicht gerettet hat, weil er ihr nicht hatte helfen können.
Er wollte sich nicht vorstellen, wie sie da lag, in ihrem Sarg, Meter unter der Erde, aber er konnte sich nicht dagegen wehren. Die Vorstellung überrannte ihn, wie die Erinnerungen ihn überrannt hatten. Als würde es nicht reichen, das er Charlies Erinnerung teilte. Bella, seine Bella in einem Leichensack.
Diese Qualen, diese Qualen, sie konnten nicht schlimmer sein als die Hölle selbst. Qualen, die so schnell nicht vergehen würden und trotzdem, trotzdem glaubte er daran weitermachen zu können.
Zum einen hatte er Romeo immer verabscheut, zum andern wusste er, war sich sicherer, als er jemals zu vor gewesen war, das sein Tod, sein aufgeben, nicht das war, was Bella sich wünschte.
Er war nicht für sie da gewesen, als sie ihn am meisten gebraucht hätte, aber das hieß nicht, das er ihr nicht doch noch einen gefallen tun könnte. Er konnte etwas tun, etwas das immer so wichtig für sie gewesen war, vielleicht sogar etwas wichtiger als er. Er konnte dafür sorgen, das es ihrer Familie gut ging.
Konnte ein Auge auf Charlie werfen, auf Renée, konnte versuchen, das Unglück, das ihre Tochter eingeholt hatte, von ihnen fernzuhalten.
Er konnte nicht immer, nicht jede Stunde, jeden Tag, auf sie achten, aber wenigstens, die gröbsten, die schwerwiegensten Ereignisse, konnte er versuchen, abzumildern.
Und es gab noch etwas das er tun konnte. Er konnte dafür sorgen, das sie niemals ganz vom Antlitz der Erde verschwinden würde. Irgendwann, wenn weder Charlie, noch Renée dazu in der Lage waren ihr Grab weiter zu unterhalten, zu pflegen, konnte er es tun. Er konnte sich darum kümmern, das ihr Andenken die Zeit überdauerte, wie auch er es tat. Das sie nie verschwinden würde, das auch in Jahrzehnten, Jahrhunderten, Menschen ihr noch gedachten, wann immer ihr Weg sie hier entlang führen würde.
Es war nicht viel, aber es war ein Grund für ihn weiter zumachen. Etwas zu tun, von dem er wusste, dass es ihr gefallen hätte. Etwas, dass wenigstens einen Teil der Schuld sühnen konnte. Etwas, dass seinen Schmerz weniger schlimm erscheinen ließ.
„Bella, Bella...“ Nur ihren Namen. Mehr konnte seine Stimme nicht tragen und doch steckte so viel darin, so viel, was nicht in Worten übermittelt werden konnte.
Er wendete seinen Blick nicht ab, schaffte es nicht seinen Augen auch nur für einen Bruchteil auf etwas anderes zurichten, während seine Hand den Weg seine Jackentasche fand. Das Metall war so kühl, gleichzeitig wärmer als seine eigene Haut. Seine Finger fuhren über das glatte Edelmetall, streiften den Diamanten.
Es hätte nicht so sein sollen. Nicht so. Nicht so schwer, nicht so schmerzvoll, nicht ohne ihr wissen, nicht ohne sie vor sich stehen zu haben. Ihre Augen zu sehen, ihr Lächeln.
Keine Frage konnte in diesem Moment gestellt werden, sie konnte nicht mehr antworten. Also, stellte er keine Frage.
Die Finger seiner freien Hand bohrten sich in die Erde, brachen ein kleines Stück Rasen hinaus, direkt unter einem der Gestelle, die dazu dienten die Trauerkränze zu halten.
Er legte das Stück behutsam zur Seite, zog seine andere Hand, die den Ring nun festumschlossen hielt, langsam aus der Tasche.
Er warf einen kurzen Blick auf den Ring, bevor er ihn in dem kleinen Loch verschwinden ließ.
Er konnte ihr nichts mehr geben, nichts, was sie erreicht hätte, aber so, so konnte er sich wenigstens einreden, sich etwas Hoffnung erlauben, das sie es sah. Das sie sah, und wusste, was sie ihm bedeutete, bedeutet hatte, immer bedeuten würde.
Er verdeckte das Loch, klopfte den Rasen etwas fest, bevor er aufstand.
Die Kränze, die Sträuße, alles war vertrocknet, niemand hatte sich bisher darum gekümmert es wegzuräumen.
Mit seinen schmalen Finger griff er nach einer der Rosen, deren roten Blätter, längst braun waren. Vorsichtig löste er die Blüte, hielt sie vor sein Gesicht, betrachtete sie genauer. Verblüht.
Langsam schloss er seine Hand darum, fühlte wie sie nach gab. Dazu brauchte man keine vampirischen Fähigkeiten, nichts der gleichen war nötig.
Als er seine Faust wieder öffnete, war nicht mehr da. Nur noch Staub, kleine braune Flusen. Er drehte seine Hand. Der Staub rieselte nach unten, wurde von einem Windhauch erfasst und war weg.
So ging es ihm mit allem, mit allen Dinge, die nicht Teil seiner Welt waren.
Erst war es da, dann weg. Musiker, zum Beispiel, die er verehrt hatte, um es in kleinerem, unbedeutenderem Rahmen darzustellen.
Gegenstände, Pflanzen, Menschen. Erst in voller blühte, dann verwelkt, trocken und irgendwann, irgendwann, während er immer noch auf dieser Welt wanderte, würden sie zu Staub werden.


*****

Die Daten auf Bellas Grabstein stammen aus den Büchern bzw. von http://www.twilightlexiconblog.com



some people were concerned about whether the Winchesters survived
and everybody was concerned about whether the car survived [Eric Kripke]
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Schattenbilder der Qual (Twilight) - von ~sophie~ - 10.07.2008, 20:50
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