Neverlost (Twilight)
#17

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[Bild: chap3.jpg]
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In ihrem ganzen Zimmer gab es bei Nacht, insofern die Deckenlampe ausgeschaltet war, nur zwei Lichtquellen, das Display ihres Radioweckers und das ihres Telefons, und genau diese Beiden waren es, die sie nicht einschliefen ließen.
Wenn sie ehrlich war, waren sie es nicht, aber es war einfacher ihnen die Schuld zugeben, als der Unterhaltung mit Mr. Newton und ihrer kleinen Auseinandersetzung mit Finn.
Seit sie nach Hause gekommen war, wälzte sie sich in ihrem Bett hin und her. Vieles von dem was Mr. Newton erzählt hatte, passte zu den Horrormärchen ihres Großvaters, passte zu gut, als das es nicht stimmen könnte, aber es konnte nicht stimmen.
Resigniert gab sie einen grummelnden Ton von sich, riss ihre Bettdecke von ihrem Körper und stand aus dem Bett auf. Innerhalb weniger Sekunden hielt sie ihr Telefon in der Hand und drückte die Schnellwahltaste. Sie war sich sicher, dass er schon schlief, aber er beschwerte sich nie darüber, wenn sie ihn mitten in der Nacht mit einem ihrer Anrufe weckte, außerdem waren Ferien und obendrauf war noch Wochenende, wenn er wollte, konnte er bis Mittags um zwölf schlafen.
Es klingelte einige Male, und sie rechnete schon fast damit gleich die Computerstimme seines Anrufbeantworters zu hören, als er abnahm
“Was?”
Seine Stimme war mehr ein rauchiges Genuschel, als ein deutliches, verständliches Wort, aber es kümmerte sie nicht.
“Ich bin es.”
Sie hörte ihn stöhnen und es klang als hätte er sich wieder geradewegs in seine Kissen fallen lassen.
“Ich weiß. Was willst du?” Etwas wacher jetzt, aber noch lange nicht bei vollem Bewusstsein.
Sie seufzte “Es tut mir leid, aber die Geschichten von deinem Grams haben mich echt aus dem Konzept gebracht.”
“Das hab ich gemerkt, deswegen dachte ich auch, du würdest gerne reden.” Er klang immer noch schläfrig, obwohl nichts mehr darauf hin deutete, dass er noch vor einer Minute in einer Tiefschlafphase gewesen ist.
“Du kennst mich. Ich muss alles immer erst mit mir aus machen, oder es wenigstens versuchen!” Sie versuchte fröhlich zu klingen, unbekümmert, als sei dieses Gespräch, nur das was es seien sollte, eine triviale Unterhaltung zwischen Freunden.
“Ich gehe fast davon aus, dass letzteres zutrifft, oder?”
Manchmal hasste sie es, wie gut er sie kannte und dann wieder, war es genau die Eigenschaft, die ihn als ihren besten Freund auszeichnete. Sie antwortete nicht und wusste, dass es ihm Antwort genug wäre.
“Na dann, schieß los. Ich hör zu.”
Sie lächelte matt, wohl wissend, dass er es nicht sehen konnte. “Eigentlich ist es nicht viel, nur, also, Grandpa hat immer behauptet, dass die Cullens Vampire wären und das sie meine Tante getötet haben.” Sie machte eine Pause, betete, dass Finn nicht wieder eingeschlafen war.
“Das waren die Horrorgeschichten, die er dir erzählt hat? Joey, glaub den Mist doch nicht”, kam es nach einem Moment von der anderen Seite der Leitung.
“Aber (kein Komma) es passt”, seufzte sie “Dein Opa hat gesagt, sie waren immer zu blass, haben nichts gegessen...” Ihre Stimme sackte ab. Wie bescheuerte es klang! War Wahnsinn vererbbar? Wenn ja, hatte sie wohl eine volle Ladung abbekommen. “Finn, vergiss es einfach. Ich bin übermüdet, das ist alles.”
Sie hörte ihn leise lachen “Das glaube ich auch. Hey, versuch zu schlafen. Wir sehen uns morgen?”
Sie atmete tief durch und schloss die Augen.
Sie wurde wahnsinnig, eine gute Erklärung. “Ja, morgen.”

Samstage waren oft die langweiligsten Tage der Woche, obwohl sie voll gepackt waren, mit Dingen, die erledigt werden mussten.
Seit ihre Mutter vor einigen Jahren wieder angefangen hatte zu arbeiten, waren es die Tage an denen es an ihr lag, aufzuräumen, die Wäsche zu waschen und das Mittagessen zu kochen, und es war der einzige Tag der Woche, an dem wenigstens ein Mensch da war, mit dem sie gemeinsam Essen konnte. Ihr Dad.
Es war eine Art von Samstags Ritual.
Sie stand auf, frühstückte, räumte auf, schmiss die Waschmaschine an und kochte eine Kleinigkeit.
Gegen ein Uhr trafen sie sich dann in der Küche. Diese Samstagmittage waren die einzige, richtige Gelegenheit, die sie hatten, um sich zu unterhalten, da ihr Vater unter der Woche oft erst spät Abends nach Hause kam. Sie mochte diese Tage. Sie genoss die Zeit mit ihrem Dad.
Ihre Beziehung war oft nicht die einfachste gewesen, aber das waren die Beziehungen zwischen Vater und Tochter nie, und doch war der Samstag ihnen auch in diesen Perioden heilig gewesen.
Während sie noch etwas Kartoffelpüree auf ihren Teller löffelte, saß ihr Vater bereits am Tisch.
Während sie aßen, sprachen sie nicht und sie hatte nicht vor diesen Teil des Rituals heute umzustoßen, aber die Fragen, die sich ihr aufgetan hatten, brannten in ihr und ließen sie daran zweifeln, dass sie die Geduld hatte auf die Antworten, bis nach dem Essen zu warten.
Als sie schließlich am Tisch saß, konnte sie nicht anders, als ihre Portion förmlich zu verschlingen.
Ihr Vater hatte seinen Teller schon fast leer und sie wollte nicht noch Zeit verlieren, weil sie selbst noch nicht fertig war. Ihr Magen rebellierte zwar leicht gegen die heißen Nahrungsmittel, die ihn zu schnell füllten, aber immerhin schaffte sie es, fast zeitgleich mit ihrem Dad fertig zu werden.
Ihr Vater lehnte sich gerade gemütlich in seinem Stuhl zurück, als sie die letzte Gabel voll Gemüse in ihrem Mund verschwinden ließ.
“Hast du heute noch was vor?” Ihr Vater bedachte sie mit einem fragenden Blick.
Ihre Hast war ihm nicht entgangen. Sie schüttelte den Kopf, während sie noch am Kauen war.
Sie schluckte “Finn kommt nachher noch rüber, aber sonst nichts.”
Sie wusste nicht, wie sie anfangen sollte. Gerade die Dinge, die sie wissen wollte, waren die, über die ihr Vater nicht gerne sprach. Wer redete schon gerne darüber, dass man von einem Wahnsinnigen abstammte?
Ohne ihren Vater anzusehen, stellte sie ihre Teller zusammen und stand auf, um sie in den Geschirrspüler zu räumen.
Während sie ihrem Vater den Rücken zu gedreht hatte, fing sie zögernd an zu reden.
“Mr. Newton hat mir gestern von Isabella erzählt und von Edward. Er meinte, es gebe viele ... Kleinigkeiten, die ihr Verschwinden irgendwie seltsam erscheinen lassen.”
Joana drehte sich um, schaute ihren Vater an. Er hatte sich auf seinem Platz aufgerichtet, seine Ellbogen lagen auf dem Tisch.
“Ich weiß nicht sehr viel mehr als du”, gab er zu, während sein Blick ihre Augen traf.
“Es gibt Ungereimtheiten, ja, aber dein Granpa hat immer versucht die Einzelheiten von mir fernzuhalten und ich habe nie gefragt.”
“Aber, irgendetwas musst du wissen. Kurz, bevor er starb hat er so viel von ihr geredet...“
“Hirngespinste”, unterbrach ihr Vater sie. Sein Blick ruhte immer noch auf ihr. Sie seufzte. Langsam ging sie wieder zu ihrem Stuhl und setzte sich, ohne dabei den Blickkontakt mit ihrem Vater zu unterbrechen.
“Ok, ich frage anders. Was weißt du?”
“Joana, diese Sachen, diese Tragödie, liegt in der Vergangenheit. Es ist nichts, worüber du dir Gedanken machen musst.”
“Ich mache mir aber Gedanken.” Ihre Hände landeten mit einem leisen Klatschen auf der Tischplatte “Nenn es geschichtliches Interesse, wenn du willst!”
Ihr Vater schaute sie ungläubig an “Wäre es nicht sinnvoller, dein geschichtliches Interesse für deine Schulnoten zu investieren?”
“Wir haben Ferien!” Sie presste die Lippen zusammen.
Ok, er hatte recht, ihre Geschichtsnoten waren nicht die Besten, aber das hier war etwas anderes. Es war nicht irgendein geschichtliches Ereignis, irgendetwas, das im Sechszehntenjahrhundert geschehen ist, es war ihre Familiengeschichte.
Ihr Vater lachte kurz auf.
“Schon klar. Also, was ich weiß, ist, das sie in Mathe schlechter war als ich. Sie war verantwortungsbewusst und etwas ungeschickt. Meine Eltern haben gelegentlich wegen ihr gestritten.”
Den letzten Teil sprach er leise, fast, als würde er hoffen Joana könnte ihn überhören, aber sie tat es nicht.
“Warum?”
“Dein Großvater gab sie nie wirklich auf. Sie zu suchen war zwar zwecklos und irgendwann investierte er kaum noch Zeit dafür, aber er wartete, darauf dass sie zurückkam. Sie hatten einmal einen Streit, ich war gerade dreizehn, vielleicht auch vierzehn, er behauptete sie gesehen zu haben. Meine Mutter, als Psychologin, glaubte ihm nicht. Daraufhin fing er an zu schreien. Ob sie glaube, er habe den Verstand verloren, er als Chief, der immer bei klarem Verstand sein musste.”
Ohne, dass sie es gemerkt hatte, hatten sich ihre Augen geweitet. Ihre Gedanken setzten sich langsam zu einem Bild zusammen und die Frage war ausgesprochen, bevor sie sie überhaupt gedacht hatte.
“War es das wovon er sprach, als, als er starb?”
Auch wenn sie es sich nicht gerne eingestand, es erschreckte sie, als ihr Vater den Kopf schüttelte.
“Bei dem Streit sagte er, sie habe am Waldrand gestanden und das Haus beobachtet. In der Nacht in der er verstorben ist... Er hat behauptet, sie habe in seinem Zimmer gestanden, neben seinem Bett, sie habe ihm über die Haare gestrichen, aber kein Wort gesprochen.”
Ihr Vater brach ab, schaute auf seine Hände, die ebenso flach auf der Tischplatte lagen, wie ihre eigenen.
“Also, hat er sie zweimal gesehen.” Eine Feststellung, keine Frage.
Ihr Vater schüttelte vehement den Kopf “Nein, er glaubte, er hätte sie zweimal gesehen.”
“Richtig.” Joana nickte. Er glaubte, er hätte.
Natürlich konnte er sie nicht wirklich gesehen haben. Sie hörte wie ihr Vater tief einatmete, als sie ihn anschaute, war er bereits dabei aufzustehen.
“Wenn du wirklich mehr wissen willst, solltest du auf den Dachboden gehen. Bei den alten Sachen deines Granpas sind Notizbücher dabei, er hat jedes wichtige Ereignis kurz notiert. Eine Angewohnheit von ihm. Schon bevor deine Tante verschwand hat er zu jeder seiner Tätigkeiten als Chief kurze Notizen gemacht, er hat sie mir einmal gezeigt, ein Datum, Name und Adresse und der Grund, aus dem er dorthin gerufen worden war. Später hat er das selbe mit den Ereignissen während der Suche und den Jahren danach gemacht.”
Er betrachtete seine Tochter, mit einem nachdenklichen Ausdruck in den Augen.
Sie erinnerte ihn oft an seine Mutter, vor allem in Situationen wie dieser. Sie wollte hinter die Dinge schauen, erkennen was sie bedeuteten. So war auch seine Mutter gewesen, deshalb war sie Psychologin geworden und hatte in diesem Beruf für die Polizei gearbeitet. Es gab ihr die Möglichkeit Einblicke zu erlangen. Aber die Person, bei der es ihr am wichtigsten gewesen wäre hinter die Fassade zu blicken, hatte es nie zugelassen.
Sein Vater hatte immer alles dafür getan, um nicht von ihr analysiert werden zu können. Als er selbst kleiner gewesen ist, hatte er es für ein Spiel gehalten. Es war witzig ihnen zuzusehen. Seine Mutter, Moira, hatte Fragen gestellt und sein Vater hatte versucht sie mit falschen Antworten in die Irre zuführen. Teilweise waren seine Antworten so absurd gewesen, dass man nicht anders konnte, als lauthals zu lachen.
Er verließ die Küche. Es gab nichts mehr zu sagen. Er hatte Joana alle Informationen gegeben, die er ihr geben konnte und es lag an ihr, ob ihr geschichtliches Interesse wirklich dazu ausreichte, um mehr daraus zu machen.
Sein Weg führte ihn ins Wohnzimmer, bevor er sich auf der Couch niederließ schaltete er den Fernseher an. Gerade lief auf einem der Sportkanäle ein Rückblick auf das letzte Spiel der Seattle Seahawks. Er hörte kaum ein Wort, das der Sportmoderator sprach.
Das Gespräch mit Jo hatte seine Erinnerung zum Leben erweckt und ganz langsam erinnerte er sich an etwas, was über die kleinen Zankereien seiner Eltern hinaus gingen.
Er erinnerte sich an einen Abend, eine kurze Unterhaltung, die er mit seinem Vater geführt hatte.
Es waren nur noch wenige Wochen bis zu seinem High School Abschluss, die Prüfungen standen kurz bevor, seine College Auswahl hatte er schon getroffen, er hatte sich sogar schon auf sein Hauptfach versteift, etwas, was nur wenige seiner Mitschüler von sich behaupten konnten. Er würde Rechtswissenschaften studieren. Alles, was ihm noch fehlte war sein Diplom und um es zu bekommen hatte er den ganzen Mittag mit Beverly, Jeremy und Meg gelernt.
Er war gerade erst zur Haustür reingekommen, als sein Vater ihn aus dem Wohnzimmer rief.
“Hey Dad!”
“Komm her, Jeff!” Sein Vater klopfte mit der flachen Hand auf die Couch. Er hatte den Ton des Fernsehers ausgeschaltet, aber seinen Augen verließen den Bildschirm nicht. Er kam der Bitte nach und wartete geduldig darauf, dass sein Vater etwas sagte oder zumindest das los wurde, was er anscheinend loswerden wollte.
“Du bist achtzehn.”
Wie auch sein Vater, hatte Jeff den Blick auf den Fernseher gerichtet. Die Seahawks spielten gegen Los Angeles Avengers. Es schien kein sehr spannendes Spiel zu sein. Es lief schon seit einer Weile und bisher hatte weder das eine noch das andere Team viele Punkte erzielt und außerdem hätte sein Vater ihn nie zu sich gerufen, wenn es anders wäre.
Die Feststellung seines Vaters irritierte ihn, aber er hatte kaum eine Wahl als darauf zu antworten.
“Ja”, sagte er knapp. Aus dem Augenwinkel sah er, wie sein Vater bedächtig nickte.
“Du wirst erwachsen.”
“Jap.” Wieder blieb ihm nichts anderes übrig.
Sein Vater schwieg. Dieses Gespräch, wenn man es überhaupt so nennen konnte, hatte seltsame Formen angenommen.
“Du wirst aufs College gehen.”
“Jap.”
“Du hast aber nicht vor schon bald zu heiraten, oder?”
Er blinzelte ein paar mal. “Dad, was zum...”
Sein Vater unterbrach ihn mit einer schroffen Handbewegung “Ich wollte nur fragen”, versuchte er sich zu erklären.
“Es geht um sie, oder nicht?” Plötzlich war es ihm klar, was sollte es auch sonst sein. Es ging um Isabella. Es ging so oft um Isabella.
Sogar, als er das erste Date hatte, hat sein Vater es geschafft das Thema auf sie zu lenken. Dabei hatte er versucht witzig zu klingen, aber er selbst, wie auch seine Mutter hatten erkannt, dass hinter den Fragen seines Dads, nach ihrem Hauttyp, ihren Augen, ihren Essgewohnheiten, mehr gesteckt hatte.
Sein Dad reagierte auf seine Frage nicht, aber er zweifelte nicht daran, dass er ihn gehört hatte.
“Warum kannst du sie nicht einfach loslassen, Charlie?” Er atmete tief durch “Sie ist weg, tot.”
Zum ersten Mal, seit er das Wohnzimmer betreten hatte, wendete sein Vater sich ihm zu.
“Weil sie meine Tochter ist, so wie du mein Sohn bist. Wenn du selbst mal Kinder hast wirst du es verstehen. Du lässt sie erwachsen werden, lässt zu, dass sie ihre eigenen Wege gehen, immer mit dem Wissen, dass sie da sind und zu dir kommen werden, wenn sie dich brauchen. Egal, was passiert. Damit kann man nicht einfach aufhören, damit sich zu sorgen und erst recht nicht kann man sich dazu bringen sie einfach vergessen.”
Jeff schüttelte den Kopf. Ließ die Erinnerung los. Nachdem sein Vater gestorben war, hatte er fast geglaubt, dass auch Isabella nun endlich Ruhe finden würde, aber seine Tochter hatte ihn an diesem Mittag eines Besseren belehrt.


Joana war einen Moment sitzen geblieben, überlegte, ob sie es wagen sollte, sich die Notizbücher anzusehen.
Als sie sich von ihrem Stuhl erhob, hatte sie ihre Entscheidung getroffen.
Sie verließ die Küche und lief die Stufen in den ersten Stock hinauf. Im Flur blieb sie vor einer schmalen Tür stehen. Wer nicht wusste, dass dieses Haus einen Dachboden besaß, hätte die Tür für einen Wandschrank gehalten, aber hinter ihr verbarg sich die Treppe. Sie öffnete sie und betätigte den Lichtschalter an der Wand daneben. Zielstrebig stieg sie die Treppe hinauf.

Der Dachboden war düster, aber durch das Licht der einzelnen Glühbirne hell genug, um die Umrisse der Kisten und Schränke und verschiedene Farben zu erkennen.
Er war bei weitem nicht so vollgestellt, wie man sich einen Dachboden vorstellte. Links neben ihr stand ein alter Kleiderschrank, seine Türen waren geöffnet, in ihm standen zwei Pappkisten, die nur sperrlicht gefüllt waren. Aus einer hingen gelbe Stofffetzen hinaus.
Sie konnte nicht genau sagen, was es war, aber ihr Instinkt sprach von Vorhängen, oder zumindest etwas ähnlichem. Rechts stand eine alte Wiege, mit blauem Himmel und rundherum stapelten sich die Verpackungen von altem Baby- und Kinderspielzeug.
Dahinter stand eine Wickelkommode, deren Auflage in Mülltuten verpackt zu seien schien.
Alles in allem Gegenstände, die man durchaus auf einem Dachboden erwartete, aber sie suchte etwas anderes. Schritt für Schritt tastete sie sich weiter in den Raum hinein. Jede Diele, wirklich jede, die sie berührte knarrte unsicher unter ihrem Gewicht.
Es fühlte sich so an, als würde sie auf dünnen Planken gehen und nicht auf einer stabilen Unterkonstruktion.
Erst als sie näher an die alten Möbelstücke und Andenken heran kam, erkannte sie die zentimeterdicke Staubschicht, die Spinnweben, die alles überzogen.
Gut, dass sie niemand war, der sich vor Spinnen ekelte. Sie mochte sie nicht, aber sie ekelte sich auch nicht vor ihnen.
Dichter an der hinteren Wand, fast im hintersten Winkel des Dachbodens, erkannte sie schließlich einen Stapel aus Pappkarton, der vielversprechend aussah.
Die Kisten waren nicht so stark verstaubt, wie die dichter beim Eingang, aber auch nicht so sauber, wie jene mitten im Raum.
Für den Moment ignorierte sie das Knacken des Holzbodens und bewegte sich etwas zügiger darauf zu. Sie stand bereits davor, als ihr die Aufschrift auffiel. Dad’s. In der Handschrift ihres Vaters.
Sie nahm die erste von vier Kisten an sich und stellte sie direkt vor sich auf den Boden, bevor sie sie öffnete.
Kleider. Hemden, Hosen, ein Jackett.
Sie zog einen Teil der Sachen hinaus, um sicher zugehen, dass sich darunter nichts verbarg, was sie interessieren würde.
Ok, Fehlgriff Nummer eins.
Sie nahm den nächsten Karton vom Stapel, schon während sie ihn hob, dämmerte ihr, dass diese Kiste mehr versprach. Sie war schwerer, ihr Boden hing leicht durch, als sie sie hochhievte und schließlich auf dem Boden abstellte.
Als sie den Deckel öffnete, erblickte sie direkt einen Teil der Andenken, die sie gesucht hatte. Mehrere Augenpaare starrten ihr aus der Kiste entgegen. Bilderrahmen.
Bilder von ihrem Grandpa Sie nahm den ersten hinaus. Das Bild zeigte ihren Großvater in sehr jungen Jahren mit einer eben so jungen Frau. Die Frau hatte braunes Haar und trotz des trüben Lichts, konnte Jo deutlich den Rotstich erkennen, den es hatte.
Es musste seine erste Frau sein, die Mutter ihrer Tante. Auf dem nächsten waren wieder die beiden, aber diesmal mit einem kleinen Baby auf dem Arm.
Sie betrachtete das Bild einen kurzen Augenblick, dann legte sie es zu dem ersten. Vorsichtig hob sie die verbliebenen Bilder aus dem Karton, darunter fand sie Papiere.
Sie blätterte sie durch, nur um festzustellen, dass es nicht von Bedeutung war.
Alte Rechnungen, ein Kaufvertrag über einen Chevy Pickup, unterzeichnet von ihrem Granpa und einem Billy Black, die Kopien zweier Anmeldeformulare für die Forks Highschool, eins ausgestellt auf ihre Tante, im Jahr 2005 und das andere ausgestellt auf ihren Dad, 2024.
Sie legte die Papiere zurück und schob die Kiste beiseite, nur um den Platz direkt wieder mit der dritten Kiste zu belegen.
Diese Kiste war bis zum Anschlag gefüllt.
Der Großteil des Inhalts bestand aus Notizbüchern, der kleine Rest waren wieder mal, für sie, unnütze Papiere.
Joana machte sich nicht die Mühe alles durchzusehen, sie wusste auch so, dass diese Kiste der Jackpot war.
Ohne weiter Zeit zu vergeuden, legte sie die Bilderrahmen in den Karton, hob ihn hoch und machte sich auf den Weg in ihr Zimmer. Der Karton war schwer, aber nicht zu schwer, um sicher die Treppe hinunter zu kommen.
Ihre Zimmertür zu öffnen gestaltete sich da schon schwieriger, aber letztendlich gelang ihr auch das.
Die Kiste landete ohne Umschweife am Fußende ihres Bettes. Sie hatte den Deckel nicht geschlossen, daher hatte sie direkten Zugriff auf die Bilderrahmen, die beiden, die sie sich bereits angeschaut hatte, legte sie direkt zur Seite.
Die nächsten fünf zeigten immer nur ihre Tante, erst in der Grundschule, dann in einem Alter, in dem sie wahrscheinlich schon auf der Junior High war, eins von ihr beim Spielen hinterm Haus, eins auf dem sie ein Halloweenkostüm trug und eins in ihrem Talar zum High School Abschluss.
Sie war hübsch, wenn auch nicht außerordentlich hübsch. Braune Haare, mit dem leichten Rotschimmer, den auch ihre Mutter hatte, helle Haut, braune Augen.
Die übrigen Bilderrahmen enthielten, bis auf eines, Bilder von ihr und ihrem Vater. Das eine, das sie nicht mit ihrem Vater zeigte, zeigte sie mit ihrem Mann, an ihrer Hochzeit.
Er war groß und hatte Augen, die auf dem Bild schwer zu beschreiben waren. Sie tippte auf braun, wobei sie auf dem Bild golden, oder topasfarben aussahen.
Farben, die Augen eigentlich nicht hatten, oder zumindest hatte sie noch nie jemanden gesehen, dessen braune Augen einen so deutlichen Gelbstich besaßen. Die beiden gaben ein schönes, wenn auch ungleiches Paar ab.
Ihre Tante, Bella, hatte helle Haut, aber sie erkannte nun, warum Mike Newton gesagt hatte, die Cullens wären zu blass gewesen. Edwards Haut, die Haut ihres Onkels, war fast weiß, so weiß, dass sich die leichten, dunklen Ränder unter seinen Augen sichtbar vom Rest abhoben.
Seine ganze Erscheinung, wie er hinter seiner Frau stand, seine Arme um ihre Hüfte gelegt hatte, hatte etwas faszinierendes, etwas, was es ihr schwer machte das Bild zur Seite zulegen und das erste Notizbuch aus der Kiste zu holen.
Ihr Vater hatte Recht, die Notizen waren kurz und ziemlich schnell legte sie das erste, das zweite, das dritte und schließlich das vierte Buch zur Seite.
Sie deckten die Jahre von 1998 bis 2006 ab, also nicht die Jahre, die für sie interessant waren. Erst das fünfte Buch schien mehr bereit zuhalten.
Etwa ab der Hälfte änderten sich die Einträge, drehten sich nur noch um eine Sache.

20.1.2007 Bells ist verschwunden. Keine Chance sie zu erreichen, weder per Telefon, noch Handy. Seit einem Monat kam kein Brief mehr. Polizei in Sitka informiert. Laut Auskunft gibt es weitere Vermisstenmeldungen und es laufen Ermittlungen in einen Mordfall. Ebenfalls Studenten.

21.1.2007 Laut Information ihrer Vermieterin haben sie das College gewechselt. Studieren jetzt in Ketchikan.

22.1.2007 Weder ein Edward Cullen, noch eine Isabella Cullen (oder Swan) sind in Ketchikan eingetragen.

23.1.2007 Landesweite Suchmeldung ist raus. Carlisle Cullen hat ebenfalls keine Informationen über ihren Verbleib.

25.1.2007 Fahre selbst nach Sitka, um sie zu suchen.

2.2.2007 Ermittlungen haben keinen Erfolg. In Sitka erinnert nichts daran, dass sie jemals hier gelebt haben.

3.2.2007 ...
4.2.2007 ...
5.2.2007 ...

6.2.2007 Suchmeldung auf angrenzende Länder ausgeweitet.


Joana blätterte das Notizbuch weiter durch. Wirklich jeder Eintrag handelte von Bells, Bella, wie ihr Großvater sie nannte.
Die letzte Seite des Notizbuches war am 25.6.2007 beschrieben worden und über die Tage, Wochen, Monate hinweg, waren die Einträge immer hoffnungsloser geworden.
Es gab keinen Hinweis darauf, wo Bella sein könnte und die Polizei in Alaska war kurz davor die Ermittlungen in den Vermisstenfällen einzustellen oder sie zumindest auf Eis zu legen.
Das nächste Buch begann, wo das letzte aufgehört hatte. Sie blätterte weiter, bis sie schließlich im September angelangt war.

30.9.2007 Carlisle Cullen und seine Familie sind nicht auffindbar. Laut Krankenhaus hat seine Stelle gewechselt. Das Krankenhaus in Hartford, Connecticut hat nie von ihm gehört.

1.10.2007 Keine Spur von den Cullens.

2.10.2007 Cullen Haus noch in ihrem Besitz, steht nicht zum Verkauf.


Mit diesen Einträgen änderte sich erneut das Bild, das die Notizen vermittelten. Ihr Großvater wurde misstrauisch, immer mehr Einträge waren mit dem Vermerk “seltsam” markiert.
Die Monate zogen dahin, erst gab es in seinen Büchern noch täglich Einträge, dann, ab 2009 etwa, wurden sie seltener.
Hatten nun fast immer den Vermerk dabei stehen.
Sie las, was Mr. Newton ihr erzählt hatte, die Gerüchte, die Auffälligkeiten die dazu führten.
Ihr Großvater hatte sie alle notiert. Immer nur mit ein, zwei Worten.
Sehr blass. Häufig abwesend. Essen nicht. Schnelle Reflexe.
Und dann irgendwann, im neunten Buch, siebzehn Jahre nach ihrem Verschwinden, der erste längere Eintrag.

5.6.2024 Sie war hier. Ich habe sie gesehen. Sie stand am Waldrand. Keinen Tag älter, als zu dem Zeitpunkt, als ich sie das letzte Mal gesehen habe. Sie trug ein rotes T-Shirt und Jeans. Ich bin mir sicher sie hat mich gesehen. Kurz, nachdem ich ans Fenster trat verschwand sie. Sie war es. Ich weiß es.

Und da war es, dass Gefühl, das sie nicht mehr zweifeln konnte und doch zweifelte sie.
Es war als hätte sie zwei Gehirne, die sich mit ihrem Wissen und ihrem Glauben bekriegten. Das eine sagte ihr, dass sie Glauben konnte, selbst an Dinge, die eigentlich nicht existierten, nicht existieren konnten und das andere sagte ihr, dass Wissenschaften, Biologie, dagegen sprachen, wenn es sie gab, müsste es Beweise geben und die gab es nicht.
Nur die Aufzeichnungen eines Vaters der sich nichts mehr wünschte, als seine Tochter wieder zu sehen.

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Und noch ein kurzes p.s. für Mel - Ich weiß wieder woher ich den Ausdruck Grams habe, aus Dawson's Creek Wink

some people were concerned about whether the Winchesters survived
and everybody was concerned about whether the car survived [Eric Kripke]
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