30.01.2009, 16:16
2. Manchmal in der Nacht...
âFrau Hansen?â Langsam lieà sich ein älterer Herr auf einen Stuhl neben ihrem Bett sinken, betrachtete sie mit gerunzelter Stirn. âFrau Hansen, können Sie mich hören?â
Nicken. Der Arzt lächelte. âWunderbar...â Er holte ein Stethoskop hervor und begann vorsichtig, sie abzuhören. Bei jeder Berührung zuckte sie zusammen. Endlich drehte Katja ihren Kopf, sah Dr. Jung mit leeren, angsterfüllten Augen an.
âFrau Hansen...â Der Arzt runzelte besorgt die Stirn. âKatja... Können Sie mir sagen, was geschehen ist?â
Wieder ein Nicken. Sie schien zu einem Satz ansetzen zu wollen, doch so sehr sie es auch versuchte, kein Laut drang aus ihrem Mund. Sofort schossen ihr Tränen in die Augen.
âHey... Hey, das macht doch nichts...â Dr. Jung und wischte ihr vorsichtig die Tränen aus dem Gesicht. âEs ist okay, Katja... Strengen Sie sich nicht zu sehr an... Hier... Nehmen sie das... Das wird Ihnen guttun.â Vorsichtig holte er drei winzige Tabletten aus seiner Kitteltasche. Katja schüttelte hastig den Kopf, doch der Arzt lächelte nur. âIch will Ihnen doch nur helfen...â, flüsterte er. âVertrauen Sie mir...
âKatja? Hier ist jemand der dich sprechen will...â Lächelnd steckte Pfleger Mark seinen Kopf durch ihre Zimmertür. Verwundert sah die junge Frau von ihrem Buch auf. So viele Monate war sie nun schon in der Klinik, doch nie, niemals hatte sie Besuch bekommen. Von wem auch... Ihre besten Freunde, alle Menschen, denen sie wichtig gewesen war, die sich je für sie interessiert hatten, waren tot. Ausgelöscht von einem Fremden, einen Verrückten, innerhalb einer einzigen Nacht. Sie war die Einzige, die das Massaker überlebt hatte. So oft war die Polizei bei ihr gewesen, hatte sie zu den Geschehnissen dieser einen Nacht befragt, doch stets hatte sie geschwiegen. Denn in dem Moment, als die anderen ihr Leben verloren hatten, war dasselbe mit ihrer Sprache geschehen. Mark runzelte die Stirn. âKat?â
Erschrocken zuckte sie zusamen. Ihr Pfleger, der sich mittlerweile zu einem wahrend Freund entwickelt hatte, musste lachen. âSoll ich ihn reinschicken?â
Nicken.
âOkay...â Mark verschwand aus ihrem Blickfeld und kehrte wenige Minuten mit einem jungen Mann im Schlepptau zurück. Sogleich sie ihn erblickte, schlug sie sich die Hand vor den Mund, ihr ganzer Körper begann zu zittern. Vorsichtig, ganz vorsichtig trat Christian an ihr Bett, aber sie wich zurück, immer weiter. âKleine?â, fragte er leise. âHey... Freust du dich denn gar nicht, mich zu sehen?â
Keine Reaktion. Hilflos warf Chris einen Blick zu Mark, doch dieser zuckte nur mit den Schultern. âKatja... Jetzt schau mich doch wenigstens mal an...â
âWas willst du hier?â, fragte sie mit schwacher, erstickter Stimme. Erneut wandte sich ihr ehemals bester Freund an den Pfleger. âIch... ich dachte, sie hätte ihre Sprache verloren?â, zischte er ihm zu. Dieser nickte nur, ebenfalls erstaunt. Langsam kam Christian einen weiteren Schritt auf seine beste Freundin zu, schloss sie vorsichtig in die Arme. âIch hol dich hier raus, Kleine...â, flüsterte er ihr ins Ohr. âJetzt wird alles gut... Das versprech ich dir... Jetzt wird alles gut...â
âAber du... du bist...â
Er schüttelte den Kopf. âKatja... Ich bin nicht tot...â Ein kaum merkliches Lächeln umspielte seine Lippen. âHast du es denn noch immer nicht verstanden?â
Vorsichtig löste sie sich aus seinen Armen, sah ihm tief in die Augen. âWas, Christian?â, fragte sie leise. âWas?â
Mit einem Schlag gefror sein Lächeln. âDummes, dummes Mädchen...â, murmelte er. âWir leben noch... Wir alle... Es ist niemand gestorben...â
âDas.... das ist doch nicht möglich...â, flüsterte sie kaum hörbar. âIch... ich hab doch...â
âEs war ein Spiel, Katja... Nur ein Spiel...â
Endlich schien sie zu verstehen. âMistkerl...â, zischte sie. âDu gottverdammter...â Tränen der Wut schossen ihr in die Augen, sie gab ihm eine heftige Ohrfeige. âVerschwinde... Geh mir aus den Augen!â
âKatja...â
âNein!â, schrie sie ihn an. âIch will dich nie wieder sehen! Raus! MARK! Mark, verdammt!â Verzweifelt sah sie sich nach ihrem Pfleger um, doch er war nirgends zu sehen. âBring ihn hier raus!â, rief sie, in der Hoffnung, er würde kommen, sie befreien. Doch nichts geschah.
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