15.03.2009, 12:22
~DANKE~
Der nächste Teil ist schon in Arbeit :-)
Achtung: automatische Beitragszusammenführung!
Tja, es ist zwar nich nicht so viel FB gekommen, aber da ich den nächsten Teil schon fertig hab, stell ich hin jetzt gleich rein.![Wink Wink](https://forum.gilmoregirls.de/images/smilies/wink.gif)
Als ich das erste Mal Mutter geworden war, lag ich nachts im Bett und stellte mir alle möglichen Schrecknisse vor: der Biss einer Qualle, der Geschmack einer giftigen Beere, das Lächeln eines Fremden, der Sprung ins flache Wasser eines Pools. Ein Kind kann durch so viel Schaden nehmen, dass man meinen könnte, eine Person allein kann unmöglich für seine Sicherheit sorgen. Als meine Kinder älter wurden, veränderte sich lediglich die Gefahren: Klebstoff inhalieren, mit Streichhölzern spielen, kleine rosa Pillen, die in der Schule auf der Toilette verkauft wurden. Selbst wenn man die ganze Nacht wach liegt, reicht die Zeit nicht aus, sich alle Möglichkeiten auszumalen, wie man die Menschen, die man liebt, verlieren kann.
Heute, wo sich eine davon konkretisiert hat, glaube ich, dass Eltern nur zwei Reaktionen zeigen, wenn sie erfahren, dass eins ihrer Kinder eine tödliche Krankheit hat. Entweder sie lösen sich zu einer Pfütze auf oder sie stecken diesen Schlag ein und zwingen sich, ihr Gesicht für weitere Schläge hinzuhalten. Insofern sind wir den Patienten wahrscheinlich sehr ähnlich.
Sarah liegt halb weggetreten auf dem Bett, die Portschläuche ragen wie eine Fontäne aus ihrer Brust. Von der Chemo musste sie sich 32 mal übergeben und ihre Mundschleimhaut ist so stark entzündet, dass sie klingt wie eine Mukovisidosepatientin.
Sie dreht den Kopf zu mir und will etwas sagen, doch hustet stattdessen Schleim hoch. âLuftâ, röchelt sie. Ich hebe das Saugrohr, dass sie umklammert hält und mache ihr den Mund und die Kehle frei. âIch mach damit weiter, während du dich ausruhstâ, verspreche ich, und so kommt es, dass ich für sie atme.
Eine Onkologiestation ist wie ein Schlachtfeld, und es gibt eine glasklare Befehlshierarchie. Die Patienten sind die einfachen Soldaten. Die Ãrzte kommen wie strahlende Helden hereingefegt, um gleich wieder zu verschwinden, aber sie müssen auf dem Krankenbett deines Kindes nachsehen, wie der Stand der Dinge beim vorherigen Besuch war. Die Krankenschwestern sind die fronterfahrenen Feldwebel â sie sind zur Stelle, wenn dein Kind so hohes Fieber hat, dass es in Eis gebadet werden muss, die bringen dir bei, wie man einen Portkatheter durchspült, oder geben dir einen Tip, aus welcher Stationsküche du noch Lutscher stibitzen kannst, oder sagen dir, welche Reinigung auch Blut â und Chemotherapieflecken herausbekommt. Die Krankenschwestern wissen, wie das Stoffwalross deiner Tochter heiÃt und zeigen ihr, wie man aus Papiertüchern Blumen bastelt, mit dem sie ihren Infusionsständer schmücken kann. Die Ãrzte planen zwar die Feldzüge, aber die Krankenschwestern machen den Kampf erträglich.
Du lernst sie gut kennen, ebenso wie sie dich, denn sie ersetzen die Freundinnen, die du in einem früheren Leben hattest, dem Leben vor der Diagnose. Donnas Tochter zum Beispiel studiert Tiermedizin. Mary, die Nachtschwester, hat an ihr Stethoskop eingeschweiÃte Fotos von Sanibel Island geklemmt, wie Talismane, weil sie dort ihren Ruhestand verbringen will.
Eines Nachts während Sarahs Induktionstherapie, als ich schon so lange wach bin, dass mein Körper vergessen hat, wie er einschlafen kann, schalte ich den Fernseher ein. Ich stelle ihn ganz leise, damit die schlafende Sarah nicht gestört wird. Die Kamera gleitet durch die protzige Villa irgendeines reichen Promis. Ich sehe vergoldete Bidets und handgeschnitzte Teakholzbetten, einen Pool in Form eines Schmetterlings. Ich sehe eine Garage für zehn Autos, ich sehe Tennisplätze und elf frei herumlaufende Pfauen. Es ist eine Welt, die ich nicht mal ansatzweise nachvollziehen kann â ein Leben, das für mich unvorstellbar ist.
Ãhnlich unvorstellbar, wie mein jetziges Leben einmal war.
Ich kann mich nicht einmal mehr genau daran erinnern, wie es für mich war, wenn mir jemand von einer Mutter mit Brustkrebs erzählte oder von einem Baby, das mit einer Herzschwäche oder einem anderen Geburtsfehler zur Welt gekommen war. Ich weià nur noch, dass ich widersprüchliche Empfindungen hatte: halb mitfühlend, halb dankbar, dass in meiner Familie alle gesund waren. Jetzt sind wir so eine Geschichte geworden, für alle anderen.
Mir ist gar nicht bewusst, dass ich weine, bis Donna sich vor mir hinkniet und mir die Fernbedienung aus der Hand nimmt. âRoryâ, sagt die Krankenschwester, âkann ich Ihnen was bringen?â
Ich schüttle den Kopf, verlegen, weil ich zusammengebrochen bin. Noch peinlicher ist mir, dass ich dabei ertappt wurde. âMir gehtâs gutâ, beteuere ich. âKlar, und ich bin Hillary Clinto, sagt sie. Sie nimmt meine Hand und zieht mich hoch und dann Richtung Tür.
âSarah-â
â-wird nicht mal merken, dass Sie weg sindâ, führt Donna den Satz zu Ende.
In der kleinen Küche, wo rund um die Uhr Kaffee bereitsteht, gieÃt sie und beiden eine Tasse ein. âTut mir leidâ, sage ich. âWas denn? Dass Sie nicht aus Granit sind?â
Ich schüttele den Kopf. âEs hört einfach nicht auf.â Donnsa nickt und weil sie so verständnisvoll ist, strömen die Worte nur so aus mir heraus. Ich rede und rede und als ich alle meine Geheimnisse preisgegeben habe, hole ich tief Luft und merke, dass eine ganz Stunde vergangen ist. âAch, du liebe Güteâ, sage ich. âJetzt habe ich Sie so lange aufgehalten.â
âÃberhaupt nichtâ, erwidert Donna. âUnd auÃerdem meine Schicht ist seit einer halben Stunde zu Ende.â
Meine Wangen beginnen zu glühen. âSie müssen los. Sie sind doch bestimmt froh, wenn sie hier raus sind.â
Doch statt zu gehen, schlingt Donna ihre üppigen Arme um mich. âMeine Liebeâ, sagt sie. âwären wir das nicht alle?â
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Als ich das erste Mal Mutter geworden war, lag ich nachts im Bett und stellte mir alle möglichen Schrecknisse vor: der Biss einer Qualle, der Geschmack einer giftigen Beere, das Lächeln eines Fremden, der Sprung ins flache Wasser eines Pools. Ein Kind kann durch so viel Schaden nehmen, dass man meinen könnte, eine Person allein kann unmöglich für seine Sicherheit sorgen. Als meine Kinder älter wurden, veränderte sich lediglich die Gefahren: Klebstoff inhalieren, mit Streichhölzern spielen, kleine rosa Pillen, die in der Schule auf der Toilette verkauft wurden. Selbst wenn man die ganze Nacht wach liegt, reicht die Zeit nicht aus, sich alle Möglichkeiten auszumalen, wie man die Menschen, die man liebt, verlieren kann.
Heute, wo sich eine davon konkretisiert hat, glaube ich, dass Eltern nur zwei Reaktionen zeigen, wenn sie erfahren, dass eins ihrer Kinder eine tödliche Krankheit hat. Entweder sie lösen sich zu einer Pfütze auf oder sie stecken diesen Schlag ein und zwingen sich, ihr Gesicht für weitere Schläge hinzuhalten. Insofern sind wir den Patienten wahrscheinlich sehr ähnlich.
Sarah liegt halb weggetreten auf dem Bett, die Portschläuche ragen wie eine Fontäne aus ihrer Brust. Von der Chemo musste sie sich 32 mal übergeben und ihre Mundschleimhaut ist so stark entzündet, dass sie klingt wie eine Mukovisidosepatientin.
Sie dreht den Kopf zu mir und will etwas sagen, doch hustet stattdessen Schleim hoch. âLuftâ, röchelt sie. Ich hebe das Saugrohr, dass sie umklammert hält und mache ihr den Mund und die Kehle frei. âIch mach damit weiter, während du dich ausruhstâ, verspreche ich, und so kommt es, dass ich für sie atme.
Eine Onkologiestation ist wie ein Schlachtfeld, und es gibt eine glasklare Befehlshierarchie. Die Patienten sind die einfachen Soldaten. Die Ãrzte kommen wie strahlende Helden hereingefegt, um gleich wieder zu verschwinden, aber sie müssen auf dem Krankenbett deines Kindes nachsehen, wie der Stand der Dinge beim vorherigen Besuch war. Die Krankenschwestern sind die fronterfahrenen Feldwebel â sie sind zur Stelle, wenn dein Kind so hohes Fieber hat, dass es in Eis gebadet werden muss, die bringen dir bei, wie man einen Portkatheter durchspült, oder geben dir einen Tip, aus welcher Stationsküche du noch Lutscher stibitzen kannst, oder sagen dir, welche Reinigung auch Blut â und Chemotherapieflecken herausbekommt. Die Krankenschwestern wissen, wie das Stoffwalross deiner Tochter heiÃt und zeigen ihr, wie man aus Papiertüchern Blumen bastelt, mit dem sie ihren Infusionsständer schmücken kann. Die Ãrzte planen zwar die Feldzüge, aber die Krankenschwestern machen den Kampf erträglich.
Du lernst sie gut kennen, ebenso wie sie dich, denn sie ersetzen die Freundinnen, die du in einem früheren Leben hattest, dem Leben vor der Diagnose. Donnas Tochter zum Beispiel studiert Tiermedizin. Mary, die Nachtschwester, hat an ihr Stethoskop eingeschweiÃte Fotos von Sanibel Island geklemmt, wie Talismane, weil sie dort ihren Ruhestand verbringen will.
Eines Nachts während Sarahs Induktionstherapie, als ich schon so lange wach bin, dass mein Körper vergessen hat, wie er einschlafen kann, schalte ich den Fernseher ein. Ich stelle ihn ganz leise, damit die schlafende Sarah nicht gestört wird. Die Kamera gleitet durch die protzige Villa irgendeines reichen Promis. Ich sehe vergoldete Bidets und handgeschnitzte Teakholzbetten, einen Pool in Form eines Schmetterlings. Ich sehe eine Garage für zehn Autos, ich sehe Tennisplätze und elf frei herumlaufende Pfauen. Es ist eine Welt, die ich nicht mal ansatzweise nachvollziehen kann â ein Leben, das für mich unvorstellbar ist.
Ãhnlich unvorstellbar, wie mein jetziges Leben einmal war.
Ich kann mich nicht einmal mehr genau daran erinnern, wie es für mich war, wenn mir jemand von einer Mutter mit Brustkrebs erzählte oder von einem Baby, das mit einer Herzschwäche oder einem anderen Geburtsfehler zur Welt gekommen war. Ich weià nur noch, dass ich widersprüchliche Empfindungen hatte: halb mitfühlend, halb dankbar, dass in meiner Familie alle gesund waren. Jetzt sind wir so eine Geschichte geworden, für alle anderen.
Mir ist gar nicht bewusst, dass ich weine, bis Donna sich vor mir hinkniet und mir die Fernbedienung aus der Hand nimmt. âRoryâ, sagt die Krankenschwester, âkann ich Ihnen was bringen?â
Ich schüttle den Kopf, verlegen, weil ich zusammengebrochen bin. Noch peinlicher ist mir, dass ich dabei ertappt wurde. âMir gehtâs gutâ, beteuere ich. âKlar, und ich bin Hillary Clinto, sagt sie. Sie nimmt meine Hand und zieht mich hoch und dann Richtung Tür.
âSarah-â
â-wird nicht mal merken, dass Sie weg sindâ, führt Donna den Satz zu Ende.
In der kleinen Küche, wo rund um die Uhr Kaffee bereitsteht, gieÃt sie und beiden eine Tasse ein. âTut mir leidâ, sage ich. âWas denn? Dass Sie nicht aus Granit sind?â
Ich schüttele den Kopf. âEs hört einfach nicht auf.â Donnsa nickt und weil sie so verständnisvoll ist, strömen die Worte nur so aus mir heraus. Ich rede und rede und als ich alle meine Geheimnisse preisgegeben habe, hole ich tief Luft und merke, dass eine ganz Stunde vergangen ist. âAch, du liebe Güteâ, sage ich. âJetzt habe ich Sie so lange aufgehalten.â
âÃberhaupt nichtâ, erwidert Donna. âUnd auÃerdem meine Schicht ist seit einer halben Stunde zu Ende.â
Meine Wangen beginnen zu glühen. âSie müssen los. Sie sind doch bestimmt froh, wenn sie hier raus sind.â
Doch statt zu gehen, schlingt Donna ihre üppigen Arme um mich. âMeine Liebeâ, sagt sie. âwären wir das nicht alle?â