27.03.2009, 16:39
Hi Leute :-) Tut mir leid wegen der langen verzögerung. Bisschen Stress in der Schule... aber naja.
Jedenfalls, dank für das tolle Fb und ich hoffe, das Warten hat sich gelohnt.
CAMPBELL
Wenn du nur einen Hammer hast, sieht alles wie ein Nagel aus.
Das war ein Spruch von meinem Vater, dem ersten Campbell Alexander und ich sehe darin den Grundstein des amerikanischen Rechtssystems. Das bedeutet, wenn jemand in die Ecke gedrängt wird, versucht er mit allen Mitteln, zurück in die Mitte zu gelangen. Manche setzen dabei die Fäuste ein, andere gehen vor Gericht. Und darüber freue ich mich besonders.
Am Rand meines Schreibtisches hat Emily die Nachrichten für mich genauso arrangiert, wie ich es möchte â dringende stehen auf grünen Post-it-Zettlen, weniger eilige auf gelben, in säuberlichen Reihen untereinander wie bei einer Patience. Eine Telefonnummer springt mir ins Auge und ich runzele die Stirn, schiebe dann den grünen Zettel auf die gelbe Seite. Ihre Mutter hat viermal angerufen!!! hat Emily geschrieben. Dann überlege ich es mir anders, zerreiÃe den Zettel und werfe ihn in den Papierkorb.
Das Mädchen mir gegenüber wartet auf eine Antwort, die ich bewusst hinauszögere. Sie sagt, sie möchte ihre Eltern verklagen. Das möchte praktisch jeder Teenager auf diesem Planeten. Aber sie möchte das Recht auf ihren Körper erstrebten. Genau solche Fälle meide ich wie die Pest â sie sind viel zu aufwendig und machen mich zum Babysitter eines Mandanten. Seufzend stehe ich auf. âWie heiÃt du noch mal?â
âIch habe meinen Namen noch nicht gesagt.â Sie setzt sich aufrechter hin. âIch heiÃe Elena Huntzberger.â
Ich öffne die Tür und brülle meiner Sekretärin zu: âEmily! Suchen Sie doch für Ms. Huntzberger die Nummer von der Frauenberatung raus, ja?
âWas?â Als ich mich umdrehe, steht das Mädchen.
âFrauenberatung?â
âHör zu, Elena, ich gebe die jetzt einen kleinen Rat. Deine Eltern zu verklagen, weil sie dir nicht die Pille erlauben oder nicht zulassen wollen, dass du abtreibst ist so, als würdest du mit Kanonen auf Spatzen schieÃen. Spar dir dein Taschengeld und geh zu einer Beratungsstelle. Die sind besser dazu geeignet, dir bei deinem Problem zu helfen.â
Zum ersten Mal, seit ich mein Büro betreten habe, sehe ich sie richtig an. Wut umgibt sie wie ein elektrisches Kraftfeld. âMeine Schwester ist todkrank und meine Mutter will, dass ich für sie eine Niere spendeâ, sagt sie aufgebracht. âIch glaube kaum, dass das Problem mit einer Handvoll kostenloser Kondome gelöst werden kann.â
Kennen Sie das auch, diesen Augenblick dann und wann, wenn sich das ganze Leben plötzlich vor einem erstreckt wie ein Weg, der sich gabelt und obwohl man sich bereits für einen entschieden hat, schielt man die ganze Zeit zu dem anderen rüber, weil man sicher ist, einen Fehler gemacht zu haben?
Emily will mir den Zettel mit der Telefonnummer bringen, um die ich sie gebeten habe, aber ich schlieÃe die Tür, ohne ihn entgegenzunehmen und gehe zurück zu meinem Schreibtisch. âNiemand kann dich zwingen eine Niere zu spenden, wenn du das nicht willst.â
âAch ja?â Sie beugt sich vor und zählt an ihren Fingern ab. âIch war gerade geboren, da hab ich meiner Schwester Nabelschnurblut gespendet. Sie hat Leukämie â APL â und meine Zellen haben sie in Remission gebracht. Bei ihrem nächsten Rückfall war ich 5 und mir wurden Lymphozyten entnommen, dreimal, weil die Ãrzte einfach nicht genug kriegten. Als das nicht mehr funktionierte, haben sie mir Knochenmark für eine Transplantation entnommen. Wenn Sarah eine Infektion hatte, musste ich Granulozyten spenden. Als sie wieder einen Rückfall hatte, brauchte sie von mir periphere Blutstammzellen.â
Das medizinische Vokabular der Mädchens könnte so manchen meiner bezahlten Experten vor Neid erblassen lassen. Ich nehme einen Notizblock aus einer Schublade. âDann hast du also schon öfter freiwillig für deine Schwester gespendet.â
Sie zögert, schüttelt dann den Kopf. âIch wurde nie gefragt.â
âHast du deinen Eltern gesagt, dass du keine Niere spenden möchtest?â
âSie hören sowieso nicht zu, wenn ich was sage.â
âVielleicht doch, wenn du sagst, dass du bei mir warst.â
Sie senkt den Blick und die Haare fallen ihr ins Gesicht.
âSie nehmen gar nicht richtig Notiz von mir, es sei denn sie brauchen Blut von mir oder so. Ich wäre nicht mal auf der Welt, wenn Sarah nicht krank wäre.â
Ein Erbe und einer in Reserve, das war eine Sitte, die meine Vorfahren in England praktizierten. Es klang gefühllos, ein zweites Kind zu bekommen, nur für den Fall, dass das erste stirbt, aber es war einmal ausgesprochen praktisch. Auch wenn es dem Mädchen vor mit nicht gefällt ein Ersatz zu sein.
Im Studium wurden Ethikseminare angeboten, aber die galten entweder als Lachnummer oder als Widerspruch in sich und ich habe sie mir meistens geschenkt. Doch jeder, der regelmäÃig CNN guckt, weià über die Kontroversen der Strahlenforschung Bescheid. Ersatzteilbabys, Designerbabys, die Wissenschaft von morgen, um die Kinder von heute zu retten.
Ich klopfe mit dem Stift auf den Schreibtisch und Jude â mein Hund â kommt näher. âWas passiert, wenn du deiner Schwester keine Niere spendest?â
âDann stirbt sie.â
âUnd das nimmst du in Kauf?â
Elenas Mund bildet eine dünne Linie. âIch bin doch hier, oder?â
âJa, schon. Mich würde bloà interessieren, warum du dich gerade jetzt wehren möchtest, nach der ganzen Zeit.â
Sie blickt auf die Bücherregale. âWeil es nie aufhörtâ, sagt sie schlicht.
Plötzlich scheint ihr etwas einzufallen. Sie greift in ihre Tasche und legt eine Handvoll zerknüllte Geldscheine und Münzen auf meinen Schreibtisch. âSie brauchen sich keine Sorgen zu machen, ich kann Sie bezahlen. Das sind 136,87 $. Ich weiÃ, das reicht nicht, aber irgendwie krieg ich schon noch mehr zusammen.â
âIch berechne 200 die Stunde.â
âVielleicht könnte ich Ihren Hund spazierenführen oder so.â
âServicehunde werden von ihren Herrchen spazierengeführt.â Ich zucke die Achseln. âWir finden schon eine Lösung.â
âSie können nicht umsonst mein Anwalt seinâ, wendet sie ein.
âNa schön, dann polierst du eben den Türknauf von meinem Büro.â
Ich bin weià Gott kein wohltätiger Mensch, aber juristisch gesehen ist dieser Fall so gut wie gewonnen. Sie will keine Niere hergeben. Und kein auch nur halbwegs vernünftiges Gericht wird sie dazu zwingen. Ich muss nicht groÃartig recherchieren. Die Eltern werden klein beigeben, bevor es zum Prozess kommt, und schon ist die Sacher erledigt. AuÃerdem bringt mir der Fall eine Menge Publizist.
âIch stelle beim Familiengericht einen Antrag auf Entlassung der elterlichen Gewalt in medizinischen Fragenâ, sage ich.
âUnd dann?â
âDann gibt es eine Anhörung und das Gericht bestellt für dich einen sogenannten Verfahrenspfleger, das ist jemand -â
â-der dazu ausgebildet ist, Kinder vor dem Familiengericht zu vertreten und zu betreuen, der entscheidet, was für sie am besten istâ, sagt Elena auf. âWieder ein Erwachsener, der entscheidet, was mit mir passiert.â
âTja, so funktioniert nun mal das Gesetz und da kommen wir nicht darum herum. Aber ein Verfahrenspfleger ist theoretisch allein für dich da, nicht für deine Schwester oder deine Eltern.â
Sie schaut zu, wie ich mir ein paar Notizen mache. âStört es Sie, dass sie falsch herum heiÃen?â
âWas?â
âCampbell Alexander. Ihr Nachname ist ihr Vorname und umgekehrt.â Sie stutzt. âOder eine Suppe.â
âUnd was hat das mit deinem Fall zu tun?â
âNichtsâ, gibt Elena zu, âBloà das Ihre Eltern eine ganz schön schlechte Entscheidung für Sie getroffen haben.â
Ich lange über den Schriebtisch und gebe ihr meine Karte. âWenn du Fragen hast, ruf mich an.â
Sie nimmt die und fährt mit den Fingern über meinen erhaben gedruckten Namen. Der falsch herum ist. Du liebe Güte. Dann beugt sie sich über den Schriebtisch, schnappt sich meinen Notizblock und reiÃt unten ein Stück ab. Sie borgt sich meinen Stift, schreibt etwas auf und gibt mir den Zettel. Ich werfe einen Blick darauf:
Elena 777 5133
âFalls Sie Fragen habenâ, sagt sie.
Als ich hinaus an den Empfang gehe, ist Elena verschwunden und Emily sitzt an ihrem Schreibtisch, auf dem sie einen Versandhauskatalog aufgeschlagen hat. âWussten Sie, dass man in den Segeltuchtaschen von L.L. Bean Eis transportieren konnte?â
âJa.â Und Wodka mit Bloody Mary. Alles zusammen jeden Samstagmorgen vom Cottage zum Strand geschleppt. Ach ja, meine Mutter hat angerufen.
Emily hat eine Tante, die ihr Geld als Hellseherin verdient und ab und an setzt sich bei ihr diese genetische Vorbelastung durch. Aber vielleicht arbeitet sie einfach schon so lange für mich, dass sie die meisten meiner Geheimnisse kennt. Jedenfalls weià sie, was ich gerade denke. âSie hat gesagt, Ihr Vater hat was mit einer 17-jährigen angefangen und Diskretion ist für ihn ein Fremdwort und sie geht freiwillig in die Klapsmühle, wenn Sie sie nicht bis spätestens -â Emily schaut auf die Uhr. âAch du Schreck.â
âWie oft hat sie diese Woche schon damit gedroht?â
âErst dreimalâ, sagt Emily.
âDann sind wir ja noch weit unter dem Durchschnitt.â
Ich beuge mich über den Schreibtisch und klappe den Katalog zu, âZeit zum Geld verdienen, Ms. Donatelli.â
âWas liegt an?â
âDas Mädchen von eben, Elena Huntzberger -â
âFrauenberatungsstelle?â
âNein, neinâ, sage ich. âWir vertreten sie. Ich diktiere ihnen gleich einen Antrag auf Entlassung aus der elterlichen Gewalt in medizinischen Fragen. Der muss morgen beim Familiengericht sein.â
âIm Ernst? Sie vertreten sie?â
Ich lege mir eine Hand aufs Herz. âEs verletzt mich, dass Sie eine so schlechte Meinung von mir haben.â
âIch hab eher an Ihr Portemonnaie gedacht. Wissen ihre Eltern Bescheid?â
âSie erfahren es morgen.â
âSind Sie von allen guten Geistern verlassen?â
âWie bitte?â
Emily schüttelt den Kopf. âWo soll sie denn wohnen?â
Die Frage lässt mich stutzen. Daran hatte ich wirklich nicht gedacht. Aber ein Mädchen, das seine Eltern verklagt, wird sich unter ein und demselben Dach mit ihnen nicht sonderlich wohl fühlen, sobald die Klageschrift offiziell überstellt wurde.
Plötzlich ist Jude an meiner Seite und stupst mit der Nase gegen meinen Oberschenkel. Ich schüttele genervt den Kopf. Tolles Timing. âIch brauche 15 Minutenâ, sage ich zu Emily. âIch ruf Sie dann.â
âCampbellâ, sagt Emily mit Nachdruck, âSie können von einem Kind nicht erwarten, dass es allein zurechtkommt.â
Ich gehe zurück in mein Büro. Jude folgt mir und bleibt direkt hinter der Tür stehen. âDas ist nicht mein Problemâ, sage ich. Dann mach ich die Tür zu, schlieÃe ab und warte.
Jedenfalls, dank für das tolle Fb und ich hoffe, das Warten hat sich gelohnt.
CAMPBELL
Wenn du nur einen Hammer hast, sieht alles wie ein Nagel aus.
Das war ein Spruch von meinem Vater, dem ersten Campbell Alexander und ich sehe darin den Grundstein des amerikanischen Rechtssystems. Das bedeutet, wenn jemand in die Ecke gedrängt wird, versucht er mit allen Mitteln, zurück in die Mitte zu gelangen. Manche setzen dabei die Fäuste ein, andere gehen vor Gericht. Und darüber freue ich mich besonders.
Am Rand meines Schreibtisches hat Emily die Nachrichten für mich genauso arrangiert, wie ich es möchte â dringende stehen auf grünen Post-it-Zettlen, weniger eilige auf gelben, in säuberlichen Reihen untereinander wie bei einer Patience. Eine Telefonnummer springt mir ins Auge und ich runzele die Stirn, schiebe dann den grünen Zettel auf die gelbe Seite. Ihre Mutter hat viermal angerufen!!! hat Emily geschrieben. Dann überlege ich es mir anders, zerreiÃe den Zettel und werfe ihn in den Papierkorb.
Das Mädchen mir gegenüber wartet auf eine Antwort, die ich bewusst hinauszögere. Sie sagt, sie möchte ihre Eltern verklagen. Das möchte praktisch jeder Teenager auf diesem Planeten. Aber sie möchte das Recht auf ihren Körper erstrebten. Genau solche Fälle meide ich wie die Pest â sie sind viel zu aufwendig und machen mich zum Babysitter eines Mandanten. Seufzend stehe ich auf. âWie heiÃt du noch mal?â
âIch habe meinen Namen noch nicht gesagt.â Sie setzt sich aufrechter hin. âIch heiÃe Elena Huntzberger.â
Ich öffne die Tür und brülle meiner Sekretärin zu: âEmily! Suchen Sie doch für Ms. Huntzberger die Nummer von der Frauenberatung raus, ja?
âWas?â Als ich mich umdrehe, steht das Mädchen.
âFrauenberatung?â
âHör zu, Elena, ich gebe die jetzt einen kleinen Rat. Deine Eltern zu verklagen, weil sie dir nicht die Pille erlauben oder nicht zulassen wollen, dass du abtreibst ist so, als würdest du mit Kanonen auf Spatzen schieÃen. Spar dir dein Taschengeld und geh zu einer Beratungsstelle. Die sind besser dazu geeignet, dir bei deinem Problem zu helfen.â
Zum ersten Mal, seit ich mein Büro betreten habe, sehe ich sie richtig an. Wut umgibt sie wie ein elektrisches Kraftfeld. âMeine Schwester ist todkrank und meine Mutter will, dass ich für sie eine Niere spendeâ, sagt sie aufgebracht. âIch glaube kaum, dass das Problem mit einer Handvoll kostenloser Kondome gelöst werden kann.â
Kennen Sie das auch, diesen Augenblick dann und wann, wenn sich das ganze Leben plötzlich vor einem erstreckt wie ein Weg, der sich gabelt und obwohl man sich bereits für einen entschieden hat, schielt man die ganze Zeit zu dem anderen rüber, weil man sicher ist, einen Fehler gemacht zu haben?
Emily will mir den Zettel mit der Telefonnummer bringen, um die ich sie gebeten habe, aber ich schlieÃe die Tür, ohne ihn entgegenzunehmen und gehe zurück zu meinem Schreibtisch. âNiemand kann dich zwingen eine Niere zu spenden, wenn du das nicht willst.â
âAch ja?â Sie beugt sich vor und zählt an ihren Fingern ab. âIch war gerade geboren, da hab ich meiner Schwester Nabelschnurblut gespendet. Sie hat Leukämie â APL â und meine Zellen haben sie in Remission gebracht. Bei ihrem nächsten Rückfall war ich 5 und mir wurden Lymphozyten entnommen, dreimal, weil die Ãrzte einfach nicht genug kriegten. Als das nicht mehr funktionierte, haben sie mir Knochenmark für eine Transplantation entnommen. Wenn Sarah eine Infektion hatte, musste ich Granulozyten spenden. Als sie wieder einen Rückfall hatte, brauchte sie von mir periphere Blutstammzellen.â
Das medizinische Vokabular der Mädchens könnte so manchen meiner bezahlten Experten vor Neid erblassen lassen. Ich nehme einen Notizblock aus einer Schublade. âDann hast du also schon öfter freiwillig für deine Schwester gespendet.â
Sie zögert, schüttelt dann den Kopf. âIch wurde nie gefragt.â
âHast du deinen Eltern gesagt, dass du keine Niere spenden möchtest?â
âSie hören sowieso nicht zu, wenn ich was sage.â
âVielleicht doch, wenn du sagst, dass du bei mir warst.â
Sie senkt den Blick und die Haare fallen ihr ins Gesicht.
âSie nehmen gar nicht richtig Notiz von mir, es sei denn sie brauchen Blut von mir oder so. Ich wäre nicht mal auf der Welt, wenn Sarah nicht krank wäre.â
Ein Erbe und einer in Reserve, das war eine Sitte, die meine Vorfahren in England praktizierten. Es klang gefühllos, ein zweites Kind zu bekommen, nur für den Fall, dass das erste stirbt, aber es war einmal ausgesprochen praktisch. Auch wenn es dem Mädchen vor mit nicht gefällt ein Ersatz zu sein.
Im Studium wurden Ethikseminare angeboten, aber die galten entweder als Lachnummer oder als Widerspruch in sich und ich habe sie mir meistens geschenkt. Doch jeder, der regelmäÃig CNN guckt, weià über die Kontroversen der Strahlenforschung Bescheid. Ersatzteilbabys, Designerbabys, die Wissenschaft von morgen, um die Kinder von heute zu retten.
Ich klopfe mit dem Stift auf den Schreibtisch und Jude â mein Hund â kommt näher. âWas passiert, wenn du deiner Schwester keine Niere spendest?â
âDann stirbt sie.â
âUnd das nimmst du in Kauf?â
Elenas Mund bildet eine dünne Linie. âIch bin doch hier, oder?â
âJa, schon. Mich würde bloà interessieren, warum du dich gerade jetzt wehren möchtest, nach der ganzen Zeit.â
Sie blickt auf die Bücherregale. âWeil es nie aufhörtâ, sagt sie schlicht.
Plötzlich scheint ihr etwas einzufallen. Sie greift in ihre Tasche und legt eine Handvoll zerknüllte Geldscheine und Münzen auf meinen Schreibtisch. âSie brauchen sich keine Sorgen zu machen, ich kann Sie bezahlen. Das sind 136,87 $. Ich weiÃ, das reicht nicht, aber irgendwie krieg ich schon noch mehr zusammen.â
âIch berechne 200 die Stunde.â
âVielleicht könnte ich Ihren Hund spazierenführen oder so.â
âServicehunde werden von ihren Herrchen spazierengeführt.â Ich zucke die Achseln. âWir finden schon eine Lösung.â
âSie können nicht umsonst mein Anwalt seinâ, wendet sie ein.
âNa schön, dann polierst du eben den Türknauf von meinem Büro.â
Ich bin weià Gott kein wohltätiger Mensch, aber juristisch gesehen ist dieser Fall so gut wie gewonnen. Sie will keine Niere hergeben. Und kein auch nur halbwegs vernünftiges Gericht wird sie dazu zwingen. Ich muss nicht groÃartig recherchieren. Die Eltern werden klein beigeben, bevor es zum Prozess kommt, und schon ist die Sacher erledigt. AuÃerdem bringt mir der Fall eine Menge Publizist.
âIch stelle beim Familiengericht einen Antrag auf Entlassung der elterlichen Gewalt in medizinischen Fragenâ, sage ich.
âUnd dann?â
âDann gibt es eine Anhörung und das Gericht bestellt für dich einen sogenannten Verfahrenspfleger, das ist jemand -â
â-der dazu ausgebildet ist, Kinder vor dem Familiengericht zu vertreten und zu betreuen, der entscheidet, was für sie am besten istâ, sagt Elena auf. âWieder ein Erwachsener, der entscheidet, was mit mir passiert.â
âTja, so funktioniert nun mal das Gesetz und da kommen wir nicht darum herum. Aber ein Verfahrenspfleger ist theoretisch allein für dich da, nicht für deine Schwester oder deine Eltern.â
Sie schaut zu, wie ich mir ein paar Notizen mache. âStört es Sie, dass sie falsch herum heiÃen?â
âWas?â
âCampbell Alexander. Ihr Nachname ist ihr Vorname und umgekehrt.â Sie stutzt. âOder eine Suppe.â
âUnd was hat das mit deinem Fall zu tun?â
âNichtsâ, gibt Elena zu, âBloà das Ihre Eltern eine ganz schön schlechte Entscheidung für Sie getroffen haben.â
Ich lange über den Schriebtisch und gebe ihr meine Karte. âWenn du Fragen hast, ruf mich an.â
Sie nimmt die und fährt mit den Fingern über meinen erhaben gedruckten Namen. Der falsch herum ist. Du liebe Güte. Dann beugt sie sich über den Schriebtisch, schnappt sich meinen Notizblock und reiÃt unten ein Stück ab. Sie borgt sich meinen Stift, schreibt etwas auf und gibt mir den Zettel. Ich werfe einen Blick darauf:
Elena 777 5133
âFalls Sie Fragen habenâ, sagt sie.
Als ich hinaus an den Empfang gehe, ist Elena verschwunden und Emily sitzt an ihrem Schreibtisch, auf dem sie einen Versandhauskatalog aufgeschlagen hat. âWussten Sie, dass man in den Segeltuchtaschen von L.L. Bean Eis transportieren konnte?â
âJa.â Und Wodka mit Bloody Mary. Alles zusammen jeden Samstagmorgen vom Cottage zum Strand geschleppt. Ach ja, meine Mutter hat angerufen.
Emily hat eine Tante, die ihr Geld als Hellseherin verdient und ab und an setzt sich bei ihr diese genetische Vorbelastung durch. Aber vielleicht arbeitet sie einfach schon so lange für mich, dass sie die meisten meiner Geheimnisse kennt. Jedenfalls weià sie, was ich gerade denke. âSie hat gesagt, Ihr Vater hat was mit einer 17-jährigen angefangen und Diskretion ist für ihn ein Fremdwort und sie geht freiwillig in die Klapsmühle, wenn Sie sie nicht bis spätestens -â Emily schaut auf die Uhr. âAch du Schreck.â
âWie oft hat sie diese Woche schon damit gedroht?â
âErst dreimalâ, sagt Emily.
âDann sind wir ja noch weit unter dem Durchschnitt.â
Ich beuge mich über den Schreibtisch und klappe den Katalog zu, âZeit zum Geld verdienen, Ms. Donatelli.â
âWas liegt an?â
âDas Mädchen von eben, Elena Huntzberger -â
âFrauenberatungsstelle?â
âNein, neinâ, sage ich. âWir vertreten sie. Ich diktiere ihnen gleich einen Antrag auf Entlassung aus der elterlichen Gewalt in medizinischen Fragen. Der muss morgen beim Familiengericht sein.â
âIm Ernst? Sie vertreten sie?â
Ich lege mir eine Hand aufs Herz. âEs verletzt mich, dass Sie eine so schlechte Meinung von mir haben.â
âIch hab eher an Ihr Portemonnaie gedacht. Wissen ihre Eltern Bescheid?â
âSie erfahren es morgen.â
âSind Sie von allen guten Geistern verlassen?â
âWie bitte?â
Emily schüttelt den Kopf. âWo soll sie denn wohnen?â
Die Frage lässt mich stutzen. Daran hatte ich wirklich nicht gedacht. Aber ein Mädchen, das seine Eltern verklagt, wird sich unter ein und demselben Dach mit ihnen nicht sonderlich wohl fühlen, sobald die Klageschrift offiziell überstellt wurde.
Plötzlich ist Jude an meiner Seite und stupst mit der Nase gegen meinen Oberschenkel. Ich schüttele genervt den Kopf. Tolles Timing. âIch brauche 15 Minutenâ, sage ich zu Emily. âIch ruf Sie dann.â
âCampbellâ, sagt Emily mit Nachdruck, âSie können von einem Kind nicht erwarten, dass es allein zurechtkommt.â
Ich gehe zurück in mein Büro. Jude folgt mir und bleibt direkt hinter der Tür stehen. âDas ist nicht mein Problemâ, sage ich. Dann mach ich die Tür zu, schlieÃe ab und warte.