22.12.2011, 16:13
sooo. hier der neue teil 
Neunzehn
In diesem Moment jedoch lag der sonst so nachdenklichen Anne nicht viel an genauen Ãberlegungen. So schnappte sie sich schlieÃlich einen Kleiderbügel aus dem Schrank und huschte leise zur Zimmertür. In der Küche war es still, aber nachdem sie etwas wartete, hörte sie wie ein Stuhl zurückgeschoben wurde. Sie hatte sich nichts eingebildet, es war wirklich jemand hier, der hier nicht hingehörte.
Im wirklichen Leben gehörte Anne zu den Menschen, die sich bei jedem Horrorfilm darüber ärgerten, dass die, nur dürftig bekleidete, Protagonistin dem unheimlichen Geräusch ganz allein folgte, statt mit gesundem Menschenverstand zu handeln und sich zu verstecken. Jetzt aber verstand sie das Dilemma, in dem man, als dürftig bekleidete Protagonistin, steckte, wenn man allein mit diesem unheimlichen Geräusch war. Es gab kein einziges gutes Versteck im Gästezimmer, und die Wohnung war zu klein, als dass sie sich hier unbemerkt hätte bewegen können. Ihre Möglichkeiten waren begrenzt. Genau genommen gab es nur eine Lösung, die nicht unbedingt Erfolg versprach: Sie musste herausfinden, woher das Geräusch kam, denn sie durfte nicht warten, bis es zu ihr kam. Sie musste handeln. Entschlossen öffnete sie die Gästezimmertür und schob sich â mit erhobenem Kleiderbügel â heraus auf den Flur.
âKannst du mich bei mir Zuhause absetzen?â, fragte Simon Valerie, als sie in ihrem kleinen grünen VW-Beetle platzgenommen hatten.
âIch will mich nochmal umziehen und nachsehen, ob Post da ist.â
âPost?â
âNaja, Rechnungen und Kram... Vielleicht ein Brief von Anne? Eigentlich ist sie nicht so ein Briefschreiber, aber...â
âHast du sie angerufen?â
âSie nimmt ohnehin nicht ab.â
Er zuckte mit den Schultern und sah aus dem Fenster.
âOkay.â, sage sie nach einigen Minuten Stille.
âDann setz ich dich Zuhause ab.â
Anne sah durch die einen Spalt geöffnete Küchentür und hob den Kleiderbügel schützend vor ihr Gesicht. In dem Moment, als sie die Küchentür aufstieÃ, wurde ihr bewusst dass der Kleiderbügel wahrscheinlich absolut nutzlos sein würde, es sei denn, der Angreifer würde vor Lachen sterben, weil sie mit dem Kleiderbügel vorm Gesicht so dämlich aussah.
Stattdessen fiel allerdings mit lautem Scheppern eine Tasse zu Boden und Anne sah durch den Kleiderbügel einen blonden Haarschopf durch die Luft wirbeln. Als sie erkannte, dass ihr Gegenüber noch verwirrter und erschrockener war als sie selbst, lieà sie den Kleiderbügel sinken.
Die Frau, die soeben Annes Lieblingstasse zerdeppert hatte, fasste sich jedoch schnell wieder.
âEin Kleiderbügel? Wirklich? Die Waffenwahl wundert mich eindeutig mehr, als die Tatsache, dass er schon wieder 'ne Neue hat.â, sagte sie selbstsicher und betrachtete die verwirrte Anne von oben bis unten. Anne starrte sprachlos zurück.
Eine Exfreundin von Mark? Die goldblonden, voluminösen Haare erinnerten an einen Engel, ebenso wie ihre perlmuttartigen Fingernägel, mit denen sie nun die Scherben aufzusammeln begann und in einen Pappkarton warf, der neben ihr auf dem Boden stand. Ihre Unterlippe zierte ein Ring, die Nase ein kleiner silberner Stecker und ihre Ohren waren mit mehreren bunten Steckern versehen.
âIch bin Marlijn.â, begann sie nun, weil Anne sie immer noch anstarrte und keine Bewegung machte. Nur den Kleiderbügel hatte sie inzwischen sinken lassen.
âIch bin Anne.â, antwortete diese skeptisch und versuchte, einen Ausweg aus dieser abstrusen Situation zu finden.
âBist du Marks Exfreundin? Und weià er, dass du hier bist?â
âEr hat dir nicht von mir erzählt, was? Nein, er weià nicht, dass ich hier bin, ich wollte nur noch ein Paar von meinen Sachen holen. Die Tasse hier war auch meine.â
Anne kniete sich auf den Boden, um ihr zu helfen.
âIch bin nicht seine Exfreundin. Ich bin seine Ex-Verlobte.â
Als Valerie das Auto gekonnt in eine Parklücke vor Simons Haus manövrierte und den Motor abschaltete, blieb er noch einen Moment sitzen.
âDanke fürs fahren. Und für das Abendessen... und den Wein.â
Er grinste.
âHat mich ein bisschen abgelenkt. Ich hab wohl wirklich enorm miese Laune gehabt in den letzten Wochen.â
âKein Problem.â, meinte Valerie achselzuckend.
âHey, was machst du heute Abend?â, fragte sie dann und ihre Augen leuchteten plötzlich auf.
âNichts? Bis jetzt...â
âIch hab eine Idee. Wird nichts anstrengendes, keine Sorge. Kann ich heute Abend vorbei kommen?â
âKlar, warum nicht? Ruf vielleicht vorher noch mal kurz an, Lena hat meine Nummer.â
Er schnallte sich ab und öffnete die Autotür.
âAlles klar, bis später!â, sagte Valerie und grinste, als er die Tür hinter sich zuschloss und zur Haustür ging. Sie grinste immer noch, als sie abfuhr, und auch als sie an der Universität ankam, war das Grinsen nicht verschwunden.
Er hatte schlechte Laune, aber sie hatte einen Plan. Und vielleicht würde das schon reichen, um die Situation für alle besser zu machen.
Nachdem sie sich vom ersten Schock erholt hatte, hatte Anne Teewasser aufgesetzt, ihren Schokoladenvorrat aus dem Schrank geholt und sich mit Marlijn an den Küchentisch gesetzt, um die ganze Geschichte zu hören. Sie konnte es nicht glauben: Sie hatte immer gedacht, dass zwischen ihr und Mark trotz allem ein unsichtbares Band bestand, dass er ihr ebenso vertraute wie sie ihm vertraute. Und nun hatte er so etwas Gigantisches wie eine Verlobung geheim gehalten? Warum tat er so etwas?
âAlso du bist seine neue Freundin?â, fragte Marlijn, nachdem Anne eine Weile nur schweigend auf ihrer Chilischokolade herum gekaut hatte.
âEntschuldige, aber... Das überrascht mich. Du bist nicht unbedingt sein Typ.â
Anne kicherte. âSein Typ? Warum denn das? Weil ich dunkle Haare habe oder weil ich ein bisschen aussehe wie Frankensteins Monster?â
Marlijn verschluckte sich an ihrem Tee. So viel Ehrlichkeit hatte sie nicht erwartet.
âNaja... ja, Letzteres.â
âIch bin nicht seine neue Freundin.â, klärte Anne das Missverständnis auf.
âIch bin seine Exfreundin... von lange, bevor er dich getroffen hat.â
Sie grinste, dann überlegte sie jedoch nochmal.
âDas heiÃt, ich weià ja gar nicht, wann er dich getroffen hat, er hat mir ja nichts erzählt.â
Marlijn schien ebenfalls zu überlegen.
âDann bist du die Anne aus dem Heim? Er hat mal von dir erzählt.â
âNa immerhin hat er dir von mir erzählt. Hätte ja sein können, dass er mich komplett aus seinen Erinnerungen gelöscht hat.â
Sie trank einen Schluck Tee und legte den Kopf schief.
âAlso, warum ex-Verlobte?â
âDas sollte er dir lieber erzählen. Und ich verschwinde besser. Möchte ihm eher ungern begegnen... und euch nicht im Weg stehen.â
âIm Weg stehen?â
âAnne, du läufst in Unterwäsche durch seine Wohnung.â
Anne seufzte. Ja, wahrscheinlich hätte sie das Gleiche gedacht.
âNein, da ist nichts. Wir hatten unsere Zeit. Vor sechs Jahren.â
Sie lächelte und stand auf.
âAlso, hast du alles?â
Marlijn schmunzelte. âDas meiste ist schon lange in meiner neuen Wohnung. Es fehlten nur noch ein paar DVDs und das Geschirr.â
Sie deutete auf den Pappkarton. âAlles da.â, verkündete sie, nahm den Karton hoch und machte sich auf den Weg zur Wohnungstür. Anne öffnete diese.
âEs war... interessant dich kennen zu lernen.â
Marlijn grinste.
âDu solltest dir vielleicht für den nächsten Einbrecher eine bessere Waffe als einen Kleiderbügel suchen. Pass mir auf Mark auf, ja?â
Sie trat durch die Tür und ging sicheren Schrittes die Treppen herab, ohne sich umzusehen.
Ihre vielen kleinen Piercings und Ohrstecker glitzerten im Sonnenlicht, das durch das groÃe Fenster im Treppenhaus fiel.
Ihre goldblonden Haare glänzten wie ein Heiligenschein und die perfekt manikürten Fingernägel krallten sich in die Kiste, doch selbst das sah irgendwie noch anmutig und selbstsicher aus. Anne beobachtete von oben, wie Marks Ex-Verlobte aus seinem Leben verschwand, während er nicht einmal anwesend war. Dann schloss sie die Wohnungstür, suchte ihr Handy und rief ihn an. Niemand hob ab.
Anne hatte in der Zeit, die sie jetzt allein in der Wohnung war, erst einmal verstanden, dass er ihr tatsächlich eine riesengroÃe Neuigkeit verschwiegen hatte. Warum hatte er ihr nicht erzählt, dass er verlobt war? Ãberhaupt, dass er eine Freundin hatte, die bei ihm wohnte, mit der er es wahrscheinlich wirklich ernst gemeint hatte? Warum hatte er es ihr nicht gesagt? Hatte er gedacht, dass sie etwas dagegen einzuwenden gehabt hätte? Hielt er sie für eine dieser Exfreundinnen, die eifersüchtig jede neue Beziehung zerstörten, die sich für ihren Exfreund ergab?
Das Handy klingelte in ihre Gedanken hinein, doch sie war so versunken, dass sie es zuerst gar nicht wahrnahm.
Nach dem fünften Klingeln nahm sie schlieÃlich ab.
âAnne? Ist alles in Ordnung bei Dir? Du weiÃt doch, dass ich bei der Arbeit nicht telefonieren kann!â
âSagâ Du mir, ob alles in Ordnung ist. Es kann sein, dass grad jemand bei dir eingebrochen ist und ein bisschen Geschirr geklaut hat, aber es kann auch sein dass es nur deine Ex-Verlobte war. Welche Version passt dir denn besser?â
Sie hörte ihn am Telefon seufzen.
âIch erklärâ es dir, wenn ich Zuhause bin, okay? Es hat nichts mit dir zu tun!â
Anne nickte, bis sie merkte, dass er sie nicht sehen konnte.
âJa, okay.â, sagte sie schlieÃlich und legte auf.
Immerhin wollte er jetzt darüber reden. Das war mehr, als Simon für ihre Freundschaft aufwenden wollte.
Simon... Anne wog nachdenklich ihr Handy in der Hand und sah es an, als würde es ihr die Welt erklären können.
Auch Simon hatte mehrmals angerufen. Vielleicht wollte auch er ihr erklären, warum er so wütend reagiert hatte. Aber wenn sie ehrlich war, wusste sie nicht ob sie das überhaupt noch wissen wollte. Auch, wenn sie sich kein Leben ohne ihn vorstellen konnte.
Mark schien nach Hause gerannt zu sein, so abgehetzt sah er aus, als er schlieÃlich die Wohnungstür aufstieÃ.
In seiner Wohnung hing der leichte Duft von Marlijns Mandelshampoo, den er überall erkannt hätte, selbst, wenn er nicht gewusst hätte, dass sie hier gewesen war.
Auf seiner Couch saà Anne, die ihn erwartungsvoll ansah und ihm ein Bier hinhielt.
Bei dem Gedanken, dass Anne und Marlijn wahrscheinlich über ihn gesprochen hatten, wie er Anne kannte bei Tee und Schokolade, oder vielleicht auch bei Kaffee und Keksen, wenn Marlijn es angeregt hatte, wurde ihm schwindlig.
âAlso, was hat sie dir denn erzählt?â, fragte er, fischte seinen Schlüsselbund mit dem Flaschenöffner aus der Tasche und öffnete damit die Flasche, bevor er sich setzte.
âSie sagte, dass sie deine Ex-Verlobte ist und dass du mir selbst erzählen sollst, was war.â
Er lächelte.
âNa dann mal los. â, begann er und erzählte ihr die ganze Geschichte.

Neunzehn
2011
Anne setzte vorsichtig ihre FüÃe auf den Boden und suchte nach einer geeigneten Waffe. Leider war das Gästezimmer nur spärlich eingerichtet â bei genauer Ãberlegung war es Anne sowieso unbegreiflich, warum sich Mark nicht endlich einen neuen Mitbewohner suchte. Die Wohnung musste, für ihn allein, doch viel zu teuer sein!In diesem Moment jedoch lag der sonst so nachdenklichen Anne nicht viel an genauen Ãberlegungen. So schnappte sie sich schlieÃlich einen Kleiderbügel aus dem Schrank und huschte leise zur Zimmertür. In der Küche war es still, aber nachdem sie etwas wartete, hörte sie wie ein Stuhl zurückgeschoben wurde. Sie hatte sich nichts eingebildet, es war wirklich jemand hier, der hier nicht hingehörte.
Im wirklichen Leben gehörte Anne zu den Menschen, die sich bei jedem Horrorfilm darüber ärgerten, dass die, nur dürftig bekleidete, Protagonistin dem unheimlichen Geräusch ganz allein folgte, statt mit gesundem Menschenverstand zu handeln und sich zu verstecken. Jetzt aber verstand sie das Dilemma, in dem man, als dürftig bekleidete Protagonistin, steckte, wenn man allein mit diesem unheimlichen Geräusch war. Es gab kein einziges gutes Versteck im Gästezimmer, und die Wohnung war zu klein, als dass sie sich hier unbemerkt hätte bewegen können. Ihre Möglichkeiten waren begrenzt. Genau genommen gab es nur eine Lösung, die nicht unbedingt Erfolg versprach: Sie musste herausfinden, woher das Geräusch kam, denn sie durfte nicht warten, bis es zu ihr kam. Sie musste handeln. Entschlossen öffnete sie die Gästezimmertür und schob sich â mit erhobenem Kleiderbügel â heraus auf den Flur.
âKannst du mich bei mir Zuhause absetzen?â, fragte Simon Valerie, als sie in ihrem kleinen grünen VW-Beetle platzgenommen hatten.
âIch will mich nochmal umziehen und nachsehen, ob Post da ist.â
âPost?â
âNaja, Rechnungen und Kram... Vielleicht ein Brief von Anne? Eigentlich ist sie nicht so ein Briefschreiber, aber...â
âHast du sie angerufen?â
âSie nimmt ohnehin nicht ab.â
Er zuckte mit den Schultern und sah aus dem Fenster.
âOkay.â, sage sie nach einigen Minuten Stille.
âDann setz ich dich Zuhause ab.â
Anne sah durch die einen Spalt geöffnete Küchentür und hob den Kleiderbügel schützend vor ihr Gesicht. In dem Moment, als sie die Küchentür aufstieÃ, wurde ihr bewusst dass der Kleiderbügel wahrscheinlich absolut nutzlos sein würde, es sei denn, der Angreifer würde vor Lachen sterben, weil sie mit dem Kleiderbügel vorm Gesicht so dämlich aussah.
Stattdessen fiel allerdings mit lautem Scheppern eine Tasse zu Boden und Anne sah durch den Kleiderbügel einen blonden Haarschopf durch die Luft wirbeln. Als sie erkannte, dass ihr Gegenüber noch verwirrter und erschrockener war als sie selbst, lieà sie den Kleiderbügel sinken.
Die Frau, die soeben Annes Lieblingstasse zerdeppert hatte, fasste sich jedoch schnell wieder.
âEin Kleiderbügel? Wirklich? Die Waffenwahl wundert mich eindeutig mehr, als die Tatsache, dass er schon wieder 'ne Neue hat.â, sagte sie selbstsicher und betrachtete die verwirrte Anne von oben bis unten. Anne starrte sprachlos zurück.
Eine Exfreundin von Mark? Die goldblonden, voluminösen Haare erinnerten an einen Engel, ebenso wie ihre perlmuttartigen Fingernägel, mit denen sie nun die Scherben aufzusammeln begann und in einen Pappkarton warf, der neben ihr auf dem Boden stand. Ihre Unterlippe zierte ein Ring, die Nase ein kleiner silberner Stecker und ihre Ohren waren mit mehreren bunten Steckern versehen.
âIch bin Marlijn.â, begann sie nun, weil Anne sie immer noch anstarrte und keine Bewegung machte. Nur den Kleiderbügel hatte sie inzwischen sinken lassen.
âIch bin Anne.â, antwortete diese skeptisch und versuchte, einen Ausweg aus dieser abstrusen Situation zu finden.
âBist du Marks Exfreundin? Und weià er, dass du hier bist?â
âEr hat dir nicht von mir erzählt, was? Nein, er weià nicht, dass ich hier bin, ich wollte nur noch ein Paar von meinen Sachen holen. Die Tasse hier war auch meine.â
Anne kniete sich auf den Boden, um ihr zu helfen.
âIch bin nicht seine Exfreundin. Ich bin seine Ex-Verlobte.â
Als Valerie das Auto gekonnt in eine Parklücke vor Simons Haus manövrierte und den Motor abschaltete, blieb er noch einen Moment sitzen.
âDanke fürs fahren. Und für das Abendessen... und den Wein.â
Er grinste.
âHat mich ein bisschen abgelenkt. Ich hab wohl wirklich enorm miese Laune gehabt in den letzten Wochen.â
âKein Problem.â, meinte Valerie achselzuckend.
âHey, was machst du heute Abend?â, fragte sie dann und ihre Augen leuchteten plötzlich auf.
âNichts? Bis jetzt...â
âIch hab eine Idee. Wird nichts anstrengendes, keine Sorge. Kann ich heute Abend vorbei kommen?â
âKlar, warum nicht? Ruf vielleicht vorher noch mal kurz an, Lena hat meine Nummer.â
Er schnallte sich ab und öffnete die Autotür.
âAlles klar, bis später!â, sagte Valerie und grinste, als er die Tür hinter sich zuschloss und zur Haustür ging. Sie grinste immer noch, als sie abfuhr, und auch als sie an der Universität ankam, war das Grinsen nicht verschwunden.
Er hatte schlechte Laune, aber sie hatte einen Plan. Und vielleicht würde das schon reichen, um die Situation für alle besser zu machen.
Nachdem sie sich vom ersten Schock erholt hatte, hatte Anne Teewasser aufgesetzt, ihren Schokoladenvorrat aus dem Schrank geholt und sich mit Marlijn an den Küchentisch gesetzt, um die ganze Geschichte zu hören. Sie konnte es nicht glauben: Sie hatte immer gedacht, dass zwischen ihr und Mark trotz allem ein unsichtbares Band bestand, dass er ihr ebenso vertraute wie sie ihm vertraute. Und nun hatte er so etwas Gigantisches wie eine Verlobung geheim gehalten? Warum tat er so etwas?
âAlso du bist seine neue Freundin?â, fragte Marlijn, nachdem Anne eine Weile nur schweigend auf ihrer Chilischokolade herum gekaut hatte.
âEntschuldige, aber... Das überrascht mich. Du bist nicht unbedingt sein Typ.â
Anne kicherte. âSein Typ? Warum denn das? Weil ich dunkle Haare habe oder weil ich ein bisschen aussehe wie Frankensteins Monster?â
Marlijn verschluckte sich an ihrem Tee. So viel Ehrlichkeit hatte sie nicht erwartet.
âNaja... ja, Letzteres.â
âIch bin nicht seine neue Freundin.â, klärte Anne das Missverständnis auf.
âIch bin seine Exfreundin... von lange, bevor er dich getroffen hat.â
Sie grinste, dann überlegte sie jedoch nochmal.
âDas heiÃt, ich weià ja gar nicht, wann er dich getroffen hat, er hat mir ja nichts erzählt.â
Marlijn schien ebenfalls zu überlegen.
âDann bist du die Anne aus dem Heim? Er hat mal von dir erzählt.â
âNa immerhin hat er dir von mir erzählt. Hätte ja sein können, dass er mich komplett aus seinen Erinnerungen gelöscht hat.â
Sie trank einen Schluck Tee und legte den Kopf schief.
âAlso, warum ex-Verlobte?â
âDas sollte er dir lieber erzählen. Und ich verschwinde besser. Möchte ihm eher ungern begegnen... und euch nicht im Weg stehen.â
âIm Weg stehen?â
âAnne, du läufst in Unterwäsche durch seine Wohnung.â
Anne seufzte. Ja, wahrscheinlich hätte sie das Gleiche gedacht.
âNein, da ist nichts. Wir hatten unsere Zeit. Vor sechs Jahren.â
Sie lächelte und stand auf.
âAlso, hast du alles?â
Marlijn schmunzelte. âDas meiste ist schon lange in meiner neuen Wohnung. Es fehlten nur noch ein paar DVDs und das Geschirr.â
Sie deutete auf den Pappkarton. âAlles da.â, verkündete sie, nahm den Karton hoch und machte sich auf den Weg zur Wohnungstür. Anne öffnete diese.
âEs war... interessant dich kennen zu lernen.â
Marlijn grinste.
âDu solltest dir vielleicht für den nächsten Einbrecher eine bessere Waffe als einen Kleiderbügel suchen. Pass mir auf Mark auf, ja?â
Sie trat durch die Tür und ging sicheren Schrittes die Treppen herab, ohne sich umzusehen.
Ihre vielen kleinen Piercings und Ohrstecker glitzerten im Sonnenlicht, das durch das groÃe Fenster im Treppenhaus fiel.
Ihre goldblonden Haare glänzten wie ein Heiligenschein und die perfekt manikürten Fingernägel krallten sich in die Kiste, doch selbst das sah irgendwie noch anmutig und selbstsicher aus. Anne beobachtete von oben, wie Marks Ex-Verlobte aus seinem Leben verschwand, während er nicht einmal anwesend war. Dann schloss sie die Wohnungstür, suchte ihr Handy und rief ihn an. Niemand hob ab.
Anne hatte in der Zeit, die sie jetzt allein in der Wohnung war, erst einmal verstanden, dass er ihr tatsächlich eine riesengroÃe Neuigkeit verschwiegen hatte. Warum hatte er ihr nicht erzählt, dass er verlobt war? Ãberhaupt, dass er eine Freundin hatte, die bei ihm wohnte, mit der er es wahrscheinlich wirklich ernst gemeint hatte? Warum hatte er es ihr nicht gesagt? Hatte er gedacht, dass sie etwas dagegen einzuwenden gehabt hätte? Hielt er sie für eine dieser Exfreundinnen, die eifersüchtig jede neue Beziehung zerstörten, die sich für ihren Exfreund ergab?
Das Handy klingelte in ihre Gedanken hinein, doch sie war so versunken, dass sie es zuerst gar nicht wahrnahm.
Nach dem fünften Klingeln nahm sie schlieÃlich ab.
âAnne? Ist alles in Ordnung bei Dir? Du weiÃt doch, dass ich bei der Arbeit nicht telefonieren kann!â
âSagâ Du mir, ob alles in Ordnung ist. Es kann sein, dass grad jemand bei dir eingebrochen ist und ein bisschen Geschirr geklaut hat, aber es kann auch sein dass es nur deine Ex-Verlobte war. Welche Version passt dir denn besser?â
Sie hörte ihn am Telefon seufzen.
âIch erklärâ es dir, wenn ich Zuhause bin, okay? Es hat nichts mit dir zu tun!â
Anne nickte, bis sie merkte, dass er sie nicht sehen konnte.
âJa, okay.â, sagte sie schlieÃlich und legte auf.
Immerhin wollte er jetzt darüber reden. Das war mehr, als Simon für ihre Freundschaft aufwenden wollte.
Simon... Anne wog nachdenklich ihr Handy in der Hand und sah es an, als würde es ihr die Welt erklären können.
Auch Simon hatte mehrmals angerufen. Vielleicht wollte auch er ihr erklären, warum er so wütend reagiert hatte. Aber wenn sie ehrlich war, wusste sie nicht ob sie das überhaupt noch wissen wollte. Auch, wenn sie sich kein Leben ohne ihn vorstellen konnte.
Mark schien nach Hause gerannt zu sein, so abgehetzt sah er aus, als er schlieÃlich die Wohnungstür aufstieÃ.
In seiner Wohnung hing der leichte Duft von Marlijns Mandelshampoo, den er überall erkannt hätte, selbst, wenn er nicht gewusst hätte, dass sie hier gewesen war.
Auf seiner Couch saà Anne, die ihn erwartungsvoll ansah und ihm ein Bier hinhielt.
Bei dem Gedanken, dass Anne und Marlijn wahrscheinlich über ihn gesprochen hatten, wie er Anne kannte bei Tee und Schokolade, oder vielleicht auch bei Kaffee und Keksen, wenn Marlijn es angeregt hatte, wurde ihm schwindlig.
âAlso, was hat sie dir denn erzählt?â, fragte er, fischte seinen Schlüsselbund mit dem Flaschenöffner aus der Tasche und öffnete damit die Flasche, bevor er sich setzte.
âSie sagte, dass sie deine Ex-Verlobte ist und dass du mir selbst erzählen sollst, was war.â
Er lächelte.
âNa dann mal los. â, begann er und erzählte ihr die ganze Geschichte.