23.06.2012, 19:41
ihr lieben,
es tut mir unendlich leid, dass es hier so lange nicht weitergegangen ist. aber ich bin wieder da, ich bin wieder inspiriert und ich weià jetzt, wo es hingeht
ich habe einen neuen teil mitgebracht und ich hoffe er gefällt euch und ich hoffe dass ihr mir verzeiht
danke für all euer feedback was noch zum letzten teil dawar!
(ungebetat-beschwert euch gern!)
VierunddreiÃig
âWen suchen sie denn?â
âAlle nennen ihn nur Mayer, ich weià aber wo er ist, sie müssten mir nur eben aufschlieÃen, wenn sie gerade Zeit haben...â
Simon beobachtete seine beste Freundin aus einiger Entfernung. Sie rang nervös ihre Finger und trat von einem Fuà auf den anderen, als würde das die gemächlichen Schritte der Empfangsdame beschleunigen.
âKomm, Simon.â, sagte sie auch schon, als die Empfangsdame noch an ihrem Schlüsselbund nach dem richtigen Aufzugschlüssel suchte.
Er trat hinter Anne und wollte gerade etwas sagen, da stutzte die Empfangsdame.
âMayer, sagen sie? Der ist gar nicht mehr auf der geschlossenen Station.â, fiel ihr ein und sie lieà den Schlüssel sinken. âIch muss ihnen gar nicht aufschlieÃen. Er ist jetzt im ersten Stock.â
Sie ging etwas schneller zu ihrem Tresen zurück. Anne schaute sie nur ungläubig ab, bis ein paar Mausklicks später die Zimmernummer feststand.
âZimmer 18. Gehen sie nur!â, meinte sie aufmunternd. Simon packte Anne an den Schultern und schob sie in den Aufzug.
âNervös?â, sprach er das Unübersehbare als sich die Türen schlossen.
âIch war nicht gerade nett zu ihm, letztes Mal...â, murmelte sie.
âUnd was zur Hölle soll das bedeuten, er ist nicht mehr auf der geschlossenen Station? Ist er plötzlich wieder zurechnungsfähig?â
âNaja? Kann das denn passieren, dass man auf einmal nicht mehr dement ist? Einfach so?â
Ratlos standen die beiden Freunde da, bis sich die Türen wenig später öffneten und sie auf einem leeren Flur hinaustraten. Am Ende des Ganges, dort, wo sich auf Mayers alter Station die Tür zur groÃen Wohnküche befunden hatte, stand eine einsame Topfpflanze vor einer Tür, auf der groà ânur für Mitarbeiterâ Stand. Rechts und Links von ihnen waren Patientenzimmer, die nicht, wie Anne von ihren letzten Besuchen gewohnt, mit Bildern der Patienten dekoriert waren, sondern nur durch Nummern gekennzeichnet waren. Simon fasste etwas Mut und klopfte schlieÃlich an die Tür von Zimmer Nr. 18.
âHerein?â
Anne erkannte sofort Mayers Stimme. Sie öffnete die Tür und sah vorsichtig in das Zimmer, verängstigt von der kalten Atmosphäre des Ganges.
âOh, wer sind Sie denn?â, fragte Mayer höflich und versuchte, seinen Fernseher leiser zu stellen. Offensichtlich hatte er dabei jedoch groÃe Probleme mit der Fernbedienung.
Als Simon sich gerade an seiner versteinerten besten Freundin vorbeischieben wollte, um ihm zu helfen, stand jedoch plötzlich ein junger Mann aus einem Sessel in einer Ecke auf, den er vorher glatt übersehen hatte, und schaltete den Fernseher ab.
âFrau Becker, wie schön, dass sie es einrichten konnten!â, sagte er zu Anne, die noch ihre Sprache wiederzufinden suchte.
Vor ihr stand der junge Mann, der ihr das Paket mit dem Messer übergeben hatte. Und noch viel wichtiger, verwirrender, schockierender war Mayer, wie er dort lag, eingefallen, blass und müde.
Sie trat vor und schluckte gleichzeitig den riesigen Kloà in ihrem Hals, in dem bedrückenden Gefühl, dass hier etwas gar nicht in Ordnung war. Ihre Hand legte sie auf Mayers Schulter, bevor sie leise zu sprechen begann.
âMayer, wieso liegst du im Bett? Warum hast du die Station gewechselt?â
âStation... Station....â murmelte Mayer verwirrt. âSie sind das Becker-Mädchen, oder? Anne. Meine Güte, bist du groà geworden.â
Anne lächelte.
âRichtig, das bin ich. Du hast mir ein Paket geschickt. Mit einem Messer drin, Mayer.â
âDas hab ich? Das wollte ich immer, aber erst, wenn ich sicher bin, dass es mit mir wirklich...â
Er brach ab und sah Simon an.
âWer sind sie denn dann?â
Simon war zu sehr damit beschäftigt, die Situation überhaupt zu verstehen, als dass er noch hätte reagieren können. Anne hatte nie sehr viel von ihren Besuchen bei Mayer erzählt, aber er hatte sich den alten Polizisten um einiges anders vorgestellt. Anne schien ihn allerdings auch anders in Erinnerung zu haben. Nur der junge Mann, der sich inzwischen wieder in seine Zimmerecke zurückgezogen hatte wie ein sehr gut erzogener Hund, schien überhaupt nichts seltsames an der Situation zu finden.
Wenn man davon absah, dass es ihm neu zu sein schien, dass Mayer Messer in Paketen verschickte...
âDas ist Simon.â, erklärte Anne, âer ist mit mir hier.â
Mayer nickte bedächtig.
âUnd wenn du gehen musst? Bleibt er dann allein zurück?â, fragte er nachdenklich zurück.
âEs ist nicht schön, ganz allein auf der Welt zu sein.â
âWenn ich gehen muss, kommt Simon mit. Mayer, das Messer...â
âDein Vater sagte du sollst es nicht wissen, aber das fand ich nicht gut. Ich hab ihm versprochen...â
âIch weiÃ. Willst du es jetzt sagen?â
Mayer griff nach ihre Hand und klammerte sich regelrecht an sie.
âNiemals darf sie es wissen, verstehen sie? Ich will es nicht. Meine Frau... Ich kann das nicht. Ich kann das nicht.â
âWas?â
An dieser Stelle schien es auch dem jungen Pfleger aufzugehen, dass das hier keine alltägliche Situation mit dem verwirrten alten Herrn war.
âBitte, Sie regen Herrn Mayer auf.â, merkte er vorsichtig an.
âIch weià es nicht mehr.â, sagte Mayer da, laut und deutlich.
âIch weià nicht, was er als nächstes gesagt hat. Und ich will es auch gar nicht wissen, wenn ich es nicht weiÃ, muss ich es dir nicht verschweigen.â
Anne fühlte sich unangenehm an ihren letzten Besuch im Altenheim erinnert. Mayer hatte auch damals gesagt, er hätte es vergessen gehabt, obwohl ihnen beiden klar war, dass er es genau wusste. Aber heute war etwas anders. Sie glaubte ihm. Und viel mehr noch: Ihr wurde klar, dass sie von Mayer nie erfahren würde, was sie wissen wollte. Wenn sie ehrlich war, hatte sie das von Anfang an gewusst und es war nur befreiend, es mit Sicherheit zu verstehen. Es war unfair von ihr gewesen, von Mayer zu verlangen, sein Versprechen zu brechen. Zu verraten, wer er war und woran er glaubte â das konnte sie von niemandem erwarten.
AuÃerdem war sie sich inzwischen nicht mehr sicher, ob sie überhaupt wissen wollte, was geschehen war. Sie hatte sich den jungen Mayer, der vor zwanzig Jahren im Fall ihrer Eltern ermittelt hatte, jedenfalls immer als einen starken, Unrecht und Gefahren gewohnten Einzelgänger vorgestellt. Einen perfekten Polizisten aus ihren Kriminalromanen. Seltsamerweise tat sie das heute immer noch, obwohl seine weiche Seite ihr inzwischen mehr als deutlich geworden war. Wenn sie richtig lag, wenn er wirklich dieser Mensch gewesen war, den sie sich vorstellte, was konnte es dann sein, was diesen Mann aus der Bahn warf? Wenn die Wahrheit schon für ihn viel zu viel zu sein schien â war es dann besser, sie einfach nicht zu erfahren?
âIst schon gut, Mayer. Wir reden über was anderes.â
Mayer schaute sie müde an.
âSie sind das Becker-Mädchen, oder? Vielleicht hab ich etwas Apfelschorle da...â
â Er hat sich vor einem Monat die Hüfte gebrochen, seitdem geht es bergab mit ihm.â, erklärte der Pfleger ihnen auf dem Flur, nachdem sie sich etwas später von Mayer verabschiedet hatten.
âDas ist bei alten Menschen oft so, wenn sie sich nicht mehr bewegen, wird es noch viel schlimmer.â
Anne nickte.
âHat er was zu dem Paket gesagt, das Sie mir vorbei gebracht haben?â
âNein, nicht mehr als das was er gerade auch gesagt hat. Das können Sie auch nicht mehr von ihm erwarten. Aber es wäre schön, wenn sie ihn trotzdem noch mal besuchen.â
Er lächelte leicht und wandte sich zurück zu Mayers Zimmertür.
âNatürlich!â, beeilte sich Anne zu sagen, wie um ihr schlechtes Gewissen zu vertreiben. Es würde ihr noch eine Weile im Kopf herumspuken, dass sie Mayer für diese ganze Misere verantwortlich gemacht und deshalb schlecht behandelt hatte.
Aber ändern konnte sie es nicht mehr.
*
âSag mal...â, setzte Simon an, als sie im Klappermobil auf dem Rückweg zu Annes Wohnung waren.
âErzählst du mir jetzt, was mit Mark eigentlich war?â
Anne drehte den Kopf.
âWas meinst du?â
âDu sagtest er heiratet? Gepiercter Rauschgoldengel?â, erinnerte Simon sie. Fast hatte sie das schon wieder vergessen. Aber nur fast.
âMarlijn heiÃt sie, ja. Aber die zwei hatten 'nen riesigen Streit. Die haben schon zusammen gewohnt, kannst du dir das vorstellen?â
âNicht wirklich, aber eher weil ich immer dachte, dass du irgendwann mit ihm zusammen ziehst.â
Er warf ihr einen kurzen, prüfenden Blick zu, bevor er sich wieder auf die StraÃe konzentrierte.
Anne lachte leise.
âNun, offensichtlich lagst du falsch. WeiÃt du, mir ist klargeworden, dass das mit Mark und mir nicht gesund war. Ich war so verknallt in ihn, dass ich gar keinen eigenen Willen hatte, wenn er dabei war. Und das kuriose ist, dass es bei ihm genau so war. Das ist... merkwürdig. Als Freunde funktionieren wir einfach viel besser.â
âFindest du?â, fragte Simon nach, den das Gespräch irgendwie an seine eigene Situation erinnerte. âIhr habt auf mich immer glücklich gewirkt. Bis er ein bisschen durchgedreht ist mein ich...â
âNaja, was meinst du, wieso er durchgedreht ist? Er dachte immer, er wäre derjenige, der sich permanent anstrengen muss, damit unsere Beziehung hält. Aber in Wirklichkeit war ich das. In meiner Wirklichkeit eben.â
Sie überlegte kurz.
âWarum analysieren wir eigentlich grad meine allererste Beziehung?â
âWeil du nach unserem Streit direkt zu ihm wolltest, er jetzt heiratet und es auÃerdem nicht nur deine Erste, sondern auch deine letzte längere Beziehung war? Ich dachte, das beschäftigt dich... Aber wir können auch über was anderes reden.â
Sie lächelte und schaute einem HeiÃluftballon zu, der parallel zu ihnen am Himmel entlangzog.
âWenn ich ehrlich bin: Es ist verdammt merkwürdig, wenn er jetzt wirklich heiratet. Aber nicht deshalb, weil ich ihn heiraten wollte, sondern weil er so plötzlich in einer ganz anderen Welt sein wird. Es ist komisch, wenn sich unsere Beziehung dann verändert. Und stell dir vor er bekommt dann bald Kinder, und ich studiere immer noch? Ich hab immer noch keine Ahnung, was ich mit meinem Leben noch anfangen soll. Dann haben wir uns irgendwann gar nichts mehr zu sagen, weil es kein Thema gibt, was uns noch beide interessiert.â
Sie runzelte die Stirn, als der HeiÃluftballon am Horizont verschwand.
âBitte, heirate Valerie nicht sofort, okay? Ich kann mich bestimmt mit ihr anfreunden, aber zwischen Marks und deiner Hochzeit müssen mindestens zwei Jahre vergehen, damit ich nicht durchdrehe.â
Er lachte laut und trat plötzlich aufs Gas, sodass sie über die freie Fahrbahn vor ihnen schossen.
âWillst du mich umbringen?â, rief Anne, ebenfalls lachend, während sie sich am Griff an der Innenseite der Autotür festklammerte.
âHeiraten...â, wiederholte er. âWillst du mich umbringen?â
es tut mir unendlich leid, dass es hier so lange nicht weitergegangen ist. aber ich bin wieder da, ich bin wieder inspiriert und ich weià jetzt, wo es hingeht


danke für all euer feedback was noch zum letzten teil dawar!
(ungebetat-beschwert euch gern!)
VierunddreiÃig
2011
âHallo, mein Name ist Anne Becker, ich bin hier, um einen alten Freund zu besuchen.â, stellte Anne sich bei der Empfangsdame vor. Sie hatte bei Annes letzten Besuch noch nicht hier gearbeitet.âWen suchen sie denn?â
âAlle nennen ihn nur Mayer, ich weià aber wo er ist, sie müssten mir nur eben aufschlieÃen, wenn sie gerade Zeit haben...â
Simon beobachtete seine beste Freundin aus einiger Entfernung. Sie rang nervös ihre Finger und trat von einem Fuà auf den anderen, als würde das die gemächlichen Schritte der Empfangsdame beschleunigen.
âKomm, Simon.â, sagte sie auch schon, als die Empfangsdame noch an ihrem Schlüsselbund nach dem richtigen Aufzugschlüssel suchte.
Er trat hinter Anne und wollte gerade etwas sagen, da stutzte die Empfangsdame.
âMayer, sagen sie? Der ist gar nicht mehr auf der geschlossenen Station.â, fiel ihr ein und sie lieà den Schlüssel sinken. âIch muss ihnen gar nicht aufschlieÃen. Er ist jetzt im ersten Stock.â
Sie ging etwas schneller zu ihrem Tresen zurück. Anne schaute sie nur ungläubig ab, bis ein paar Mausklicks später die Zimmernummer feststand.
âZimmer 18. Gehen sie nur!â, meinte sie aufmunternd. Simon packte Anne an den Schultern und schob sie in den Aufzug.
âNervös?â, sprach er das Unübersehbare als sich die Türen schlossen.
âIch war nicht gerade nett zu ihm, letztes Mal...â, murmelte sie.
âUnd was zur Hölle soll das bedeuten, er ist nicht mehr auf der geschlossenen Station? Ist er plötzlich wieder zurechnungsfähig?â
âNaja? Kann das denn passieren, dass man auf einmal nicht mehr dement ist? Einfach so?â
Ratlos standen die beiden Freunde da, bis sich die Türen wenig später öffneten und sie auf einem leeren Flur hinaustraten. Am Ende des Ganges, dort, wo sich auf Mayers alter Station die Tür zur groÃen Wohnküche befunden hatte, stand eine einsame Topfpflanze vor einer Tür, auf der groà ânur für Mitarbeiterâ Stand. Rechts und Links von ihnen waren Patientenzimmer, die nicht, wie Anne von ihren letzten Besuchen gewohnt, mit Bildern der Patienten dekoriert waren, sondern nur durch Nummern gekennzeichnet waren. Simon fasste etwas Mut und klopfte schlieÃlich an die Tür von Zimmer Nr. 18.
âHerein?â
Anne erkannte sofort Mayers Stimme. Sie öffnete die Tür und sah vorsichtig in das Zimmer, verängstigt von der kalten Atmosphäre des Ganges.
âOh, wer sind Sie denn?â, fragte Mayer höflich und versuchte, seinen Fernseher leiser zu stellen. Offensichtlich hatte er dabei jedoch groÃe Probleme mit der Fernbedienung.
Als Simon sich gerade an seiner versteinerten besten Freundin vorbeischieben wollte, um ihm zu helfen, stand jedoch plötzlich ein junger Mann aus einem Sessel in einer Ecke auf, den er vorher glatt übersehen hatte, und schaltete den Fernseher ab.
âFrau Becker, wie schön, dass sie es einrichten konnten!â, sagte er zu Anne, die noch ihre Sprache wiederzufinden suchte.
Vor ihr stand der junge Mann, der ihr das Paket mit dem Messer übergeben hatte. Und noch viel wichtiger, verwirrender, schockierender war Mayer, wie er dort lag, eingefallen, blass und müde.
Sie trat vor und schluckte gleichzeitig den riesigen Kloà in ihrem Hals, in dem bedrückenden Gefühl, dass hier etwas gar nicht in Ordnung war. Ihre Hand legte sie auf Mayers Schulter, bevor sie leise zu sprechen begann.
âMayer, wieso liegst du im Bett? Warum hast du die Station gewechselt?â
âStation... Station....â murmelte Mayer verwirrt. âSie sind das Becker-Mädchen, oder? Anne. Meine Güte, bist du groà geworden.â
Anne lächelte.
âRichtig, das bin ich. Du hast mir ein Paket geschickt. Mit einem Messer drin, Mayer.â
âDas hab ich? Das wollte ich immer, aber erst, wenn ich sicher bin, dass es mit mir wirklich...â
Er brach ab und sah Simon an.
âWer sind sie denn dann?â
Simon war zu sehr damit beschäftigt, die Situation überhaupt zu verstehen, als dass er noch hätte reagieren können. Anne hatte nie sehr viel von ihren Besuchen bei Mayer erzählt, aber er hatte sich den alten Polizisten um einiges anders vorgestellt. Anne schien ihn allerdings auch anders in Erinnerung zu haben. Nur der junge Mann, der sich inzwischen wieder in seine Zimmerecke zurückgezogen hatte wie ein sehr gut erzogener Hund, schien überhaupt nichts seltsames an der Situation zu finden.
Wenn man davon absah, dass es ihm neu zu sein schien, dass Mayer Messer in Paketen verschickte...
âDas ist Simon.â, erklärte Anne, âer ist mit mir hier.â
Mayer nickte bedächtig.
âUnd wenn du gehen musst? Bleibt er dann allein zurück?â, fragte er nachdenklich zurück.
âEs ist nicht schön, ganz allein auf der Welt zu sein.â
âWenn ich gehen muss, kommt Simon mit. Mayer, das Messer...â
âDein Vater sagte du sollst es nicht wissen, aber das fand ich nicht gut. Ich hab ihm versprochen...â
âIch weiÃ. Willst du es jetzt sagen?â
Mayer griff nach ihre Hand und klammerte sich regelrecht an sie.
âNiemals darf sie es wissen, verstehen sie? Ich will es nicht. Meine Frau... Ich kann das nicht. Ich kann das nicht.â
âWas?â
An dieser Stelle schien es auch dem jungen Pfleger aufzugehen, dass das hier keine alltägliche Situation mit dem verwirrten alten Herrn war.
âBitte, Sie regen Herrn Mayer auf.â, merkte er vorsichtig an.
âIch weià es nicht mehr.â, sagte Mayer da, laut und deutlich.
âIch weià nicht, was er als nächstes gesagt hat. Und ich will es auch gar nicht wissen, wenn ich es nicht weiÃ, muss ich es dir nicht verschweigen.â
Anne fühlte sich unangenehm an ihren letzten Besuch im Altenheim erinnert. Mayer hatte auch damals gesagt, er hätte es vergessen gehabt, obwohl ihnen beiden klar war, dass er es genau wusste. Aber heute war etwas anders. Sie glaubte ihm. Und viel mehr noch: Ihr wurde klar, dass sie von Mayer nie erfahren würde, was sie wissen wollte. Wenn sie ehrlich war, hatte sie das von Anfang an gewusst und es war nur befreiend, es mit Sicherheit zu verstehen. Es war unfair von ihr gewesen, von Mayer zu verlangen, sein Versprechen zu brechen. Zu verraten, wer er war und woran er glaubte â das konnte sie von niemandem erwarten.
AuÃerdem war sie sich inzwischen nicht mehr sicher, ob sie überhaupt wissen wollte, was geschehen war. Sie hatte sich den jungen Mayer, der vor zwanzig Jahren im Fall ihrer Eltern ermittelt hatte, jedenfalls immer als einen starken, Unrecht und Gefahren gewohnten Einzelgänger vorgestellt. Einen perfekten Polizisten aus ihren Kriminalromanen. Seltsamerweise tat sie das heute immer noch, obwohl seine weiche Seite ihr inzwischen mehr als deutlich geworden war. Wenn sie richtig lag, wenn er wirklich dieser Mensch gewesen war, den sie sich vorstellte, was konnte es dann sein, was diesen Mann aus der Bahn warf? Wenn die Wahrheit schon für ihn viel zu viel zu sein schien â war es dann besser, sie einfach nicht zu erfahren?
âIst schon gut, Mayer. Wir reden über was anderes.â
Mayer schaute sie müde an.
âSie sind das Becker-Mädchen, oder? Vielleicht hab ich etwas Apfelschorle da...â
â Er hat sich vor einem Monat die Hüfte gebrochen, seitdem geht es bergab mit ihm.â, erklärte der Pfleger ihnen auf dem Flur, nachdem sie sich etwas später von Mayer verabschiedet hatten.
âDas ist bei alten Menschen oft so, wenn sie sich nicht mehr bewegen, wird es noch viel schlimmer.â
Anne nickte.
âHat er was zu dem Paket gesagt, das Sie mir vorbei gebracht haben?â
âNein, nicht mehr als das was er gerade auch gesagt hat. Das können Sie auch nicht mehr von ihm erwarten. Aber es wäre schön, wenn sie ihn trotzdem noch mal besuchen.â
Er lächelte leicht und wandte sich zurück zu Mayers Zimmertür.
âNatürlich!â, beeilte sich Anne zu sagen, wie um ihr schlechtes Gewissen zu vertreiben. Es würde ihr noch eine Weile im Kopf herumspuken, dass sie Mayer für diese ganze Misere verantwortlich gemacht und deshalb schlecht behandelt hatte.
Aber ändern konnte sie es nicht mehr.
*
âSag mal...â, setzte Simon an, als sie im Klappermobil auf dem Rückweg zu Annes Wohnung waren.
âErzählst du mir jetzt, was mit Mark eigentlich war?â
Anne drehte den Kopf.
âWas meinst du?â
âDu sagtest er heiratet? Gepiercter Rauschgoldengel?â, erinnerte Simon sie. Fast hatte sie das schon wieder vergessen. Aber nur fast.
âMarlijn heiÃt sie, ja. Aber die zwei hatten 'nen riesigen Streit. Die haben schon zusammen gewohnt, kannst du dir das vorstellen?â
âNicht wirklich, aber eher weil ich immer dachte, dass du irgendwann mit ihm zusammen ziehst.â
Er warf ihr einen kurzen, prüfenden Blick zu, bevor er sich wieder auf die StraÃe konzentrierte.
Anne lachte leise.
âNun, offensichtlich lagst du falsch. WeiÃt du, mir ist klargeworden, dass das mit Mark und mir nicht gesund war. Ich war so verknallt in ihn, dass ich gar keinen eigenen Willen hatte, wenn er dabei war. Und das kuriose ist, dass es bei ihm genau so war. Das ist... merkwürdig. Als Freunde funktionieren wir einfach viel besser.â
âFindest du?â, fragte Simon nach, den das Gespräch irgendwie an seine eigene Situation erinnerte. âIhr habt auf mich immer glücklich gewirkt. Bis er ein bisschen durchgedreht ist mein ich...â
âNaja, was meinst du, wieso er durchgedreht ist? Er dachte immer, er wäre derjenige, der sich permanent anstrengen muss, damit unsere Beziehung hält. Aber in Wirklichkeit war ich das. In meiner Wirklichkeit eben.â
Sie überlegte kurz.
âWarum analysieren wir eigentlich grad meine allererste Beziehung?â
âWeil du nach unserem Streit direkt zu ihm wolltest, er jetzt heiratet und es auÃerdem nicht nur deine Erste, sondern auch deine letzte längere Beziehung war? Ich dachte, das beschäftigt dich... Aber wir können auch über was anderes reden.â
Sie lächelte und schaute einem HeiÃluftballon zu, der parallel zu ihnen am Himmel entlangzog.
âWenn ich ehrlich bin: Es ist verdammt merkwürdig, wenn er jetzt wirklich heiratet. Aber nicht deshalb, weil ich ihn heiraten wollte, sondern weil er so plötzlich in einer ganz anderen Welt sein wird. Es ist komisch, wenn sich unsere Beziehung dann verändert. Und stell dir vor er bekommt dann bald Kinder, und ich studiere immer noch? Ich hab immer noch keine Ahnung, was ich mit meinem Leben noch anfangen soll. Dann haben wir uns irgendwann gar nichts mehr zu sagen, weil es kein Thema gibt, was uns noch beide interessiert.â
Sie runzelte die Stirn, als der HeiÃluftballon am Horizont verschwand.
âBitte, heirate Valerie nicht sofort, okay? Ich kann mich bestimmt mit ihr anfreunden, aber zwischen Marks und deiner Hochzeit müssen mindestens zwei Jahre vergehen, damit ich nicht durchdrehe.â
Er lachte laut und trat plötzlich aufs Gas, sodass sie über die freie Fahrbahn vor ihnen schossen.
âWillst du mich umbringen?â, rief Anne, ebenfalls lachend, während sie sich am Griff an der Innenseite der Autotür festklammerte.
âHeiraten...â, wiederholte er. âWillst du mich umbringen?â