Hallo meine SüÃen :knuddel:
Danke, Anne, für dein Feedback. Ich hab mich total darüber gefreut!
Es gibt ein neues Kapitel, ich hoffe, es gefällt euch. Es ist wieder etwas kürzer, aber die nächsten werden wieder gewohnte Länge haben
Freu mich auf eure Feedbacks!
Hab euch lieb
Bussi Selene
48. Teil
Spanish Harlem
Ana lehnte sich auf den weichen Stoff der Couch und schloss die Augen für einen Moment. Die Stille schien sie zu umfangen, sie glaubte sogar Emilios tiefe Atemzüge aus dem Schlafzimmer zu hören. „Sag etwas.“, forderte sie ihr Gegenüber, welches bestanden hatte, auf dem Holzsessel statt auf dem Sofa zu sitzen, auf. Sie ertrug die Stille nicht. Nicht mehr. Früher hatte sie Ruhe bedeutet, Frieden. Seit jenem Tag vor zehn Jahren hatte sich ihre Bedeutung jedoch verändert. Bedrohung. Abgrund. Schmerz.
Angela fuhr mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen. Ein schweres Seufzen entwich ihr. Ana uns sie waren sich vor wenigen Tagen beim Einkauf begegnet. Kurz nach Angelas Beobachtung, welche ein unwohles Gefühl in ihrem Bauch ausgelöst hatte. Sie waren ins Gespräch gekommen, Ana hatte versucht sich nichts anmerken zu lassen. Dennoch hatte Angela gespürt, dass etwas nicht stimmte. Es waren vor allem die zärtlichen Erinnerungen an Rosa, welche sie schlieÃlich diesen Abend zu der verrückten Kurzschlusshandlung getrieben hatten, zu Ana zu gehen. Sie hatten sich immer sehr gut verstanden, zwischen Anas Tochter und Angela hatte es jedoch immer eine besondere Beziehung gegeben. Sie hatte die junge Frau beinahe als Tochter betrachtet. Auf dem Weg war Angela gedanklich zahlreiche Ausreden durchgegangen, hatte Ana jedoch schlieÃlich mit den einzig ehrlichen Worten begrüÃt. „Ich sorge mich.“
Es war, als wäre Angela die Person gewesen, auf die Ana gewartet hatte. Als wäre es vorherbestimmt gewesen, dass jene sie in einem Moment auffing, in welchem sie gedanklich zu verzweifeln schien.
Ana hatte Tee gekocht und über Rosa gesprochen. SchlieÃlich verband sie die Liebe zu der Frau, welche viel zu früh gehen musste, ohne sich verabschiedet zu haben. Ihre Gespräche waren anfangs froher Natur gewesen, wenn auch nur an der Oberfläche. In Wahrheit war mit jedem scheinbaren Lächeln, mit jeder munteren Gestik, mit jedem Wort tiefe Trauer und Angst mitgeschwungen.
„Lillians und meine stabile Welt brach damals zusammen...“ Anas Stimme begann zu zittern. „Was wird nun geschehen? Jetzt, wo ihre Wunden zu heilen begonnen haben? Jetzt, wo sie auch Liebe gefunden hat, weil sie diese endlich zulieÃ? Was wird passieren? Wird sie enden wie Lavinia Da Costa?“
Angela runzelte die Stirn und verwünschte das bedrohende Dröhnen in ihrem Kopf. Sie wünschte, sie könnte helfen.
„Wird sie eines dieser Mädchen, welche sich täglich ein wenig mehr zerstören, um sich und die Welt nicht mehr ertragen zu müssen?“ Ana schüttelte den Kopf, um die Bilder zu verdrängen, welche die StraÃe ihr täglich zeigte. „Ich wollte für sie da sein. Ich wollte sie ihren Collegeabschluss machen sehen. Ihre Kinder in den Armen halten. Werde ich das jemals können?“ Sie umschloss den hölzernen Rosenkranz in ihrer Rocktasche. „Sie braucht mich doch.“
Angelas Hände begannen zu zittern. Eine Erinnerung begann ihr Herz zu beschleichen. Eine Erinnerung, welche nie verarbeitet, sondern nur verdrängt worden war. Sie fühlte sich hilflos. Wie vor einigen Jahren. „Du kannst dich auf mich verlassen.“, presste sie mühsam hervor und räusperte sich. „Ich werde da sein. Immer.“ Sie versuchte ihrer Stimme die nötige Kraft zu verleihen. „Genau wie du. Du hast erst verloren, wenn du aufgegeben hast.“
Ana betrachtete sie nachdenklich. „Meine Mutter hatte dies einst gesagt. Würde die Zeit reichen, würde ich dir ihre Geschichte erzählen. Du würdest erkennen, dass es Dinge gibt, auf die du keinen Einfluss hast. Wir sind abhängig. Abhängig von einem System, welches keine Gerechtigkeit, sondern nur Papiere kennt. Strikte Paragraphen. Schwarz auf weiÃ.“ Ihre Stimme senkte sich. „Ich bin nicht versichert...sie werden mich nicht operieren. Es...es ist nur eine Frage der Zeit...“ Sie wusste nicht, ob sie die letzten Worte gesprochen, oder nur gedacht hatte. Sie wurden von der bedrohlichen Stille verschluckt. Eine Stille, welche ihre Opfer langsam ergreift und mit sich zieht. In einen Sog von Erinnerungen. Schmerz. Angst. Der unendlichen Tiefe.
Die Tür schien sich wie einst zu öffnen. Rosa und Lillian betraten lachend die Wohnung, Brötchen tragend. Ein Spaziergang im Park, es war unglaublich mild. Rosa und Lillian sangen ein Lied, während Ana und Jorge den Picknickkorb auspackten. Ein Anruf, der alles zerstörte. Ana, die kraftlos zu Boden sank. Zwei hektische Frauen, welche das Kind unsanft in die Wohnung schoben. Lillian, die den Teller zerbrach und schluchzend auf die StraÃe lief, um etwas zu finden, was es nicht mehr gab. Elena und María, der groÃe Garten. Lillians Alpträume, aus welchen sie schweiÃgebadet erwachte. Kaltes Wasser. Hände, die auf Ana eintrommelten, ehe sie verzweifelt nach ihr griffen. Die Fieberanfälle des Mädchens. Der Traum von Rosa, welche zu Ana sprach. Lillian und ihre GroÃmutter am Friedhof. Emilios Geburt. Lillians Hoffnung in den Augen. Der Schwächeanfall. Ein heimtückischer FuÃweg durch glühende Hitze. Der Geruch der alten Artpraxis. Zögernde Worte. Eine Wahrheit, die besser unausgesprochen geblieben wäre.