29.05.2007, 13:30
So, da das letzte so kurz war, hab ich heute noch schnell den Teil geschrieben, der zu lang war um den noch mit anzuhängen....Viel SpaÃ!
âSie hat nicht frei. Sie geht morgens um acht und kommt abends um sieben wiederâ, schimpfte Rana wieder und dann still.Langsam schaute sie sich um, und ihr traten wieder Tränen in die Augen.
âIch bin hier noch nie gewesen. Aber es ist das Haus meiner Mutter. Da sollte es doch eigentlich mein zuhause sein, oder? Aber ich bin hier fremd. Ich kenne meine eigenen Geschwister nicht. Ich wusste nicht mal wie sie aussehen. Die Regeln hier machen mich wahnsinnig. Ich war noch nie lange an einem Ort, aber ich hab mich noch nie, niemals so fremd und fehl am Platz gefühlt. Mich stört es sogar dass ich Deutsch sprechen muss. Sonst mach ich das doch auch!â Es begann aus ihr heraus zu brechen und Encarna wusste das Sophie hinter der angelehnten Tür stand und jedes Wort mit anhörte. Vielleicht war das notwendig, dass sie endlich zu verstehen begann.
â Es stört mich. Ich habe keine Lust mehr dazu und am liebsten würde ich den ganzen Tag Arabisch sprechen nur um mich mehr daheim zu fühlen. Ich hätte nie gedacht, dass die Sprache so einen Einfluss darauf hat. Mir war es immer egal was ich gesprochen hab,solange man mich verstanden hat. Aber jetzt fehlt es mir. Alles was mit zuhause zu tun hat fehlt mir so furchtbar. Die Sprache, das Essen, die Musik, das Wetter, der Geruch. Zuhause riecht es sogar anders, ist dir das mal aufgefallen. Die Hemden bei uns im Hotel haben einen ganz bestimmten Geruch, genau wie babas. Die riechen nach... nach.. ich kann das nicht mal beschreiben. Gestern in der Stadt, als ich zum ersten Mal hier raus kam, ist ein Mann an mir vorbei gelaufen und er hat genau so gerochen. Am liebsten wäre ich ihm um den Hals gefallen. Ich hab ihn durch die ganze Innenstadt verfolgt nur um diesen Geruch nicht wieder zu verlieren. Carna ich glaube ich werde verrückt!â Encarna strich ihr mit der Hand kurz über die Haare.
âIch weià was du meinst. So ging es mir am Anfang in Tunesien. Ich habe Spanien so vermisst und alles was damit zu tun hatte.â
âJetzt immer noch?â fragte Athina und schaute ihr in die Augen um zu sehen ob sie ihr die Wahrheit sagen würde. Dieses Misstrauen war neu. 'Was hat Sophie ihr nur angetan?!' dachte Encarna in dem Moment.
âNein, jetzt nicht mehr. Ihr seid doch da. Manchmal vielleicht noch ein bisschen. Aber ich denke das ist normal.â
â Du hast uns, das stimmt. Aber ich habe hier niemanden. Alle sind arbeiten oder in der Schule. Und wenn sie da sind, sind es alles Fremde für mich. Ich kenne Sophie nicht und sie mich nicht, machen wir uns doch nichts vor. Seit einer Ewigkeit haben wir keinen Kontakt mehr. Ich dachte, wenn ich hier wäre würde ich sie kennen lernen. Aber das geht so nicht. Sie geht mir auch hier aus dem Weg. WeiÃt du wenn wenigstens Sara hier wäre. Ich gönne ihr ja ihr Glück, die beiden sind füreinander gemacht, aber sie fehlt mir. Mit ihr hätte ich shoppen gehen und die Stadt besichtigen können, dann wäre alles andere nicht so schlimm. Aber ich sitze hier fest und mir fällt die Decke auf den Kopf. Bring mich nach Hause Carna, bitte!â. Sophie stand nicht mehr hinter der Tür als Encarna dort hin schaute.
Sie hatte Said noch kurz angerufen bevor sie los geflogen war und der Gedanke dass er hätte mitkommen wollen, war ihr nicht gekommen. Alles um sie herum war seltsam verschwommen und sie wusste nicht was sie im Flugzeug getan hatte oder ob ihr Sitznachbar männlich oder weiblich gewesen war. Sie fragte sich ununterbrochen was passiert sein mochte, dass Rana mit dem Messer auf jemanden los ging. Sie hatte zwar Saids Temperament, aber die beiden waren nicht gewalttätig. Oder doch?
Die Verzweiflung in Sophies Stimme ging ihr nicht mehr aus dem Kopf und im Gegensatz zu Rana zweifelte sie nun kein bisschen mehr daran, dass Sophie ihre Tochter wirklich liebte.
Am Flughafen angekommen hastete sie durch die Menschenmenge nach drauÃen, hoffte dass dort wie versprochen jemand auf sie warten würde. Sie hatte vom Flugzeug aus noch ein Mal kurz telefoniert und mitgeteilt, dass sie unterwegs war, sie hoffte dass, wer auch immer am Telefon gewesen war, das weitergeleitet hatte.
Sie sah einen Mann winken, der ihr etwas bekannt vorkam und als er sie begrüÃte verstand sie, dass es sich um Sophies Mann Fred handelte.
âHatten Sie einen angenehmen Flug?â fragte er höflich und nahm er ihre Reisetasche ab, die sie vor Abflug noch hastig gepackt hatte.
âJa, danke. Den Umständen entsprechendâ, antwortete sie und zuckte mit den Schultern.
âSie können sich nicht vorstellen wie froh ich bin, dass Sie gekommen sindâ, seufzte Fred und ging voran durch das Parkhaus.
âWas ist den passiert? Sophie klang am Telefon völlig hysterisch und sagte, dass Rana auf ihren Bruder mit dem Messer losgegangen wäre?â
âIch glaube keiner kann sich vorstellen was sich abspielt seit Athina in unser Haus kam. Am Anfang, so den ersten Tag, war sie höflich, gut gelaunt, zuvor kommend. Sie half ihren Geschwistern bei den Hausaufgaben, plauderte mit Sophie und mir. Alles schien entspannt. Als wir m nächsten Tag abends von der Arbeit kamen war die Stimmung gekipptâ, erzählte er und hielt vor einem silbernen Mercedes an und öffnete den Kofferraum. Er stellte die Reisetasche hinein und beide nahmen im Auto platz.
âSie gab nur noch einsilbige Antworten, beschwerte sich über das Essen. Am nächsten Tag wurde es noch schlimmer. Als wir heimkamen glich das Wohnzimmer einem Schlachtfeld. Chips, Popcorn, Schokolade alles lag überall verstreut herum, die Musik dröhnte so laut dass mir eine Box kaputt ging und sie weigerte sich aufzuräumen. Sie und Sophie schrien sich an und Athina warf eine Colaflasche nach ihr. Die war zwar aus Plastik und ging auch nicht kaputt, aber der Deckel ging auf und Cola spritze durch den ganzen Raum. An Sophies Geburtstag wurde es nicht besser. Sie weigerte sich mit den Gästen zu sprechen, zog sich in ihr Zimmer zurück, half nicht bei den Vorbereitungenâ, fuhr Fred fort.
âSophie hatte Geburtstag?â fragte Encarna überrascht, aber eigentlich mehr um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Sie verstand nicht was Fred ihr erzählte, konnte sich keinen Reim darauf machen. Was er erzählte klang nach einem verzogenen Teenager, aber nicht nach Rana.
âJa, gestern. Nach der Feier kam es zu einem Streit zwischen Sophie und Athina. Sie beschimpfte sie und schrie sie an. Sophie war völlig fertig. Heute früh beim Frühstück ging es weiter und Chris mischte sich ein, sagte, sie solle doch gehen wenn es hier nicht gefiele. Athina wurde wurde still und schleuderte in der nächsten Sekunde das Messer, das sie in der Hand hielt, nach ihm. Sie traf ihn am Arm. Die Wunde ist nicht tief, es musste nicht genäht werden, aber trotzdem war es dann mit meiner Geduld vorbei. Ich habe Athina auf ihr Zimmer geschickt und dort liegt sie jetzt und starrt gegen die Wand, wie schon gestern, vor der Feierâ, beendete Fred seinen Bericht.
âManchmal glaube ich, ich bin nur von Bescheuerten umgebenâ, seufzte Encarna und lächelte gequält, als Fred sie ansah.
âNicht Sie, Entschuldigung. Aber seit ich in diese Familie gekommen bin, verging kein Tag an dem ich nicht fassungslos vor dem stehe was sich dort abspielt. Ganz am Anfang sagte Corinna zu mir, dass wohl jeder von ihnen intensiver psychologischer Betreuung bedürfe und mit jedem Tag der vergeht wird deutlicher wie Recht sie hatte. Ständig herrscht Streit, sie schreien sich an, gehen auf einander los. Sara wurde aus der Familie verbannt, weil sie einen amerikanischen Freund hat, ich wurde mit der Hochzeit völlig überfahren, Rana ist launisch und unberechenbar und Karim so aggressiv, dass er mir manchmal Angst macht. Und das alles verbirgt sich hinter der Fassade dieser immer lächelnden und gut gelaunten Familie, es ist nicht zu glaubenâ.
âSie haben wohl auch schon einiges mitgemachtâ, stellte Fred fest.
âJedenfalls wird es mir nicht langweiligâ, lachte Encarna.
âDas Verhältnis zwischen Athina und Sophie ist wohl kaputter als Sophie dachte, was?â fragte Fred dann.
âIch denken Sophie weià eigentlich genau wie kaputt das Verhältnis ist, aber will es nicht wahr habenâ.
âWas ist damals passiert? Wissen Sie das? Ich kenne nur Bruchteile, habe ich den Eindruckâ.
âSoweit ich weià hat Sophie Rana wohl einfach sitzen lassen und ist mit ihrem ersten Mann abgehauen. Sie hat sich nie blicken lassen und auch nie angerufen. Ab und zu kam sie wohl vorbei um dann genauso schnell wieder zu verschwinden, aber viel mehr weià ich auch nicht.â.
âSophie hat erzählt, Said hätte ihr gedroht und sie hätte gehen müssen und das Sorgerecht völlig abgebenâ, sagte Fred überrascht.
âSoweit ich weià nicht, das würde auch nicht zu Said passen. Er kann zwar sehr.. autoritär sein, aber er würde niemals einer Mutter ihr Kind wegnehmenâ.
âSophie würde niemals einfach so ihr Kind im Stich lassenâ, erwiderte er.
âVon dem was ich bisher mitbekommen habe, würde ich sagen, das werden wir wohl nie wirklich erfahrenâ, seufzte Encarna und schaute anschlieÃend zum Fenster hinaus, sah die Lichter im Dunkeln an sich vorbei ziehen.
Das Haus von Fred und Sophie lag etwa eine halbe Stunde auÃerhalb der Stadt, idyllisch im Grünen und ziemlich einsam.
Gemeinsam mit Fred betrat Encrna das Haus, in dem eine gespenstische Stille herrschte.
âSchlafen die alle schon?â flüsterte Encarna.
âDas glaube ich nichtâ, sagte er und führte sie ins Wohnzimmer. Sophie lag auf der Couch, die Beine anwinkelt und starrte ins dunkle Wohnzimmer. Als Fred das Licht anschaltete zuckte sie zusammen und schaute die beiden n wie Geister. Ihre Augen waren rot und vom Weinen geschwollen.
âHalloâ, sagte Encarna vorsichtig und bereitete sich innerlich auf so ziemlich jede Reaktion vor.
âAthina ist in ihrem Zimmerâ, krächzte Sophie und lieà sich von Fred in die Arme schlieÃen.
âDie Treppe hoch, erste Tür rechtsâ, informierte er Encarna und drückte seiner Frau einen Kuss auf die Stirn.
âOkayâ, nickte Encarna und kam sich vor wie ein Eindringling, als sie die beiden so auf der Couch sah. Sie wünschte sich, dass Said bei ihr wäre, gleichzeitig wusste sie, dass das wohl keine gute Idee wäre.
Alles im Haus schien aus Holz, die Türen, die Möbel.. alles war im bayrischen Stil gehalten und so anders als das golden-schimmerte Haus von Said.
Encarna klopfte leise an der Tür und war nicht überrascht als sie keine Antwort erhielt. Langsam öffnete sie die Tür, vielleicht schlief Rana ja doch schon. Im Zimmer brannte die Nachttischlampe und Rana lag mit offenen Augen auf dem Bett und starrte gegen die Zimmerdecke. Sie sah entschlossen aus, trotzig, wütend.
âRanaâ, sagte Encarna leise um sie nicht zu erschrecken und Rana drehte sofort ihren Kopf, sah sie an. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich und Trotz wich Traurigkeit. Sie sah plötzlich so traurig und verloren aus, dass es Encarna einen Stich versetzte.
âMamaâ, flüsterte Rana fassungslos und klammerte sich an Encarna fest, als diese zu ihr eilte.
âBring mich nach Hause, Mama. Bring mich nach Hauseâ, flüsterte sie und begann zu weinen.
âRana was ist hier los? Was ist hier passiert?â, fragte Encarna während sie Rana noch an sich presste.
âIch will nach Hauseâ, sagte Rana nur noch ein Mal und Encarna löste sich etwas von ihr.
âRana! Was ist hier los?â fragte sie nun mit Nachdruck.
âSie hatte nicht frei.Sie war arbeiten. Sie war den ganzen Tag arbeiten. Sie hat mir versprochen, dass wir so viel zusammen machen würden und dann ging sie arbeiten. Ich saà den ganzen Tag alleine hier. Hier fährt nicht mal ein Bus! Ich konnte nichts machen. Ich saà den ganzen Tag alleine hier rum und wenn sie heimkamen hben sie sich um ihre Kinder gekümmert. Was soll ich denn hier? Zuerst werde ich gezwungen hierher zu kommen und dann bin ich alleine? Ich verstehe die Haushälterin nicht, die spricht nur bayrisch und ich kann die Kinder nicht leiden. Sophie redet immer davon dass das meine Geschwister sind, aber ich kenne die nicht. Ich sehe die zum zweiten Mal in meinem ganzen Leben! Ich durfte nicht telefonieren und sie hat mir mein Handy abgenommen, weil es die Familienatmosphäre stören würde, die anderen zwei hätten auch keins. Die spinnt!â erzählte Rana und wurde mit jedem Satz wütender.
âDu warst den ganzen Tag alleine? Ich dachte sie hat frei?â fragte Encarna fassungslos und sah aus dem Augenwinkel einen Schatten hinter der Tür.
Die Verzweiflung in Sophies Stimme ging ihr nicht mehr aus dem Kopf und im Gegensatz zu Rana zweifelte sie nun kein bisschen mehr daran, dass Sophie ihre Tochter wirklich liebte.
Am Flughafen angekommen hastete sie durch die Menschenmenge nach drauÃen, hoffte dass dort wie versprochen jemand auf sie warten würde. Sie hatte vom Flugzeug aus noch ein Mal kurz telefoniert und mitgeteilt, dass sie unterwegs war, sie hoffte dass, wer auch immer am Telefon gewesen war, das weitergeleitet hatte.
Sie sah einen Mann winken, der ihr etwas bekannt vorkam und als er sie begrüÃte verstand sie, dass es sich um Sophies Mann Fred handelte.
âHatten Sie einen angenehmen Flug?â fragte er höflich und nahm er ihre Reisetasche ab, die sie vor Abflug noch hastig gepackt hatte.
âJa, danke. Den Umständen entsprechendâ, antwortete sie und zuckte mit den Schultern.
âSie können sich nicht vorstellen wie froh ich bin, dass Sie gekommen sindâ, seufzte Fred und ging voran durch das Parkhaus.
âWas ist den passiert? Sophie klang am Telefon völlig hysterisch und sagte, dass Rana auf ihren Bruder mit dem Messer losgegangen wäre?â
âIch glaube keiner kann sich vorstellen was sich abspielt seit Athina in unser Haus kam. Am Anfang, so den ersten Tag, war sie höflich, gut gelaunt, zuvor kommend. Sie half ihren Geschwistern bei den Hausaufgaben, plauderte mit Sophie und mir. Alles schien entspannt. Als wir m nächsten Tag abends von der Arbeit kamen war die Stimmung gekipptâ, erzählte er und hielt vor einem silbernen Mercedes an und öffnete den Kofferraum. Er stellte die Reisetasche hinein und beide nahmen im Auto platz.
âSie gab nur noch einsilbige Antworten, beschwerte sich über das Essen. Am nächsten Tag wurde es noch schlimmer. Als wir heimkamen glich das Wohnzimmer einem Schlachtfeld. Chips, Popcorn, Schokolade alles lag überall verstreut herum, die Musik dröhnte so laut dass mir eine Box kaputt ging und sie weigerte sich aufzuräumen. Sie und Sophie schrien sich an und Athina warf eine Colaflasche nach ihr. Die war zwar aus Plastik und ging auch nicht kaputt, aber der Deckel ging auf und Cola spritze durch den ganzen Raum. An Sophies Geburtstag wurde es nicht besser. Sie weigerte sich mit den Gästen zu sprechen, zog sich in ihr Zimmer zurück, half nicht bei den Vorbereitungenâ, fuhr Fred fort.
âSophie hatte Geburtstag?â fragte Encarna überrascht, aber eigentlich mehr um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Sie verstand nicht was Fred ihr erzählte, konnte sich keinen Reim darauf machen. Was er erzählte klang nach einem verzogenen Teenager, aber nicht nach Rana.
âJa, gestern. Nach der Feier kam es zu einem Streit zwischen Sophie und Athina. Sie beschimpfte sie und schrie sie an. Sophie war völlig fertig. Heute früh beim Frühstück ging es weiter und Chris mischte sich ein, sagte, sie solle doch gehen wenn es hier nicht gefiele. Athina wurde wurde still und schleuderte in der nächsten Sekunde das Messer, das sie in der Hand hielt, nach ihm. Sie traf ihn am Arm. Die Wunde ist nicht tief, es musste nicht genäht werden, aber trotzdem war es dann mit meiner Geduld vorbei. Ich habe Athina auf ihr Zimmer geschickt und dort liegt sie jetzt und starrt gegen die Wand, wie schon gestern, vor der Feierâ, beendete Fred seinen Bericht.
âManchmal glaube ich, ich bin nur von Bescheuerten umgebenâ, seufzte Encarna und lächelte gequält, als Fred sie ansah.
âNicht Sie, Entschuldigung. Aber seit ich in diese Familie gekommen bin, verging kein Tag an dem ich nicht fassungslos vor dem stehe was sich dort abspielt. Ganz am Anfang sagte Corinna zu mir, dass wohl jeder von ihnen intensiver psychologischer Betreuung bedürfe und mit jedem Tag der vergeht wird deutlicher wie Recht sie hatte. Ständig herrscht Streit, sie schreien sich an, gehen auf einander los. Sara wurde aus der Familie verbannt, weil sie einen amerikanischen Freund hat, ich wurde mit der Hochzeit völlig überfahren, Rana ist launisch und unberechenbar und Karim so aggressiv, dass er mir manchmal Angst macht. Und das alles verbirgt sich hinter der Fassade dieser immer lächelnden und gut gelaunten Familie, es ist nicht zu glaubenâ.
âSie haben wohl auch schon einiges mitgemachtâ, stellte Fred fest.
âJedenfalls wird es mir nicht langweiligâ, lachte Encarna.
âDas Verhältnis zwischen Athina und Sophie ist wohl kaputter als Sophie dachte, was?â fragte Fred dann.
âIch denken Sophie weià eigentlich genau wie kaputt das Verhältnis ist, aber will es nicht wahr habenâ.
âWas ist damals passiert? Wissen Sie das? Ich kenne nur Bruchteile, habe ich den Eindruckâ.
âSoweit ich weià hat Sophie Rana wohl einfach sitzen lassen und ist mit ihrem ersten Mann abgehauen. Sie hat sich nie blicken lassen und auch nie angerufen. Ab und zu kam sie wohl vorbei um dann genauso schnell wieder zu verschwinden, aber viel mehr weià ich auch nicht.â.
âSophie hat erzählt, Said hätte ihr gedroht und sie hätte gehen müssen und das Sorgerecht völlig abgebenâ, sagte Fred überrascht.
âSoweit ich weià nicht, das würde auch nicht zu Said passen. Er kann zwar sehr.. autoritär sein, aber er würde niemals einer Mutter ihr Kind wegnehmenâ.
âSophie würde niemals einfach so ihr Kind im Stich lassenâ, erwiderte er.
âVon dem was ich bisher mitbekommen habe, würde ich sagen, das werden wir wohl nie wirklich erfahrenâ, seufzte Encarna und schaute anschlieÃend zum Fenster hinaus, sah die Lichter im Dunkeln an sich vorbei ziehen.
Das Haus von Fred und Sophie lag etwa eine halbe Stunde auÃerhalb der Stadt, idyllisch im Grünen und ziemlich einsam.
Gemeinsam mit Fred betrat Encrna das Haus, in dem eine gespenstische Stille herrschte.
âSchlafen die alle schon?â flüsterte Encarna.
âDas glaube ich nichtâ, sagte er und führte sie ins Wohnzimmer. Sophie lag auf der Couch, die Beine anwinkelt und starrte ins dunkle Wohnzimmer. Als Fred das Licht anschaltete zuckte sie zusammen und schaute die beiden n wie Geister. Ihre Augen waren rot und vom Weinen geschwollen.
âHalloâ, sagte Encarna vorsichtig und bereitete sich innerlich auf so ziemlich jede Reaktion vor.
âAthina ist in ihrem Zimmerâ, krächzte Sophie und lieà sich von Fred in die Arme schlieÃen.
âDie Treppe hoch, erste Tür rechtsâ, informierte er Encarna und drückte seiner Frau einen Kuss auf die Stirn.
âOkayâ, nickte Encarna und kam sich vor wie ein Eindringling, als sie die beiden so auf der Couch sah. Sie wünschte sich, dass Said bei ihr wäre, gleichzeitig wusste sie, dass das wohl keine gute Idee wäre.
Alles im Haus schien aus Holz, die Türen, die Möbel.. alles war im bayrischen Stil gehalten und so anders als das golden-schimmerte Haus von Said.
Encarna klopfte leise an der Tür und war nicht überrascht als sie keine Antwort erhielt. Langsam öffnete sie die Tür, vielleicht schlief Rana ja doch schon. Im Zimmer brannte die Nachttischlampe und Rana lag mit offenen Augen auf dem Bett und starrte gegen die Zimmerdecke. Sie sah entschlossen aus, trotzig, wütend.
âRanaâ, sagte Encarna leise um sie nicht zu erschrecken und Rana drehte sofort ihren Kopf, sah sie an. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich und Trotz wich Traurigkeit. Sie sah plötzlich so traurig und verloren aus, dass es Encarna einen Stich versetzte.
âMamaâ, flüsterte Rana fassungslos und klammerte sich an Encarna fest, als diese zu ihr eilte.
âBring mich nach Hause, Mama. Bring mich nach Hauseâ, flüsterte sie und begann zu weinen.
âRana was ist hier los? Was ist hier passiert?â, fragte Encarna während sie Rana noch an sich presste.
âIch will nach Hauseâ, sagte Rana nur noch ein Mal und Encarna löste sich etwas von ihr.
âRana! Was ist hier los?â fragte sie nun mit Nachdruck.
âSie hatte nicht frei.Sie war arbeiten. Sie war den ganzen Tag arbeiten. Sie hat mir versprochen, dass wir so viel zusammen machen würden und dann ging sie arbeiten. Ich saà den ganzen Tag alleine hier. Hier fährt nicht mal ein Bus! Ich konnte nichts machen. Ich saà den ganzen Tag alleine hier rum und wenn sie heimkamen hben sie sich um ihre Kinder gekümmert. Was soll ich denn hier? Zuerst werde ich gezwungen hierher zu kommen und dann bin ich alleine? Ich verstehe die Haushälterin nicht, die spricht nur bayrisch und ich kann die Kinder nicht leiden. Sophie redet immer davon dass das meine Geschwister sind, aber ich kenne die nicht. Ich sehe die zum zweiten Mal in meinem ganzen Leben! Ich durfte nicht telefonieren und sie hat mir mein Handy abgenommen, weil es die Familienatmosphäre stören würde, die anderen zwei hätten auch keins. Die spinnt!â erzählte Rana und wurde mit jedem Satz wütender.
âDu warst den ganzen Tag alleine? Ich dachte sie hat frei?â fragte Encarna fassungslos und sah aus dem Augenwinkel einen Schatten hinter der Tür.
âSie hat nicht frei. Sie geht morgens um acht und kommt abends um sieben wiederâ, schimpfte Rana wieder und dann still.Langsam schaute sie sich um, und ihr traten wieder Tränen in die Augen.
âIch bin hier noch nie gewesen. Aber es ist das Haus meiner Mutter. Da sollte es doch eigentlich mein zuhause sein, oder? Aber ich bin hier fremd. Ich kenne meine eigenen Geschwister nicht. Ich wusste nicht mal wie sie aussehen. Die Regeln hier machen mich wahnsinnig. Ich war noch nie lange an einem Ort, aber ich hab mich noch nie, niemals so fremd und fehl am Platz gefühlt. Mich stört es sogar dass ich Deutsch sprechen muss. Sonst mach ich das doch auch!â Es begann aus ihr heraus zu brechen und Encarna wusste das Sophie hinter der angelehnten Tür stand und jedes Wort mit anhörte. Vielleicht war das notwendig, dass sie endlich zu verstehen begann.
â Es stört mich. Ich habe keine Lust mehr dazu und am liebsten würde ich den ganzen Tag Arabisch sprechen nur um mich mehr daheim zu fühlen. Ich hätte nie gedacht, dass die Sprache so einen Einfluss darauf hat. Mir war es immer egal was ich gesprochen hab,solange man mich verstanden hat. Aber jetzt fehlt es mir. Alles was mit zuhause zu tun hat fehlt mir so furchtbar. Die Sprache, das Essen, die Musik, das Wetter, der Geruch. Zuhause riecht es sogar anders, ist dir das mal aufgefallen. Die Hemden bei uns im Hotel haben einen ganz bestimmten Geruch, genau wie babas. Die riechen nach... nach.. ich kann das nicht mal beschreiben. Gestern in der Stadt, als ich zum ersten Mal hier raus kam, ist ein Mann an mir vorbei gelaufen und er hat genau so gerochen. Am liebsten wäre ich ihm um den Hals gefallen. Ich hab ihn durch die ganze Innenstadt verfolgt nur um diesen Geruch nicht wieder zu verlieren. Carna ich glaube ich werde verrückt!â Encarna strich ihr mit der Hand kurz über die Haare.
âIch weià was du meinst. So ging es mir am Anfang in Tunesien. Ich habe Spanien so vermisst und alles was damit zu tun hatte.â
âJetzt immer noch?â fragte Athina und schaute ihr in die Augen um zu sehen ob sie ihr die Wahrheit sagen würde. Dieses Misstrauen war neu. 'Was hat Sophie ihr nur angetan?!' dachte Encarna in dem Moment.
âNein, jetzt nicht mehr. Ihr seid doch da. Manchmal vielleicht noch ein bisschen. Aber ich denke das ist normal.â
â Du hast uns, das stimmt. Aber ich habe hier niemanden. Alle sind arbeiten oder in der Schule. Und wenn sie da sind, sind es alles Fremde für mich. Ich kenne Sophie nicht und sie mich nicht, machen wir uns doch nichts vor. Seit einer Ewigkeit haben wir keinen Kontakt mehr. Ich dachte, wenn ich hier wäre würde ich sie kennen lernen. Aber das geht so nicht. Sie geht mir auch hier aus dem Weg. WeiÃt du wenn wenigstens Sara hier wäre. Ich gönne ihr ja ihr Glück, die beiden sind füreinander gemacht, aber sie fehlt mir. Mit ihr hätte ich shoppen gehen und die Stadt besichtigen können, dann wäre alles andere nicht so schlimm. Aber ich sitze hier fest und mir fällt die Decke auf den Kopf. Bring mich nach Hause Carna, bitte!â. Sophie stand nicht mehr hinter der Tür als Encarna dort hin schaute.