Nie gesehn
Erschrocken wich Katja zurück, sprang auf, den gewaltigen Schmerz in ihrem Knöchel ignorierend. âGeh jetzt, Christianâ¦â
âKatjaâ¦â, langsam kam Chris einen Schritt auf sie zu, doch sie stieà ihn weg. âBitte⦠Du musst gehen!â
Chris sah ihr eindringlich in die Augen. âWovor hast du Angst, Katja?â, fragte er leise. Katja hatte groÃe Mühe, die Tränen zurück zu halten. âIch tu dir nicht gut, Chrisâ¦â, flüsterte sie. âDu weiÃt schon viel zu viel über mich⦠Geh!â Die Schmerzen wurden immer stärker, alles um sie herum begann sich zu drehen. Sie merkte nicht, wie panisch sie sich an der Lehne festklammerte. Chris schüttelte den Kopf. âIch lass dich nicht allein.â, entgegnete er. âNicht solange ich sehe, wie schlecht es dir geht.â, er seufzte. âKatja⦠Ich versteh doch, dass-â¦â
Katja sah zu Boden. âNichts verstehst duâ¦â, murmelte sie. âGar nichtsâ¦â So sehr sie sich auch anstrengte, aufrecht stehen zu bleiben, sie hatte keine Kraft mehr. Ihre Knie gaben nach und sie sank in sich zusammen, direkt in Chrisâ Arme. Vorsichtig legte er sie zurück auf die Couch und fühlte ihren Puls. Er war stabil. Nach zehn Minuten schlug Katja endlich die Augen auf, sah ihn mit glasigem Blick an. âChris⦠Ich flehe dich an, geh⦠Ich⦠ich komm allein zu Recht.â
Chris nahm vorsichtig ihre Hand. âKatja, ich seh doch, dass du nicht einmal stehen kannst, wie willst du dich denn so versorgen?â
Katja biss sich auf die Unterlippe. âIch bin schon mit ganz anderen Situationen fertig gewordenâ¦â, flüsterte sie. Chris erhob sich langsam. âNa gut⦠Aber wenn du was brauchst⦠Du kannst mich jederzeit erreichen.â
Katja nickte. âDankeâ¦â, sie wollte sich abwenden, doch als sie den Anflug von Traurigkeit, die Enttäuschung in seinem Blick sah, seufzte sie leise. âChris?â
Chris, der bereits in der Tür stand, drehte sich zu ihr um. âJa?â
Katja sah zu Boden. âVielleichtâ¦â, sie stockte. âVielleicht wäre es doch besser, wenn du hier bleiben würdest⦠Die Schmerztabletten scheinen nämlich nicht so richtig zu wirkenâ¦â
Chris lächelte. âOkay⦠Ruh dich aus, Katja⦠Das wird dir gut tun.â, er reichte ihr eine kleine Tablette. âHier, dann schläfst du durch.â
Katja schüttelte den Kopf. âNicht noch mehr Pillenâ¦â, murmelte sie. âChris?â Chris strich ihr sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht. âMhm?â
âDankeâ¦â, sie rollte sich auf der Couch zusammen. Chris runzelte die Stirn. âWofür denn?â, fragte er leise.
âDafür, dass du nicht weggegangen bistâ¦â, Katja schloss ihre Augen. Nach wenigen Minuten war nur noch tiefes, regelmäÃiges Atmen zu vernehmen. Sie war eingeschlafen. Chris seufzte leise. Was war bloà geschehen, dass sie sich so sehr vor anderen Menschen verschloss? Wenn sie doch bloà mit ihm reden würde⦠Er würde sie zu nichts zwingen, doch er hoffte so sehr, dass sie ihm eines Tages vertrauen könnte. Sie war so wunderschön, wenn sie schlief⦠Er betrachtete sie lange Zeit, doch schlieÃlich fielen auch ihm die Augen zu.
Das Klingeln seines Handys riss Chris schlieÃlich aus dem Schlaf. Schnell holte er es hervor und nahm ab. âStorm?â, er sprach sehr leise, um Katja nicht zu wecken. âSebastian, beruhig dich doch⦠Ja, ich bin bei ihr.â, er rollte mit den Augen. âJetzt mach aber mal einen Punkt, einer muss ja auf sie aufpassen, ohne ihr gleich an die Gurgel zu gehen! Basti⦠Basti, hör mir zu! Bei ihr wurde wirklich eingebrochen!â, erschrocken zuckte er zusammen. âSchrei doch nicht so! Ja, es geht ihr gut... Sie weià noch gar nichts davon⦠Natürlich werde ich es ihr sagen, was denkst du denn eigentlich? Es ist ihre Wohnung, ich kann ihr doch nicht einfach verschweigen, dass jemand in der Nacht hier eingestiegen ist! Nein, es ist wirklich alles in Ordnung⦠Aber kannst du Ingo bitte trotzdem sagen, dass sie heute nicht kommt? Weil sie sich gestern den Fuà verstaucht hat! Sebastian, ich bitte dich, sei nicht albern! Sie kann kaum gehen, wie soll sie denn so Leute durch die halbe Stadt verfolgen? Hallo? Basti?â, seufzend steckte Chris das Handy zurück in seine Hosentasche. âDann eben nichtâ¦â Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war schon fast Mittag, nicht verwunderlich war es also, dass Basti ihn angerufen hatte, immerhin hätten Katja und er längst in der Kanzlei sein müssen. Hatte er wirklich so lange geschlafen? Es kam ihm vor, als wäre er lediglich für fünf Minuten eingenickt. Langsam erhob er sich und ging in die Küche. Kaum eine halbe Stunde später stellte er vorsichtig einen Teller auf dem Tisch neben der Couch ab. Endlich schlug Katja die Augen auf. âHeyâ¦â, sie konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. Ihr Blick fiel auf den Teller mit Nudeln. âWas ist das?â, fragte sie verschlafen. Chris lächelte. âIch dachte, du hast vielleicht Hunger.â
Katja nickte kaum merklich. âJa, hab ich, danke⦠Mit wem hast du vorhin eigentlich telefoniert?â
Chris seufzte leise. âDas war nur Basti.â, entgegnete er. Wieder ein Nicken. Kurze Zeit herrschte Stille. Niemand wusste so recht, was er sagen sollte, bis Katja sich schlieÃlich ein kleines bisschen aufrichtete. âChris?â
âMhhm?â
Ein leichtes, kaum wahrzunehmendes Lächeln umspielte ihre Lippen. âDanke⦠Für alles.â
Chris erwiderte ihr Lächeln, doch plötzlich wurde seine Miene eisig. âKatja, ich⦠ich muss dir was sagen.â
Katja runzelte die Stirn. âWas denn?â, fragte sie. Chris sah zu Boden. âBei⦠bei dir wurde eingebrochenâ¦â