11.07.2008, 19:04
Dieses Kapitel widme ich dem Keks, deren Kenntnisse zu Hamburg mir an der einen oder anderen Stelle geholfen haben und Hevicla, die immer da ist, wenn ich am Verzweifeln bin und ein "schwerwiegendes Problem" habe. Ihr zu liebe ist meine Wahl auf Dirty Dancing gefallen.
Viel Spaà beim Lesen. Ich würde mich über FB freuen.
Vor mir sehe ich Boxershorts mit Schottenmuster und dann wache ich auf. Traum? Wahrheit! Mist. Wörter. Gehirn anschalten. So jetzt geht es besser. Was habe ich für merkwürdiges Zeug geträumt von Charlie und Jan, Charlie und Wendy sowie Charlie an sich. Jetzt klopft es und ich möchte mich verkriechen, denn es ist bestimmt Charlie, der mich gleich in meinem unnachahmlichen morgendlichen Durcheinander sieht. Ein neuer Tag ist angebrochen, alles ist vergessen. Wem versuche ich, das einzureden. Nichts ist neu, alles ist merkwürdig, peinlich und anders. Ich möchte nicht aufstehen, weià aber, dass es mir egal sein sollte. Ich bin schlieÃlich alt genug und sollte zu meinen Entscheidungen stehen, wie doof sie mir im Nachhinein auch vorkommen.
âAmita, bist Du wach?" Eine weibliche Stimme.
"Komm rein."
Ihr Grinsen sagt alles, als sie das Zimmer betritt. Sie weià Bescheid, deshalb ist Leugnen zwecklos. "Hast du eine schöne Nacht verbracht?" Ich sage nichts und hoffe, dass sie auf den Punkt kommt, obwohl wir beide wissen, was der Punkt ist. Sie tritt an mein Bett, in dem ich mich aufrichte. Dann bedeute ich ihr mit der Hand, sich neben mich zu setzen. âLos erzähl. Ich will Details, ich will alles wissen."
"Da gibt's nicht viel zu erzählen, Jan hat Dir vermutlich schon alles gesagt."
"Er hat mir nur gesagt, was er gesehen hat, das war nicht alles. Er hat Euch wohl ... gestört."
"Der Moment hätte nicht unpassender sein können, da hat er durchaus Recht. Viel geschehen ist trotzdem nicht." Meine nichts sagende Antwort gefällt ihr nicht, das merke ich. Aber was soll ich denn antworten, wenn ich ahnungslos hier herumsitze.
"Sind Gefühle im Spiel?" Warum kennt sie mich nur so gut? Okay, sie ist meine beste Freundin, verwunderlich ist es also nicht.
"Es könnte sein." Vorsichtig nähere ich mich dem Thema. âIch weià es nicht. Er ist toll und süÃ, aber..."
"Du musst ihn nicht heiraten."
Was ist denn, wenn ich das möchte? Wenn ich denke, in ihm das gefunden zu haben, was ich suche? Das sage ich ihr nicht sondern nicke nur.
"Kommst Du gleich frühstücken?" Das gute an Wendy ist, dass sie weiÃ, wann es reicht.
"Ja."
Das Verhör ist beendet, langsam steht sie auf und geht zur Tür. Bevor sie das Zimmer verlässt, dreht sie sich um und lächelt mich an. Dann geht sie endgültig und ich bin noch kein Stück weiter. Mich zu verstecken, bringt aber auch nichts, daher gehe ich ins Bad, das dieses Mal frei ist. Nach meiner morgendlichen Toilette kehre ich zurück und ziehe mich an. T-Shirt und Hose - nichts verfängliches.
Zögerlich trete ich auf den Flur, weià aber genau, dass ich so nicht in die Küche gehen kann, also straffe ich meine Schulter und richte mich auf. Mit aufgesetzter Sicherheit betrete ich den Raum, in dem alle drei auf mich warten. Ich fühle mich beobachtet, halte aber meine Maske aufrecht. Mein Verhalten ist freundlich und distanziert. Wendys Reaktion darauf ist ein viel sagender Blick, denn sie fragt sich vermutlich, was ich mit meinem Verhalten bezwecke. Das weià ich selbst nicht, weià mir aber auch nicht anders zu helfen. Ich habe das Gefühl, mich wieder Teenager zu sein, als jeder Junge die Liebe meines Lebens war, genau so fühlt es sich an.
Lauter Schmetterlinge wuseln durch meinen Bauch, aber das zeige ich nicht. Stattdessen beteilige ich mich mit ein paar Worten am Gespräch, so viel wie nötig ist und esse einen Joghurt. Den Rest überlasse ich den Gastgebern. Dummerweise sitze ich Charlie gegenüber, so dass er öfter in mein Blickfeld huscht, als ich es möchte. Das ist aber auch eine perfekte Ausrede, finde ich und schaue ihn daher häufiger auch absichtlich an. Unsere Blicke treffen sich dabei hin und wieder, zu oft. Dann wirft er mir jedes Mal sein unwiderstehliches Lächeln zu. Schaut er zu mir, weil es ihm wie mir geht, weil er sich fragt, warum ich so komisch bin oder weil er höflich ist? Warum frage ich mich das überhaupt, eine Antwort werde ich darauf nicht erhalten. In dieser Situation wäre ein Abonnement für eine Frauenzeitschrift nützlich, doch die habe ich nie gelesen, obwohl sie jetzt Hilfe verspricht.
Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als Jan mich um die Margarine bittet, die neben mir steht. Während ich sie ihm gebe, schaut er mir in die Augen. Am liebsten möchte ich meinen Blick abwenden, doch ich bleibe standhaft und erwidere ihn. Inständig hoffe ich, dass er nicht auf die glorreiche Idee kommt, mit mir ein Gespräch zu beginnen, aber es sieht so aus. Glücklicherweise rettet mich Wendy davor, indem sie von ihren Plänen für die Hochzeitsreise erzählt, die sie erst in einigen Monaten machen werden. Sie möchte in ihre Heimat zurückkehren und Jan ihrer Familie vorstellen, die nicht zur Hochzeit kommt. Lebhaft stellt sie uns die Rundreise vor, die sie geplant hat, denn Jan war noch nie in den Vereinigten Staaten und soll so viel davon kennen lernen, wie in drei Wochen möglich ist.
Innerlich bin ich ihr sehr dankbar, ziehe mich aus dem Gespräch zurück und lausche nur. Dagegen beteiligt sich Charlie rege und verrät ihr ein paar schöne Stellen an der Westküste, die zum Wandern und Campen geeignet sind. Er bietet sogar an, ihnen das alles noch aufzuschreiben, damit sie wirklich einen Plan haben. Wobei ich mich gerade frage, ob er schon die Arbeit für seinen Bruder getan hat. Das geht mich zwar nichts an, aber neugierig bin ich trotzdem. In diesem Moment schaue ich wieder in seine Richtung und unsere Blicke treffen sich, sofort erscheint das Lächeln auf seinem Gesicht; in mir beginnt wieder alles zu kribbeln und zu wuseln.
"Wollen wir nicht bald mal los, Wendy? Heute ist schlieÃlich Shopping angesagt." Raus hier, nur noch raus hier - mehr möchte ich im Moment nicht. "Ich brauche eine Tasche Wendy, Du kennst meinen Tick: neue Stadt - neue Tasche." Voller Elan ist meine Stimme, als ich das sage, damit sie nicht merken, wie wichtig es mir ist, hier endlich wegzukommen.
"Das kriegen wir hin. Ich möchte auch los, also ..." Wendy hält etwas überraschend mitten im Satz inne. "Was ist mit Euch? Kommt Ihr mit?" Hätte sie die beiden Männer nicht einfach vergessen können?
"Selbstverständlich. Ich kann Dich nicht alleine mit der Kreditkarte losziehen lassen. Nachher ist das Konto leer und Dein Schrank voll."
"Na und? Wenigstens bin ich dann endlich mal glücklich." Während sie das sagt, lächelt sie ihn liebevoll an und küsst ihn zur Versöhnung.
Im Moment fühle ich mich fehl am Platz, zum einen ist das ein sehr intimer Augenblick, zum anderen ist mir das unmöglich, mir fehlt dafür etwas, genauer gesagt jemand. Daher fange ich langsam an, den Tisch abzudecken. Auch Charlie steht auf, nimmt ein paar Sachen vom Tisch und folgt mir. Als wir von der Kühlschranktür leicht verdeckt sind für die beiden am Tisch, beugt er sich zu mir.
"Ich hätte gerade am liebsten genau das Gleiche mit Dir getan." Verständnislos schaue ich ihn an. "Dich geküsst."
Mir fällt die Kinnlade herunter, doch Nanosekunden später habe ich mich wieder unter Kontrolle und reiÃe mich zusammen, anstatt spontan durch den Raum zu hüpfen. Ich bleibe ruhig und lege die Lebensmittel in den Kühlschrank. Doch er geht nicht weg sondern bleibt stehen und reicht mir weitere Lebensmittel, die ich auch verstaue. Als alles untergebracht ist, schlieÃe ich die Tür, doch der Blick auf das Paar, das noch immer ineinander versunken ist, hält mich davon ab, zurückzugehen. Bei Charlie möchte ich aber auch nicht bleiben, deshalb entschuldige ich mich halbherzig und verlasse die Küche.
Ich gehe auf den Flur und habe Raum zum Atmen. Einmal tief ein und aus, dann kann ich wieder zurückgehen, doch als ich mich umdrehe, steht er vor mir. Flucht ist ausgeschlossen, denn der wirklich rettende Raum ist die Küche, doch den Weg dorthin versperrt er. Wenn ich zu mir selbst ehrlich bin, möchte ich hier gar nicht weg sondern die nächsten Stunden, Tage, Wochen, Monate, wenn nicht sogar Jahre hier vor und vor allem gemeinsam mit ihm verbringen. Habe ich das gerade wirklich gedacht? Ich kenne ihn doch kaum. Irgendwas stimmt mit mir nicht, entweder bin ich mittlerweile vollkommen durch oder habe einen Seelenverwandten gefunden. Unsicherheit breitet sich in mir aus, als er mir noch näher kommt.
Wieder bewegt sich sein Kopf auf mich zu und ich bin kurz davor, ihm nachzugeben, als ich Wendys Stimme höre. "Können wir bald los?" Ihre Frage ist meine Rettung.
Ich ziehe mich zurück und gehe in die Küche. "Abmarschbereit."
"Gut. Dann hole ich nur rasch meine Sachen." Sie wendet sich an ihren Verlobten und Charlie, der mir gefolgt ist. "Wenn Ihr mitwollt, müsst Ihr Euch beeilen, denn wir sind startklar und können es nicht mehr abwarten, Geld auszugeben." Sie lacht offen und freundlich. So kenne ich sie. Der Stress vom ersten Tag scheint endgültig verflogen zu sein und wird erst morgen wieder Gelegenheit haben, durchzukommen.
Rasch gehe ich in mein Zimmer, hole meine sieben Sachen und kehre zurück in den Flur. Dort wartet Wendy, die nichts machen muss, denn sie hat ihre Tasche an der Garderobe hängen. Doch auf wen müssen wir warten? Die Männer. Lange brauchen sie aber auch nicht und nur Sekunden später stehen sie vor uns. Für Charlies ÃuÃeres habe ich heute noch keine Zeit gehabt, doch jetzt fällt mir auf, wie gut ihm die dunkelblaue Stoffhose steht, dazu ein offenes Hemd über einem T-Shirt. Er kann sich wirklich sehen lassen - egal was er anhat oder auch nicht. Meine Gedanken sollte ich wirklich zügeln, aber das ist eine andere Geschichte.
Gemeinsam verlassen wir die Wohnung und gehen zum Fahrstuhl, der für vier Personen gerade noch genug Platz bietet. Ich stehe vor Charlie, zwischen uns ist wenig Platz, so dass ich seinen Atem in meinem Nacken spüre. Meine Nackenhaare richten sich auf. Ein schönes Gefühl. Schluss damit, Amita. Für heute hast Du genug an ihn gedacht. Manchmal muss ich einfach ein Machtwort sprechen.
Vor der Tür hakt Wendy sich bei Jan unter und führt uns auf die StraÃe, die Charlie und ich gestern schon entlang gelaufen sind. Wir gehen direkt auf den Bahnhof zu, doch sie biegt vorher ab in die groÃe Mall, das Mercado. Schon der Eingangsbereich ist viel versprechend, denn es gibt viele namhafte Geschäfte. Das ist mir egal, aber es ist ein Anhaltspunkt für die Vielfalt, die hier geboten wird. Im Erdgeschoss befindet sich in der Mitte eine Art Marktplatz, auf dem man Lebensmittel verschiedenster Nationen kaufen kann. In die oberen Geschosse führen Rolltreppen und Fahrstühle, dort befinden sich weitere Läden für Kleidung, Spielwaren, aber auch Hausrat und Geschenkartikel.
Ich bin fasziniert und studiere die Schaufenster, wobei sich meine Freundin anschlieÃt. Die Männer folgen uns mit einem gewissen Abstand, wie ich bei einem Blick zu ihnen feststelle und unterhalten sich. In diesem Moment würde ich gerne Mäuschen spielen, doch ich bleibe bei den Schaufenstern. Die sind wesentlich interessanter als ein Männergespräch, sage ich mir selbst, um nicht in die Versuchung zu geraten. Nach und nach betreten wir verschiedene Läden, doch fündig werden wir nicht. So ganz stimmt es nicht, denn Wendy kauft immerhin eine Fliegenklatsche, auf der eine groÃe Sonnenblume geklebt ist.
Mit der S-Bahn fahren wir in Richtung Hauptbahnhof, allerdings nehmen wir eine andere Linie als gestern, so dass wir über die Reeperbahn fahren. Am Jungfernstieg steigen wir aus und ich weià sofort, wo ich bin, als ich an der frischen Luft stehe. Hier war ich mittlerweile schon zweimal. Langsam schlendern wir wieder über die MönkebergstraÃe, nur sind wir dieses Mal zu viert und meine Augen sind auf die Schaufenster um uns herum fixiert. Charlie, der die ganze Zeit neben mir läuft, ignoriere ich, obwohl mir seine Anwesenheit durchaus bewusst ist. Mein Machtwort hat geholfen.
Hier kann ich mich nicht zurückhalten und gehe sofort mit Wendy in einen Lederwarengeschäft, das ich entdecke. Fündig werde ich allerdings nicht, denn entweder habe ich schon eine ähnliche Tasche oder sie gefallen mir nicht. Daher verlasse ich den Laden mit leeren Händen, weshalb mir die Männer erstaunte Blicke zuwerfen, schlieÃlich habe ich am Frühstückstisch noch von meinen groÃartigen Plänen berichtet. Allzu lange hält mein Machtwort dann doch nicht, denn ich schaue Charlie wieder bewusst an. Er erwidert den Blick. Wir lächeln beide, ich kann es nicht abstellen und er scheint sich nichts bei meinem merkwürdigen Verhalten zu denken. Für eine Unterhaltung bleibt uns keine Zeit, denn Wendy und ich sind in unserem Element, während die Männer uns unermüdlich durch viele verschiedene Läden folgen, in denen wir nichts kaufen. Zeitweise frage ich mich ernsthaft, welche Droge sie genommen haben, dass das mitmachen. Doch die Frage erübrigt sich wenige Meter weiter, denn dort prallen unsere Welten aufeinander. Dessous gegen Männermode. Schon am Schaufenster erkenne ich, dass der Stil beider Männer getroffen ist, wobei mein Blick auf die Auslage in dem für Wendy und mich bestimmten Laden gerichtet ist.
"Wir gehen da ..." Gleichzeitig reden wir alle, benutzen dieselben Wörter, deuten aber in verschiedene Richtungen.
Diplomatisch greift Wendy ein. "Ihr da. Wir hier" Sie deutet die Richtungen mit den Händen an. "Bis gleich ... Na ja, sagen wir ... später."
Grinsend betritt sie den Laden und ich folge ihr. Die Auswahl ist groÃ, vom baumwollenen Nachthemd bis zum Hauch von Nichts ist alles vertreten. Ein grober Blick reicht mir völlig, um zu wissen, dass ich hier fündig werde, die Frage ist nur, was ich finden will und für welchen Anlass ich etwas suche. Am Rande bemerke ich, dass meine Freundin sich mit einer Angestellten unterhält, die sofort auf sie zugeeilt ist, als wir den Laden betreten haben. Vielleicht braucht sie Hilfe. Ich höre genauer hin, verstehe aber kein Wort, denn sie redet deutsch, eine Sprache, die ich nicht mal bruchstückhaft beherrsche. Bejahen, verneinen und nach der Toilette fragen ist alles, was mein Wortschatz hergibt.
Gerade, als ich die wenigen Schritte auf sie zugehen möchte, um sie zu fragen, wendet sie sich mir zu und sagt mir, dass sie in die Umkleide am Ende des Ladens geht. Dann macht sie sich auf den Weg und ich wende mich den Dessous links von mir zu. Es sind durchweg schöne Dinge, mit viel Spitze und den verschiedensten Farben. Die Entscheidung, was ich anprobiere, fällt mir schwer, zudem bin ich mir nicht sicher, welche Teile ich kombinieren möchte. SchlieÃlich, nachdem ich die Reihe zwei Mal betrachtet habe, nehme ich ein relativ schlichtes, schwarzes Ensemble sowie ein türkisfarbenes mit pinken Nähten und folge der Wegweisung von vorhin.
"Wendy?"
"Ich bin in der mittleren Umkleide."
"Ich bin dann rechts von Dir."
"Magst Du vorher mal schauen?"
"Klar." Ich gehe zu ihrer Umkleide und ziehe den Vorhang leicht zur Seite. Vor mir steht sie in einem seidig zarten, weiÃen Neglige, dass ihre durchaus weibliche Figur zur Geltung bringt. Das Highlight ist eine rosa Schleife am Ausschnitt. "Du siehst wunderschön aus."
"Denkst Du, dass das Jan gefallen wird?"
"Wenn nicht, ist er ein Trottel, aber den Eindruck macht er eigentlich nicht auf mich. Also: ja!"
"Dann nehme ich es." Sie ist dabei, sich umzudrehen, als sie innehält und sich wieder mir zuwendet. "Und was hast Du? Zeig mal." Meine Auswahl strecke ich ihr entgegen. "Ist das für einen bestimmten Anlass?"
Ãberrascht schaue ich sie an. "Wer weiÃ?" Eine kryptische Antwort. Das Lächeln in meinem Gesicht ist vorprogrammiert.
"Los, probier es an."
Viel Spaà beim Lesen. Ich würde mich über FB freuen.
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Tag 3, Freitag
Tag 3, Freitag
Vor mir sehe ich Boxershorts mit Schottenmuster und dann wache ich auf. Traum? Wahrheit! Mist. Wörter. Gehirn anschalten. So jetzt geht es besser. Was habe ich für merkwürdiges Zeug geträumt von Charlie und Jan, Charlie und Wendy sowie Charlie an sich. Jetzt klopft es und ich möchte mich verkriechen, denn es ist bestimmt Charlie, der mich gleich in meinem unnachahmlichen morgendlichen Durcheinander sieht. Ein neuer Tag ist angebrochen, alles ist vergessen. Wem versuche ich, das einzureden. Nichts ist neu, alles ist merkwürdig, peinlich und anders. Ich möchte nicht aufstehen, weià aber, dass es mir egal sein sollte. Ich bin schlieÃlich alt genug und sollte zu meinen Entscheidungen stehen, wie doof sie mir im Nachhinein auch vorkommen.
âAmita, bist Du wach?" Eine weibliche Stimme.
"Komm rein."
Ihr Grinsen sagt alles, als sie das Zimmer betritt. Sie weià Bescheid, deshalb ist Leugnen zwecklos. "Hast du eine schöne Nacht verbracht?" Ich sage nichts und hoffe, dass sie auf den Punkt kommt, obwohl wir beide wissen, was der Punkt ist. Sie tritt an mein Bett, in dem ich mich aufrichte. Dann bedeute ich ihr mit der Hand, sich neben mich zu setzen. âLos erzähl. Ich will Details, ich will alles wissen."
"Da gibt's nicht viel zu erzählen, Jan hat Dir vermutlich schon alles gesagt."
"Er hat mir nur gesagt, was er gesehen hat, das war nicht alles. Er hat Euch wohl ... gestört."
"Der Moment hätte nicht unpassender sein können, da hat er durchaus Recht. Viel geschehen ist trotzdem nicht." Meine nichts sagende Antwort gefällt ihr nicht, das merke ich. Aber was soll ich denn antworten, wenn ich ahnungslos hier herumsitze.
"Sind Gefühle im Spiel?" Warum kennt sie mich nur so gut? Okay, sie ist meine beste Freundin, verwunderlich ist es also nicht.
"Es könnte sein." Vorsichtig nähere ich mich dem Thema. âIch weià es nicht. Er ist toll und süÃ, aber..."
"Du musst ihn nicht heiraten."
Was ist denn, wenn ich das möchte? Wenn ich denke, in ihm das gefunden zu haben, was ich suche? Das sage ich ihr nicht sondern nicke nur.
"Kommst Du gleich frühstücken?" Das gute an Wendy ist, dass sie weiÃ, wann es reicht.
"Ja."
Das Verhör ist beendet, langsam steht sie auf und geht zur Tür. Bevor sie das Zimmer verlässt, dreht sie sich um und lächelt mich an. Dann geht sie endgültig und ich bin noch kein Stück weiter. Mich zu verstecken, bringt aber auch nichts, daher gehe ich ins Bad, das dieses Mal frei ist. Nach meiner morgendlichen Toilette kehre ich zurück und ziehe mich an. T-Shirt und Hose - nichts verfängliches.
Zögerlich trete ich auf den Flur, weià aber genau, dass ich so nicht in die Küche gehen kann, also straffe ich meine Schulter und richte mich auf. Mit aufgesetzter Sicherheit betrete ich den Raum, in dem alle drei auf mich warten. Ich fühle mich beobachtet, halte aber meine Maske aufrecht. Mein Verhalten ist freundlich und distanziert. Wendys Reaktion darauf ist ein viel sagender Blick, denn sie fragt sich vermutlich, was ich mit meinem Verhalten bezwecke. Das weià ich selbst nicht, weià mir aber auch nicht anders zu helfen. Ich habe das Gefühl, mich wieder Teenager zu sein, als jeder Junge die Liebe meines Lebens war, genau so fühlt es sich an.
Lauter Schmetterlinge wuseln durch meinen Bauch, aber das zeige ich nicht. Stattdessen beteilige ich mich mit ein paar Worten am Gespräch, so viel wie nötig ist und esse einen Joghurt. Den Rest überlasse ich den Gastgebern. Dummerweise sitze ich Charlie gegenüber, so dass er öfter in mein Blickfeld huscht, als ich es möchte. Das ist aber auch eine perfekte Ausrede, finde ich und schaue ihn daher häufiger auch absichtlich an. Unsere Blicke treffen sich dabei hin und wieder, zu oft. Dann wirft er mir jedes Mal sein unwiderstehliches Lächeln zu. Schaut er zu mir, weil es ihm wie mir geht, weil er sich fragt, warum ich so komisch bin oder weil er höflich ist? Warum frage ich mich das überhaupt, eine Antwort werde ich darauf nicht erhalten. In dieser Situation wäre ein Abonnement für eine Frauenzeitschrift nützlich, doch die habe ich nie gelesen, obwohl sie jetzt Hilfe verspricht.
Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als Jan mich um die Margarine bittet, die neben mir steht. Während ich sie ihm gebe, schaut er mir in die Augen. Am liebsten möchte ich meinen Blick abwenden, doch ich bleibe standhaft und erwidere ihn. Inständig hoffe ich, dass er nicht auf die glorreiche Idee kommt, mit mir ein Gespräch zu beginnen, aber es sieht so aus. Glücklicherweise rettet mich Wendy davor, indem sie von ihren Plänen für die Hochzeitsreise erzählt, die sie erst in einigen Monaten machen werden. Sie möchte in ihre Heimat zurückkehren und Jan ihrer Familie vorstellen, die nicht zur Hochzeit kommt. Lebhaft stellt sie uns die Rundreise vor, die sie geplant hat, denn Jan war noch nie in den Vereinigten Staaten und soll so viel davon kennen lernen, wie in drei Wochen möglich ist.
Innerlich bin ich ihr sehr dankbar, ziehe mich aus dem Gespräch zurück und lausche nur. Dagegen beteiligt sich Charlie rege und verrät ihr ein paar schöne Stellen an der Westküste, die zum Wandern und Campen geeignet sind. Er bietet sogar an, ihnen das alles noch aufzuschreiben, damit sie wirklich einen Plan haben. Wobei ich mich gerade frage, ob er schon die Arbeit für seinen Bruder getan hat. Das geht mich zwar nichts an, aber neugierig bin ich trotzdem. In diesem Moment schaue ich wieder in seine Richtung und unsere Blicke treffen sich, sofort erscheint das Lächeln auf seinem Gesicht; in mir beginnt wieder alles zu kribbeln und zu wuseln.
"Wollen wir nicht bald mal los, Wendy? Heute ist schlieÃlich Shopping angesagt." Raus hier, nur noch raus hier - mehr möchte ich im Moment nicht. "Ich brauche eine Tasche Wendy, Du kennst meinen Tick: neue Stadt - neue Tasche." Voller Elan ist meine Stimme, als ich das sage, damit sie nicht merken, wie wichtig es mir ist, hier endlich wegzukommen.
"Das kriegen wir hin. Ich möchte auch los, also ..." Wendy hält etwas überraschend mitten im Satz inne. "Was ist mit Euch? Kommt Ihr mit?" Hätte sie die beiden Männer nicht einfach vergessen können?
"Selbstverständlich. Ich kann Dich nicht alleine mit der Kreditkarte losziehen lassen. Nachher ist das Konto leer und Dein Schrank voll."
"Na und? Wenigstens bin ich dann endlich mal glücklich." Während sie das sagt, lächelt sie ihn liebevoll an und küsst ihn zur Versöhnung.
Im Moment fühle ich mich fehl am Platz, zum einen ist das ein sehr intimer Augenblick, zum anderen ist mir das unmöglich, mir fehlt dafür etwas, genauer gesagt jemand. Daher fange ich langsam an, den Tisch abzudecken. Auch Charlie steht auf, nimmt ein paar Sachen vom Tisch und folgt mir. Als wir von der Kühlschranktür leicht verdeckt sind für die beiden am Tisch, beugt er sich zu mir.
"Ich hätte gerade am liebsten genau das Gleiche mit Dir getan." Verständnislos schaue ich ihn an. "Dich geküsst."
Mir fällt die Kinnlade herunter, doch Nanosekunden später habe ich mich wieder unter Kontrolle und reiÃe mich zusammen, anstatt spontan durch den Raum zu hüpfen. Ich bleibe ruhig und lege die Lebensmittel in den Kühlschrank. Doch er geht nicht weg sondern bleibt stehen und reicht mir weitere Lebensmittel, die ich auch verstaue. Als alles untergebracht ist, schlieÃe ich die Tür, doch der Blick auf das Paar, das noch immer ineinander versunken ist, hält mich davon ab, zurückzugehen. Bei Charlie möchte ich aber auch nicht bleiben, deshalb entschuldige ich mich halbherzig und verlasse die Küche.
Ich gehe auf den Flur und habe Raum zum Atmen. Einmal tief ein und aus, dann kann ich wieder zurückgehen, doch als ich mich umdrehe, steht er vor mir. Flucht ist ausgeschlossen, denn der wirklich rettende Raum ist die Küche, doch den Weg dorthin versperrt er. Wenn ich zu mir selbst ehrlich bin, möchte ich hier gar nicht weg sondern die nächsten Stunden, Tage, Wochen, Monate, wenn nicht sogar Jahre hier vor und vor allem gemeinsam mit ihm verbringen. Habe ich das gerade wirklich gedacht? Ich kenne ihn doch kaum. Irgendwas stimmt mit mir nicht, entweder bin ich mittlerweile vollkommen durch oder habe einen Seelenverwandten gefunden. Unsicherheit breitet sich in mir aus, als er mir noch näher kommt.
Wieder bewegt sich sein Kopf auf mich zu und ich bin kurz davor, ihm nachzugeben, als ich Wendys Stimme höre. "Können wir bald los?" Ihre Frage ist meine Rettung.
Ich ziehe mich zurück und gehe in die Küche. "Abmarschbereit."
"Gut. Dann hole ich nur rasch meine Sachen." Sie wendet sich an ihren Verlobten und Charlie, der mir gefolgt ist. "Wenn Ihr mitwollt, müsst Ihr Euch beeilen, denn wir sind startklar und können es nicht mehr abwarten, Geld auszugeben." Sie lacht offen und freundlich. So kenne ich sie. Der Stress vom ersten Tag scheint endgültig verflogen zu sein und wird erst morgen wieder Gelegenheit haben, durchzukommen.
Rasch gehe ich in mein Zimmer, hole meine sieben Sachen und kehre zurück in den Flur. Dort wartet Wendy, die nichts machen muss, denn sie hat ihre Tasche an der Garderobe hängen. Doch auf wen müssen wir warten? Die Männer. Lange brauchen sie aber auch nicht und nur Sekunden später stehen sie vor uns. Für Charlies ÃuÃeres habe ich heute noch keine Zeit gehabt, doch jetzt fällt mir auf, wie gut ihm die dunkelblaue Stoffhose steht, dazu ein offenes Hemd über einem T-Shirt. Er kann sich wirklich sehen lassen - egal was er anhat oder auch nicht. Meine Gedanken sollte ich wirklich zügeln, aber das ist eine andere Geschichte.
Gemeinsam verlassen wir die Wohnung und gehen zum Fahrstuhl, der für vier Personen gerade noch genug Platz bietet. Ich stehe vor Charlie, zwischen uns ist wenig Platz, so dass ich seinen Atem in meinem Nacken spüre. Meine Nackenhaare richten sich auf. Ein schönes Gefühl. Schluss damit, Amita. Für heute hast Du genug an ihn gedacht. Manchmal muss ich einfach ein Machtwort sprechen.
Vor der Tür hakt Wendy sich bei Jan unter und führt uns auf die StraÃe, die Charlie und ich gestern schon entlang gelaufen sind. Wir gehen direkt auf den Bahnhof zu, doch sie biegt vorher ab in die groÃe Mall, das Mercado. Schon der Eingangsbereich ist viel versprechend, denn es gibt viele namhafte Geschäfte. Das ist mir egal, aber es ist ein Anhaltspunkt für die Vielfalt, die hier geboten wird. Im Erdgeschoss befindet sich in der Mitte eine Art Marktplatz, auf dem man Lebensmittel verschiedenster Nationen kaufen kann. In die oberen Geschosse führen Rolltreppen und Fahrstühle, dort befinden sich weitere Läden für Kleidung, Spielwaren, aber auch Hausrat und Geschenkartikel.
Ich bin fasziniert und studiere die Schaufenster, wobei sich meine Freundin anschlieÃt. Die Männer folgen uns mit einem gewissen Abstand, wie ich bei einem Blick zu ihnen feststelle und unterhalten sich. In diesem Moment würde ich gerne Mäuschen spielen, doch ich bleibe bei den Schaufenstern. Die sind wesentlich interessanter als ein Männergespräch, sage ich mir selbst, um nicht in die Versuchung zu geraten. Nach und nach betreten wir verschiedene Läden, doch fündig werden wir nicht. So ganz stimmt es nicht, denn Wendy kauft immerhin eine Fliegenklatsche, auf der eine groÃe Sonnenblume geklebt ist.
Mit der S-Bahn fahren wir in Richtung Hauptbahnhof, allerdings nehmen wir eine andere Linie als gestern, so dass wir über die Reeperbahn fahren. Am Jungfernstieg steigen wir aus und ich weià sofort, wo ich bin, als ich an der frischen Luft stehe. Hier war ich mittlerweile schon zweimal. Langsam schlendern wir wieder über die MönkebergstraÃe, nur sind wir dieses Mal zu viert und meine Augen sind auf die Schaufenster um uns herum fixiert. Charlie, der die ganze Zeit neben mir läuft, ignoriere ich, obwohl mir seine Anwesenheit durchaus bewusst ist. Mein Machtwort hat geholfen.
Hier kann ich mich nicht zurückhalten und gehe sofort mit Wendy in einen Lederwarengeschäft, das ich entdecke. Fündig werde ich allerdings nicht, denn entweder habe ich schon eine ähnliche Tasche oder sie gefallen mir nicht. Daher verlasse ich den Laden mit leeren Händen, weshalb mir die Männer erstaunte Blicke zuwerfen, schlieÃlich habe ich am Frühstückstisch noch von meinen groÃartigen Plänen berichtet. Allzu lange hält mein Machtwort dann doch nicht, denn ich schaue Charlie wieder bewusst an. Er erwidert den Blick. Wir lächeln beide, ich kann es nicht abstellen und er scheint sich nichts bei meinem merkwürdigen Verhalten zu denken. Für eine Unterhaltung bleibt uns keine Zeit, denn Wendy und ich sind in unserem Element, während die Männer uns unermüdlich durch viele verschiedene Läden folgen, in denen wir nichts kaufen. Zeitweise frage ich mich ernsthaft, welche Droge sie genommen haben, dass das mitmachen. Doch die Frage erübrigt sich wenige Meter weiter, denn dort prallen unsere Welten aufeinander. Dessous gegen Männermode. Schon am Schaufenster erkenne ich, dass der Stil beider Männer getroffen ist, wobei mein Blick auf die Auslage in dem für Wendy und mich bestimmten Laden gerichtet ist.
"Wir gehen da ..." Gleichzeitig reden wir alle, benutzen dieselben Wörter, deuten aber in verschiedene Richtungen.
Diplomatisch greift Wendy ein. "Ihr da. Wir hier" Sie deutet die Richtungen mit den Händen an. "Bis gleich ... Na ja, sagen wir ... später."
Grinsend betritt sie den Laden und ich folge ihr. Die Auswahl ist groÃ, vom baumwollenen Nachthemd bis zum Hauch von Nichts ist alles vertreten. Ein grober Blick reicht mir völlig, um zu wissen, dass ich hier fündig werde, die Frage ist nur, was ich finden will und für welchen Anlass ich etwas suche. Am Rande bemerke ich, dass meine Freundin sich mit einer Angestellten unterhält, die sofort auf sie zugeeilt ist, als wir den Laden betreten haben. Vielleicht braucht sie Hilfe. Ich höre genauer hin, verstehe aber kein Wort, denn sie redet deutsch, eine Sprache, die ich nicht mal bruchstückhaft beherrsche. Bejahen, verneinen und nach der Toilette fragen ist alles, was mein Wortschatz hergibt.
Gerade, als ich die wenigen Schritte auf sie zugehen möchte, um sie zu fragen, wendet sie sich mir zu und sagt mir, dass sie in die Umkleide am Ende des Ladens geht. Dann macht sie sich auf den Weg und ich wende mich den Dessous links von mir zu. Es sind durchweg schöne Dinge, mit viel Spitze und den verschiedensten Farben. Die Entscheidung, was ich anprobiere, fällt mir schwer, zudem bin ich mir nicht sicher, welche Teile ich kombinieren möchte. SchlieÃlich, nachdem ich die Reihe zwei Mal betrachtet habe, nehme ich ein relativ schlichtes, schwarzes Ensemble sowie ein türkisfarbenes mit pinken Nähten und folge der Wegweisung von vorhin.
"Wendy?"
"Ich bin in der mittleren Umkleide."
"Ich bin dann rechts von Dir."
"Magst Du vorher mal schauen?"
"Klar." Ich gehe zu ihrer Umkleide und ziehe den Vorhang leicht zur Seite. Vor mir steht sie in einem seidig zarten, weiÃen Neglige, dass ihre durchaus weibliche Figur zur Geltung bringt. Das Highlight ist eine rosa Schleife am Ausschnitt. "Du siehst wunderschön aus."
"Denkst Du, dass das Jan gefallen wird?"
"Wenn nicht, ist er ein Trottel, aber den Eindruck macht er eigentlich nicht auf mich. Also: ja!"
"Dann nehme ich es." Sie ist dabei, sich umzudrehen, als sie innehält und sich wieder mir zuwendet. "Und was hast Du? Zeig mal." Meine Auswahl strecke ich ihr entgegen. "Ist das für einen bestimmten Anlass?"
Ãberrascht schaue ich sie an. "Wer weiÃ?" Eine kryptische Antwort. Das Lächeln in meinem Gesicht ist vorprogrammiert.
"Los, probier es an."
Danke an Jo & XY ungelöst - die weltbesten Künstlerinnen
Ideenlos und stolz darauf!