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Registriert seit: 18.04.2006
Serie: Gilmore Girls
Thema: Die ewige Suche
Autor: Colorblind aka Mira
Titel: Vielleicht
Genre: Drama, Romance
Pairing: Literati
Raiting: PG-13
Disclaimer: Nichts gehört mir, allein die Idee.
Spoilerwarnung: /
Vielleicht
Bedächtig streichelst du die Buchrücken. Sachte fahren deine Fingerspitzen über die Einbände, du inhalierst den Geruch der Bücher, der schwer in der Luft liegt. Du liebst diesen Geruch, hast ihn schon immer geliebt. Andere haben milde darüber gelächelt, aber dir war es egal. Nur sie hat es immer verstanden, nur sie hat genauso gedacht. Ein scheues Lächeln umspielt deine Lippen.
Eintauchen in andere Welten, in vergangene Zeiten, in die Zukunft, die Gedanken anderer nachvollziehen, Abenteuer erleben, Schmerzen empfinden, trauern. Mit ihr gemeinsam. Reden, schweigen, lachen, streiten. Du vermisst es jeden Tag. Und du weiÃt, dass alles hätte anders laufen können. Dass du wahrscheinlich selbst daran schuld bist.
'ICH LIEBE IHN' hallt es in deinen Ohren. IHN IHN IHN. Du wachst schweiÃgebadet auf. Ihr Gesicht verfolgt dich. Immer. Du hast Angst davor, verkrampfst dich vor Schmerzen.
Was wäre wenn. Dieses sadistische Spiel ergötzt sich jeden Tag an dir und deiner lähmenden Angst. Fast schon mechanisch rattert es deine Gedankengänge herauf und herunter, spielt alle möglichen Szenen in deinem eigenen, kleinen Kopfkino ab, du kannst sie auswendig, brauchst keinen Souffleur. Zwei Hauptdarsteller, du und sie.
52 Wochen. 365 Tage.
Und jeden Tag bist du auf der Suche. Du suchst nach dem Feuer in deinen Augen, nach dem Lächeln das dich nach dem Aufwachen packt und dich zum Aufstehen bewegt, nach dem Gefühl, welches dein Herz durchströmt, wenn du ihr in die eisblauen Augen gesehen hast. Damals. Aber egal was du machst, egal an welchen Ort du auch gehen magst, du findest es nicht.
Du triffst andere Frauen, schöne Frauen, intelligente Frauen. Doch sie öden dich an, mit ihrem gellendem Lachen, ihren verklumpten Wimpern, ihren vollen Lippen, ihren glänzenden Haaren. Ihre Gespräche, gewollt intellektuell, gewollt literaturlastig, 'oh Hemingway' und 'oh Bukowski', du kannst es nicht ertragen. Ihre Lippen an deinen, sie bedeuten dir nichts, ihre Hände auf deiner Haut, pure Nichtigkeit, ihre Fingernägel in deinen Rücken gekrallt, bloÃe Ablenkung.
Du hast es satt diese Gedanken, diese Gefühle zu haben, du willst endlich loslassen, endlich frei sein.
Du willst nicht mehr zusammenschrecken, weil du meinst, du siehst sie an der Haltestelle stehen, den Pappbecher Kaffee in der einen Hand, ein Buch in der anderen Hand. Glatte braune Haare. Es schmerzt.
Und doch erinnert dich alles an sie. Ein Lied im Radio, der indische Imbiss an der Ecke kurz vor deiner Wohnung, die gekräuselte Nase einer Kundin, die angestrengt in einem Buch liest.
Dein Leben ist voller Assoziationen. Dein Leben ohne sie.
Wie gerne würdest du noch einmal ihre süÃe Stimme hören, ihre helle Haut mit den feinen Sommersprossen berühren, ihr die weichen Haare aus dem Gesicht streicheln.
Und deine Freunde fragen sich, was deine Geschichte ist.
Schwere Zeit, Rebell, mein Onkel, Neuanfang. Mehr bekommen sie nicht aus dir heraus, allen fragenden Blicken zum Trotz. Du willst niemanden mehr an dein Herz lassen, nie wieder. Niemand soll hinter die Fassade blicken, dich bemitleiden, Worte des Trostes, Worte der Aufmunterung finden. Es würde dich anwidern. Du weiÃt es genau.
Und wieder fängt eine neue Woche an. 168 lange Stunden ohne sie.
Bleich läufst du durch die vereisten StraÃen, die gefrorene Erde knarrt unter deinen Schuhen, dein Atem steigt wie Rauch in die Luft. Es quält dich zu wissen, dass sie nicht an dich denkt. Dass jemand anders neben ihr aufwachen darf, den Geruch ihrer Haut in der Nase hat, die seidigen Haare durch die Finger winden kann.
Du würdest alle bösen Worte der Unbedachtheit zurücknehmen, alle schlechten Gedanken. Du würdest alle verpassten Gelegenheiten diesmal nutzen um ihr zu sagen wie sehr du sie liebst, dass sie erfüllt und ersetzt hat, was du selbst nicht warst. Die besten Momente in deinem Leben, du würdest sie sofort tauschen – gegen sie. Noch einmal alles erleben und du würdest kämpfen bis zum Schluss, dich nicht selbst belügen, überschätzen.
Vielleicht kannst du die Vergangenheit nicht ändern, aber sie hat dich verändert. Vielleicht sollte es damals einfach nicht sein.
Mit zitternden Händen friemelst du eine Zigarette aus deiner Jackentasche, die Kaffeetasse steht noch unberührt neben dir. Du hörst die Ladenklingel, räusperst dich. Du bist gespannt wer als nächstes nach einer Realitätsflucht verlangt.
Deine Augen schauen auf, treffen auf Eisblau.
Und du fragst dich, ob deine Suche nun beendet ist oder ob sie gerade erst anfängt.
..not my circus not my monkeys..