01.02.2005, 19:14
Kapitel 30
âRory jetzt warte malâ Sie zog sie an der Hand zurück ins Haus. Knallte die Tür zu.
âMom was soll das denn, ich hab Hunger.â Rory riss sich los und schaute ihre Mutter verständnislos an. Jetzt war Lorelai schon vor über eine Woche aus dem Krankenhaus entlassen worden und traute sich immer noch nicht vor die Haustüre. Rory erinnerte sich an viele Fastfood-Abende in Lorelais Bett. Solange es Lorelai nicht so gut ging, war es auch okay aber Rory hatte genug. Die Verletzung an ihrem Hals war zwar immer noch verbunden aber schien längst nicht mehr so zu schmerzen. Warum wollte Lorelai dann immer noch nicht??
âSie werden mich alle anstarren.â Lorelai hörte sich an wie ein kleines Kind. Vielleicht beabsichtigt zog sie ihren schönsten Schmollmund und klimperte möglichst armselig mit ihren Wimpern.
âAlle werden es wissen und mich ausfragen. Und wenn sie nicht fragen dann starren sie mich an. Ich werde da stehen wie ein Elefant aus dem Zoo. Und irgendwann werden sie anfangen mir Erdnüsse zu geben und wenn das lange so weiter geht, dann werde ich bald wirklich wie ein Elefant aussehen und dass....â Rory blies genervt ein paar Haarsträhnen aus ihrem Gesicht. Manchmal ging es ihr wirklich auf die Nerven Mutter zu spielen. Sie zog die Haustüre wieder auf stellte sich unter den Türbogen und sagte gespielt entrüstet: âEntweder du kommst jetzt mit mir zu Luke- oder....â Lorelais Schmollen verblasste augenblicklich. âZu Luke?â Wimmerte sie.
âJa natürlich zu Luke. Wohin gehen wir denn bitte seit nun mehr 4 Jahren täglich?â Ihre Mutter war heute aber auch wirklich seltsam drauf.
âAberâ
âNein Mom. Nichts aber. Wir gehen jetzt frühstücken. Denk doch nur mal an den Kaffee. Der herrlichste Kaffee der Stadt erwartet dich! Sei nicht so egoistisch und folge seinem Ruf. Und glaub mir, Mom. Niemand wird dich anstarren. Die Leute haben das lange vergessen.â
Erst gestern hatte sie der alten Frau Hutson beim Einkaufen erklären müssen, dass auf Lorelai keinen Mordanschlag verübt worden war. Die Stadt hatte es nicht vergessen. Lorelais Krankenhausaufenthalt war immer noch Stadtgespräch Nummer 1, wie Miss Patty im Supermarkt versicherte.
Lorelai zog die Augenbraue kraus. Sie glaubte Rory nicht. Es war sowieso seltsam, weder Babette noch Miss Patty hatten eine Frage gestellt als sie auf Besuch kamen. Stars Hollow wäre doch nicht Stars Hollow, wenn nicht noch etwas käme. Aber der Gedanke an Kaffee half über ihre Angst hinweg. Irgendetwas hatte sie früher doch immer magisch zu dem Kaffee gezogen. Ach ja, da war ein Mann. Der Mann, der den Kaffee machte: Luke. Wie lang war es her das sie Luke das letzte Mal gesehen hatte? Lorelai erinnerte sich nicht an viel von er Woche im Krankenhaus. Meistens lag sie etwas weggetreten da und stierte die Wand an. Immer noch wusste sie genau, wie viele Risse die Wand hatte, kannte die schwarzen Flecken die die Heizung an der vergilbten Tapete hinterlies. Lorelai wusste nicht, wer alles täglich an ihrem Krankenbett erschien. Die Schmerzmittel machten sie schläfrig und das Pochen in ihrem Hals war übermächtig, sodass sie die Augen meist geschlossen hielt. Seit sie zuhause war lag sie meistens in ihrem Bett oder auf der Couch. âSie muss sich schonen. Damit die Naht nicht aufreist.â Ja, ihr Hals war genäht worden. Lorelai wagte es nicht sich im Spiegel anzuschauen. Zu tief saà der Schock und die Erinnerung an die Schmerzen, die sie schier wahnsinnig machten, wenn sie keine Schmerzmittel intus hatte. Sie hatte die letzte Woche eigentlich wie in der Warteschleife gelebt. Wenn die Sonne auf ihr Gesicht schien trank sie ein Glas Wasser und würgte die grüne Pille hinunter, duschte mal heià mal kalt und setzte sich zu Rory an den Tisch. Rorys Kaffee in allen Ehren, aber an den aus dem Diner kam sie nicht einmal selbst heran. Die Tage vergingen und sie schaute sich selbst beim leben zu. Die Couch verlies sie nur um zu duschen oder zu schlafen. Angst hatte sie keine, denn sie wüsste nicht wovor sie sich fürchten sollte. Denn sie hatte kaum Erinnerung an den Tag, der scheinbar ihr Leben aus der Bahn geworfen hatte. Luke war doch ihr bester Freund. Das wusste sie. Aber Luke hatte sich kein einziges Mal bei ihr blicken lassen. Sollte sie wirklich zu ihm ins Diner gehen? Er musste doch einen Grund haben, sie zu meiden?
âMom komm jetzt.â Lorelai lies sich hinaus ziehen, gab der Tür einen Stoss und fand sich wenige Sekunden später bereits auf der StraÃe wieder. Seit sie aus dem Krankenhaus entlassen war und die Schmerzmittel reduziert wurden fand Lorelai langsam zu ihrer alten Form zurück.
âWenn mir einer eine Erdnuss zusteckt, dann kommst du zur Adoption frei.â Ein geschmackloser, gemeiner und sinnloser Witz. Wunderbar. Rory strahlte. Sie vermisste ihre alte Mom so sehr.
Ãberrascht von ihrem eigenen Mut lief Lorelai neben Rory her. Es war seltsam für sie. So als liefe sie gegen eine Wand. Gegen eine Wand die Leben hieÃ. Um sie herum waren Menschen, Tiere, Stimmen, Geräusche, scheinbar fremde Gerüche.
Aber sie lies sich nichts anmerken. Streckte ihren Oberkörper elegant nach vorne und ihre Lungen weiteten sich bei der frischen Luft. Lange war sie schon nicht mehr herumgelaufen. Die warme Sonne auf dem Kopf und der leichte Wind um die Nase gaben ihr ein gutes Gefühl. Die natürliche Geräuschkulisse um sie herum gab ihr Sicherheit. Miss Hutson stand bei Andrew am Haus als beide Gilmores vorbei kamen.
âHallo Miss Hutson, Andrew gut siehst du ausâ Angriff war immer noch die beste Verteidigung. Das Lachen in ihrem Gesicht war nicht einmal gestellt, es war echt. Ihr ging es gut. Ihr Hals schmerzte im Moment kaum und eigentlich hatte sie doch ein tolles Leben. Ihre Tochter, genau ihre Tochter. Sie hatte eine wundervolle Tochter. Bemüht unauffällig machte diese gerade Andrew und Miss Hutson verständlich Lorelai ja nicht auf es anzusprechen. Beide nickten verständnisvoll und wünschten den Gilmores noch einen schönen Tag. Kaum waren Lorelai und Rory vorbei steckten sie schon die Köpfe zusammen. Babette, die heimlich hinter Rory und Lorelai herlief sprintete sofort zu den beiden und fragte sie atemlos aus, was sie mit Lorelai geredet hatten.
âSchatz?â Lorelai konnte ein süffisantes Grinsen kaum noch unterdrücken.
âja Mom?â Rory versuchte vergeblich sich auf die wunderschönen Blumen zu konzentrieren und ihre Mutter dazu zu bringen, die Blumen ebenfalls gebührend zu würdigen.
âDie halbe Stadt verfolgt uns. Warum?â Vorsichtig drehte sich Rory um. Zu Babette, Miss Hutson und Andrew hatten sich inzwischen auch noch Gypsy, Morey und Boozie der Zeitungsverkäufer gesellt. Mit viel Abstand folgten sie den beiden und blieben ruckartig Stehen, wenn Lorelai oder Rory langsamer wurden.
âAch Mom, die machen nur ihren Sonntagspaziergang.â Rory wusste genau warum die halbe Stadt an ihren Fersen heftete. Jeder hier wusste, dass Luke nach dem Tag an dem es passierte sein Diner geschlossen hatte, Cesar Urlaub gab und zwei Stunden später die Stadt mit seiner Angelausrüstung auf dem Pickup verlassen hatte. Luke hatte mit niemandem geredet, aber dennoch waren sich alle sicher dass es an Lorelai lag. Es war selbstverständlich dass die ganze Stadt auf das erste Zusammentreffen wartete. Die Begegnung Luke/Lorelai war für viele besser als Tanzmarathon und Stadtfest zusammen. Nicht einmal Rory konnte den Bewohnern verübeln, dass sie sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen wollten. Im Gegenteil, sie war selbst gespannt wie in Flitzebogen was passieren würde. Sie hatte den Ausdruck in Lukes Gesicht seit ihrer letzten Begegnung im Krankenhaus nicht vergessen. So hatte sie Luke noch nie gesehen. Rory schielte zu ihrer Mom. Sie lächelte immer noch. Wusste sie von nichts oder war es Show?
Lorelai lächelte immer noch weiter vor sich hin. Sie verstand die Aufregung nicht. Gut, Luke hatte sich nicht bei ihr gemeldet, aber er hatte sicher viel zutun.
Als sie an der Tankstelle ankamen stieg Lorelai Benzingeruch in die Nase. Ein eiskalter Schauer machte sich sofort auf ihrem Rücken breit. Sie spürte wie der Benzingeruch ihre Nase hinauf wanderte. Ihr Gehirn schlug Alarm. Auf einmal spüre sie ein Ziehen in den Haaren. Sie blieb stehen. Ihr Nacken schien zu schmerzen, als würde jemand auf sie eintreten.
âMom alles klar?â Was war den jetzt schon wieder los? Urplötzlich blieb Lorelai stehen und das Lächeln auf ihren Lippen verblasste zu purer Panik.
Lorelai hörte auf einmal wirre Stimmen. Wortfetzen hallten in ihrem Kopf:
âich liebe dich.â
âso einfach kommst du mir nicht davon!â
âhier gebliebenâ
âverlass mich nichtâ
Lorelai fasste sich an die Stirn. Was war denn jetzt los? Hatte sie jetzt schon Halluzinationen oder was?
âHey Mom.â Lorelai zuckte zusammen als Rory ihre Arme um Lorelais Ellenbogen legte. Sie starrte sie mit glänzenden Augen an.
âAlles okay, Rory. Mir geht es gut. Mir ist nur etwas schwindelig geworden.â Stand sie unter dem Einfluss der Schmerzmittel? Sie war doch total wahnsinnig. Sie beschloss die Stimmen und ebenso die seltsamen Schmerzempfindungen auf der Stelle zu vergessen. Es war nicht das erste Mal, dass sie diese Stimme hörte. Immer wieder schossen ihr diese Gedanken in den Kopf. Als sie vor ein paar Tagen selbst ihr Wasserglas in der Spüle auswaschen wollte stach sie auf einmal die Narbe an ihrem Hals. Sie hörte wirre Stimmen und sah eine verwüstete Wohnung vor sich. Und immer wieder war die eine Stimme dabei. Die stimme eines Mannes. Der ihr sagte, dass er sie liebe und sie ihn nicht verlassen dürfe. Aber welche Stimme war es? Lorelai versuchte vergeblich sich an mehr zu erinnern, aber ihr Körper rebellierte gegen die Erinnerungen und der Schmerz brach über sie herein das sie fast unter ihm zusammen brach. Sobald sie tief durchatmete und sich zwang an etwas anders zu denken lieÃen die Schmerzen nach. Sie spürte auch jetzt wie sich ihre Muskeln entspannten und die Normalität zurück kehrte.
Auch Rory bemerkte wie die Farbe in Lorelais Gesicht zurück kam.
âGehtâs wieder Mom?â Ãngstlich blickte Rory sie an. Lorelai war einfach nicht mehr die Alte. Sie versuche zwar mit lockeren Sprüchen und ihrer kindischen Art es ihr vorzugaukeln, aber Rory sah genau wie Lorelai zusammen zuckte, wenn jemand ein Feuerzeug anmachte, ein Glas fallen lies oder nur Dean an die Tür klopfte.
Ach ja, Dean. Seit ihre Mutter ins Krankenhaus gekommen war, war von der Beziehung nicht mehr viel übrig. Die Erinnerung an die gemeinsame erste Annäherung wurde immer schwächer, aber Rory konnte sich auf nichts anderes konzentrieren als sich um ihre Mom zu sorgen. Dean war schon ein besonderer...
âLos komm, ich hab Hunger. Wie war das vorher? Ich sei egoistisch wenn ich den Kaffee ignoriere? Ich hör ihn bis hier nach mir rufen. Er schreit Lorelai, Lorelai du wunderschöne Frau, komm und schlürf von meiner zarten, heiÃen Brühe.â
âHäh?â Jetzt war es an Rory verwirt zu sein. Ihre Mutter wechselte heute aber auch wirklich von einem Extrem ins andre. Irgendetwas stimmte heute gewaltig nicht. Aber Lorelai schien schon wieder oben auf zu sein und zog Rory fröhlich von der heiÃen Brühe plappernd weiter.
Lorelai laberte einfach drauf los. Der Geruch des Benzins in ihrer Nase wurde trotz dem Versuch es zu ignorieren langsam unerträglich. Sie wollte nur noch weg. Weg von den Stimmen, weg von den Schlägen und weg von der Erinnerung. Das war doch alles nur ein Alptraum.
Luke stand hinter dem Tresen. Taylor und Miss Patty drängten sich an den Tresen und überhäuften ihn nur so mit Fragen. Erst gestern war er von seinem Lieblingssee zurück gekommen und da es heute bereits die ganze Stadt wusste, konnte -und musste er geschäftsbedingt- sein Diner wieder aufmachen. Er hatte die ganze Woche damit verbracht Lorelai aus seinen Gedanken zu verdrängen. Doch je mehr er versuchte sich zu entfernen um so näher kam er ihr. Irgendwann, als er bereits in den Gesichtern der Fische ihre Augen sah, gab er es auf und lernte den Schmerz zu ertragen. Ihm schien, als hätte er nie anders, als mit dem bedrückenden Gefühl auf dem Brustkorb gelebt.
âLuke, jetzt sag schon. Du kriegst auch 5 % Rabatt wenn du es nächste Mal grüne Bohnen kaufst. Komm schon, das ist doch ein Angebot.â Luke zog nur die Stirn in Falten.
âNa gut, 10 % aber das ist mein letztes Angebot. Mehr ist nicht drin. Das würde mich in den Ruin treiben.â
âDu übertreibst maÃlos Taylor.â Grummelte er.
âEs spricht! Sie nur Patty, es spricht! Willst du vielleicht nach Hause telefonieren?â
Luke hatte es so dermaÃen satt diese Fragerei über sich ergehen zu lassen. Genervt schwang er sein Geschirrtuch über die Schulter und wollte in die Küche zurück gehen, als Kirk die Tür aufriss.
AuÃer Atem stammelte er:
âSie kommt.....mit Rory....fast.....da...ich......Luft.....aber...sie...kommt......ahhhâ Er sackte auf einen Stuhl und wischte sich mit dem Ãrmel den Schweià von der roten Stirn. Taylor und Miss PAtty waren sofort in heller Aufregung. Sprangen von ihren Stühlen, wuselten mit den anderen Gästen durcheinander und versuchten sich möglichst unauffällig hinzusetzten, als säÃen sie schon die ganze Zeit da.
Jess beobachtete seinen Onkel. Was war bloà mit Luke los? Er hatte zwar nichts dagegen einzuwenden eine Woche frei zu haben, aber seltsam war es schon. Sehr seltsam. Aber das war ja genau genommen nicht sein Problem.
âLeute, ihr seht aus als ob ihr im Kino vergessen hättet den Eintritt zu bezahlen und auÃerdem noch heimlich Schokoriegel dabei habt.â
Jess bekam - für seine Verhältnisse beinahe einen Lachkrampf, als alle entsetzt aufsprangen und sich einen neuen Platz suchten.
âSpinner. Alles Verrückteâ murmelte Luke und beeilte sich schleunigst in die Küche zu kommen. Total lächerlich, wie sich die Stadt aufführte, nur weil Lorelai in sein Diner kam. Das tat sie schlieÃlich jeden Tag, oder zumindest früher. Dank seinen zittrigen Händen lies er die Pancakeskelle fallen und Cesar schnaubte wütend. Aber rausgehen konnte er auf keinen Fall. Nein, nicht weil er Angst hatte. Angst vor der Begegnung mit ihr. Angst in ihre Augen zu sehen, den Schmerz und die Demütigung wieder und wieder zu erleben. Nein, er musste einfach nur arbeiten.
âRory jetzt warte malâ Sie zog sie an der Hand zurück ins Haus. Knallte die Tür zu.
âMom was soll das denn, ich hab Hunger.â Rory riss sich los und schaute ihre Mutter verständnislos an. Jetzt war Lorelai schon vor über eine Woche aus dem Krankenhaus entlassen worden und traute sich immer noch nicht vor die Haustüre. Rory erinnerte sich an viele Fastfood-Abende in Lorelais Bett. Solange es Lorelai nicht so gut ging, war es auch okay aber Rory hatte genug. Die Verletzung an ihrem Hals war zwar immer noch verbunden aber schien längst nicht mehr so zu schmerzen. Warum wollte Lorelai dann immer noch nicht??
âSie werden mich alle anstarren.â Lorelai hörte sich an wie ein kleines Kind. Vielleicht beabsichtigt zog sie ihren schönsten Schmollmund und klimperte möglichst armselig mit ihren Wimpern.
âAlle werden es wissen und mich ausfragen. Und wenn sie nicht fragen dann starren sie mich an. Ich werde da stehen wie ein Elefant aus dem Zoo. Und irgendwann werden sie anfangen mir Erdnüsse zu geben und wenn das lange so weiter geht, dann werde ich bald wirklich wie ein Elefant aussehen und dass....â Rory blies genervt ein paar Haarsträhnen aus ihrem Gesicht. Manchmal ging es ihr wirklich auf die Nerven Mutter zu spielen. Sie zog die Haustüre wieder auf stellte sich unter den Türbogen und sagte gespielt entrüstet: âEntweder du kommst jetzt mit mir zu Luke- oder....â Lorelais Schmollen verblasste augenblicklich. âZu Luke?â Wimmerte sie.
âJa natürlich zu Luke. Wohin gehen wir denn bitte seit nun mehr 4 Jahren täglich?â Ihre Mutter war heute aber auch wirklich seltsam drauf.
âAberâ
âNein Mom. Nichts aber. Wir gehen jetzt frühstücken. Denk doch nur mal an den Kaffee. Der herrlichste Kaffee der Stadt erwartet dich! Sei nicht so egoistisch und folge seinem Ruf. Und glaub mir, Mom. Niemand wird dich anstarren. Die Leute haben das lange vergessen.â
Erst gestern hatte sie der alten Frau Hutson beim Einkaufen erklären müssen, dass auf Lorelai keinen Mordanschlag verübt worden war. Die Stadt hatte es nicht vergessen. Lorelais Krankenhausaufenthalt war immer noch Stadtgespräch Nummer 1, wie Miss Patty im Supermarkt versicherte.
Lorelai zog die Augenbraue kraus. Sie glaubte Rory nicht. Es war sowieso seltsam, weder Babette noch Miss Patty hatten eine Frage gestellt als sie auf Besuch kamen. Stars Hollow wäre doch nicht Stars Hollow, wenn nicht noch etwas käme. Aber der Gedanke an Kaffee half über ihre Angst hinweg. Irgendetwas hatte sie früher doch immer magisch zu dem Kaffee gezogen. Ach ja, da war ein Mann. Der Mann, der den Kaffee machte: Luke. Wie lang war es her das sie Luke das letzte Mal gesehen hatte? Lorelai erinnerte sich nicht an viel von er Woche im Krankenhaus. Meistens lag sie etwas weggetreten da und stierte die Wand an. Immer noch wusste sie genau, wie viele Risse die Wand hatte, kannte die schwarzen Flecken die die Heizung an der vergilbten Tapete hinterlies. Lorelai wusste nicht, wer alles täglich an ihrem Krankenbett erschien. Die Schmerzmittel machten sie schläfrig und das Pochen in ihrem Hals war übermächtig, sodass sie die Augen meist geschlossen hielt. Seit sie zuhause war lag sie meistens in ihrem Bett oder auf der Couch. âSie muss sich schonen. Damit die Naht nicht aufreist.â Ja, ihr Hals war genäht worden. Lorelai wagte es nicht sich im Spiegel anzuschauen. Zu tief saà der Schock und die Erinnerung an die Schmerzen, die sie schier wahnsinnig machten, wenn sie keine Schmerzmittel intus hatte. Sie hatte die letzte Woche eigentlich wie in der Warteschleife gelebt. Wenn die Sonne auf ihr Gesicht schien trank sie ein Glas Wasser und würgte die grüne Pille hinunter, duschte mal heià mal kalt und setzte sich zu Rory an den Tisch. Rorys Kaffee in allen Ehren, aber an den aus dem Diner kam sie nicht einmal selbst heran. Die Tage vergingen und sie schaute sich selbst beim leben zu. Die Couch verlies sie nur um zu duschen oder zu schlafen. Angst hatte sie keine, denn sie wüsste nicht wovor sie sich fürchten sollte. Denn sie hatte kaum Erinnerung an den Tag, der scheinbar ihr Leben aus der Bahn geworfen hatte. Luke war doch ihr bester Freund. Das wusste sie. Aber Luke hatte sich kein einziges Mal bei ihr blicken lassen. Sollte sie wirklich zu ihm ins Diner gehen? Er musste doch einen Grund haben, sie zu meiden?
âMom komm jetzt.â Lorelai lies sich hinaus ziehen, gab der Tür einen Stoss und fand sich wenige Sekunden später bereits auf der StraÃe wieder. Seit sie aus dem Krankenhaus entlassen war und die Schmerzmittel reduziert wurden fand Lorelai langsam zu ihrer alten Form zurück.
âWenn mir einer eine Erdnuss zusteckt, dann kommst du zur Adoption frei.â Ein geschmackloser, gemeiner und sinnloser Witz. Wunderbar. Rory strahlte. Sie vermisste ihre alte Mom so sehr.
Ãberrascht von ihrem eigenen Mut lief Lorelai neben Rory her. Es war seltsam für sie. So als liefe sie gegen eine Wand. Gegen eine Wand die Leben hieÃ. Um sie herum waren Menschen, Tiere, Stimmen, Geräusche, scheinbar fremde Gerüche.
Aber sie lies sich nichts anmerken. Streckte ihren Oberkörper elegant nach vorne und ihre Lungen weiteten sich bei der frischen Luft. Lange war sie schon nicht mehr herumgelaufen. Die warme Sonne auf dem Kopf und der leichte Wind um die Nase gaben ihr ein gutes Gefühl. Die natürliche Geräuschkulisse um sie herum gab ihr Sicherheit. Miss Hutson stand bei Andrew am Haus als beide Gilmores vorbei kamen.
âHallo Miss Hutson, Andrew gut siehst du ausâ Angriff war immer noch die beste Verteidigung. Das Lachen in ihrem Gesicht war nicht einmal gestellt, es war echt. Ihr ging es gut. Ihr Hals schmerzte im Moment kaum und eigentlich hatte sie doch ein tolles Leben. Ihre Tochter, genau ihre Tochter. Sie hatte eine wundervolle Tochter. Bemüht unauffällig machte diese gerade Andrew und Miss Hutson verständlich Lorelai ja nicht auf es anzusprechen. Beide nickten verständnisvoll und wünschten den Gilmores noch einen schönen Tag. Kaum waren Lorelai und Rory vorbei steckten sie schon die Köpfe zusammen. Babette, die heimlich hinter Rory und Lorelai herlief sprintete sofort zu den beiden und fragte sie atemlos aus, was sie mit Lorelai geredet hatten.
âSchatz?â Lorelai konnte ein süffisantes Grinsen kaum noch unterdrücken.
âja Mom?â Rory versuchte vergeblich sich auf die wunderschönen Blumen zu konzentrieren und ihre Mutter dazu zu bringen, die Blumen ebenfalls gebührend zu würdigen.
âDie halbe Stadt verfolgt uns. Warum?â Vorsichtig drehte sich Rory um. Zu Babette, Miss Hutson und Andrew hatten sich inzwischen auch noch Gypsy, Morey und Boozie der Zeitungsverkäufer gesellt. Mit viel Abstand folgten sie den beiden und blieben ruckartig Stehen, wenn Lorelai oder Rory langsamer wurden.
âAch Mom, die machen nur ihren Sonntagspaziergang.â Rory wusste genau warum die halbe Stadt an ihren Fersen heftete. Jeder hier wusste, dass Luke nach dem Tag an dem es passierte sein Diner geschlossen hatte, Cesar Urlaub gab und zwei Stunden später die Stadt mit seiner Angelausrüstung auf dem Pickup verlassen hatte. Luke hatte mit niemandem geredet, aber dennoch waren sich alle sicher dass es an Lorelai lag. Es war selbstverständlich dass die ganze Stadt auf das erste Zusammentreffen wartete. Die Begegnung Luke/Lorelai war für viele besser als Tanzmarathon und Stadtfest zusammen. Nicht einmal Rory konnte den Bewohnern verübeln, dass sie sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen wollten. Im Gegenteil, sie war selbst gespannt wie in Flitzebogen was passieren würde. Sie hatte den Ausdruck in Lukes Gesicht seit ihrer letzten Begegnung im Krankenhaus nicht vergessen. So hatte sie Luke noch nie gesehen. Rory schielte zu ihrer Mom. Sie lächelte immer noch. Wusste sie von nichts oder war es Show?
Lorelai lächelte immer noch weiter vor sich hin. Sie verstand die Aufregung nicht. Gut, Luke hatte sich nicht bei ihr gemeldet, aber er hatte sicher viel zutun.
Als sie an der Tankstelle ankamen stieg Lorelai Benzingeruch in die Nase. Ein eiskalter Schauer machte sich sofort auf ihrem Rücken breit. Sie spürte wie der Benzingeruch ihre Nase hinauf wanderte. Ihr Gehirn schlug Alarm. Auf einmal spüre sie ein Ziehen in den Haaren. Sie blieb stehen. Ihr Nacken schien zu schmerzen, als würde jemand auf sie eintreten.
âMom alles klar?â Was war den jetzt schon wieder los? Urplötzlich blieb Lorelai stehen und das Lächeln auf ihren Lippen verblasste zu purer Panik.
Lorelai hörte auf einmal wirre Stimmen. Wortfetzen hallten in ihrem Kopf:
âich liebe dich.â
âso einfach kommst du mir nicht davon!â
âhier gebliebenâ
âverlass mich nichtâ
Lorelai fasste sich an die Stirn. Was war denn jetzt los? Hatte sie jetzt schon Halluzinationen oder was?
âHey Mom.â Lorelai zuckte zusammen als Rory ihre Arme um Lorelais Ellenbogen legte. Sie starrte sie mit glänzenden Augen an.
âAlles okay, Rory. Mir geht es gut. Mir ist nur etwas schwindelig geworden.â Stand sie unter dem Einfluss der Schmerzmittel? Sie war doch total wahnsinnig. Sie beschloss die Stimmen und ebenso die seltsamen Schmerzempfindungen auf der Stelle zu vergessen. Es war nicht das erste Mal, dass sie diese Stimme hörte. Immer wieder schossen ihr diese Gedanken in den Kopf. Als sie vor ein paar Tagen selbst ihr Wasserglas in der Spüle auswaschen wollte stach sie auf einmal die Narbe an ihrem Hals. Sie hörte wirre Stimmen und sah eine verwüstete Wohnung vor sich. Und immer wieder war die eine Stimme dabei. Die stimme eines Mannes. Der ihr sagte, dass er sie liebe und sie ihn nicht verlassen dürfe. Aber welche Stimme war es? Lorelai versuchte vergeblich sich an mehr zu erinnern, aber ihr Körper rebellierte gegen die Erinnerungen und der Schmerz brach über sie herein das sie fast unter ihm zusammen brach. Sobald sie tief durchatmete und sich zwang an etwas anders zu denken lieÃen die Schmerzen nach. Sie spürte auch jetzt wie sich ihre Muskeln entspannten und die Normalität zurück kehrte.
Auch Rory bemerkte wie die Farbe in Lorelais Gesicht zurück kam.
âGehtâs wieder Mom?â Ãngstlich blickte Rory sie an. Lorelai war einfach nicht mehr die Alte. Sie versuche zwar mit lockeren Sprüchen und ihrer kindischen Art es ihr vorzugaukeln, aber Rory sah genau wie Lorelai zusammen zuckte, wenn jemand ein Feuerzeug anmachte, ein Glas fallen lies oder nur Dean an die Tür klopfte.
Ach ja, Dean. Seit ihre Mutter ins Krankenhaus gekommen war, war von der Beziehung nicht mehr viel übrig. Die Erinnerung an die gemeinsame erste Annäherung wurde immer schwächer, aber Rory konnte sich auf nichts anderes konzentrieren als sich um ihre Mom zu sorgen. Dean war schon ein besonderer...
âLos komm, ich hab Hunger. Wie war das vorher? Ich sei egoistisch wenn ich den Kaffee ignoriere? Ich hör ihn bis hier nach mir rufen. Er schreit Lorelai, Lorelai du wunderschöne Frau, komm und schlürf von meiner zarten, heiÃen Brühe.â
âHäh?â Jetzt war es an Rory verwirt zu sein. Ihre Mutter wechselte heute aber auch wirklich von einem Extrem ins andre. Irgendetwas stimmte heute gewaltig nicht. Aber Lorelai schien schon wieder oben auf zu sein und zog Rory fröhlich von der heiÃen Brühe plappernd weiter.
Lorelai laberte einfach drauf los. Der Geruch des Benzins in ihrer Nase wurde trotz dem Versuch es zu ignorieren langsam unerträglich. Sie wollte nur noch weg. Weg von den Stimmen, weg von den Schlägen und weg von der Erinnerung. Das war doch alles nur ein Alptraum.
Luke stand hinter dem Tresen. Taylor und Miss Patty drängten sich an den Tresen und überhäuften ihn nur so mit Fragen. Erst gestern war er von seinem Lieblingssee zurück gekommen und da es heute bereits die ganze Stadt wusste, konnte -und musste er geschäftsbedingt- sein Diner wieder aufmachen. Er hatte die ganze Woche damit verbracht Lorelai aus seinen Gedanken zu verdrängen. Doch je mehr er versuchte sich zu entfernen um so näher kam er ihr. Irgendwann, als er bereits in den Gesichtern der Fische ihre Augen sah, gab er es auf und lernte den Schmerz zu ertragen. Ihm schien, als hätte er nie anders, als mit dem bedrückenden Gefühl auf dem Brustkorb gelebt.
âLuke, jetzt sag schon. Du kriegst auch 5 % Rabatt wenn du es nächste Mal grüne Bohnen kaufst. Komm schon, das ist doch ein Angebot.â Luke zog nur die Stirn in Falten.
âNa gut, 10 % aber das ist mein letztes Angebot. Mehr ist nicht drin. Das würde mich in den Ruin treiben.â
âDu übertreibst maÃlos Taylor.â Grummelte er.
âEs spricht! Sie nur Patty, es spricht! Willst du vielleicht nach Hause telefonieren?â
Luke hatte es so dermaÃen satt diese Fragerei über sich ergehen zu lassen. Genervt schwang er sein Geschirrtuch über die Schulter und wollte in die Küche zurück gehen, als Kirk die Tür aufriss.
AuÃer Atem stammelte er:
âSie kommt.....mit Rory....fast.....da...ich......Luft.....aber...sie...kommt......ahhhâ Er sackte auf einen Stuhl und wischte sich mit dem Ãrmel den Schweià von der roten Stirn. Taylor und Miss PAtty waren sofort in heller Aufregung. Sprangen von ihren Stühlen, wuselten mit den anderen Gästen durcheinander und versuchten sich möglichst unauffällig hinzusetzten, als säÃen sie schon die ganze Zeit da.
Jess beobachtete seinen Onkel. Was war bloà mit Luke los? Er hatte zwar nichts dagegen einzuwenden eine Woche frei zu haben, aber seltsam war es schon. Sehr seltsam. Aber das war ja genau genommen nicht sein Problem.
âLeute, ihr seht aus als ob ihr im Kino vergessen hättet den Eintritt zu bezahlen und auÃerdem noch heimlich Schokoriegel dabei habt.â
Jess bekam - für seine Verhältnisse beinahe einen Lachkrampf, als alle entsetzt aufsprangen und sich einen neuen Platz suchten.
âSpinner. Alles Verrückteâ murmelte Luke und beeilte sich schleunigst in die Küche zu kommen. Total lächerlich, wie sich die Stadt aufführte, nur weil Lorelai in sein Diner kam. Das tat sie schlieÃlich jeden Tag, oder zumindest früher. Dank seinen zittrigen Händen lies er die Pancakeskelle fallen und Cesar schnaubte wütend. Aber rausgehen konnte er auf keinen Fall. Nein, nicht weil er Angst hatte. Angst vor der Begegnung mit ihr. Angst in ihre Augen zu sehen, den Schmerz und die Demütigung wieder und wieder zu erleben. Nein, er musste einfach nur arbeiten.
~
And I start to feel for him again. Stupid me.
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And I start to feel for him again. Stupid me.
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