.::Chapter15::.
âWeiÃt du, ich habe schon oft darüber nachgedacht, warum ich mich mit meiner Mutter nicht verstehe. Natürlich, ich habe sie enttäuscht, weil ich niemals so werden wollte wie sie, weil ich andere Ziele hatte, weil ihre nicht meine waren. Aber dann, nachdem sie mich dazu verpflichtet hat, einmal die Woche mit ihr zu essen, da wurde es besser. Kaum merklich, in den Augen eines Normalsterblichen wahrscheinlich unerkennbar. Aber für mich, für mich wurde es besser. Besser, nun ja, anders. Manchmal denke ich wirklich, das ist es, nun habe ich einen Draht zu ihr gefunden. Doch dann sagt sie etwas, und ich antworte ihr, und alles ist wieder ruiniert. Egal was wir tun, worüber wir reden, so sehr wir uns auch anstrengen, wir reden aneinander vorbei. Wir leben in zwei verschiedenen Welten, und keiner von uns ist dazu bereit, in die der anderen einzutauchen.â
Verlegen sieht sie auf den Boden. Noch nie hat sie diese Gedanken laut gesagt. Wollte immer, dass sie geheim bleiben. Aber wenn sie nun ihre Tochter ansieht, das Glück, das sie mit ihr hat, ihr wieder bewusst wird, da wird sie nachdenklich. Traurig. Traurig darüber, dass sie nie so eine gute Beziehung mit ihrer Mutter hatte. Nie wirklich das Gefühl hatte, sich auf sie verlassen zu können. Und sie denkt darüber nach. Zerbricht sich stundenlang den Kopf. Doch immer kommt sie zu demselben Ergebnis. Ihre Mutter trägt die Schuld. Sie ganz alleine. Denn immerhin ist es einfacher, die Schuld jemand anderen zu geben, als sich selbst zu verurteilen. Hat überhaupt irgendjemand Schuld?
âIch versuche wirklich, ihre Gedanken nachzuvollziehen. Doch es scheint mir unmöglich. So sehr ich mich auch bemühe, ich schaffe es nicht. Es ist, als ob ich ein Paar Jeans hätte, die mir zu klein sind. Ich probiere sie immer und immer wieder, doch ich komme nach jedem neuen Versuch zum selben Schluss. Sie passt nicht. Es ist nicht viel, was mich von ihr trennt, aber sie passt nicht. Wird nie passen. Denn würde ich mich in sie hineinhungern, wäre sie zu groÃ.â
Stirnrunzelnd sieht Rory ihre Mutter an. âWas haben denn Jeans mit Grandma zu tun?â
âRory, was du meinem wahnwitzigen Vortrag entnehmen sollst, ist, dass es immer dieses winzig kleine Stückchen Unstimmigkeit zwischen mir und meiner Mutter geben wird. Es mag nicht groà erscheinen, doch es ist ausschlaggebend.â
âMom, du weiÃt doch, dass das nicht stimmt. Grandma kann eine genauso gute Mutter sein wie du. Du musst ihr eben ein wenig entgegen kommen!â
âAber das tue ich doch!â, verzweifelt wirft sie ihre Hände in die Höhe. âMein liebes Kind, weiÃt du wie es ist, ohne Mutter aufzuwachsen? Nein? Nun, ich schon. Schlimmer noch, ich wuchs bei einer Frau auf, die sich meine Mutter nannte, die mich geboren hatte, die mir Kleidung, Nahrund und ein Dach über den Kopf gab, doch sie war es nicht. Ich hatte meine Mutter in greifbarer Nähe, doch ich habe sie nie bekommen. Es gab eine Zeit, da lieà ich mich nicht davon abbringen, meine Nanny âMomâ zu nennen. Und was geschah? Die arme Frau wurde gefeuert. Wegen mir.â, Lorelai erhebt sich. âSteh auf!â
Verwirrt starrt Rory ihre Mutter an. âWas? Aufstehen? Aber wozu?â
Lorelai verdreht die Augen. âNicht fragen, Schätzchen, handeln!â
âOkayâ¦â, auch Rory steht auf, folgt der Anweisung ihrer Mutter. Doch kaum steht sie, schlieÃt sie Lorelai schon in die Arme. Hält sie fest, streicht ihr übers Haar. Flüstert leise âIch liebe dichâ, in ihr Ohr. Dann lässt Lorelai ihre gerührte, und doch verwirrte Tochter los. âUnd, was war das?â, Lorelai stemmt die Hände in die Hüften.
âDas war eine Umarmung, Mom. Die Frage ist, wofür?â
âHaha, siehst du, genau das habe ich von meiner Mutter nie bekommen. Ich dachte immer, wenn ich besonders traurig wirke, würde sie mich vielleicht einmal in den Arm nehmen. Doch ihr einziges Kommentar dazu war âLorelai, verzieh den Mund nicht so, es entstellt dein Gesichtââ
âDas wusste ich nichtâ¦â, mitfühlend legt Rory ihrer Mutter die Hand auf die Schulter. Doch diese lacht nur abwehrend.
âNein, das muss es nicht, wirklich! Ich habe ein Immunsystem dagegen aufgebaut. Immer wenn sie mich verletzt hat, habe ich etwas getan, das sie in ihren Augen bloÃgestellt hat. So habe ich schätzungsweise doch so etwas Ãhnliches wie eine Beziehung aufgebaut. Zugegeben, eine sehr abstrakte Beziehung, aber doch eine Beziehung.â
âMomâ¦â
âNein, es ist okay, wirklich! Und, Hey, wie sagt man so schön? Hat man eine schlechte Mutter, wird man selbst eine umso bessere. Also stell dich darauf ein, dass dich deine Kinder abgrundtief hassen werden, denn ich, ich bin die Beste!â, lachend schlingt sie den Arm um ihre Tochter und betritt wieder festen Boden, in der Realität, aber auch in Gedanken.
âMom? Dad?â, suchend blickt sie sich in dem riesigen Bungalow um. Alles ist still, dunkel, keiner scheint dort zu sein.
âWo sind sie?â, auch Rory kommt die Situation eigenartig vor. Keine Nachricht, kein Zettel, nichts.
Lorelai zuckt mit den Schultern. âWer weiÃ, vielleicht sind sie auf einen Sprung nach Europa geflogen.â âWas?â, fragt sie, als sie das Stöhnen ihrer Tochter hört. âWir reden hier immerhin von Richard und Emily Gilmore!â
Den Kommentar ihrer Mutter ignorierend, lässt sich Rory auf das Sofa fallen. âIch bin fertig. Keinen Schritt mehr werde ich heute machen. Ich bleibe einfach hier liegen und tue nichts mehr.â, ein lautes Brummen ihres Magens lässt sie aufsehen. âZimmerservice?â, fragt sie ihre Mutter.
Doch diese schüttelt den Kopf. âNein, SüÃe, ich muss dich enttäuschen. Vermutlich warten die beiden schon im Restaurant auf uns.â
âSieh an, sie macht sich doch tatsächlich Sorgen wo ihre Eltern stecken.â, mit einem süffisanten Grinsen erhebt sich Rory wieder.
âNein, ich habe nicht gesagt, dass ich mir Sorgen um sie mache. Du, junges Fräulein, bist die einzige, die sich meine Sorgen zuzuschreiben hat. Du und dein Hunger.â, sie macht eine kurze Pause. âUnd meiner!â, fügt sie mit einem breiten Grinsen hinzu.
âHört, hört! Dann wird sich das junge Fräulein eben mal duschen und umziehen.â
âTu das, ich werde inzwischen sehen, was auf dem Bollywood-Kanal läuft.â
Kaum ist Rory ins Badezimmer verschwunden, macht sich Lorelai über das Telefon her.
âRezeption? Hier spricht Lorelai Gilmore. Ja, genau die. Uhm, hat meine Mutter vielleicht eine Nachricht für mich hinterlassen? Nein? Sind sie ganz sicher? Denn, sie wissen, Emily Gilmore verschwindet nie, ohne irgendjemanden davon Bescheid zu geben. Ja, so ist meine Mutter. Oh, wie geht es eigentlich ihrem Kollegen? Was? Angstzustände? Das tut mir wirklich Leid. Gut, danke dass sie nachgesehen haben. Auf Wiederhören.â, wo sie wohl sind? Emily Gilmore, um sieben Uhr abends noch nicht zu Hause und keine Nachricht? Besorgt verzieht sie die Mundwinkel und wählt eine andere Nummer. âLorelai Gilmore hier, bin ich mit dem Restaurant verbunden? Ja? Gut! Könnten sie bitte nachsehen, ob Emily und Richard Gilmore schon an einem Tisch sitzen? Uhm, er groÃ, sie klein. Und ihr Kellner wahrscheinlich am Rande des Nervenzusammenbruchs. Nein, sie sind nicht da? Waren sie schon hier? Nein? Okay, ich danke ihnen.â, stöhnend legt sie auf. Nun macht sie sich endgültig Sorgen. Wo sonst könnten ihre Eltern stecken? Ihnen wird doch hoffentlich nichts passiert sein? âNein, Lorelai, so ein Unsinn. Emily und Richard Gilmore passiert nichts!â, weist sie sich selbst zurecht. Sie schiebt ihre Sorgen zur Seite und geht zum Kleiderschrank. Was würde Emily wohl am Besten gefallenâ¦
âUnd du bist dir sicher, dass sie dort warten?â, skeptisch mustert Rory ihre Mutter.
âVorhersagen kann ich es natürlich nicht, aber es handelt sich hier immerhin um meine Eltern. In den 35 Jahren in denen ich mich jetzt schon über sie wundere, haben sie niemals auch nur eine Minute nach sieben Uhr zu Essen begonnen!â
âHast du im Restaurant angerufen?â, noch immer kann sich Rory nicht beruhigen.
âRory, Schätzchen, alles ist okay. Sie werden dort auf uns warten und mein Kleid bekritteln!â
Stöhnend will Rory zu einem weiteren Kommentar ausholen, da hören sie aufgebrachte Stimmen in der Nähe von ihnen. âIst das Grandma?!â
Auch Lorelai sind die Stimmen aufgefallen. Langsam bleibt sie stehen. Ja. Das ist ihre Mutter. Ihre Mutter und ihr Vater, die gerade um die Ecke biegen. Beide zerzaust und mit Staub im Gesicht.
âMom? Dad? Wo kommt ihr denn her? Und warum seht ihr aus wie zwei Robinson Crusoe und seine Frau?â
âLorelai, deine Bemerkungen sind hier absolut überflüssig!â, rasch versucht Emily mit der Hilfe ihres Handrückens den Schmutz aus ihrem Gesicht zu entfernen, macht die Sache jedoch nur schlimmer.
âGrandma, Mom macht sich doch nur Sorgen um euch!â, Rory wirft ihrer Mutter einen durchdringenden Blick zu, die daraufhin nur nickt.
âSeltsame Art seine Besorgnis auszudrücken. Aber um deine Frage zu beantworten, Lorelai, deine Mutter und mir ist ein kleiner Fehler unterlaufen.â
Emily lacht auf. âDu meinst wohl, dir ist ein Fehler unterlaufen, Richard. Ich habe damit nichts zu tun! Wenn ihr mich jetzt entschuldigt, ich möchte ein Bad nehmen!â, mit einem funkelndem Blick in die Richtung ihres Mannes entfernt sich Emily mit raschen Schritten.
Verblüfft sieht Lorelai ihrer Mutter nach, dann dreht sie sich um. âDad?â, ist alles was sie herausbringt.
Zerknirscht pult Richard an seinen Fingern während er erklärt. âJa, ihr wisst doch, ihr wart weg, und wir wollten uns einen schönen Tag machen. So haben wir beschlossen, einen kleinen Spaziergang zu machen, und irgendwann haben wir, habe ich, dann die Orientierung verloren und wir mussten durch den Busch laufen.â
âGrandpa!â, Rory kann sich nur mit Mühe das Lachen verkneifen.
âDu willst mir ernsthaft erzählen, dass du und Mom durch die Wildnis gelaufen seid?â
Betreten sieht Richard zu Boden und nickt. Dann richtet er sich auf, âIhr entschuldigt mich, ich muss mich jetzt um Emily kümmern⦠Ich schätze das Dinner fällt heute aus.â, auch er verschwindet rasch in der Dunkelheit.
Mit einem Zwinkern wendet sich Lorelai an ihre Tochter. âHast du das gehört? Dinner fällt aus!â
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Also, leider musste die liebe Marie noch zu einem Familienfest, deswegen erst jetzt... Trotzdem viel SpaÃ!
Marie