Where you lead I will follow
#51

So, es geht weiter .. FB freut mich wie immer.



12. Goodbye, my best friend


Rory und April spazierten gemütlich in Gleichschritt Richtung Diner. Es war Samstagvormittag, ihre Mutter arbeitete seit den frühen Morgenstunden im Dragonfly Inn, und Luke würden sie wie immer im Cafe antreffen.
Noch etwas verschlafen blickte sich Rory in der Stadt um, Babette, Patty, Taylor und noch ein Haufen weiterer Bewohner waren damit beschäftigt mit bunten Girlanden und Lichterketten den Pavillon zu dekorieren. Verunsichert stellte sie mit einem Blick auf ihre Armbanduhr fest, dass heute bereits der 1. März war, das Frühlingsfest stand also unmittelbar vor der Tür. Die Zeit verging einfach so rasend schnell! Eine Weile verharrten die beiden amüsiert in der Sonne und sahen Taylor zu wie er ungeschickt versuchte auf eine wacklige Leiter zu steigen um auch die Baumkronen zu verschönern. Schmunzelnd überquerten die zwei die Straße, um endlich ein ordentliches Frühstück zu sich zu nehmen, schon von einiger Entfernung erkannten sie, dass im Diner irgendetwas nicht stimmte. Aus dem inneren hallten aufgeregte Stimmen nach draußen.
Neugierig betraten die beiden jungen Frauen den Laden. Wären sie sich nicht sicher gewesen, so eben die Eingangstür zu Lukes Diner geöffnet zu haben, hätten sie wohl geschworen in einen Blumenladen zu sein. In einem ziemlich chaotischen Blumenladen.
Auf jeden einzelnen der Tische waren riesige Blumen, Gestecke jeder nur erdenklichen Art und Dekorationsmaterial in diversen Farben verteilt. Zwischen all den Blüten und Grünzeug erkannten sie Luke und Kirk die in einen heftigen Streit verwickelt waren.
„Kirk, wenn das Zeug nicht innerhalb von einer halben Stunde verschwunden ist, bring ich dich um! Dich oder Taylor, je nachdem wer mir zuerst in die Finger kommt“ brüllte Luke und räumte währenddessen Blumenvasen von seinem Tresen.
„Das kann ich nicht! Taylor hat gesagt ich muss die Pflanzen im warmen unterbringen weil es draußen noch zu kalt ist und sie sonst kaputt werden! Wir brauchen sie doch für das Frühjahrsfest“ antwortete Kirk mit verzweifelten Blick.
„Das ist mir sowas von egal, Kirk! Mich interessieren diese Blumen nicht, mich interessiert dieses dämliche Fest nicht und schon gar nicht interessiert mich Taylor“ schrie Luke und gestikulierte dabei wild mit den Händen.
„Aber Taylor hat gesagt ich muss sie an einen Ort unterbringen wo es mindestens 18 Grad hat! Und meine Mutter hat es mir nicht erlaubt, sie ist nämlich allergisch gegen Blütenstaub! Und unsere neue Katze Talluhlah Belle will die ganze Zeit die Blumen fressen“
„Talluhlah Belle ist der Name der Katze?“ fragte Luke mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Ja, benannt nach Demi Moores dritter Tochter“ nickte Kirk als wäre dies die logischste Sache der Welt.
„Das ist einfach unglaublich“ schüttelte Luke fassungslos den Kopf. Diese Stadt bewies ihm jeden Tag aufs Neue, dass hier nur durchgedrehte Menschen wohnten.
„Zuerst wollten wir sie Princess Tiaamii nennen, nach Katie Price Tochter aber-“
„Kirk, halt den Mund! Schaff das Grünzeug hier raus! Oder willst du dass ich dich zuerst rausschmeiße und das Zeug gleich hinterher?“ wurde er von Luke unterbrochen der ihn mit seinen dunklen Augen böse anfunkelte.
„Aber Taylor hat gesagt, dass ein Gesetz aus dem Jahre 1889 besagt, dass der Stadtrat in Notsituationen schützenswerte Gegenständen vor drohenden Angriffen bei Bürgern der Stadt unterbringen darf“ versuchte Kirk sich zu verteidigen.
„Aha, und von was bitteschön wird dieses hässliche Grünzeug bedroht?“
„Na, von der kalten Luft da draußen!“
„Alles klar, hol Taylor her, Kirk“ zischte Luke und riss das Blatt einer Pflanze ab.
„Taylor, hat gesagt ich muss das alleine regeln, er wird mich umbringen“ schauderte Kirk und blickte Luke hilflos an.
„Nur wenn ich ihm nicht zuvorkomme“
„Bin schon weg!“ sagte Kirk leise und rannte an April und Rory vorbei aus dem Laden.
„Na, das war ja mal eine Szene“ grinste April und räumte ein paar Gestecke zur Seite um an einen der Tische am Fenster platzzunehmen.
„Das kann doch nicht wahr sein!“ brüllte Luke und rannte wenige Sekunden später ebenfalls aus dem Laden.
„Sieht so aus als würde Taylor Kirk darzubringen wollen noch mehr Sachen hier unterzubringen“ schmunzelte Rory angesichts der Tatsache, dass Kirk erneut mit zwei Händen voller Pflanzen auf das Diner zulief, und nun von einem mehr als aufgebrachten Luke gestoppt wurde.
„Und ich bin doch schon sowas von hungrig“ jammerte April.
„Ich schenk uns Mal Kaffe ein“ seufzte Rory, deren Magen ebenfalls nach etwas essbaren verlangte.
Natürlich war ihr Lukes Verbot, dass niemand außer ihm und Cesar hinter die Theke durfte noch in Erinnerung, doch ein Blick aus dem Fenster sagte ihr, dass Luke wohl noch länger nicht zurückkommen würde. Hastig nahm sie zwei Becher aus dem blauen Regal, stellte sie auf den Tresen und hob die randvolle Kaffekanne aus der Maschine. Zufällig fiel ihr Blick auf Lukes schwarzes Kassenbuch, an der Vorderseite waren kleine gelbe Post-its angebracht. Rory war keiner von der Sorte Mensch welche die Privatsphäre anderer Personen nicht achtete, doch einer dieser kleinen knallgelben Zettel erregte ihre Aufmerksamkeit, oder vielmehr die Handschrift darauf.
„Meine neue Nummer: 0215 …“ war darauf mit schwarzen Stift geschrieben worden.
„Es nützt nichts wenn du deine Augen vor der Realität verschließt, das ist Jess Handschrift“ flüsterte sie gerade so laut, dass sie es selbst hören konnte.
Musste sie dauernd mit ihm konfrontiert werden, wo sie doch versuchte eine Mauer um sich herum aufzubauen an der alles abprallte?
Endlich verlief ihr Leben wieder in eine absehbare Richtung, Jess Nachricht auf ihrem Mobiltelefon hatte sie nur zwei Tage danach gelöscht, um nicht jedes Mal an ihm erinnert werden zu müssen.
„Sprich mit ihm“ hallten Paris Worte in ihrem Kopf wieder, ohne weiter nachzudenken steckte sie mit einer schnellen Handbewegung Jess Telefonnummer in ihre Manteltasche. Ein Gefühl in ihrem tiefsten Inneren sagte ihr, dass sie mit ihm reden musste, auch wenn sie glaubte es nicht zu wollen oder zu können.
„Hey April, ich muss schnell zu Doose´s ein paar Sachen besorgen, ich bin gleich wieder da“ lächelte Rory und stellte die zwei Tassen Kaffee vor April auf den Tisch.
„Klar, lass die nur Zeit! Das da draußen ist sowie gerade spannend“ winkte diese ab, mit einem leichten Grinsen im Gesicht verfolgte sie die Streiterei zwischen Taylor und Luke, die mittlerweile die halbe Stadt angezogen hatte.
Mit schnellen Schritten verließ Rory den Laden, lief ein Stückchen nach rechts und holte, als sie sich unbeobachtet fühlte, den kleinen Zettel und ihr Handy aus der Jackentasche. Mit zittrigen Fingern drehte sie ihr Handy auf, nervös trat sie von einem Bein auf das andere. Würde er mit ihr sprechen? Oder überhaupt abheben wenn er ihre Nummer erkannte? Ihr Handy begrüßte sie mit der üblichen Melodie, gerade als sie begonnen hatte die Ziffern von Jess Telefonnummer einzutippen, fing es an zu klingeln. Rory erschrak dabei so sehr, dass es ihr aus den Händen glitt und auf dem Gehsteig landete, verärgert hob sie das vibrierende Ding auf und drückte die Grüne Taste.
„Hallo?“ fragte sie völlig überrumpelt ohne auf den Namen am Display zu achten.
„Rory? Oh mein Gott na endlich, ich bin es Lane! Kennst du mich noch? Deine beste Freundin! Ich hab dich bestimmt schon hundert Mal versucht anzurufen, aber dein Handy war aus, ich es auch bei deiner Mum im Hotel versucht, und bei Luke, aber da ging keiner ran und-“
„Lane, was ist überhaupt los?“ unterbrach Rory ihre aufgeregte Freundin.
„Wo bist du?“ wollte Lane mit schriller Stimme wissen, es klang als würde sie die ganze Zeit wie wild herumspringen.
„Auf dem Weg zu Doose´s“ log Rory.
„Wie schnell kannst du bei mir sein?“ kreischte Lane erneut in das Telefon, so dass Rory es ein Stück von ihrem Ohr weghalten musste.
„In 5 Minuten“ antwortete diese verwirrt.
„Dann beeil dich“ plärrte Lane, noch bevor Rory etwas erwidern konnte hatte sie schon aufgelegt.
Völlig perplex schob sie ihr Mobiltelefon zurück in die Tasche, verstaute den kleinen gelben Zettl in ihrer Hosentasche und beschleunigte ihre Schritte in Richtung Lanes Apartment.
Allmählich machte sich eine trügerische Erleichterung in ihrem Körper breit, jenes Gespräch dass sie so fürchtete war durch Zufall verschoben worden, auf unbestimmte Zeit. Natürlich war das keine Lösung des Problems, sie rannte mal wieder davon und benutzte Lanes Anruf als Vorwand für ihre Feigheit.
„Rory“ quietschte ihre beste Freundin aufgeregt, und Riss die Haustür auf.
„Lane! Was ist denn los? Geht’s dir gut? Ist etwas passiert? Mit Steve und Kwan?“ wollte Rory wissen, denn die beiden Jungs waren nirgends zu sehen.
„Zach ist mit ihnen einkaufen gefahren! Oh mein Gott es gibt so tolle Neuigkeiten“ freute sich Lane und hatte dabei augenscheinlich alle Mühe ruhig zu stehen, begeistert klatschte sie in die Hände.
„Was für Neuigkeiten, Lane?“ hakte Rory nach und packte dabei Lanes Hände, damit diese für einen Moment stillstand.
Lane holte einmal tief Luft und sah Rory mit einem leichten Grinsen durch ihre schwarze Brille an.
„Zach hat einen Plattenvertrag bei Sony Music bekommen“ platzte es aus ihr heraus.
„Oh mein Gott, Lane! Das ist doch großartig! Ich meine wow! Ich meine … wie? Wann?“ freute sich Rory, während sich die beiden Frauen überschwänglich umarmten.
„Der Chef des Independent Labels wo Zach vorher unter Vertrag war, hat sein Demo zu Jonny Angelo einen Kontaktmann in Kalifornien geschickt, und irgendwann ist es dann am Tisch von Clive Davis den obersten Gott bei Sony Music gelandet, und er fand es toll“
„Das ist doch Wahnsinn, Lane! Ihr werdet noch berühmt, dann wohnt ihr in einen riesigen Haus mit Pools, Putzfrauen, Butler und Köchinnen … und du musst dir einen Spitznamen wie Bunny oder Honeybunny zulegen … Lane Honeybunny das klingt cool“
„Oh mein Gott, ich hoffe nicht! Der Vertrag ist auch erst mal nur auf ein Jahr beschränkt, und selbst die bei Sony Music bezahlen heute nicht mehr ein Vermögen, aber ich denke so eine Chance kommt nie wieder“
„Auf jeden Fall, ihr schafft das schon“ versicherte ihr Rory, die beiden machten es sich für den Rest des Gesprächs auf der Couch bequem.
„Aber einen Haken hat die Sache“ sagte Lane leise und ihr Gesichtsausdruck wurde plötzlich ernst, ihre Haltung beinahe steif.
„Einen großen Haken?“
„Einen großen, dicken, zweihundert Kilo schweren Beton Haken“ flüsterte Lane.
„Was ist es denn?“ fragte Rory mit betont ruhiger Stimme und sah ihre Freundin aufmunternd an.
„Wir werden für einige Zeit nach Kalifornien gehen“ ließ Lane die Bombe platzen, für Rory fühlte es sich an als hätte sie jemand mit eiskaltem Wasser übergossen, fassungslos starrte sie an die gegenüberliegende Wand mit Lanes Familienfotos.
„Ich weiß, dass ich mitgehen muss … aber ganz tief in meinen inneren habe ich eine scheiß Angst davor, Rory. Ich kenne doch nur Stars Hollow, ich habe noch nie wo anders gelebt, eigentlich möchte ich das auch nicht. Aber ich kann Zach nicht alleine gehen lassen, die Jungs brauchen ihn, sie leiden jetzt schon wenn er oft nur am Wochenende nach Hause kommt. Ich denke es ist an der Zeit, dass ich mal ein Opfer bringen muss … nur kann ich meine Mum, dich, Lorelai, und alle anderen doch nicht zurücklassen“ stotterte Lane und eine Träne lief ihr über die Wange, die sie hastig mit dem Ärmel ihrer schwarzen Weste wegwischte.
„Lane! Sch! Sch! Komm her“ wisperte Rory sanft und nahm ihre beste Freundin den Arm.
In diesem Moment war ihr selbst nach weinen zu Mute, doch sie musste jetzt stark sein – für Lane.
In absehbarer Zeit würde diese mehrere tausende Kilometer weit weg wohnen, und ein neues Leben beginnen. Spontane Besuche, stundenlange Unterhaltungen auf Lanes Veranda und alberne Witzeleien, das alles würde der Vergangenheit angehören, die jetzt noch die Gegenwart war. Seit ihrer Kindheit war Lane immer ein fester Bestandteil ihres Lebens, wahrscheinlich sogar von ihr selbst gewesen, jemand auf den sie sich immer verlassen konnte, egal was auch passieren mochte. So viel hatten sie schon erlebt und gemeinsam alles durchgestanden, die erste große Liebe, die erste große Trennung, Liebeskummer und jede Menge glückliche Momente.
Selbst als Rory für knappe 2 Jahre durch das Land gereist war, war Lane ebenso wie Lorelai, Luke und ihre Großeltern eine verlässliche Konstante gewesen, etwas dass immer da war und immer da sein würde, so hatte sie zumindest gedacht. Alleine der Gedanke daran eine der wichtigsten Personen in ihrem Leben ziehen lassen zu müssen, versetzte ihr einen Stich ins Herz, doch sie wusste, dass es für Lane, Zach und die Jungs eine einmalige Chance war.
„Wir müssen den Schritt jetzt einfach wagen. Ich werde dich so vermissen, Rory“ schniefte Lane und die beiden Frauen lösten sich voneinander.
„Ich werde dich auch vermissen, Lane! Aber ihr seid doch nicht aus der Welt, du wirst uns doch sicher besuchen kommen, und ich wollte schon immer mal sehen was alle an diesem sonnigen Kalifornien finden“
„Wahrscheinlich die durch geknallten Menschen die sich an jede nur Erdenkliche Stelle Silikon spritzen lassen, die abgefahrene Plattenläden und Baywatch wurde dort gedreht – womit wir wieder beim ersten wären“
„Hm, David Hasselhoff möchte ich aber heute nicht mehr in roten Badeshorts begegnen“
„Wem sagst du das“ stimme ihr Lane mit einem leichten Grinsen zu.
„Geht’s wieder?“
„Ja, klar … Alles ist wieder in Ordnung“
„Und, hast du es schon deiner Mum gesagt?“ fragte Rory nach, sie konnte sich Mrs. Kim Reaktion darauf ihre einzige Tochter zu verlieren gar nicht ausmalen.
„Noch nicht, aber wir hätten gerne dass meine Mutter mitkommt, damit sie nicht alleine ist und um auf die Jungs aufzupassen“
„Deine Mum soll mit nach Kalifornien?“
„Verrückt nicht?“ entgegnete Lane.
„Total“
„Ich weiß noch gar nicht ob daraus was wird, heute Abend haben Zach und ich sie zum Essen eingeladen um sie zu fragen. Ich bin noch immer skeptisch, immerhin hat sie mir als Kind erzählt dass die Schauspieler bei Baywatch einen Pakt mit dem Satan geschlossen hätten, weil sie diese aufreizenden Badesachen tragen! Zach meint, dass Kalifornien für sie das geringere Übel ist, als alleine hierzubleiben aber da bin ich mir nicht so sicher“
„Du musst mir dann unbedingt erzählen wie es gelaufen ist! Wisst ihr schon wo ihr wohnen werdet?“
„Wahrscheinlich in Culver City wir bekommen dort ein 3 Schlafzimmer Appartement vom Label zur Verfügung gestellt. Zach würde lieber nach Santa Monica zum Strand, er meint das wäre für die Jungs toll, mal schauen was er bei der nächsten Vertragsverhandlung herausholen kann“
„Oh, stell dir dann vor … dann kann ich sagen: Sieht alle her! Das ist meine beste Freundin Lane die mit ihren Mann Zach – einen erfolgreichen Musiker – in Santa Monica lebt“ schmunzelte Rory.
„Na – erfolgreich, das wissen wir ja noch nicht“
Den gesamten Nachmittag verbrachten die beiden mit dem schmieden von Zukunftsplänen, zwar war die Situation noch immer neu, aber so lernten sie Schritt für Schritt mit ihr umzugehen. Erst als Zach gegen 5 Uhr mit den Jungs und einen Stapel neuen Spielzeug nach Hause kam, beschloss Rory sich auf den Heimweg zu machen.

Die Dämmerung war bereits angebrochen, der Himmel beinahe stuckdunkel, nur die Straßenlaternen spendeten schützendes Licht. Auch wenn bereits die erste Märzwoche angebrochen war, hatte es noch immer winterliche Temperaturen, Rory fröstelte. Ihre Fingerkuppen waren rotgefärbt, Handschuhe hatte sie nicht dabei, so beschloss sie bei Luke einen Zwischenstopp auf dem Nachhauseweg einzulegen, um sich an einer heißen Tasse Kaffee die Hände zu wärmen.
Zu ihrer Überraschung waren die Blumen aus dem Diner verschwunden, alles ging seinen gewohnten Lauf. April saß noch immer am selben Tisch wie vor einigen Stunden, jedoch hatte sie ihre Lernsachen vor sich ausgebreitet. Rory musste schmunzeln, in einigen Punkten war ihr April unglaublich ähnlich.
„Na, bist du am lernen?“ begrüßte Rory ihre Stiefschwester.
„Wie immer, jede Menge Hausaufgaben“ seufzte diese, frustriert klappte sie ihr Algebra Buch zu.
„Und was hast du am Nachmittag gemacht?“
„Ich war bei Lane, sie zieht um nach Kalifornien“ erzählte Rory, als auch schon Luke auf zukam um ihr eine Tasse von ihrem Lieblingsgetränk einzuschenken.
„Hey, Rory weißt du vielleicht, ob deine Mum nach der Arbeit herkommt?“ fragte Luke.
„Keine Ahnung, warum?“ antwortete diese und trank gierig einen Schluck des dampfenheißen Kaffee.
„Naja, als ich heute um halb 5 aufgestanden bin und sie gefragt habe ob wir uns zu Hause treffen hat sie einen Polster nach mir geworfen“ versuchte Luke die Situation zu erklären.
„Du hast Mum echt um halb 5 in der Früh angesprochen? Bist du Lebensmüde?“ bohrte Rory amüsiert nach, die nur allzu gut wusste, dass man eine Lorelai Gilmore nicht mitten in der Nacht ansprechen konnte.
„Ja, nur ganz kurz um-“
„Das würde ich in Zukunft nur wagen wenn das Haus brennen sollte“
„Danke für den Tipp“ nickte Luke und verschwand wieder in Richtung Tresen.
„Männer“ seufzte April und widmete sich ihren Französisch Buch zu.
„Wo sind eigentlich die ganzen Pflanzen hin?“ wandte sich Rory mit fragendem Blick an April.
„In Taylors Eisdiele“ kicherte diese während sie suchend in ihr Wörterbuch blickte.
„Wie sind sie-“ setzte Rory an, verstummte aber angesichts eines wütend dreinblickenden Luke der sich wieder auf ihren Tisch zu bewegte.
„April, wie oft hab ich dir schon gesagt du sollst mein Büromaterial nicht für die Schule verwenden! Du kannst dir gerne was aus dem Lager holen, aber alles was hinter der Theke liegt ist tabu“ erklärte Luke in einen, von dem er glaubte, elterlich strengen Tonfall.
„Dad, ich habe nichts genommen okay? Nur das eine Mal etwas Klebstoff, du kannst doch nicht so nachtragend sein“ rechtfertigte sich April kopfschüttelnd.
Rory grinste innerlich, Luke wuchs immer mehr in seine Vaterrolle hinein, sogar Sorgenfalten hatte er auf seiner Stirn bekommen.
„Es fehlt aber ein Post-it Zettel von meinem Kassenbuch!“ ließ dieser nicht locker.
Schlagartig wich sämtliche Heiterkeit aus ihren Körper, ihre Muskulatur verspannte sich, oh nein das konnte doch nicht sein! Auf einmal hatte sie das Gefühl der zusammengeknüllte Zettel in ihrer Hosentasche würde 10 Kilo wiegen und schälmisch lachen.
„Vielleicht hat ihn Kirk genommen! Du kennst ihn doch!“ funkelte April ihren Dad missmutig an.
Sie konnte nicht weiterzusehen wie Luke April verdächtigte, ihr Unrechtsbewusstsein war einfach stärker.
„Ahm, Luke kann ich dich für einen Moment sprechen! Nur ganz kurz“ unterbrach Rory die Diskussion zwischen Vater und Tochter, mit rasendem Herz schob sie Luke in Richtung Tresen, so dass April sie nicht hören konnte.
„Hey, Rory was ist denn los? War ich etwa zu hart zu April?“ fragte er verwirrt und stellte die Kaffekanne zurück in die Maschine.
Mit gesenktem Kopf nahm sie auf einen der Hocker Platz und stützte ihren Kopf in die Hände.
„Ich hab den Zettel genommen“ flüstertet sie.
Luke war wie erstarrt, jetzt ergab das Ganze auch einen Sinn!
„Oh! Oh …“ stotterte er verlegen.
„Es tut mir leid, ich hab ihn zufällig entdeckt als du heute Morgen draußen mit Taylor gestritten hast und ich uns schnell Kaffee einschenken wollte, es war eine Kurzschlussreaktion keine Ahnung was da in mich gefahren ist und ich habe seine Handschrift erkannt und-“
„Rory, komm mit nach hinten, wir brauchen hier keine neugierigen Zuhörer“ sagte Luke mit besorgten Gesichtsausdruck und führte sie vorbei an einer neugierigen Babette nach hinten ins Lager, dort ließ sie sich auf einen braunen Karton voller Konserven fallen.
„Es tut mir leid, Luke. Ich hätte dich nach seiner Nummer fragen sollen, aber als ich seine Handschrift gesehen habe … ich weiß auch nicht“ schluchzte Rory und ihr ganzer Körper zitterte.
Luke starrte wie gebannt auf seine Stieftochter die zusammengekauert auf seiner Thunfisch Lieferung saß, irgendetwas musste er doch tun. Langsam ging er in die Hocke, so dass er mit Rory auf Augenhöhe war, der dicke Tränen von den Wangen tropften.
„Ist doch schon gut, Rory! Nichts ist passiert“ versuchte Luke die junge Frau zu beruhigen.
„Nein, gar nichts ist gut. Ich war so schrecklich zu ihm, das hat er nicht verdient“
„Beruhig dich einmal Rory“ redete er auf sie ein und reichte ihr ein Stück Klopapier das zufällig im Regal hinter ihnen gelagert wurde.
„Luke, ich bin mir sicher dass du weißt was bei der Hochzeit passiert ist und auch schon alles was davor war. Er hat es dir erzählt, nicht? Manchmal siehst du mich so an als würdest du mir etwas sagen wollen, doch dann wendest du dich ab!“ wimmerte sie mit erstickter Stimme.
Luke schwieg, doch es wunderte ihn nicht, dass Rory ihn durchschaut hatte, schließlich war sie Lorelais Tochter.
„Ich werde ihn anrufen und mit ihm reden“ flüsterte sie entschlossen, allmählich versiegten die Tränen und sie war wieder Herr ihrer Sinne.
Noch etwas wackelig auf den Beinen erhob sie sich und umarmte Luke für einen kurzen Augenblick.
„Danke, ich werde ihn anrufen“ flüsterte sie leise.
„Warte nur nicht zu lang“ erwiderte Luke und Lächelte Rory aufmunternd an.

Sie war nun entschlossener denn je, sie musste mit ihm reden, über ihre Gefühle, den Kuss, die Vergangenheit aber auch über die Zukunft. Voller Enthusiasmus stürmte sie aus den Laden, fischte den Zettel aus ihrer Hosentasche und wählte Jess Nummer. Während sie auf das Freizeichen wartete schlug ihr Herz wie verrückt. Endlich läutete es am anderen Ende …
„Hey, das ist der Anschluss von Jess Mariano, wenn es wichtig ist sprecht was drauf – PIEP“ völlig überrumpelt legte Rory auf. Alleine der Klang seiner Stimme hatte ihr das Blut in den Adern gefrieren lassen. Das konnte doch nicht wahr sein, endlich hatte sie sich überwunden ihn anzurufen und dann so etwas …
Plötzlich beschleunigte ihr Körper seine Schritte ohne dass ihr Kopf wusste warum. Laufend erreichte sie ihren Toyota der in der Einfahrt vor ihrem Haus parkte, das Auto ihrer Mutter war nirgends zu sehen, ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden stieg sie ein.
Zitternd gab sie die Adresse in das kleine graue Navigationssystem ein.
„Die Fahrzeit beträgt 4 Stunden und 2 Minuten“ sagte die völlig monotone Frauenstimme.
Genug Zeit um über alles nachzudenken.

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only god can judge me
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#52

uiii... spannendes Ende..
will unbedingt schnell weiter lesen!!!!

[SIGPIC]http://forum.gilmoregirls.de/member.php?[/SIGPIC]
Peyton: "Every song ends, but is that any
reason not to enjoy the music!" [.[SIZE=1]me.]
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#53

Super Teil und sehr spannend Big Grin
Der Streit zwischen Kirk und Luke einfach nur witzig.
Das ist ein großer Schritt für Lane und Zach.
Binn gespannt ob Rory zu Jess fährt ?

Bitte lass uns nicht so lange warten und schreib schnell weiter Big Grin
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#54

Uiiii das wird noch interessant! Bin total gespannt wies weitergeht!!!!!
War wieder ein tolle teil, besonders die Szene zwischen luke und rory.

EDIT:
sorry fürs späte feedback.

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In der Mitte der Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten
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#55

Luna_Bezi , Lis , & Lore vielen lieben dank für eurer Feedback, hat mich wie immer sehr gefreut !



So, es geht weiter ..









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13. Breakdown

I hate to turn up out of the blue uninvited,
But I couldn't stay away, I couldn't fight it,
I had hoped you'd see my face,
And that you'd be reminded that for me it isn't over.

Die Tachonadel pendelte sich allmählich bei 80 Meilen pro Stunde ein, erlaubt waren 55. Der rechte Scheinwerfer ihres Toyotas hatte ausgerechnet heute den Geist aufgegeben, was die Fahrt auf einer ihr vollkommen fremden Strecke, noch dazu bei schlechten Wetterbedingungen, zusätzlich erschwerte.
Normalerweise hätte Rory Gilmore die Fahrt unter solchen Umständen nicht fortgesetzt, es war eine pechschwarze Nacht, der Regen klatschte in großen Tropfen an die Windschutzschreibe und das kleine Warnlicht am Armaturenbrett erinnerte sie daran, dass eines ihrer Lichter ausgefallen war. An jeden anderen Tag wäre sie vom Highway abgefahren und hätte sich pflichtbewusst in die nächstbeste Werkstatt begeben.
Doch in diesem Moment existierte die ansonsten so gewissenhafte junge Frau nicht, später würde sie ihr Verhalten in jenen Stunden als „Blackout“ bezeichnen.
Drei Mal hätte sich ihr Verstand beinahe wieder eingeschalten, genau so oft hatte sie auf die Ausfahrtsspur gewechselt, war dann aber im letzten Moment doch gerade aus gefahren. Fälschlicherweise hatte sie angenommen, tausende Gedanken würden in ihrem Kopf herumschwirren, doch das Gegenteil war der Fall – in ihr herrschte Stille. Sie überlegte nicht, sie dachte nicht über Erwartungen oder Konsequenzen ihrer Reise nach, sondern raste seelenruhig die Interstate 95 entlang.
Bei Moorestown bog sie auf die 73 nach Norden ab, fuhr dann ein Stückchen auf der 90 über die Betsy Ross Bridge als sich auch schon die glitzernde Skyline von Philadelphia abzeichnete. Zugegeben sie war nicht so gewaltig wie jene von Manhattan, trotzdem hatten die unzähligen glitzernden Lichter etwas Magisches. Von all dem nahm Rory keine Notiz, ihre Augen waren starr auf die Straße gerichtet, nur ab und zu warf sie einen schnellen Blick auf das Navigationssystem.
„Sie haben ihren Zielort erreicht“ verkündete die monotone Frauenstimme.
Obwohl es stockdunkel war und die Straßenlaternen kaum Licht spendeten, erkannte sie Jess Laden sofort. „Truncheon Books“ stand in goldenen Lettern auf dem schwarzen Schild, dass über dem Eingang angebracht war. Hastig warf sie ihre Autotür zu, fröstelnd – ihre Jacke hing noch immer über einen Sessel in Lukes Diner – überquerte sie die Straße. Das Haus aus roten Backsteinen mit den schwarzen Fenstern und dem weißen Treppenaufgang hatte sich nicht verändert. Mit schnellen Schritten lief sie die Stiegen hoch und drückte auf den kleinen Knopf für die Klingel, immer und immer wieder. Ungeduldig klopfte sie mit den Händen gegen die braune Tür, als es ihr zu langsam ging fing sie an dagegen zu hämmern. Niemand öffnete, weder nach einer Minute, noch nach fünf Minuten, noch nach einer viertel Stunde. Langsam sank sie zu Boden, ihr gesamter Körper war eiskalt, der Wind fuhr ihr durch die Haare doch das alles war ihr gleichgültig. Sie dachte nicht darüber nach warum Jess nicht zu Hause war, oder wie sie wieder zurück nach Stars Hollow kommen würde, dafür hatte sie keine Kraft. Der Boden war nass vom Regen, aber das registrierte sie kaum. Sie begann zu weinen, zu schluchzen und zu zittern, die Verzweiflung überkam sie in großen Wellen. Ihre Augen wurden immer schwerer, bis sie sie schließlich ganz schloss, einige Zeit hörte sie noch den Regen zu wie er auf die Dächer der umstehenden Wohnhäuser prasselte. Sie verlor jegliches Gefühl für Zeit und Raum, alles was sie fühlen konnte war Schmerz, unbändiger Schmerz und Trauer. Und sie wusste nicht einmal genau warum.

Sie wurde geschüttelt, immer heftiger, es hörte nicht auf, dabei wünschte sie sich nichts mehr. Stimmgewirr erfüllte die Luft, Schritte kamen näher, erneut griff jemand nach ihrem Arm.
„Jess“ brachte sie mühsam hervor, ihre Stimme war nicht mehr als ein flüstern.
„Sie hat gerade Jess gesagt, wir sollten ihn anrufen“ schlug eine tiefe Männerstimme vor.
Irgendetwas Warmes, Trockenes wurde um ihren Körper gelegt, das rütteln hatte Gottseidank aufgehört. In ihren Ohren machte sich ein seltsames Pfeifgeräusch breit, wieder glitt sie in einen Tranceähnlichen Zustand.
„Rory“ sagte eine ihr bekannte Stimme eindringlich, doch der Klang war nicht derselbe wie in ihrer Erinnerung. Zwei warme Hände wurden auf ihr Gesicht gelegt, vorsichtig schoben sich diese unter ihren Körper und hoben sie in die Höhe. Wieder nahm sie aufgeregte Stimmen um sich herum wahr, jedoch bewegten sie sich in die entgegengesetzte Richtung. In ihrem Hinterkopf spürte sie einen stechenden Schmerz, angestrengt versuchte sie ihre Augen zu öffnen, doch es war ihr unmöglich. Sie spürte die Körperwärme eines anderen Menschen, ihr Ohr lag auf seiner Brust und sie konnte sein Herz laut schlagen hören.
Und dann verlor sie endgültig das Bewusstsein.

Ihre Augen fühlten sich immer noch an als wären sie aus Blei, mühsam blinzelte sie in die dunkle Nacht hinein. Sie befand sich in einem fremden Schlafzimmer, das konnte sie aufgrund des Mondlichtes das durch die beiden Fenster fiel erkennen. Wo war sie? Wie war sie hier hergekommen? Vorsichtig richtete sie sich auf, ihr Kopf pochte wie verrückt, verwirrt blickte sie an sich hinab. Sie trug keine Socken, überhaupt hatte sie nichts an was ihr gehörte. Unsicher zupfte sie an dem um einige Nummern zu großen schwarzen Shirt herum, dass ihren Körper bedeckte und beinahe bis zu ihren Knien reichte. Mit schmerzverzerrten Gesicht und die Arme an die Schläfen gepresst sank sie zurück ins Bett, von einer Sekunde zu anderen kamen alle Erinnerungen zurück. Die Bettdecke, der Polster, das Shirt alles roch nach IHM. Wegen ihm war sie gestern nach Philadelphia gefahren, weil sie mit ihm reden wollte, sie hatte bei ihm geläutet, doch keiner hatte geöffnet, wie kam sie hierher? Und wo war „er“? Leise glitt sie aus dem Bett, suchend fuhr sie mit der flachen Hand über die raue Wand um den Lichtschalter zu finden, erleichtert legte sie den Schalter um. Das Zimmer in dem sie sich befand war nicht viel größer als das Doppelbett selbst, das in der Mitte des Raumes stand, über einen Sessel vor dem Heizkörper entdeckte sie ihre Kleidung. Prüfend fuhr sie mit ihren Fingern über den noch immer feuchten Jeansstoff, was war gestern wohl noch alles passiert? Ihr Herz schlug schneller, Übelkeit kam in ihr Hoch, das konnte alles nicht wahr sein. Leise drückte sie die Tür zum Nebenraum auf, in dem eine kleine Lampe auf einen Schreibtisch aus Buchenholz brannte. Suchend blickte sie sich in den großen Raum um, er diente wohl als Wohn und Esszimmer, es gab eine Küchenzeile, einen Glastisch mit vier dazulassenden Stühlen, und eine Ledercouch samt Fernseher. Sie befand sich eindeutig nicht in Jess Buchladen, aber ein Gefühl sagte ihr, dass er hier lebte. Ihr Blick blieb an den weißen Zettel der auf einen Stapel Bücher am Schreibtisch lag hängen, die Schrift darauf kannte sie nur zu gut.
„Ich schlafe in meinen alten Apartment, wenn du was brauchst nimm es dir einfach. Ich werde in der Früh nach dir sehen, Jess. PS: Für den Notfall hängt meine Handynummer am Kühlschrank“
Die kreisförmige Uhr an der Wand zeigte auf kurz vor 5 Uhr früh.
Was war bloß in sie gefahren? So war sie normalerweise nicht, nein das war eindeutig nicht die Rory Gilmore die sie kannte. Unruhig lief sie auf und ab, sollte sie einfach abhauen? Mal wieder davonlaufen? Nein, das konnte sie dieses Mal nicht, dafür war es zu spät. Er würde eine Erklärung verlangen warum sie hier war, warum sie alleine den weiten Weg nach Philly gefahren war.
Es war aussichtlos.
Überall in diesen Räumen hatte sich Jess Geruch festgesetzt, ein Geruch den sie nicht mit der Gegenwart sondern der Vergangenheit verband. Ihr Blick fiel auf die beiden einzigen Fotos an der Wand, neugierig betrachtete sie diese. Auch wenn ihre Situation im Moment kaum auswegloser hätte sein können, musste sie beim Anblick der Bilder Lächeln. Sie erinnerte Rory an den rebellischen Jess, der nur weg wollte von seiner Familie und seiner Mutter, der wohl niemals gedacht hätte einmal Familienbilder in seinem Apartment zu haben. Das erste Foto war eindeutig schon vor einigen Jahren aufgenommen worden, die Ecken waren abgegriffen und die Farbe verblasste langsam. Es zeigte einen Mann der liebevoll die Hand um die Hüfte einer Frau gelegt hatte, Jess stand etwas weiter im Vordergrund und hielt ein Mädchen auf seinen Arm das ihren Kopf auf seine Schulter gelegt hatte und dabei fröhlich grinste. Alle bis auf Jess trugen sommerliche Kleidung, nur er hatte seine schwarze Lederjacke bis oben hin geschlossen. Auf der Rückseite des Fotos stand mit krakeliger Schrift, die eindeutig nicht Jess gehörte, geschrieben: Venice, 2003.
Das Datum versetzte ihr einen Stich ins Herz. Sie erkannte auf dem Bild den „alten“ Jess, den Jess der sie damals verlassen hatte um seinen Vater kennenzulernen. Kopfschüttelend hängte sie das Foto zurück und widmete sich den zweiten in ihrer Hand. Bei dessen Anblick musste sie tatsächlich laut auflachen, es zeigte Dula wie sie auf Jess Schultern saß und kichernd an seinen geliebten Haare zog, dieser schnitt für die Aufnahme eine Grimasse. Auf der Rückseite stand in Jess Handschrift: Dula, Jänner 2008.
Eigentlich hätte sie sich hinsetzten sollen um darüber nachzudenken was sie Jess sagen sollte, wenn er in wenigen Stunden kam, doch das Bücherregal neben dem Schreibtisch zog sie magisch an. Die Werke berühmter Autoren waren nicht nur nebeneinander sondern – wohl aus Platzmangel – auch übereinander geschichtet. Langsam fuhr sie mit ihren Fingern über die Einbände der Bücher, Shakespeare, J.D Salinger, Hemingway waren nur einige von Jess Lieblingsautoren die sie sofort erkannte.
Wehmütig riss sie sich von den Werken los, seit dem sie aufgestanden war verspürte sie schrecklichen Durst. In den Küchenschränken suchte sie nach Gläsern, fand jedoch keines und nahm stattdessen eine der kleinen Espresso Tassen die neben der neu aussehenden Kaffemaische standen. In der Ecke neben dem Herd entdeckte sie einen Stapel von Umzugskartons, Jess war anscheinend erst hergezogen, neugierig lugte sie in die Kiste. In der obersten befanden sich DVDs, ein ganzer Haufen von DVDs, eine Weile verbrachte sie damit darin ein wenig herumzustöbern, als ihr jedoch „Almost famous“ in die Hände fiel, schlug sie den Deckel zu.
Die Erinnerungen verdrängend setzte sie sich auf das schwarze Sofa, die Tasse Wasser vor sich. Rory musste nachdenken, einen klaren Kopf bekommen, was sollte das alles? Tief in ihr drinnen wusste sie, dass sie sich zuerst selbst über einige Sachen klarwerden musste, bevor sie mit Jess sprach. In den nächsten zwei Stunden versuchte sie ihre Gedanken zu sortieren und zu ordnen, nach einiger Zeit wurde sie wieder unruhig und lief auf und ab. Während ihrer Streifzüge durch das Wohnzimmer blieb ihr Blick an der weißen Papieransammlung am Esstisch hängen. Neugierig hob sie den dicken Stapel Papiere auf.
„Skript: Das Unberechenbare von Jess Mariano“
Was war mit ihr los? Warum achtete sie die Privatsphäre anderer Menschen auf einmal nicht mehr? So kannte sie sich selbst nicht, doch Jess Leben interessierte sie einfach brennend, dass sie einfach nicht widerstehen konnte es zu lesen. Oder zumindest einmal hineinzuschauen.
Nach nur wenigen Zeilen versank Rory in seinem Werk, seine Worte fesselten sie von Beginn an, und sie konnte einfach nicht aufhören zu lesen. Sie hörte nicht wie ein Schlüssel im Schloss umgedreht wurde, sie nahm keine Notiz davon wie sich die Tür öffnete und er eintrat, sie bemerkte ihn erst als er vor ihr stand.
„Ich möchte wetten, mit dem Briefgeheimnis nimmst du es auch nicht so genau“ raunte er und blickte sie forschend an. Seine Augen wirkten müde, als hätte er die gesamte Nacht wachgelegen.
„Ah! Jess du hast mich erschreckt“ schrie Rory auf, und versuchte dabei das Skript zur Seite zu schieben. „Es tut mir leid“ stotterte sie anschließend.
Jess hatte seine Hände in den Jackentaschen vergraben, seine Augen ruhten auf ihr, sein Blick wirkte verständnislos vielleicht sogar ein wenig feindselig.
Rory erschrak, sie hatte keinen Gedanken daran verschwendet dass Jess vielleicht gar nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte, ihr Herz begann zu rasen.

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only god can judge me
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#56

Super guter und spannender Teil. Big Grin

Ich hab mich echt erschrocken als Rory vor der Tür eingeschlafen ist bei dieser Kälte und dem Regen. Jess hat ein neues Buch geschrieben. Am liebsten würde ich das lesen.

Bin gespannt wie das Gespräch zwischen den beiden verlaufen wird und kann es kaum erwarten bis es weiter geht.
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#57

Der vorige Teil war gut! Die Kirk-Luke-Thematik; Luke und Rory.
Auch der neue Teil war wieder super! Vorallem, weil du ältere Themen (Almoust Famous, die Bücher, Venice) aufgegriffen hat. So kann man sich alles besser vorstellen.

Zitat:Jess hatte seine Hände in den Jackentaschen vergraben, seine Augen ruhten auf ihr, sein Blick wirkte verständnislos vielleicht sogar ein wenig feindselig.
Ha, das kann man sich ja richtig vorstellen Smile

Freuuuu mich auf mehr!! Smile


_____What if sex was holy and war was obscene_____
-Alicia Keys
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#58

Ach, wie schön Rory in alten Zeiten schwelgt, aber irgendwie denke ich, dass es nicht gut ausgehen wird..
aber ich drück ganz fest die Daumen, dass es funktioniert!!
Freu mich auch auf mehr!!

[SIGPIC]http://forum.gilmoregirls.de/member.php?[/SIGPIC]
Peyton: "Every song ends, but is that any
reason not to enjoy the music!" [.[SIZE=1]me.]
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#59

Wieder gut! Bin gespannt wann sie mal noch mal richtig reden oder ob dann doch die Gefühle siegen Wink

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In der Mitte der Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten
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#60

So, es geht weiter .
Euch vieren vielen, vielen dank für das Feedback, das freut mich wirklich jedes Mal. (:

Dieser Teil war schwer zum schreiben, aber seht selbst .

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14. Einestages, vielleicht.
I'm so tired of being here
Suppressed by all my childish fears
And if you have to leave
I wish that you would just leave
Your presence still lingers here
And it won't leave me alone
These wounds won't seem to heal
This pain is just too real
There's just too much that time cannot erase
When you cried I'd wipe away all of your tears
When you'd scream I'd fight away all of your fears
And I held your hand through all of these years
But you still have
All of me
You used to captivate me
By your resonating light
Now I'm bound by the life you left behind
Your face it haunts
My once pleasant dreams
Your voice it chased away
All the sanity in me
These wounds won't seem to heal
This pain is just too real
There's just too much that time cannot erase
When you cried I'd wipe away all of your tears
When you'd scream I'd fight away all of your fears
And I held your hand through all of these years
But you still have
All of me
I've tried so hard to tell myself that you're gone
But though you're still with me
I've been alone all along
When you cried I'd wipe away all of your tears
When you'd scream I'd fight away all of your fears
And I held your hand through all of these years
But you still have
All...of me
All...of me
All...of me
... All ...

„Ich möchte wetten, mit dem Briefgeheimnis nimmst du es auch nicht so genau“ raunte er und blickte sie forschend an. Seine Augen wirkten müde, als hätte er die gesamte Nacht wachgelegen.
„Ah! Jess du hast mich erschreckt“ schrie Rory auf, und versuchte dabei das Skript zur Seite zu schieben. „Es tut mir leid“ stotterte sie anschließend.
Jess hatte seine Hände in den Jackentaschen vergraben, seine Augen ruhten auf ihr, sein Blick wirkte verständnislos vielleicht sogar ein wenig feindselig.
Rory erschrak, sie hatte keinen Gedanken daran verschwendet dass Jess vielleicht gar nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte, ihr Herz begann zu rasen.
Mit einem Satz sprang sie vom Stuhl, was für ihn vollkommen überraschend kam, hastig machte er zwei Schritte zurück, der Ausdruck in seinem Gesicht blieb unverändert.
Rory wurde heiß und kalt gleichzeitig, ihr Wangen hatte einen hellroten Farbton angenommen, beinahe konnte sie spüren wie sie wärme abstrahlten, auf ihrem Rücken bildeten sich Schweißperlen, während ihre nackten Füße auf dem hellen Parkettboden froren. In ihrem Kopf rotierten die Gedanken, er wartete eindeutig darauf, dass sie etwas sagte oder tat. All die Antworten die sie sich vorher so schön zurechtgelegt hatte waren verschwunden, als wären sie durch ein imaginäres Fenster in ihrem Kopf nach draußen geflüchtet.
Allmählich wurde es ihm zu bunt, wie sie da vollkommen verstört in seinem schwarzen Metallica Shirt stand, dass sie noch dazu verkehrt trug, weshalb die Innennähte - und nicht das Logo der Band - sichtbar waren.
„Und wenn du schon meine Fotos von der Wand nimmst, dann häng bitte wenigstens jedes an seinen richtigen Platz zurück“ durchbrach er mit emotionsloser Stimme die Stille, durchquerte zielstrebig mit hochgezogenen Schultern den Raum, nahm die Bilder vom Haken und tauschte ihre Position.
Für einen kurzen Moment betrachtete er die beiden Aufnahmen, die nichts weiter als den Versuch darstellten glückliche Momente zu konservieren, fast so wie man Lebensmittel haltbar machte, nur ohne Ablaufdatum. Mit leichtem Kopfschütteln streifte er seine dunkelblaue Jacke ab, warf sie achtlos auf die schwarze Ledercouch, und wandte sich wieder der jungen Frau zu, die neben seinem neuen Esstisch stand und angespannt auf ihren Lippen kaute. Eine Angewohnheit die er von ihr nicht kannte, aber es wunderte ihn nicht.
Hätte er sich gestern eine Person ausmalen müssen, die heute Morgen barfuß und nur mit einem Shirt bekleidet in seinem Apartment stehen würde, dann wäre es unter keinen Umständen sie gewesen. Was aber nicht bedeutete, dass er nicht geträumt, gehofft und manchmal sogar dafür gebetet hatte dass es Einestages soweit sein würde.
Einestages. Die Stimme tief in seinem inneren, die er so oft gekonnt ignorierte, versuchte ihm unmissverständlich klarzumachen dass der Tag noch nicht gekommen war.
Bevor er sich auf einen der Stühle setzte, kramte er seinen Schlüsselbund samt Portemonnaie aus der Hosentasche und ließ sie achtlos auf den Glastisch fallen. Von dem dabei entstandenen Klirren zuckte Rory merklich zusammen.
„Na, so schreckhaft heute?“ richtete er das Wort an dem Menschen, dessen Anwesenheit in seinem Apartment ihm immer noch surreal vorkam.
Sie öffnete den Mund um etwas zu erwidern, doch es misslang ihr, sie brachte keinen Ton hervor. Rory war zu perplex und die gesamte Situation wiederum zu komplex als dass sie in jenem Moment hätte erfassen können. Trotzdem wurde ihr langsam klar, dass Jess über ihr unangekündigtes Auftauchen nicht sonderlich erfreut schien.
„Huh, Rory?“ wagte er einen erneuten Versuch sie zum Reden zu bringen, dieses Mal wirkte der Unterton in seiner Stimme nicht mehr so hart.
Sie bemerkte die leichte Veränderung in seiner Stimme, doch das Unbehagen blieb, warum war sie nur hergekommen? Vorsichtig ließ sie ihren Blick über Jess Erscheinung gleiten, er saß auf einen der Stühle, die Ellbogen auf die Knie gestützt, den Kopf auf den Handflächen ruhend, die dunklen Haare die noch ein paar Millimeter kürzer schienen, als bei der Hochzeit standen in alle Richtungen ab. Seine Augenbrauen hatte er soweit zusammengezogen, dass sie kaum erkennen konnte wo die eine aufhörte und die andere begann. Seine Mundwinkel zuckten, er versuchte ihr Zeit zu geben, hatte aber alle Mühe dabei seine eigene Ungeduld zu verbergen.
„Es tut mir leid“ flüsterte sie gequält und senkte den Blick, sie konnte ihn einfach nicht ansehen.
„Geht’s dir gut?“ fragte er mit besorgter Mine, ohne auf ihren vorigen Kommentar einzugehen.
Ging es ihr gut? Nun, die Antwort darauf wäre einfach gewesen, hätte sie ehrlich sein wollen oder können. Sie fühlte sich regelrecht ´erschlagen´ von der Situation, den Gefühlen und ihren unkontrollierten Handlungen. Eine von diesen hatte sie genau hierhergebracht, in jene ausweglose Situation in der sie sich gerade befand. Doch dabei handelte es sich um ihre Sorgen, ihre Ängste und ihre Probleme, mit all dem wollte sie Jess nicht weiter belästigen, schlimm genug was Gestern passiert war.
Als Reaktion auf Jess Frage nickte sie kaum merklich, setzte dazu ein gezwungenes Lächeln auf oder versuchte es zumindest.
„Dir geht’s also gut, lassen wir mal die Tatsache außen vor, dass du bis jetzt noch keine zwei aneinandergereihten Sätze von dir gegeben hast, was ansonsten eigentlich meine Aufgabe ist, oder den Fakt das dein Gesicht aussieht als würdest du gerade furchtbare Schmerzen erleiden, stellt sich mir noch immer die Frage, was gestern Abend mit dir los war?“
Sein Tonfall war ruhig, gelassen, vielleicht sogar ein wenig sarkastisch, aber das entsprach nicht seinen tatsächlichen Gefühlen. Am liebsten wäre er aufgesprungen, hätte sie geschüttet, sie angeschrien was zum Teufel in ihr vorging – es wäre schließlich nicht das erste Mal gewesen- versucht sie zur Vernunft zu bringen, stattdessen ballte er seine Hände zu Fäusten zusammen.
„Ich hatte ein Blackout“ versuchte sie es mit der erstbesten Ausrede die ihr in den Sinn kam.
Jess schüttelte fassungslos den Kopf, wäre die Situation nicht dermaßen ernst gewesen, er hätte vielleicht sogar über ihre Antwort gelacht.
„Der Kuss bei der Hochzeit?“ fragte er geradehinaus.
Sie stand noch immer an derselben Stelle wie zu Beginn des Gespräches, auf der anderen Seite des Tisches, die rechte Hand mit den zarten Fingern auf die Sessellehne gelegt.
„Ein Blackout“ antwortete Rory mit erstickter Stimme, ohne ihn anzusehen.
Hielt sie ihn etwa für so dämlich? Oder versuchte sie sich selbst das Geschehene auf diese Weise zu erklären? Er würde es rausfinden.
„Der Kuss bei Truncheon vor über 3 Jahren?“ wollte er mit wehmütiger Stimme wissen, die Erinnerung an damals war lebendiger denn je und schmerzte heute noch.
Steif wie aus Stein gemeißelt stand sie da, unfähig etwas zu erwidern, der Schmerz in seiner Stimme verursachte eine Gänsehaut auf ihrem gesamten Körper.
„Auch ein Blackout“ beantwortete er seine eigene Frage.
Rory nickte, sie hätte niemals herkommen dürfen, innerlich verfluchte sie sich selbst.
„Meinst du nicht, dass das ganz schön viele Blackouts sind die mich betreffen?“ warf er ein.
Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte er, dass sie davonlaufen wollte, ihre Augen wanderten suchend durch den Raum und fixierten dann die Eingangstür, doch stattdessen sackte sie auf den Stuhl – an dem sie sich die gesamte Zeit über krampfhaft festgehalten hatte – zusammen. Er vernahm weder ein schluchzen, noch schnappte sie nach Luft, das einzige was er sah waren Tränen die über ihre Wangen liefen. Selbst in diesem Moment versuchte sie sich in seiner Gegenwart zu kontrollieren.
Er presste seine Finger noch ein wenig fester ineinander, danach schloss für einen kurzen Moment die Augen, die Versuchung zu ihr zu gehen, und sie in den Arm zu nehmen raubte ihm beinahe den Verstand.
„Es tut mir leid, Jess. Alles, alles was passiert ist“ sagte sie mit tränenerstickter Stimme, während sie versuchte dieselben mit dem kurzen Ärmel des schwarzen Shirts zu trocknen.
Ihre innere Schutzmauer hatte tiefe Risse erlitten, an einigen Stellen begann sie bereits zu bröckeln, mit letzter Kraft versuchte sie sich dagegen zu stemmen um den kompletten Einsturz zu verhindern.
„Was tut dir leid?“ ließ er nicht locker, obwohl er Angst vor ihrer Antwort hatte, eine scheißangst sogar.
Das erste Mal sah sie ihm während des Gespräches direkt ins Gesicht, ihre Augen hatten wie immer dieses wunderschöne blau, aber es sah aus als hätte jemand einen grauen Schleier darübergelegt, die Fröhlichkeit darin war dem Schmerz gewichen. Wohl schon vor einiger Zeit.
„Es tut mir leid, dass ich dich so oft verletzt habe, ohne es selbst zu bemerken. Es tut mir leid, dass ich damals gesagt habe, dass ich nicht mit dir zusammen sein möchte, dass ich dich benutzt habe als es mir schlecht ging, ohne daran zu denken wie du dich dabei fühlen musst. Es tut mir leid, dass ich dich immer wieder an mich rangelassen habe, dich hoffen habe lassen und am Ende wieder weggestoßen habe“
Nachdem sie das letzte Wort ausgesprochen hatte, war es totenstill im Raum, nur der Kühlschrank brummte leise vor sich hin.
Ihre Augen ruhten auf denen des jeweils anderen, die ein Spiegelbild ihrer Gefühle waren.
„Warum ausgerechnet jetzt?“ durchbrach er erneut die Stille.
Er spürte einen kleinen Funken Hoffnung in sich aufkeimen, erstickte ihn jedoch sofort wieder – wie eine Kerze die der raue Wind erbarmungslos ausblies.
„Ich weiß es nicht, das was auf der Hochzeit passiert ist, hat mich einfach nicht mehr losgelassen. Ich hatte andauernd dieses verlangen mit dir zu sprechen“
Jess schnaubte verächtlich auf, er bezweifelte stark, dass es sich dabei um dasselbe ´Verlangen´ handelte, dass er oft fühlte und weswegen er sich manchmal beinahe selbst vergaß.
Von Minute zu Minute wurde es heller in dem Raum, so konnte er die dunklen Ringe unter ihren Augen und die eingefallenen Wangen deutlicher wahrnehmen. Die Zeiger der Wanduhr standen mittlerweile auf halb 8 Uhr morgens.
„Weißt du was ich denke, Rory?“ richtete er das Wort an sie, und sah die junge Frau aus seinen braunen Augen forschend an.
Energisch schüttelte sie den Kopf. Sie wusste gar nichts mehr.
„Wie lang ist es her seit du seinen Heiratsantrag abgelehnt hast? Beinahe zwei Jahre? Kommt das in etwa hin?“ erkundigte er sich, und fuhr sich dabei mit der rechten Hand durch das zerzauste Haar, während die linke weiterhin eine Faust bildete. Bewusst vermied er es ´seinen´ Namen auszusprechen.
„Ja“ bestätigte Rory die Frage, ahnungslos worauf er hinauswollte.
„Gut, also bist du seit zwei Jahren verlassen, alleine, einsam – wie auch immer. Du bist nicht der Mensch der gerne als Individuum durchs Leben geht, du brauchst immer jemanden an deiner Seite um dich als Ganzes zu fühlen. War es nicht auch so bei der Hochzeit deiner Mum? Du warst verzweifelt, wusstest nicht wie es weiter gehen soll, und ich war einfach da, die perfekte Lösung“
Die letzten Worte waren nicht mehr als ein flüstern, der Schmerz in seiner Stimme riss ihr ein Loch ins Herz.
Jess Mariano hatte all das was sie in den letzten Tagen, Wochen, sogar Monaten verdrängt hatte, in wenigen Sätzen auf den Punkt gebracht. Fassungslos blickte sie ihn an, schlug die Hände vor das Gesicht und drehte sich zur Seite.
Nun war es Zeit für ihn zu sprechen, über 6 Jahre waren seit ´damals´ vergangen. In diesem Zeitraum waren sie sich unter den verschiedensten Umständen begegnet, ihre gemeinsame Vergangenheit hatten sie bei jedem Aufeinandertreffen außen vorgelassen, bis heute.
Heute war der Tag der Wahrheiten.
„Glaubst du noch immer dass ich dich damals als ich nach Kalifornien abgehauen bin, verlassen wollte?“ riss sie seine Stimme aus den Gedanken.
Auf diese Frage war sie – wie auf so viele andere an diesem Morgen – nicht vorbereitet gewesen. In ihrem Kopf schwirrten Bilder ihrer letzten Begegnung als Paar umher.
Sie saß im vorderen Teil des Busses, ihr Geschichtsbuch zugeklappt in der rechten Hand, sie konnte sich einfach nicht konzentrieren. Es lag nicht an den dichtgedrängten Leuten um sie herum, dem Stimmengewirr oder an dem Busfahrer der mal wieder Gewinnspiele im Radio hörte, es hatte eine andere Ursache. Noch dazu würde sie in der dritten Stunde einen Test über den Ursprung der amerikanischen Revolution schreiben, für den sie dringend die Kapitel 3-7 in ihrem Buch hätte wiederholen sollen. Der Bus hielt an einer Haltestelle, die Türen öffneten sich und einige Menschen stiegen aus, lustlos ließ sie ihren Blick durch die Sitzreihen streifen. Dann entdeckte sie ihn, ihren Freund, mit dem sie seit der verhängnisvollen Schlägerei vor wenigen Tagen nicht mehr gesprochen hatte, ihre Blicke trafen sich. Unsicher hatte sie ihren gelben Schulrucksack gepackt und war zu ihm nach hinten gegangen, was machte er in diesem Bus? Warum hatte er sich nicht bei ihr gemeldet? Doch dieses Mal würde sie warten bis er etwas sagte, sie hatte es satt dass sie aus ihm nicht schlau wurde, dass er ihr nie etwas mitteilte. Stattdessen fing er ein Gespräch über belanglose Dinge an, warum sie mit dem späteren Bus zur Schule fuhr, was es sonst neues gab und über Frans Beerdigung, nach wenigen Sekunden fehlte es ihnen an Gesprächsstoff. Schweigend saßen sie nebeneinander, den Blick Richtung Boden gewandt, ihre Oberarme berührten sich leicht. Noch heute erinnerte sie sich daran, dass sie ´ es´ in diesem Moment gespürt hatte, noch bevor er ihr mitgeteilt hatte, dass er keine Karten für den Abschlussball bekommen konnte. Sie hatte gespürt, wie dieses dünne Band das sie am Ende noch zusammengehalten hatte ganz zerriss, sie fühlte die Distanz zwischen ihnen, die sich in den letzten Tagen zu einer breiten Schlucht entwickelt hatte. Diese Situation hatte etwas endgültiges, das hatte sie schon damals verstanden. Er versprach sie anzurufen und nicht einmal daran glaubte sie mehr. Der Bus hielt an ihrer Station, bevor sie ausstieg warf sie ihn noch einen letzten Blick zu, in ihm lag Resignation – das wissen jemanden verloren zu haben, gepaart mit einen unsichtbaren Funken Hoffnung, dass sie sich doch irrte.
„Ich glaube du konntest damals nicht anders“ antwortete sie nach einiger Zeit ehrlich, mit zitternden Fingern steckte sie eine Haarsträhne hinter ihr Ohr.
„Ich hatte so viele Probleme damals, in der Schule, mit Luke, mit meinem Vater, ich hab das alles nicht mehr verkraftet. Nach außen hin schien mir alles immer gleichgültig zu sein, aber innerlich hat es mich aufgefressen, ich wollte ausbrechen aus meiner Haut, aus meinem Leben, einfach aus allem. Wärst du nicht gewesen, wäre ich schon viel früher abgehauen, und nicht erst als Jimmy kam. Doch nach kurzer Zeit hatte ich begriffen wie sehr ich dich brauchte, was sich in idiotischen Versuchen geäußert hat dich dazu zu bringen mit mir nach New York abzuhauen, noch heute bin ich dankbar dafür dass du es nicht getan hast“ sprach er nach so vielen Jahren endlich die Wahrheit aus, er fühlte sich dadurch nicht befreit, aber ein wenig leichter.
„Es gab Zeiten in denen ich mir gewünscht habe, ich wäre mit dir mitgegangen“ gestand sie ihm, der Anflug eines verbitterten Lächelns zeichnete sich dabei auf ihrem Gesicht ab.
„Zum Glück hast du das nicht getan, ich hätte mir das nie verziehen“ entfuhr es ihm.
„Warum?“
„Weil du einen anderen Weg gehen musstest, und ich ebenso. Aber das ist eine andere Geschichte“ seufzte er mit einer wegwerfenden Handbewegung.
„Und werden die beiden Pfade sich irgendwann wieder kreuzen?“ flüsterte Rory, langsam hob sie ihren Kopf und sah ihm in die Augen in denen sich Verwunderung abzeichnete.
Er wusste dass sie orientierungslos war, sich erst über ihre Gefühle klar werden musste – vor allem was ihm betraf. Es wäre ein leichtes für ihn gewesen, sie glauben zu lassen, dass sie ihn immer noch liebte, dass sie zusammengehörten. Er hätte endlich mit dem einzigen Menschen auf dieser Welt den er liebte und je lieben würde zusammen sein können, die gewaltige Leere die auf sein Herz drückte wäre verschwunden, ebenso die schrecklichen Träume in denen er ihr Gesicht sah.
Doch das konnte er nicht. Jess Mariano war nicht einer von der Sorte Mensch der so etwas tat, auch wenn er sich in jenem Moment nichts sehnsüchtiger wünschte als ein solcher zu sein.
Einestages würde sie es hoffentlich von selber verstehen. Einestages. Und der Tag war noch nicht gekommen. So tat er das was er schon einmal getan hatte, er stellte ihre Bedürfnisse über seine.
„Ich weiß es nicht, Rory. Ich möchte einfach keine Notlösung für dich sein, nicht mehr“
Seine Stimme klang dünn und brüchig, als würde jedes ausgesprochene Wort ihm einen Stich ins Herz versetzen.
Er erhob sich, seine gesamte Muskulatur war verkrampft, besonders seine geballten Finger schmerzten. Aber das war nichts gegen den Schmerz in seiner Seele.
Rory tat es ihm gleich, sie stand auf, ihre Beine fühlten sich an als wären sie aus Pudding, ihr Kopf schmerzte mehr denn je.
Tränen liefen über ihr Gesicht, Tränen der Verzweiflung und der Trauer.
Jess war nicht mehr der Mensch mit dem sie vor vielen Jahren zusammen gewesen war, zugegeben maßen kannte sie sein heutiges Ich überhaupt nicht. Er war nun jemand mit dem man über Gefühle reden konnte, der Vernünftig handelte und ein eigenes Leben aufgebaut hatte. Sie empfand etwas für ihn dass sie nicht in Worte fassen konnte, aber es war die ganze Zeit über dagewesen.
Nun standen sie hier, an einen kalten Sonntagmorgen im März 2009, nur durch eine knappe Armlänge getrennt. Sie blickten einander stumm in die Augen, unsicher was die Zukunft bringen würde oder ob es für sie beiden überhaupt je eine Zukunft geben würde.
Jess legte seinen Kopf schräg und musterte sie, auch wenn ihr Gesicht von der kurzen Nacht und dem Weinen geschwollen war, fand er sie einfach wunderschön. Zaghaft fasste er sie an den Handgelenken, überrascht blickte sie ihn an, als sie sich berührten beschleunigte sich sein Herzschlag. Er wollte sie küssen, ihr die Tränen von der Wange wischen und sie nie wieder loslassen. Aber das durfte er nicht. Stattdessen zog er sie an sich und umarmte sie.
Damit hatte sie nicht gerechnet, nicht nachdem was er gesagt hatte. Doch seine Nähe zu spüren tat ihr unglaublich gut, mit ihren Fingern krallte sie sich in seinem blauen Pullover fest, sie spürte seinen Herzschlag an ihrer Brust. Erneut liefen Tränen über ihre Wange, schluchzend vergrub sie ihr Gesicht in seinem Hals.
Seine Hände zitterten so sehr musste er sich zusammenreißen, es war Jahre her dass sie einander so nahe gewesen waren. Sie roch nach Rory, nach seiner Rory, die er all die Jahre schmerzlich vermisst hatte. Dieser Duft nach süßer Vanille gepaart mit einer Brise Sandelholz und Kaffebohnen.
„Es tut mir leid, Jess“ wiederholte sie zum X-ten Mal an diesem Morgen.
Sanft schob er sie von sich weg, hielt sie aber noch für einen kurzen Augenblick an den Händen fest.
„Irgendwann einmal, vielleicht“ sagte er leise und nickte ihr dabei zu.
„Irgendwann“ wiederholte sie langsam.
„Ich muss jetzt in den Laden, es sind nur 200 Meter geradeaus, dort steht auch dein Wagen. Und ich hab Luke gestern angerufen, damit er und deine Mum wissen, dass dir nichts passiert ist“ erklärte er und ließ ihre Hand los.
Ein letztes Mal sah er sie an, prägte sich alle Details ein, die Länge ihrer Haare, die beiden kleinen Sommersprossen auf ihrer Nase und die Konturen ihrer Lippen.
„Danke, Jess für alles“ sagte sie aufrichtig.
Er nickte leicht, schlüpfte in seine Jacke und wandte sich in Richtung Eingangstür.
„Ich lass dir den Schlüssel hier, leg ihn dann einfach unter die Fußmatte“
Dieses Mal war sie es die stumm nickte.
„Bye, Rory“ waren seine letzten Worte.
Er atmete tief ein, sein Verstand sagte ihm dass er das richtige tat, aber sein Herz fühlte sich an als würde es erneut zerbrechen.
„Bye, Jess“ flüsterte sie, dieses Mal konnte sie die Tränen zurückhalten.
Mit einem leisen Klicken fiel die Tür ins Schloss.

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FB freut mich wie immer !

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