17.11.2005, 17:35
Gut, dann bekommt ihr den Teil ausnahmsweise heute noch.
Und ich widme ihn redeagle, weil sie schon ganz ungeduldig auf den Teil wartet.
Viel Spaà beim Lesen...
Ein kleines, schwarzes Büchlein
Wie zwei kleine Kinder traten Rory und Jess kichernd ins Diner. Jess versuchte immer wieder den Nacken von Rory zu küssen, doch sie wich ihm immer wieder aus. Dennoch gab er nicht so schnell auf und versuchte es wieder.
âJess, lass das. Alle schauen uns schon anâ, kicherte Rory und schob Jessâ Kopf weg.
Tatsächlich waren alle Augen im Diner auf sie gerichtet. Und als Luke aus der Küche trat und die beiden sah, lieà er beinahe die Teller, die er in der Hand hatte, fallen.
âJess, was machst du denn hier?â, fragte er verwundert.
Jess nahm Rorys Hand und setzte sich mit ihr an den Tresen.
âIch bin wieder da.â
âIst etwas mit Liz?â
âSiehst du, da bin ich ein paar Wochen weg und mein Onkel freut sich nicht einmal über meine Rückkehrâ, raunte er Rory zu.
Sie schüttelte nur lächelnd den Kopf.
âKeine Panik, ihr geht es gutâ, sagte Jess schlieÃlich an Luke gewandt.
âWas machst du dann hier?â
âSie hat mich rausgeworfen.â
Luke runzelte die Stirn und sah seinen Neffen ungläubig an. Jess blickte zur Seite und warf Rory einen fragenden Blick zu.
âVielleicht solltest du ihm die ganze Geschichte erzählen, sonst glaubt er dir nichtâ, flüsterte sie ihm zu.
âAlso gut, Luke. Meine Mum hat gesagt, ich soll wieder nach Stars Hollow fahren. In den letzten Tagen ist es mit ihr wieder bergauf gegangen, und da war sie der Meinung, dass sie mich nicht mehr braucht. Also hab ich meine Sachen gepackt, bin ins Auto gestiegen und jetzt habe ich die Ehre, wieder hier in deinem Diner zu sitzen und dein dummes Gesicht zu bewundern.â
Luke sah ihn noch einen Moment an und musterte ihn eingehend. Dann zuckte er mit den Schultern und fischte seinen Notizblock aus der Tasche.
âUnd was kann ich euch bringen?â
âZwei Kaffee zum Mitnehmenâ, bestellte Rory.
Sofort lieà Luke den Block wieder sinken und schüttelte den Kopf.
âRory, wenn deine Mum Kaffee braucht, dann soll sie selber herkommen.â
Rory schlug sich auf den Oberschenkel. Kaum zu glauben, wie schnell ihr Luke auf die Schliche gekommen war.
âBitte Lukeâ, flehte sie.
âLorelai will Kaffee, dann soll sie herkommen.â
âDu bist doch derjenige, der zu ihr gehen sollte, findest du nicht auch?â
âIch muss nicht zu ihr kommen. Aber wenn sie Kaffee will, muss auch sie herkommen.â
Jess sah von einem zum anderen und verstand die Welt nicht mehr. Die beiden stritten sich wegen einer einfachen Tasse Kaffee.
âLuke, ich bin zahlende Kundin, also verlange ich auch, dass ich bekomme, was ich will.â
Luke stemmte seine Arme in die Hüften und funkelte Rory wütend an. Diese zog aber nur eine Augenbraue nach oben und sah ihn herausfordernd an. Als sie sah, wie Luke seine Schultern hängen lieà und geschlagen 2 Becher mit Kaffee füllte, lächelte sie triumphierend.
âHab ich da etwas nicht mitgekriegt?â, fragte Jess.
âOh, du hast eine Menge nicht mitgekriegtâ, entgegnete ihm Rory.
âUnd würde mir das auch jemand erklären?â
Rory schnappte sich die gefüllten Becher, zahlte und gab Jess einen Kuss.
âDas darf dir dein lieber Onkel erklären. Ich muss jetzt zu Mum.â
Und schon war sie zur Tür raus. Jess sah ihr nach, wie sie über den Platz lief, dann wandte er sich wieder an Luke.
âAlso gut, was hast du schon wieder angestellt?â
Luke sah ihn entgeistert an und deutete mit dem Zeigefinger auf sich selbst.
âIch? Wie kommst du darauf, dass ich etwas angestellt habe?â
âHör mal Luke. Ich habe eine von der Sorte geheiratet. So bezaubernd die Gilmores sein können, wenn es Streit gibt, sind immer wir schuld.â
Luke sagte nichts, sondern goss stattdessen diesmal auch Jess eine Tasse Kaffee ein. Ihn versuchte er nicht einmal mehr daran zu hindern, Kaffee zu trinken. Früher war das noch anders. Früher hatte auch Jess dem Kaffee eher abgeschworen. Er hatte zwar nicht die gleiche Einstellung wie Luke, also, dass der Kaffee nur Gift für den Körper sei. Er hatte ihm einfach nicht geschmeckt. Aber mittlerweile hatte Rory ihn geändert. Ja, die Gilmores konnten ganz schön überzeugend sein.
âWillst du es mir jetzt erzählen?â, forschte Jess nach.
âEs ist nichts GroÃartiges passiert. Wir haben gestritten, weil sie unbedingt auf Urlaub fahren wollte und ich nicht. Und dann ist mir rausgerutscht, dass ich sie nicht heiraten will.â
Jess hätte beinahe den Kaffee wieder zurück in die Tasse gespuckt, so überrascht war er von Lukes Erklärung. Er sagte das so, als wäre es nichts weiter, dabei ging es in diesem Fall um seine Beziehung zu Lorelai. Die einzige Beziehung in Lukes Leben, die er richtig ernst genommen hatte.
âDu willst sie nicht heiraten?â
âZum letzten Mal, es ist mir rausgerutscht!â, fuhr Luke ihn an. Allmählich hatte er es satt, alles doppelt und dreifach erklären zu müssen.
âUnd da wunderst du dich noch, dass sie wütend auf dich ist.â
âKomm schon, Jess. So schlimm ist das doch nicht. Lorelai übertreibt immer mal wieder. Du wirst sehen, morgen steht sie schon wieder hier, weil sie es ohne ihren Kaffee nicht aushältâ, sagte Luke, aber besonders überzeugt war er davon nicht. Er sagte es mehr, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen.
âDiesmal ist es etwas anderesâ, sagte Jess leise, doch laut genug, damit Luke ihn verstehen konnte.
âWie meinst du dasâ, fragte Luke genauso leise und beugte sich zu Jess hinunter. Er wusste nicht, warum, da das Diner bis auf Kirk und ein paar kleinen Kindern leer war. Es hörte also niemand zu.
âLuke, seit dem Tag, an den ich und Rory geheiratet haben, wünscht sich Lorelai nichts sehnlicher, als dass du und sie eines Tages eine ähnliche Hochzeit feiern werdet. Das ist ihr groÃer Traum. War es zumindest, bis du ihn zerstört hast.â
âHat sie dir das gesagt?â
Jess machte groÃe Augen und hob abwehrend die Hände.
âBist du verrückt? Mit mir würde sie niemals über so etwas reden. Aber ihre Tochter ist sehr gesprächig. Und falls du dich erinnern kannst, hab ich ihre Tochter geheiratet. Ich hab den Schritt gewagt.â
Für diesen Kommentar handelte er sich bei Luke einen Schlag auf den Kopf ein.
âHey, ich sag ja nur, wie es istâ, protestierte Jess.
âKeiner hat dich um deine Meinung gebetenâ, fauchte Luke ihn an.
Da hielt es Jess für besser, so schnell wie möglich zu verschwinden. Er trank seinen Kaffee aus und stand auf.
âHey, wo willst du hin?â, rief Luke ihm hinterher.
âZu Andrew in den Buchladen. Ich will schlieÃlich meinen Job zurück.â
âAber du kannst nicht gehen. Du musst mir hier im Laden helfen.â
Jess drehte sich verwundert zu ihm um. Mit der einen Hand hielt er schon die Tür auf, mit der anderen deutete er auf die wenigen Gäste im Diner.
âDas schaffst du schon alleine.â
âIch finde schon genug andere Tätigkeiten, die du hier machen könntest. Zum Beispiel das Geschirr waschen.â
Jess seufzte und trat auf die StraÃe.
âLuke, hör auf mich zu quälen und bieg das mit Lorelai wieder hinâ, rief er noch in den Laden, bevor die Tür hinter ihm zufiel.
Diesmal nahm Rory den Hintereingang. Sie rechnete damit, ihre Mum wieder auf der Veranda oder auf dem Dach anzutreffen, doch Fehlanzeige. Die Leiter war weggeräumt, die Müllsäcke auch, nur noch ein bisschen Werkzeug lag herum.
Rory öffnete die Tür und trat in die Küche. Und da bekam sie erst einmal einen Schock. Sollte sich ihre Mum jemals dem Selbstmitleid hingegeben haben, die Phase war schon lange wieder vorbei.
Auf dem Küchentisch und auf jedem anderen Schrank oder Kästchen, überhaupt auf jeder Fläche, auf der man etwas abstellen konnte, befanden sich Kisten, Schachteln, Säckchen und Taschen. Alle Schranktüren standen offen und waren nur noch zur Hälfte voll oder ganz leergeräumt. Rory stellte den Kaffeebecher irgendwo ab, wo sie gerade noch einen Platz fand. Dann betrachtete sie den ganzen Kram, der überall herumstand, genauer. Da waren Teller, Gläser, Besteck, Säfte, Gewürze, wovon Rory bisher nicht einmal gewusst hatte, dass es so etwas im Gilmore-Haus gab, Kochbücher, wovon sie ebenfalls keine Ahnung hatte, und vieles mehr. Und überall lagen Zettel herum, mit Buchstaben, Wörtern und Definitionen.
âMum!â, rief sie laut.
Als sie keine Antwort erhielt, rief sie noch einmal. Endlich hörte man aus dem oberen Stockwerk ein Poltern und dann kam jemand die Treppe herunter.
Lorelai kam in die Küche und Rory musterte sie erst einmal von oben bis unten. Ihre Mum trug eine Latzhose, die sie noch nie gesehen hatte, ein ausgeleiertes, weiÃes T-Shirt, ihre Haare waren eigenartig hochgesteckt und überall, im Gesicht und an den Armen, hatte sie graue und schwarze Schmutzflecken.
âRory, schön dass du da bist. Wo ist mein Kaffee?â
Rory deutete nur auf den kleinen Platz, an dem der Kaffee fröhlich vor sich hin dampfte. Sofort stürzte sich Lorelai darauf.
âBist du in den Kamin gefallen?â, fragte Rory, als sie ihre Sprache wieder gefunden hatte.
âNein, ich räume nur ein bisschen aufâ, entgegnete ihr Lorelai und nahm einen groÃen Schluck.
âOh, dann ist ja gut. Ich dachte schon, hier hätte eine Bombe eingeschlagen.â
âWie kommst du darauf?â
Rory antwortete nicht, sondern deutete nur auf die Unordnung in der Küche.
âAch das. Da hatte ich eine wirklich tolle Idee. WeiÃt du, wir haben hier jahrelang in vollkommener Unordnung gelebt. Ich habe heute angefangen, dass alles richtig einzuordnen. Nach dem Alphabet.â
âNach dem Alphabet?!â, fragte Rory und riss die Augen weit auf.
âJa, dann finde ich alles viel schneller.â
Rory räumte einen Stuhl frei und lieà sich darauf fallen. Das musste sie erst einmal verdauen.
Lorelai trank ihren Kaffee aus und warf den Becher dann in einen dafür vorgesehenen Behälter. Rory kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. In ihrem Wahn fing Lorelai jetzt auch noch an, den Müll zu trennen.
âHey, wusstest du eigentlich, dass wir einen Dachboden haben?â, fragte Lorelai plötzlich.
âSeit wann denn das?â
âKeine Ahnung, ich hab mich auch gewundert. Auf jeden Fall, als ich heute oben war, um ein paar alte Sachen verschwinden zu lassen, hab ich das hier gefunden.â
Sie zog ein kleines, Buch aus ihrer hinteren Hosentasche.
âIch dachte, ich hätte es gar nicht mehr.â
âMum, wenn es dort oben war, musstest du wissen, dass wir einen Dachboden habenâ, meinte Rory und nahm ihrer Mum das Buch aus der Hand. Lorelai zuckte nur mit den Schultern.
âWas ist das überhaupt?â, fragte Rory.
âDas ist mein Adressbuch aus meiner Schulzeit. Ich dachte, ich hätte es verloren.â
âDas berühmte, schwarze Büchlein, in dem alle deine Verflossenen drinstehen?â
Lorelai grinste schelmisch und nahm ihr das Büchlein wieder weg. Sie ging in den Flur und nahm das Telefon.
âDu willst die doch jetzt nicht anrufen, oder?â, fragte Rory entsetzt und sprang von ihrem Stuhl auf.
âWarum denn nicht?â
âNa ganz einfach, du â¦weilâ¦, du kannst da einfach nicht anrufen. Was ist mit Luke?â
Lorelai knallte den Hörer auf die Kommode und kam auf Rory zu. Sie hatte ihren wunden Punkt getroffen.
âNichts ist mehr mit Luke. Er will mich nicht heiraten, da war es Zeit für mich, zu gehen.â
âUnd jetzt willst du deine alten Mitschüler anrufen?â
âIch muss mir schlieÃlich meine Optionen offen halten.â
âWelche Optionen denn?â
âDass auch ich irgendwann heiraten werde.â
Rory griff sich an die Stirn. So viel Sturheit lieà sich ja kaum noch überbieten.
âMum, zum letzten Mal, Luke hat das nicht so gemeintâ, sagte Rory langsam, damit Lorelai auch ganz sicher jedes Wort verstand.
âRory, zum letzten Mal, so etwas rutscht einem nicht so einfach herausâ, sagte Lorelai genauso langsam.
Hilflos warf Rory ihre Arme in die Luft.
âBitte, mach doch, was du willst. Ich brauch jetzt einen Kaffee.â
âHaben wir nicht.â
âTee tutâs auch.â
Sie drehte sich um du ging zu einem Schrank. Lorelai ging ins Wohnzimmer und fing an in ihrem Büchlein zu blättern.
âMum, wo ist der Tee?â, kam es plötzlich aus der Küche.
âDen findest du unter T!â, rief Lorelai zurück, schlug eine Seite im Buch auf und begann eine Nummer zu wählen
Es tutete ein paar Mal, bevor am anderen Ende der Leitung der Hörer abgenommen wurde.
âHallo?â, fragte eine dunkle Männerstimme.
Lorelai machte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch plötzlich fielen ihr keine Worte mehr ein. Warum hatte sie sich auch nicht vorher überlegt, was sie sagen sollte?
âHallo?â, kam es noch einmal aus dem Hörer.
Lorelais Kehle war trocken. Was tat sie hier eigentlich? Sie liebte doch Luke. Sie konnte doch nicht längst vergessene Jugendlieben anrufen.
âHallo? Wer ist da?â
Der Mann am anderen Ende wurde langsam ungeduldig.
âHallo, ähmâ¦hier ist Lorelai. Spreche ich mit Nick?â, brachte sie schlieÃlich heraus.
Zuerst herrschte Stille. Lorelai wartete, bis der Mann etwas sagte, doch da kam nichts. Verdammt, falsche Nummer. Warum sollte er auch noch immer in diesem Haus wohnen? Sie wollte schon auflegen, als der Mann zu sprechen begann.
âJa, hier ist Nick. Ist das Lorelai Gilmore?â
âKennst du sonst noch eine Lorelai?â, erwiderte Lorelai, mittlerweile schon etwas weniger angespannt.
Sie hörte, wie Nick leise lachte.
âNein, eigentlich nicht. Mensch, das ist ja schon Ewigkeiten her, dass wir miteinander geredet haben.â
âGanz recht. Sag mal, wohnst du immer noch in deinem Elternhaus?â
âIch hab es geerbt.â
âOh, das tut mir leidâ, sagte Lorelai.
âNein, sie sind nicht tot. Sie wohnen jetzt in Florida.â
Da musste Lorelai lachen. Erstaunlich wie locker sie sich plötzlich mit Nick Peterson unterhielt. Immerhin war es Jahre her.
âSag mal, Lorelai, warum rufst du an? Ich meine, wir haben seit Ewigkeiten keinen Kontakt mehrâ, erkundigte sich Nick.
âTja, weiÃt duâ¦ich dachte, wir könnten uns einmal treffen. Ãber alte Zeiten plaudern. Du weiÃt ja, wie das ist. Was hältst du davon?â, rückte sie mit der Sprache heraus.
Nick schwieg einen Moment. SchlieÃlich antwortete er ihr.
âDas hört sich toll an, aber ich fürchte daraus wird nichts. WeiÃt du, meine Frau wäre darüber sicher nicht so begeistert.â
âOh!â, kam es von einer enttäuschten Lorelai.
âTut mir leid.â
Und wieder einmal hatte sie ihren Kopf nicht eingeschaltet. Er war verheiratet. Das hätte sie sich doch denken können. Er war ein Mädchenschwarm, der musste verheiratet sein. Hastig verabschiedete sie sich und legte auf. Totale Blamage. Sie schnappte sich einen Rotstift und strich den Namen Nick Peterson aus ihrem Adressbüchlein. Dann nahm sie sich den nächsten vor.
Rory hatte schon die dritte Tasse Tee in der Hand, als Lorelai endlich wieder zu ihr in die Küche kam. Normalerweise hielt sie nicht besonders viel von Tee, aber irgendetwas musste sie trinken, und der Kaffee war eben ausgegangen. Da konnte niemand was daran ändern.
âUnd? Erfolgreich?â, fragte sie in sarkastischem Tonfall.
â4 konnte ich nicht erreichen. Wahrscheinlich umgezogen. 2 hatten nur den Telefonanrufbeantworter dran, da hab ich aufgelegt. 3 rufen zurück und 6 sind verheiratet. Warum auch nicht? Wer ist mit 37 Jahren auch nicht verheiratet? Klar, ich, Lorelai Gilmore.â
Sie lieà sich neben Rory auf einen Stuhl fallen, dabei war es ihr egal, dass auf dem Stuhl eine Kiste stand. Sie setzte sich einfach drauf.
âWas hab ich dir gesagt?â
Lorelai streckte ihrer Tochter nur die Zunge heraus und betrachtete das Büchlein noch einmal eingehend. Vielleicht hatte sie ja einen Namen übersehen.
Rory nahm es ihr aus der Hand und untersuchte die Kreuze, Linien und Kreise.
âWas hat das zu bedeuten?â, erkundigte sie sich.
âDie Kreuze sind die, die verheiratet sind, die Linien ruf ich später noch einmal an und die Kreise sind die wahrscheinlichsten, die wollen sich bei mir melden.â
âWer ist Eddie?â
âDas ist der dicke Eddie.â
âUnd Piet?â
âPickel-Piet. Der hatte Akne, glaube ich. Ein richtiges Monster.â
âTolle Spitznamenâ, bemerkte Rory. Sie fuhr mit ihrem Zeigefinger die Liste nach unten, bis sie beim nächsten Kreis angelangt war.
âWer ist Nathan?â, erkundigte sie sich.
âDer ist toll. Nathan, der Nasenbohrer.â
âMensch, du musst ja wirklich verzweifelt sein.â
Wieder bekam sie nur die Zunge von Lorelai zu Gesicht. Rory blätterte weiter in dem Büchlein und Lorelai legte ihren Kopf auf die Tischplatte. SchlieÃlich war sie schon seit 6 Uhr auf den Beinen. Sie hatte ja vorgehabt, Ordnung in das Haus zu bringen.
âMum?â, fragte Rory nach einer Weile, in der sie beide nichts gesagt hatten.
âHm?â, kam es von der Tischplatte.
âIch glaube, Jess will ein Baby.â
Schlagartig schnellte Lorelais Kopf in die Höhe.
âNa toll, jetzt werde ich GroÃmutter, bevor ich überhaupt heirateâ, schnaubte sie.
âNoch bin ich ja nicht schwanger.â
âDa hast du Recht. Und so schnell wirst du es auch nicht, wenn Jess noch länger bei seiner Mum bleibt.â
âDort ist er nicht mehr. Er ist wieder in Stars Hollow.â
âSeit wann? Und warum?â
âSeit heute früh. Liz hat ihn nach Hause geschicktâ, klärte Rory ihre Mum auf.
âWarum bekomme ich solche Sachen nicht mehr mit?â
âWeil du nicht mehr zu Luke gehst.â
Schweigen. Wieder der wunde Punkt.
âWarum denkst du, dass Jess Vater werden will? Immerhin reden wir hier von Jessâ, fragte Lorelai schlieÃlich.
Rory stand auf und begann, in der Küche hin und her zu laufen.
âIch weià auch nicht. Er macht so komische Andeutungen. Er zitiert das Dschungelbuch und sagt, seine Kinder bekommen nur seine Gene.â
Lorelai nickte verständnisvoll, obwohl sie kein einziges Wort von dem verstand, was ihr ihre Tochter erzählte.
âBist du dir sicher? Ich meine, glaubst du nicht, dass du dir das nur einbildest?â
âEntweder er will Kinder, oder er hat sich im Krankenhaus in eine Kinderärztin verknallt.â
âWäre doch möglich.â
Diesmal war es Rory, die ihrer Mum die Zunge rausstreckte.
Lorelai stand auf und trat vor Rory hin.
âUnd wie stehst du zum Thema Kinder?â
Rory zuckte mit den Schultern und fing wieder an, in der Küche auf und ab zu laufen.
âIch weià auch nicht. Ich meine, ich bin noch in Yale. Ich habe keinen festen Job. Ich hab noch mein ganzes Leben vor mir. Andererseits will ich unbedingt Mum werden. Irgendwann.â
Lorelai stand nur da und beobachtete ihre Tochter. In diesem Fall konnte sie ihr nicht helfen. Diese Entscheidung musste sie selbst treffen. Die konnte sie ihr nicht abnehmen.
âVielleicht solltest du zuerst herausfinden, ob Jess wirklich ein Baby will.â
âDu hast Recht.â
âUnd er zitiert wirklich das Dschungelbuch?â, fragte Lorelai ungläubig.
Rory musste lachen und nickte nur. Lorelai bot ihr noch einen Tee an, doch sie wollte schon gehen. Sie wollte noch bei Lane vorbeischauen.
Als sie zur Tür rausgehen wollte, läutete das Telefon.
âHallo?â, sagte Lorelai, als sie den Hörer abnahm.
âOh, die Sekretärinâ¦gut verbinden sie mich mit ihm.â
Als die Musik ertönte, die signalisierte, dass sie verbunden wurde, formte sie mit ihren Lippen das Wort Piet.
âDu meinst doch nicht Pickel-Piet?â, fragte Rory.
Als Lorelai aber nickte, verlieà Rory kopfschüttelnd das Haus. Ihrer Mum war im Moment nicht zu helfen.
Ziemlich lang nicht? Ich hoffe, er hat euch gefallen.
Und ich widme ihn redeagle, weil sie schon ganz ungeduldig auf den Teil wartet.
Viel Spaà beim Lesen...
Ein kleines, schwarzes Büchlein
Wie zwei kleine Kinder traten Rory und Jess kichernd ins Diner. Jess versuchte immer wieder den Nacken von Rory zu küssen, doch sie wich ihm immer wieder aus. Dennoch gab er nicht so schnell auf und versuchte es wieder.
âJess, lass das. Alle schauen uns schon anâ, kicherte Rory und schob Jessâ Kopf weg.
Tatsächlich waren alle Augen im Diner auf sie gerichtet. Und als Luke aus der Küche trat und die beiden sah, lieà er beinahe die Teller, die er in der Hand hatte, fallen.
âJess, was machst du denn hier?â, fragte er verwundert.
Jess nahm Rorys Hand und setzte sich mit ihr an den Tresen.
âIch bin wieder da.â
âIst etwas mit Liz?â
âSiehst du, da bin ich ein paar Wochen weg und mein Onkel freut sich nicht einmal über meine Rückkehrâ, raunte er Rory zu.
Sie schüttelte nur lächelnd den Kopf.
âKeine Panik, ihr geht es gutâ, sagte Jess schlieÃlich an Luke gewandt.
âWas machst du dann hier?â
âSie hat mich rausgeworfen.â
Luke runzelte die Stirn und sah seinen Neffen ungläubig an. Jess blickte zur Seite und warf Rory einen fragenden Blick zu.
âVielleicht solltest du ihm die ganze Geschichte erzählen, sonst glaubt er dir nichtâ, flüsterte sie ihm zu.
âAlso gut, Luke. Meine Mum hat gesagt, ich soll wieder nach Stars Hollow fahren. In den letzten Tagen ist es mit ihr wieder bergauf gegangen, und da war sie der Meinung, dass sie mich nicht mehr braucht. Also hab ich meine Sachen gepackt, bin ins Auto gestiegen und jetzt habe ich die Ehre, wieder hier in deinem Diner zu sitzen und dein dummes Gesicht zu bewundern.â
Luke sah ihn noch einen Moment an und musterte ihn eingehend. Dann zuckte er mit den Schultern und fischte seinen Notizblock aus der Tasche.
âUnd was kann ich euch bringen?â
âZwei Kaffee zum Mitnehmenâ, bestellte Rory.
Sofort lieà Luke den Block wieder sinken und schüttelte den Kopf.
âRory, wenn deine Mum Kaffee braucht, dann soll sie selber herkommen.â
Rory schlug sich auf den Oberschenkel. Kaum zu glauben, wie schnell ihr Luke auf die Schliche gekommen war.
âBitte Lukeâ, flehte sie.
âLorelai will Kaffee, dann soll sie herkommen.â
âDu bist doch derjenige, der zu ihr gehen sollte, findest du nicht auch?â
âIch muss nicht zu ihr kommen. Aber wenn sie Kaffee will, muss auch sie herkommen.â
Jess sah von einem zum anderen und verstand die Welt nicht mehr. Die beiden stritten sich wegen einer einfachen Tasse Kaffee.
âLuke, ich bin zahlende Kundin, also verlange ich auch, dass ich bekomme, was ich will.â
Luke stemmte seine Arme in die Hüften und funkelte Rory wütend an. Diese zog aber nur eine Augenbraue nach oben und sah ihn herausfordernd an. Als sie sah, wie Luke seine Schultern hängen lieà und geschlagen 2 Becher mit Kaffee füllte, lächelte sie triumphierend.
âHab ich da etwas nicht mitgekriegt?â, fragte Jess.
âOh, du hast eine Menge nicht mitgekriegtâ, entgegnete ihm Rory.
âUnd würde mir das auch jemand erklären?â
Rory schnappte sich die gefüllten Becher, zahlte und gab Jess einen Kuss.
âDas darf dir dein lieber Onkel erklären. Ich muss jetzt zu Mum.â
Und schon war sie zur Tür raus. Jess sah ihr nach, wie sie über den Platz lief, dann wandte er sich wieder an Luke.
âAlso gut, was hast du schon wieder angestellt?â
Luke sah ihn entgeistert an und deutete mit dem Zeigefinger auf sich selbst.
âIch? Wie kommst du darauf, dass ich etwas angestellt habe?â
âHör mal Luke. Ich habe eine von der Sorte geheiratet. So bezaubernd die Gilmores sein können, wenn es Streit gibt, sind immer wir schuld.â
Luke sagte nichts, sondern goss stattdessen diesmal auch Jess eine Tasse Kaffee ein. Ihn versuchte er nicht einmal mehr daran zu hindern, Kaffee zu trinken. Früher war das noch anders. Früher hatte auch Jess dem Kaffee eher abgeschworen. Er hatte zwar nicht die gleiche Einstellung wie Luke, also, dass der Kaffee nur Gift für den Körper sei. Er hatte ihm einfach nicht geschmeckt. Aber mittlerweile hatte Rory ihn geändert. Ja, die Gilmores konnten ganz schön überzeugend sein.
âWillst du es mir jetzt erzählen?â, forschte Jess nach.
âEs ist nichts GroÃartiges passiert. Wir haben gestritten, weil sie unbedingt auf Urlaub fahren wollte und ich nicht. Und dann ist mir rausgerutscht, dass ich sie nicht heiraten will.â
Jess hätte beinahe den Kaffee wieder zurück in die Tasse gespuckt, so überrascht war er von Lukes Erklärung. Er sagte das so, als wäre es nichts weiter, dabei ging es in diesem Fall um seine Beziehung zu Lorelai. Die einzige Beziehung in Lukes Leben, die er richtig ernst genommen hatte.
âDu willst sie nicht heiraten?â
âZum letzten Mal, es ist mir rausgerutscht!â, fuhr Luke ihn an. Allmählich hatte er es satt, alles doppelt und dreifach erklären zu müssen.
âUnd da wunderst du dich noch, dass sie wütend auf dich ist.â
âKomm schon, Jess. So schlimm ist das doch nicht. Lorelai übertreibt immer mal wieder. Du wirst sehen, morgen steht sie schon wieder hier, weil sie es ohne ihren Kaffee nicht aushältâ, sagte Luke, aber besonders überzeugt war er davon nicht. Er sagte es mehr, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen.
âDiesmal ist es etwas anderesâ, sagte Jess leise, doch laut genug, damit Luke ihn verstehen konnte.
âWie meinst du dasâ, fragte Luke genauso leise und beugte sich zu Jess hinunter. Er wusste nicht, warum, da das Diner bis auf Kirk und ein paar kleinen Kindern leer war. Es hörte also niemand zu.
âLuke, seit dem Tag, an den ich und Rory geheiratet haben, wünscht sich Lorelai nichts sehnlicher, als dass du und sie eines Tages eine ähnliche Hochzeit feiern werdet. Das ist ihr groÃer Traum. War es zumindest, bis du ihn zerstört hast.â
âHat sie dir das gesagt?â
Jess machte groÃe Augen und hob abwehrend die Hände.
âBist du verrückt? Mit mir würde sie niemals über so etwas reden. Aber ihre Tochter ist sehr gesprächig. Und falls du dich erinnern kannst, hab ich ihre Tochter geheiratet. Ich hab den Schritt gewagt.â
Für diesen Kommentar handelte er sich bei Luke einen Schlag auf den Kopf ein.
âHey, ich sag ja nur, wie es istâ, protestierte Jess.
âKeiner hat dich um deine Meinung gebetenâ, fauchte Luke ihn an.
Da hielt es Jess für besser, so schnell wie möglich zu verschwinden. Er trank seinen Kaffee aus und stand auf.
âHey, wo willst du hin?â, rief Luke ihm hinterher.
âZu Andrew in den Buchladen. Ich will schlieÃlich meinen Job zurück.â
âAber du kannst nicht gehen. Du musst mir hier im Laden helfen.â
Jess drehte sich verwundert zu ihm um. Mit der einen Hand hielt er schon die Tür auf, mit der anderen deutete er auf die wenigen Gäste im Diner.
âDas schaffst du schon alleine.â
âIch finde schon genug andere Tätigkeiten, die du hier machen könntest. Zum Beispiel das Geschirr waschen.â
Jess seufzte und trat auf die StraÃe.
âLuke, hör auf mich zu quälen und bieg das mit Lorelai wieder hinâ, rief er noch in den Laden, bevor die Tür hinter ihm zufiel.
Diesmal nahm Rory den Hintereingang. Sie rechnete damit, ihre Mum wieder auf der Veranda oder auf dem Dach anzutreffen, doch Fehlanzeige. Die Leiter war weggeräumt, die Müllsäcke auch, nur noch ein bisschen Werkzeug lag herum.
Rory öffnete die Tür und trat in die Küche. Und da bekam sie erst einmal einen Schock. Sollte sich ihre Mum jemals dem Selbstmitleid hingegeben haben, die Phase war schon lange wieder vorbei.
Auf dem Küchentisch und auf jedem anderen Schrank oder Kästchen, überhaupt auf jeder Fläche, auf der man etwas abstellen konnte, befanden sich Kisten, Schachteln, Säckchen und Taschen. Alle Schranktüren standen offen und waren nur noch zur Hälfte voll oder ganz leergeräumt. Rory stellte den Kaffeebecher irgendwo ab, wo sie gerade noch einen Platz fand. Dann betrachtete sie den ganzen Kram, der überall herumstand, genauer. Da waren Teller, Gläser, Besteck, Säfte, Gewürze, wovon Rory bisher nicht einmal gewusst hatte, dass es so etwas im Gilmore-Haus gab, Kochbücher, wovon sie ebenfalls keine Ahnung hatte, und vieles mehr. Und überall lagen Zettel herum, mit Buchstaben, Wörtern und Definitionen.
âMum!â, rief sie laut.
Als sie keine Antwort erhielt, rief sie noch einmal. Endlich hörte man aus dem oberen Stockwerk ein Poltern und dann kam jemand die Treppe herunter.
Lorelai kam in die Küche und Rory musterte sie erst einmal von oben bis unten. Ihre Mum trug eine Latzhose, die sie noch nie gesehen hatte, ein ausgeleiertes, weiÃes T-Shirt, ihre Haare waren eigenartig hochgesteckt und überall, im Gesicht und an den Armen, hatte sie graue und schwarze Schmutzflecken.
âRory, schön dass du da bist. Wo ist mein Kaffee?â
Rory deutete nur auf den kleinen Platz, an dem der Kaffee fröhlich vor sich hin dampfte. Sofort stürzte sich Lorelai darauf.
âBist du in den Kamin gefallen?â, fragte Rory, als sie ihre Sprache wieder gefunden hatte.
âNein, ich räume nur ein bisschen aufâ, entgegnete ihr Lorelai und nahm einen groÃen Schluck.
âOh, dann ist ja gut. Ich dachte schon, hier hätte eine Bombe eingeschlagen.â
âWie kommst du darauf?â
Rory antwortete nicht, sondern deutete nur auf die Unordnung in der Küche.
âAch das. Da hatte ich eine wirklich tolle Idee. WeiÃt du, wir haben hier jahrelang in vollkommener Unordnung gelebt. Ich habe heute angefangen, dass alles richtig einzuordnen. Nach dem Alphabet.â
âNach dem Alphabet?!â, fragte Rory und riss die Augen weit auf.
âJa, dann finde ich alles viel schneller.â
Rory räumte einen Stuhl frei und lieà sich darauf fallen. Das musste sie erst einmal verdauen.
Lorelai trank ihren Kaffee aus und warf den Becher dann in einen dafür vorgesehenen Behälter. Rory kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. In ihrem Wahn fing Lorelai jetzt auch noch an, den Müll zu trennen.
âHey, wusstest du eigentlich, dass wir einen Dachboden haben?â, fragte Lorelai plötzlich.
âSeit wann denn das?â
âKeine Ahnung, ich hab mich auch gewundert. Auf jeden Fall, als ich heute oben war, um ein paar alte Sachen verschwinden zu lassen, hab ich das hier gefunden.â
Sie zog ein kleines, Buch aus ihrer hinteren Hosentasche.
âIch dachte, ich hätte es gar nicht mehr.â
âMum, wenn es dort oben war, musstest du wissen, dass wir einen Dachboden habenâ, meinte Rory und nahm ihrer Mum das Buch aus der Hand. Lorelai zuckte nur mit den Schultern.
âWas ist das überhaupt?â, fragte Rory.
âDas ist mein Adressbuch aus meiner Schulzeit. Ich dachte, ich hätte es verloren.â
âDas berühmte, schwarze Büchlein, in dem alle deine Verflossenen drinstehen?â
Lorelai grinste schelmisch und nahm ihr das Büchlein wieder weg. Sie ging in den Flur und nahm das Telefon.
âDu willst die doch jetzt nicht anrufen, oder?â, fragte Rory entsetzt und sprang von ihrem Stuhl auf.
âWarum denn nicht?â
âNa ganz einfach, du â¦weilâ¦, du kannst da einfach nicht anrufen. Was ist mit Luke?â
Lorelai knallte den Hörer auf die Kommode und kam auf Rory zu. Sie hatte ihren wunden Punkt getroffen.
âNichts ist mehr mit Luke. Er will mich nicht heiraten, da war es Zeit für mich, zu gehen.â
âUnd jetzt willst du deine alten Mitschüler anrufen?â
âIch muss mir schlieÃlich meine Optionen offen halten.â
âWelche Optionen denn?â
âDass auch ich irgendwann heiraten werde.â
Rory griff sich an die Stirn. So viel Sturheit lieà sich ja kaum noch überbieten.
âMum, zum letzten Mal, Luke hat das nicht so gemeintâ, sagte Rory langsam, damit Lorelai auch ganz sicher jedes Wort verstand.
âRory, zum letzten Mal, so etwas rutscht einem nicht so einfach herausâ, sagte Lorelai genauso langsam.
Hilflos warf Rory ihre Arme in die Luft.
âBitte, mach doch, was du willst. Ich brauch jetzt einen Kaffee.â
âHaben wir nicht.â
âTee tutâs auch.â
Sie drehte sich um du ging zu einem Schrank. Lorelai ging ins Wohnzimmer und fing an in ihrem Büchlein zu blättern.
âMum, wo ist der Tee?â, kam es plötzlich aus der Küche.
âDen findest du unter T!â, rief Lorelai zurück, schlug eine Seite im Buch auf und begann eine Nummer zu wählen
Es tutete ein paar Mal, bevor am anderen Ende der Leitung der Hörer abgenommen wurde.
âHallo?â, fragte eine dunkle Männerstimme.
Lorelai machte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch plötzlich fielen ihr keine Worte mehr ein. Warum hatte sie sich auch nicht vorher überlegt, was sie sagen sollte?
âHallo?â, kam es noch einmal aus dem Hörer.
Lorelais Kehle war trocken. Was tat sie hier eigentlich? Sie liebte doch Luke. Sie konnte doch nicht längst vergessene Jugendlieben anrufen.
âHallo? Wer ist da?â
Der Mann am anderen Ende wurde langsam ungeduldig.
âHallo, ähmâ¦hier ist Lorelai. Spreche ich mit Nick?â, brachte sie schlieÃlich heraus.
Zuerst herrschte Stille. Lorelai wartete, bis der Mann etwas sagte, doch da kam nichts. Verdammt, falsche Nummer. Warum sollte er auch noch immer in diesem Haus wohnen? Sie wollte schon auflegen, als der Mann zu sprechen begann.
âJa, hier ist Nick. Ist das Lorelai Gilmore?â
âKennst du sonst noch eine Lorelai?â, erwiderte Lorelai, mittlerweile schon etwas weniger angespannt.
Sie hörte, wie Nick leise lachte.
âNein, eigentlich nicht. Mensch, das ist ja schon Ewigkeiten her, dass wir miteinander geredet haben.â
âGanz recht. Sag mal, wohnst du immer noch in deinem Elternhaus?â
âIch hab es geerbt.â
âOh, das tut mir leidâ, sagte Lorelai.
âNein, sie sind nicht tot. Sie wohnen jetzt in Florida.â
Da musste Lorelai lachen. Erstaunlich wie locker sie sich plötzlich mit Nick Peterson unterhielt. Immerhin war es Jahre her.
âSag mal, Lorelai, warum rufst du an? Ich meine, wir haben seit Ewigkeiten keinen Kontakt mehrâ, erkundigte sich Nick.
âTja, weiÃt duâ¦ich dachte, wir könnten uns einmal treffen. Ãber alte Zeiten plaudern. Du weiÃt ja, wie das ist. Was hältst du davon?â, rückte sie mit der Sprache heraus.
Nick schwieg einen Moment. SchlieÃlich antwortete er ihr.
âDas hört sich toll an, aber ich fürchte daraus wird nichts. WeiÃt du, meine Frau wäre darüber sicher nicht so begeistert.â
âOh!â, kam es von einer enttäuschten Lorelai.
âTut mir leid.â
Und wieder einmal hatte sie ihren Kopf nicht eingeschaltet. Er war verheiratet. Das hätte sie sich doch denken können. Er war ein Mädchenschwarm, der musste verheiratet sein. Hastig verabschiedete sie sich und legte auf. Totale Blamage. Sie schnappte sich einen Rotstift und strich den Namen Nick Peterson aus ihrem Adressbüchlein. Dann nahm sie sich den nächsten vor.
Rory hatte schon die dritte Tasse Tee in der Hand, als Lorelai endlich wieder zu ihr in die Küche kam. Normalerweise hielt sie nicht besonders viel von Tee, aber irgendetwas musste sie trinken, und der Kaffee war eben ausgegangen. Da konnte niemand was daran ändern.
âUnd? Erfolgreich?â, fragte sie in sarkastischem Tonfall.
â4 konnte ich nicht erreichen. Wahrscheinlich umgezogen. 2 hatten nur den Telefonanrufbeantworter dran, da hab ich aufgelegt. 3 rufen zurück und 6 sind verheiratet. Warum auch nicht? Wer ist mit 37 Jahren auch nicht verheiratet? Klar, ich, Lorelai Gilmore.â
Sie lieà sich neben Rory auf einen Stuhl fallen, dabei war es ihr egal, dass auf dem Stuhl eine Kiste stand. Sie setzte sich einfach drauf.
âWas hab ich dir gesagt?â
Lorelai streckte ihrer Tochter nur die Zunge heraus und betrachtete das Büchlein noch einmal eingehend. Vielleicht hatte sie ja einen Namen übersehen.
Rory nahm es ihr aus der Hand und untersuchte die Kreuze, Linien und Kreise.
âWas hat das zu bedeuten?â, erkundigte sie sich.
âDie Kreuze sind die, die verheiratet sind, die Linien ruf ich später noch einmal an und die Kreise sind die wahrscheinlichsten, die wollen sich bei mir melden.â
âWer ist Eddie?â
âDas ist der dicke Eddie.â
âUnd Piet?â
âPickel-Piet. Der hatte Akne, glaube ich. Ein richtiges Monster.â
âTolle Spitznamenâ, bemerkte Rory. Sie fuhr mit ihrem Zeigefinger die Liste nach unten, bis sie beim nächsten Kreis angelangt war.
âWer ist Nathan?â, erkundigte sie sich.
âDer ist toll. Nathan, der Nasenbohrer.â
âMensch, du musst ja wirklich verzweifelt sein.â
Wieder bekam sie nur die Zunge von Lorelai zu Gesicht. Rory blätterte weiter in dem Büchlein und Lorelai legte ihren Kopf auf die Tischplatte. SchlieÃlich war sie schon seit 6 Uhr auf den Beinen. Sie hatte ja vorgehabt, Ordnung in das Haus zu bringen.
âMum?â, fragte Rory nach einer Weile, in der sie beide nichts gesagt hatten.
âHm?â, kam es von der Tischplatte.
âIch glaube, Jess will ein Baby.â
Schlagartig schnellte Lorelais Kopf in die Höhe.
âNa toll, jetzt werde ich GroÃmutter, bevor ich überhaupt heirateâ, schnaubte sie.
âNoch bin ich ja nicht schwanger.â
âDa hast du Recht. Und so schnell wirst du es auch nicht, wenn Jess noch länger bei seiner Mum bleibt.â
âDort ist er nicht mehr. Er ist wieder in Stars Hollow.â
âSeit wann? Und warum?â
âSeit heute früh. Liz hat ihn nach Hause geschicktâ, klärte Rory ihre Mum auf.
âWarum bekomme ich solche Sachen nicht mehr mit?â
âWeil du nicht mehr zu Luke gehst.â
Schweigen. Wieder der wunde Punkt.
âWarum denkst du, dass Jess Vater werden will? Immerhin reden wir hier von Jessâ, fragte Lorelai schlieÃlich.
Rory stand auf und begann, in der Küche hin und her zu laufen.
âIch weià auch nicht. Er macht so komische Andeutungen. Er zitiert das Dschungelbuch und sagt, seine Kinder bekommen nur seine Gene.â
Lorelai nickte verständnisvoll, obwohl sie kein einziges Wort von dem verstand, was ihr ihre Tochter erzählte.
âBist du dir sicher? Ich meine, glaubst du nicht, dass du dir das nur einbildest?â
âEntweder er will Kinder, oder er hat sich im Krankenhaus in eine Kinderärztin verknallt.â
âWäre doch möglich.â
Diesmal war es Rory, die ihrer Mum die Zunge rausstreckte.
Lorelai stand auf und trat vor Rory hin.
âUnd wie stehst du zum Thema Kinder?â
Rory zuckte mit den Schultern und fing wieder an, in der Küche auf und ab zu laufen.
âIch weià auch nicht. Ich meine, ich bin noch in Yale. Ich habe keinen festen Job. Ich hab noch mein ganzes Leben vor mir. Andererseits will ich unbedingt Mum werden. Irgendwann.â
Lorelai stand nur da und beobachtete ihre Tochter. In diesem Fall konnte sie ihr nicht helfen. Diese Entscheidung musste sie selbst treffen. Die konnte sie ihr nicht abnehmen.
âVielleicht solltest du zuerst herausfinden, ob Jess wirklich ein Baby will.â
âDu hast Recht.â
âUnd er zitiert wirklich das Dschungelbuch?â, fragte Lorelai ungläubig.
Rory musste lachen und nickte nur. Lorelai bot ihr noch einen Tee an, doch sie wollte schon gehen. Sie wollte noch bei Lane vorbeischauen.
Als sie zur Tür rausgehen wollte, läutete das Telefon.
âHallo?â, sagte Lorelai, als sie den Hörer abnahm.
âOh, die Sekretärinâ¦gut verbinden sie mich mit ihm.â
Als die Musik ertönte, die signalisierte, dass sie verbunden wurde, formte sie mit ihren Lippen das Wort Piet.
âDu meinst doch nicht Pickel-Piet?â, fragte Rory.
Als Lorelai aber nickte, verlieà Rory kopfschüttelnd das Haus. Ihrer Mum war im Moment nicht zu helfen.
Ziemlich lang nicht? Ich hoffe, er hat euch gefallen.
Tritt nicht in die FuÃstapfen anderer, du hinterläÃt sonst selbst keine Spuren.
Rückkehr nach Stars Hollow, Wird er sich jemals ändern? Auf der schiefen Bahn
Kurzgeschichte: Sometimes it's too late
Die Zeit heilt nicht alle Wunden, aber sie lehrt uns mit dem Schmerz umzugehen.