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Rory saà auf ihrem Bett und dachte nach. Das tat sie in letzter Zeit viel zu oft. Ständig fragte sie sich, was sie falsch gemacht hatte, warum Jess sie nicht wollte, ob es doch nicht ihre Schuld war, ob es ein Fehler war, dass sie abgehauen war. Alle möglichen Fragen schossen ihr durch den Kopf und jedesmal fiel die Antwort anders aus.
Seit einer Woche war sie nun schon hier. Er hatte sich immer noch nicht gemeldet. Diese Tatsache machte sie wütend. Er war es doch gewesen, der gesagt hatte, Autostoppen sei viel zu gefährlich. Aber anscheinend machte er sich doch keine Sorgen, wollte nicht wissen, ob sie gut angekommen war. Genau 7 Tage wartete sie jetzt schon auf eine Nachricht von ihm.
Seit einer Woche wohnte sie wieder hier. Sie schlief, wusch sich und aà hier in diesem Haus. Aber von leben konnte keine Rede sein. Rory lebte nicht. Sie würde leben, wenn sie auch nur einmal beachtet werden würde. Wenn sie mit ihrer Mum reden könnte. Wenn das Haus mit Liebe erfüllt wäre. Das war aber nicht der Fall. Ihre Mum redete nicht mehr mit ihr. Seit der Nacht, als sie zurückgekommen war, hatte ihre Mum nicht mehr ernsthaft mit ihr gesprochen. Nur noch belangloses Zeug. Ãber das Wetter oder dass der Kaffee aus ist. Mehr nicht. Darunter litt Rory am meisten. Sie vermisste die Gespräche mit ihrer Mum. Sie vermisste die gemeinsamen Videoabende, sie vermisste die gemeinsamen Abstecher zu Luke. Sie war Schuld, dass ihre Mum nicht mehr zu Luke gehen konnte. Sie war Schuld an ihrem Streit.
Seit einer Woche war sie wieder in Stars Hollow. Die Leute starrten sie immer noch an, als wäre sie ein Alien. Es wurde zwar langsam besser, Luke hatte ihnen wohl einmal ins Gewissen geredet, aber trotzdem litt sie darunter. Lane hatte sie in diesen 7 Tagen auch nicht gesehen. Sie hatte immer noch Hausarrest. Rory durfte sie nicht einmal anrufen. Mrs. Kim hatte es verboten. Rory wusste nicht einmal, ob Lane sauer war und ob ihre Freundschaft unter ihrem Verschwinden gelitten hatte.
Nur Luke war auf Rorys Seite. Zu ihm konnte sie immer gehen. Er war der einzige, der wirklich hinter ihr stand. Wenn es zu Hause, wie absurd sich das doch anhörte, zu Hause. Auf jeden Fall, wenn es zu Hause besonders hart war, wenn sie es nicht aushielt, dann konnte sie zu ihm gehen. Mit ihm reden. Bei ihm alles vergessen. Er nahm sogar ein bisschen Lorelais Platz ein.
Das Läuten der Türglocke riss Rory aus ihren Gedanken. Sie wusste nicht, wie lange sie jetzt schon in ihrem Zimmer saÃ, es war ihr auch egal. Sie überlegte kurz, ob sie aufstehen sollte, um dem neuen Gast zu öffnen, entschied sich dann aber dagegen. Ihre Mum sollte das übernehmen. Sie wollte jetzt ihre Ruhe haben. Da hörte sie auch schon das Poltern, als Lorelai die Treppe herunterlief.
Jess stand auf der Veranda. Es hatte ihn viel Ãberwindung gekostet, hierher zu kommen. Aber er musste es tun. Er musste wissen, ob es Rory gut ging. Lorelai öffnete die Tür. Er hatte schon befürchtet, dass er auf sie treffen würde, hatte aber trotzdem die ganze Zeit gehofft, dass vielleicht Rory die Tür öffnen würde. Naja, sein Wunsch war offensichtlich nicht in Erfüllung gegangen. Lorelai war zuerst überrascht, als sie ihn sah. Doch sofort schlug ihre Stimmung in Ãrger um.
"Du wagst es auch noch hierher zu kommen!"
Jess wich einen Schritt zurück. Er hatte geahnt, dass sie ihn nicht mit offenen Armen empfangen würde, aber dass sie ihn von Anfang an so anfuhr, hatte er nicht gedacht.
"Lorelai, ich..."
Weiter kam er nicht. Lorelai hatte ihm schon eine schallende Ohrfeige verpasst. Die hatte er wohl verdient. SchlieÃlich hatte er praktisch ihre Tochter entführt.
"Spar dir die Nummer, Jess. Wir wollen dich hier nicht. Verschwinde!"
Für sie war das Gespräch beendet. Sie wollte die Tür zuschlagen, doch er stellte sein Bein in den Türrahmen. Sie versuchte die Tür trotzdem zuzudrücken, sah aber schnell ein, dass es nur ging, wenn sie ihm das Bein brach. Sie hätte zwar nichts dagegen gehabt, aber zum Schluss hätte er sie dann noch wegen Körperverletzung angezeigt. Sie wusste, dass er das nicht tun würde, aber sie wollte auf Nummer sicher gehen. Also drehte sie sich nochmal zu ihm um.
"Lorelai, ich muss sie sehen."
"Du leidest wohl unter Wahnvorstellungen. Sonst würdest du nicht auf die dumme Idee kommen, dass ich dich noch einmal in die Nähe meiner Tochter lasse."
"Bitte."
Sein flehender Blick war fast schon komisch. Doch Lorelai war jetzt nicht nach Lachen zumute. Derjenige, auf den sie so wütend war, der ihre Beziehung zu Rory zerstört hatte, war jetzt vor ihr und sie wollte ihre ganze Wut an ihm auslassen.
"Verschwinde von hier. Sie will dich nicht sehen. Wir wollen dich beide nicht sehen. Nie mehr. Lass uns gefälligst in Ruhe. Du bist doch das allerletzte."
"Ich muss wissen, ob es ihr gut geht."
"Ihr geht es gut, danke der Nachfrage."
"Davon würde ich mich gerne selbst überzeugen."
"Das würde dir so passen. Ich sage dir, ihr geht es bestens. Seit sie dich los ist, ist sie erst wieder richtig glücklich. WeiÃt du, sie ist froh, dass du nochmal aufgetaucht bist und sie mit dir gegangen ist. Jetzt weià sie endlich was für ein Arsch du bist."
Sie wusste genau, dass sie Jess mitten ins Gesicht log. Doch sie konnte sich jetzt nicht zurückhalten. Sie wusste auch, wie sehr ihn ihre Worte verletzten. Und das stimmte sie umso glücklicher. Sie wollte ihm diese Schmerzen zufügen, die er ihr und Rory zugefügt hatte. Jess gab endlich auf. Er konnte nicht mit Lorelai reden.
"Sagen Sie ihr bitte, dass ich hier war."
"Einen Dreck werde ich."
Jess nickte. Es war unmöglich jetzt mit ihr zu reden. Langsam ging er davon.
Rory war die ganze Zeit auf ihrem Bett gesessen und hatte sich gefragt, wen ihre Mum da so anschrie. Es musste etwas ernstes sein, denn ihre Mum rastete sonst nur selten so aus.
"Fahr doch zur Hölle!"
Wem hatte sie das nachgeschrien? Ihre Mum verfluchte doch normalerweise niemanden. Rory hörte, wie der jemand davonging. Sie wollte nicht zum Fenster gehen. Sie wollte nicht nachsehen, wer das war. Es konnte ihr doch egal sein. Ihrer Mum war sie doch auch egal, warum sollte sie sich also Gedanken über ihre Mum machen.
Trotzdem ging ihr der Streit nicht aus dem Kopf. Mit wem hatte sie nur gestritten? Mit Grandma? Nein, auch wenn sie nicht gut auf Grandma zu sprechen war, würde sie sie niemals so anschreien.
Luke? Nein, der auch nicht. Dafür war er zu gutmütig und sie zu sehr in ihn verknallt.
Dad? Das kam schon eher hin. Mit ihm stritt sie sich wahnsinnig oft. Aber so schlimm? Das war schon ziemlich heftig. Selbst für Dad.
Oder vielleicht...? Nein, das konnte nicht sein. Oder doch? Nein. Er war nicht da. Er war irgendwo in Kalifornien und machte sich keine Gedanken mehr um Stars Hollow. Aber er war der einzige, bei dem sie sich vorstellen konnte, dass ihn ihre Mum so anfahren würde. Aber das war unmöglich.
SchlieÃlich raffte sie sich doch auf. Vielleicht war der jemand ja noch zu sehen. Sie ging zum Fenster und blickte hinaus. Und da war er. Ihre Vermutung hatte sich also bestätigt. Er war gekommen. Na toll. War er es überhaupt? Sie hatte ihn nur noch um die Ecke verschwinden sehen, aber sie war sich ganz sicher. Ihn würde sie unter einer Million Menschen auf einen Blick erkennen.
Schnell sprang sie auf und rannte zur Tür. Dort stieà sie mit ihrer Mum zusammen. Lorelai ahnte sofort, dass Rory Jess nachlaufen wollte und hielt sie deshalb zurück.
"Oh nein, junges Fräulein, du bleibst hier."
"Mum, lass mich los, ich muss..."
"...zu Jess? Das kanst du knicken. Den wirst du nie wieder sehen."
"Mum!"
Rory versuchte sich verzweifelt loszureiÃen.
"Nein, Rory, nein. Du bleibst hier. Du wirst dieses Haus nicht verlassen."
"Ich muss zu ihm."
"Sicher nicht. Er wird dir weh tun. Wenn du schon nicht so vernünftig bist, muss ich es sein. Du bleibst hier. Du lässt dich nicht nochmal auf ihn ein."
"Mum, ich muss mit ihm reden. Ich muss wissen, was er hier will. Wenn du mich liebst oder mich jemals geliebt hast, dann lass mich gehen. Bitte."
Das hatte gesessen. Lorelai lieà ihre Tochter los. Sie wollte nicht, dass sie zu Jess ging, aber offensichtlich konnte sie es nicht verhindern. Nicht ohne Gewalt. Und wenn ihre Beziehung jemals wieder besser werden sollte, dann nur, wenn sie sie jetzt gehen lassen würde. Sie musste darauf vertrauen, dass Rory schon das Richtige tun würde.
Als Rory spürte, wie ihre Mum den Griff lockerte, lief sie auch schon los. Sie musste Jess suchen. Sie musste ihn finden. Es gab nur einen Ort, an dem er sein konnte.
Tritt nicht in die FuÃstapfen anderer, du hinterläÃt sonst selbst keine Spuren.
Rückkehr nach Stars Hollow, Wird er sich jemals ändern? Auf der schiefen Bahn
Kurzgeschichte:
Sometimes it's too late
Die Zeit heilt nicht alle Wunden, aber sie lehrt uns mit dem Schmerz umzugehen.