Lorelais Tränen - alle Teile
#21

Kapitel 20

Emily atmete noch einmal tief durch. Ihr war, als würde sie nicht nur Sauerstoff, sondern eine gehörige Mut einatmen. Sie spürte wie der Sauerstoff in ihre Lungen geblasen wurde und fühlte wie ihre Kraft in den Muskeln zurück kam. Energisch drückten ihre Finger den Türgriff hinunter und sie machte sich mit Parfum bewaffnet bereit. Als die Tür aufging und der ganze Schwall des Gestankes auf Emily nieder rieselte, bereute Emily ihre Entscheidung bereits. Der Gestank der ihre Nasenflügel hoch und direkt in ihre Nervenbahn strömte veranlasste in Emily den Drang, sich zu übergeben. Nicht durch die Nase atmen, ermahnte sie sich und machte schnell den Mund auf. Mit zittrigen Fingern begann sie rund um sich herum <i>Bonita</i> zu versprühen. Nachdem sie mehrmals auf den kleinen Sprühknopf gedrückt hatte und ihre Geschmacksnerven keine Verbesserung feststellte, beeilte sie sich ins Wohnzimmer zurück zu kommen. Sie hörte den Fernseher: irgendeine Familienserie trällerte gerade ein Sonntagslied. Aber wo war Sherry? Der Platz auf dem Tisch war leer. Nur ein paar Scherben lagen auf dem Tisch. Emilys Augen weiteten sich und ihre Pupillen suchten flink nach Sherry. Aber von ihr war keine Spur zu sehen. Wo war sie in?
Emily überlegte, ob sie einfach gehen sollte. Jetzt war die beste Chance zu entwischen, ohne dass die Situation eskalierte. Die Unterlagen waren ihr inzwischen egal. Die konnte auch ein Bestattungsinstitut besorgen. Wie konnte sie so leichtsinnig sein und einfach hierher kommen? Vorsichtig blickte sie noch einmal nach links und rechts. In der Küche war niemand. Auch an dem großen Esstisch und am Fenster war sie nicht. Sie ist sicherlich im Schlafzimmer, beruhigte sich Emily. Jetzt oder nie – Flink lief Emily los, vorbei an der zerrissenen Tapete und dem maldrehtiertem Teppich bahnten sich ihre Füße ihren Weg durch das am Boden herrschende Chaos. Es tat Emily im Herzen weh: Die zerrissenen Bilder zeigten Sherry und Christopher in bessren Zeiten. Bei den meisten Bildern fehlte zwar Christophers Kop, aber Emily sah auch so, dass Sherry einmal glücklichere Zeiten erlebt hatte. Sherry tat Emily richtig Leid, wie sehr musste diese Frau den Vater ihres Kindes geliebt haben? Lorelai und Christopher gehörten zusammen, so dachte Emily. Aber Sherrys Reaktion, auf Christophers tot war unglaublich. Sie hatte noch nie einen Menschen gesehen, der so voller Rachegelüsten war.
Emily zuckte zusammen – was war dass? Ein Geräusch von brechendem Glas brachte Emils Herz fast zum Stillstand. Emily schaute an ihren Füßen hinab, Gott sei Dank, es war nur ein großer Glassplitter der unter Emilys Gewicht auseinander brach. Emily spürte wie ihr der Schweiß im Nacken saß. Es war kalter Angstschweiß. Endlich war sie an der Türe angekommen. Nachdem sie ihre Augen aufmerksam auf den Boden gerichtet hielt, lief sie fast gegen die Türe. Der Schlüssel steckte von innen im Schloss. Gleich war sie frei. Jetzt nur noch leise die Tür öffnen und die wenigen Treppenstufen hinunter laufen, dann war sie sicher. Dann könnte sie in ihr Auto steigen und der Chauffeur würde sie weit weg bringen. Emily hatte immer noch die Parfumflasche in der Hand. Die wollte sie eigentlich nicht mitnehmen. Wohin damit? Links neben der Türe stand ein Kastenähnlicher Schrank. Oben drauf lagen einige Porzellanschalen und eine Grünpflanze, die seit Tagen kein Wasser mehr gesehen hatte. Geräuschvoll lies Emily die Flasche auf das Porzellan fallen. In diesem Chaos würde es Sherry sicher nicht auffallen, ob da noch eine Flasche stand oder nicht. Endlich konnte sie gehen. Sie drehte sich noch einmal um. In der Küche und dem Essbereich rührte sich nichts. IM Wohnzimmer flimmerte immer noch die Familie über den Bildschirm. Der Weg zum Badezimmer und dem Schlafzimmer war ebenfalls ruhig. Sherry war weder hör- noch sehbar. Emily legte ihre Finger an den Messingtürgriff. Energisch drückte sie ihn nach unten. Die Türe öffnete sich nach innen, so dass sie einige Schritte rückwärst gehen musste. Als sie die Türe vollständig geöffnet hatte und in das scheinbar erlösende Blau des Himmels blickte zuckte sie zusammen:
„Wo willst du denn hin?“ Sherry lehnte gegen die Balkonbrüstung und rauchte. Sherry rauchte? Sagte sie nicht sie wäre schwanger?
„Wo willst du hin?“ Ihre Stimme dröhnte in Emilys Ohren, so laut und geladen fuhr Sherry sie an.


„Luke, bitte einen Kaffee zum mitnehmen.“ Luke runzelte die Stirn: „Lorelai du hast eben mindestens drei Tassen Kaffee getrunken. Du hast sogar Mister Sweety alles weggeschlabbert. Ich denke es reicht.“ Er wartete auf eine passende Antwort von Lorelai, er genoss die Kabbeleien. Aber diesmal wartete er vergeblich auf ein Grinsen. „Luke.“, sagte Lorelai streng. „Hör mir zu. Vergiss mal Mister Sweety. Ich muss jetzt zu Sherry, in Christophers Wohnung erwartet mich die Frau, die mich wohl mehr hasst als Mister Bush die Taliban. Gib mir jetzt Kaffee. Vielleicht ist es mein Henkerstrunk?“ Jetzt gefror auch Luke sein Lächeln. Damit hatte er nicht gerechnet.
„Ich also, ähm, ich wusste nicht...“ Luke zog einen Pappbecher heraus und schenkte ihn bis oben hin voll. „Ist schon gut, du konntest es ja nicht wissen.“ Versöhnlich nahm sie ihm den Becher aus der Hand. „Soll ich dich vielleicht begleiten?“ In Luke war sofort der Beschützerinstinkt geweckt.
Lorelai überlegte, sollte sie Luke mitnehmen? Dann sah es so aus, als hätte sie Angst vor Sherry. Aber dass hatte sie ja auch. Sie blickte Luke direkt an. Sah in seine tiefblauen Augen. Sah seine Sorge. Was könnte es schon schaden, wenn Luke sie begleitete?
„Kannst du denn hier weg? Ich meine, dein Laden, du bist Cafebesitzer, du kannst nicht einfach schließen.“ Lorelai war etwas verwirrt und viel darum wieder in ihre Plapperphase. „Sie dich mal um. Hier sitzt Kirk, der schon seid 2 Stunden an seinem Kaffee nippt.“ Luke schaute drohend zu Kirk hinüber, der kannte den Blick und sprang auf. „Und Taylor, der vergeblich versucht die richtigen Worte zufinden, wie er mich dazu kriegt, irgendeinem, neuen, völlig schwachsinnigem, Werbeplakat zuzustimmen. Raus jetzt Taylor!“ Lorelai blickte Luke mit großen Augen an. Was dieser Mann alles für sie tat.... Luke lächelte schwach: „So. Ich denke Mister Sweety ist bei seiner Familie gut aufgehoben. Lass uns gehen. Wann musst du da sein?“ Lorelai schaute auf die Uhr. „Oh bereits in 25 Minuten.“ Lorelai wunderte sich, war sie wirklich nur so kurz im Diner? Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor...


„Luke ich geh noch...“ Jess blieb unter dem Türrahmen stehen. Das Diner war leer. Seit wann war der Laden um diese Zeit zu? Jess schaute sich um. Ihm konnte es eigentlich Recht sein, er zog seine Lederjacke an, prüfte ob sein Buch Rosemarys Baby noch in seiner Gesäßtasche steckte und nahm den Ersatzschlüssel vom Haken, um die Türe aufzuschließen. Er blinzelte in die Sonne.
Vor ihm stand Rory.
Er spürte wie sein Herzschlag sich veränderte und er vergeblich gegen die aufkommenden Schmetterlinge kämpfte.
„Hi.“
„Hi.“
Konnte man sich noch weniger zu sagen haben, wenn man am liebsten den ganzen Tag nur mit ihr reden will?
„Ich hab noch dein Buch. Du hast es mir ausgeliehen.“
Auch Rory kämpfte gegen die Verlegenheit. Seid Sookies Hochzeit stand der Kuss zwischen ihnen.
„Kein Problem. Ich hab es ja schon gelesen.“
„Ja.“ Rory hatte das Gefühl ihre Stimme wäre zittrig. Hoffentlich bemerkte Jess dies nicht...
„Wie gefällt dir Narben? Hätte nicht gedacht, das am Ende Lucys Bruder der wahre Drahtzieher ist.“ Wenigstens konnten sie sich über Bücher unterhalten, dachte Jess und ignorierte seine feuchten Hände.
„So ging es mir auch. Aber ich fand es etwas übertrieben, dass die Narben aus einem SM-Studio stammen. Mir hätte es besser gefallen, wenn es so wie Doktor Alex sich es gedacht hat, gewesen wäre.“
„Ach, dass Jodie gar nicht tot, sondern nur umoperiert ist? Ja, das hätte mir auch besser gefallen.“ War jetzt der Bann gebrochen? Warum sah Rory auf ihre Uhr? Wollte sie sich nicht mit ihm unterhalten?
„Ich wollte eigentlich kurz zu Luke, etwas essen und Koffein tanken. Ist Luke nicht da?“ Rory wagte kaum in seine Augen zu schauen. Als sie es doch tat und sein intensiver Blick sie traf, spürte sie ganze Stromwellen durch ihren Körper zucken.
„Das Diner ist zu, Luke hat sich wohl mit Nicole aus dem Staub gemacht.“ Jess Augen klebten an Rorys und er bettelte fast nach ihrer Aufmerksamkeit.
„Oh Schade. Tja, dann muss ich wohl verhungern.“ Sie lächelte unsicher.
„Das kann ich nicht verantworten. Komm doch einfach rein, in der Küche hat es sicher noch Essbares und Kaffeekochen kann sogar ich.“ Hatte er das jetzt wirklich gesagt oder geträumt?
Rory überlegte. Was war schon dabei? Sie und Jess waren schließlich nur Freunde. Es war nichts verwerfliches dabei, sich von einem guten Freund einen Kaffee spendieren zu lassen.
„Okay, so ein Angebot nehme ich natürlich gerne an.“
Jess lief rückwärts in den Laden zurück. Jetzt war der Bann wirklich gebrochen.
„Bitteschön. Sie können sich einen Tisch aussuchen. Ich werde dann sofort eilen und sie bedienen.“ Jess machte einen Diner. Rorys Augen blitzten und dann hatte auch sie ihren Humor zurück gewonnen. Theatralisch lies sie sich auf einen Stuhl nieder und deutete Jess an, sich zu beeilen.


Emily fühlte sich wie ein in die enge getriebenes Kaninchen. Sherry schnippte ihre Zigarette achtlos auf den Läufer vor ihren Füßen.
„Ich wollte nur die Türe aufmachen und etwas frische Luft reinlassen.“ Sherry war noch nicht überzeugt. „Du wolltest abhauen. Hast wohl gedacht du könntest genauso heimlich wie Chris verduften oder was? Wahrscheinlich warst du auch noch auf dem Weg zu deiner verdammten Tochter. Gib es doch zu! Jedes verdammte männliche Wesen steht doch auf deine Tochter! Du musst doch unglaublich stolz sein, so ein Prachtkind zu haben!“ Sherry kam Emily bedrohlich nahe. Während sie sprach kam sie Emilys Gesicht immer näher, da sie etwa gleich groß wie sie war. Emily roch Sherrys Fahne. Es roch nach einer Mischung aus Wodka und Gin. Emily war entsetzt. Sherry war schwanger! Wie konnte sie so rücksichtslos sein und ihr Kind so vergiften?
„Warum sollte ich heimlich abhauen Sherry? Ich will Ihnen doch helfen. Ich wollte nur etwas frische Luft herein lassen, damit ich mich besser konzentrieren kann.“ Emily war bemüht ihre Stimme fest und sicher klingen zu lassen. Denn der Kloß in ihrem Hals wurde immer bedrohlicher.
„Geh rein. Los mach schon!“ Sherry schlug gegen ihre Schultern. Emily taumelte etwas nach hinten. „Rein jetzt!“ Sherry schubste Emily zurück in die Wohnung. Was ging in diesem kranken Menschen nur vor? Was wollte sie denn nur von Emily?
Die Tür krachte in ihr Schloss, dank eines Fußtrittes von Sherry. Emily stand wieder in der miefenden Wohnung. Vor ihr ein verwüstetes Chaos und hinter ihr eine offensichtlich durchgeknallte Frau. Die große Uhr an der Wand ließ Emily seufzten: Noch 20 Minuten bis Lorelai kam.
„Was stöhnst du hier so rum! Mach dich lieber mal an die Arbeit. Vom dummen Rumstehen findest du die Unterlagen nicht. Los such sie. Sie sind irgendwo hier.“ Sherry machte eine ausschweifende Handbewegung und zeigte auf die zertrümmerte Wohnung. Sie lachte gehässig:
„Wer weiß, vielleicht hab ich die Sachen längst verbrannt? Oder zerschnitten? Ha,ha,ha,ha. Viel Spaß beim suchen.“
Das Geräusch das Emily jetzt hörte machte ihr Angst: Sherry drehte den Schlüssel herum und zog ihn ab. Jetzt war Emily gefangen. Und Sherry hatte den Schlüssel. Was sollte sie jetzt tun? Was hatte Sherry vor?


Rory lachte und kicherte wie ein kleines Mädchen. In den letzten paar Tagen hatte sie Jess mehr vermisst als sie sich eingestehen wollte. Rory war längst mit dem Essen fertig, der Teller vor ihr war leer und ihre Tasse ebenfalls. Trotzdem machte keiner von beiden Anstalten zu gehen. Lesen konnte Jess auch nachher noch.
Dann wurde Jess Gesichtsausdruck ernster:
„Rory, ich hab schon mal bei dir angerufen, wegen der Sache mit deinem Dad.“ Das Lächeln auf Rorys Lippen gefror. „Deine Mutter war dran und meinte du schläfst. Sie hat wohl vergessen dir auszurichten, dass ich angerufen habe? Aber ist auch nicht so schlimm.“ Rorys Gesicht erschreckte Jess. Hätte er doch nicht davon anfangen sollen? Aber er wollte doch für Rory da sein, er war sicher: er könnte ihr helfen, wenn sie es wollen würde.
„Es tut mir wirklich leid mit deinem Vater.“ Er sah sie mit so viel Mitgefühl an, dass Rory spürte wie ihr die Tränen in die Augen schossen. Auch Jess bemerkte es. Er stand auf. Rory blickte ihn hilflos an.
„Hey. Es ist okay. Ich habe auch keinen Vater. Ich hatte noch nie einen. Sei lieber glücklich darüber, dass du einen hattest.“ Er zog Rory von ihrem Stuhl hoch. Rory fühlte wie sich ihre Trauer veränderte. Sie war nicht mehr sauer und wütend auf ihren Dad.
„Vielleicht hast du Recht.“ Tränen bahnten sich leise ihren Weg über ihre Wangen. Jess breitete seine Arme aus und wartete. Rory brauchte Zeit. Zaghaft ging sie auf Jess ein. Legte ihren Kopf an seine Schulter und lies die Tränen laufen. Jess spürte die Tränen durch sein T-Shirt hindurch.
„Klar hab ich Recht. Ich hatte schon Recht was die alte Gwendolyn angeht, ich wusste gleich, dass die gewusst hat, wer Lucy umbringen wollte.“ Jess schaffte es sogar jetzt einen Ansatz von Lächeln auf Rorys Lippen zu zaubern.
„Sieh mal. Dein Dad hat dich geliebt. Er war für dich da, hat dir Bücher gekauft. Jetzt ist er tot. Aber er liebt dich weiter. Kein Mensch kann ewig Leben, Rory. Verstehst du was ich meine?“ Sie lehnte ihr Gesicht an seinen Hals. Stumm nickte sie, sie verstand was Jess ihr sagen wollte.

„Rory? Was machst du hier?“ Dean fühlte sich wie in einem schlechten Film. Jetzt hatte er den ganzen Mittag genug Mut angesammelt, um zu Rory nach Hause zu gehen und dann sah er dass: Rory stand im menschenleeren Diner und Jess umarmte sie. Was lief hier?
Jess lies Rory los und drehte sich um. Er blickte in zwei Augen aus Stein. Deans Brustkorb hob und senkte sich gewaltig. Dean war auf 180. Rory wischte schnell ihre Tränen aus dem Gesicht.
„Dean, wie kommst du denn hier her?“ Sie wusste nicht was sie sagen sollte. Denn sie wusste ja nicht einmal selbst, was sie hier tat.

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And I start to feel for him again. Stupid me.
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#22

Kapitel 21

Luke lehnte seinen Arm auf die Beifahrertür. Um zu Sherrys Wohnung zu gelangen mussten sie die Stelle passieren: Die Straße und der Pinienwald, der alte Baum der Chris Leben beendete. Und damit das Leben anderer teilweiße zerstörte. Luke erinnerte sich genau daran, vor weniger als 2 Tagen stand er selbst an der Stelle. Jetzt war er froh, dass er nicht ausgestiegen war. Sein Blick wanderte von der Straße weg auf den Tachometer, Ob sie wusste, dass sie gleich an die Stelle kam? Luke kannte die Strecke, es waren nicht einmal mehr 2 Kilometer bis zu dem großen alten Baum. Lorelai fuhr nicht gerade schnell, aber selbst bei Tempo 30 würden sie in nächster Zeit den kaputten Stamm sehen. Luke hoffte, dass wenigstens die Glassplitter und die platt gefahrenen Sträucher entfernt wurden. Wie würde Lorelai reagieren?
Lorelai war bemüht sich auf die Straße zu konzentrieren. Sie spürte wie sich Schweißperlen auf ihrem Nacken bildeten. Es war leichter Christophers Tod zu ignorieren als direkt damit konfrontiert zu werden. Sie war noch lange nicht über Christopher hinweg, egal wie sehr sie versuchte sich dies einzureden. Vielleicht brauchte sie einfach noch etwas Zeit? Vielleicht war es doch keine so gute Idee zu Sherry zu fahren? Ihr Fuß ging vom Gas und drückte auf die Bremse. Sie brauchte Zeit. Zeit um zu überlegen.
Auch Luke spürte wie das Auto langsamer wurde. Kurz vor dem Stopschild, dass auch ihn damals aufmerksam machte, kam der Wagen zum stillstand. Lorelai drehte den Zündschlüssel auf Aus. Es war eine gefährliche Stelle. Wenn Luke sich nach vorne beugen würde könnte er den Unglücksbaum sehen. – Gut das Lorelai es nicht wusste. Nachdem auf der ganzen Fahrt über beide geschwiegen hatten, räusperte sich Luke:
„Lorelai? Wir haben nicht mehr viel Zeit. Du musst bald da sein.“ Das war ja wohl das undiplomatischste, was du jemals von dir gegeben hast Luke Danes!
„Ich weiß. Aber es ist nicht so einfach, weißt du?“ Lorelais Stimme klang schwach. Würden gleich wieder die schmerzhaften Tränen, die ihr das Gefühl gaben, machtlos auf dieser Welt zu sein, den Weg in ihre Augen finden und in die Freiheit laufen und sie mit dem Schmerz alleine zurück lassen? Sie versuchte ein zartes Lächeln: „Ich will ja weiter fahren, aber es geht nicht. Siehst du?“ Unbeholfen stampfte sie mit ihrem Fuß neben dem Gaspedal auf. „Ich kann einfach nicht.“ Blickte sie Luke entschuldigend an.
„Wenn du willst fahr ich weiter?“ Schon war Luke abgeschnallt und bereit auszusteigen.
„Das wäre vielleicht eine gute Idee, denn die Leute hinter uns finden meine kleine Pause wohl nicht so lustig.“ Jetzt bemerkte auch Luke die vorbei rauschenden Autos die mit unfreundlichen Gesten und Gehupe darauf aufmerksam machten, dass ihnen dieser spontan Stop keines Wegs in den Kram passte.
„Also, dann los“ Schnell war Luke ausgestiegen und Lorelai auf den Beifahrersitz geklettert. Luke lief schnellen Schrittes um den vorderen Teil des Wagens - um nicht doch noch die Wut der anderen Autofahrer abzubekommen – und setzte sich hinter das Lenkrad. Aber nachdem er ordnungsgemäß angeschnallt war fuhr er immer noch nicht los.
„Luke? Da geht das Auto an.“ Sie zeigte auf den Zündschlüssel.
Luke drehte den Schlüssel und lies den Motor kommen. „Sieh es als eine Art Schocktherapie an. Vielleicht hilft es dir ja. Oder am besten schaust du einfach weg. Schau die Bäume nicht an.“ Er trat auf das Gas. Der Tacho kam in Bewegung und in angemessener Geschwindigkeit rollten sie an dem verhängnisvollen Baum vorbei. Lorelai erwartete Angstzustände, Panikattacken oder zumindest Heulkrämpfe. Sie blinzelte zwar, aber schaute die Bäume an. Und dann sah sie den Baum: Er hatte tiefe Schnittwunden an der gesamten Frontansicht des Stammes. Der Aufprall musste sehr hart gewesen sein, dies hieße doch, dass Christopher wenigstens keine Schmerzen gehabt haben konnte? Denn bei so einer Wucht war Chris sicher längst ohnmächtig gewesen.
Lorelai wusste noch genau, wie Chris ihr einmal erzählt hatte, das er unter keinen Umständen mit Schmerzen sterben wolle.
Sie atmete tief ein. Und dann war es auch schon vorbei. Der Pinienwald wurde wieder dichter und Leuchtreklame lenkte von dem Gestrüpp dahinter ab. Lasch lehnte sie ihren Kopf gegen die Kopfstütze ihres Jeeps. Sie war froh es überstanden zu haben. Jetzt würde sie sogar Sherry gegenüber treten können. Und ihrer Mutter endlich ein für alle mal erkläre, dass sie und Christopher kein Paar mehr waren. Nicht weil sie ihn nicht liebte, sondern zu ihrem eigenen Schutz vor seiner Macht sie wieder zuverletzen.
Luke achtete genau auf die Sicherheit. Er gab sich die größte Mühe sicher zu fahren, daher konnte er Lorelais Reaktion auf die Unfallstelle nicht sehen. Aber sein Gehör achtete genau auf die Person neben ihm. Würde sie aufhören zu atmen? Oder zu schluchzen anfangen? Luke hörte gar nichts. Es schien als hätte Lorelai die Luft angehalten. Luke vermied es die Unfallstelle noch einmal zusehen. Es genügte ihm noch vom letzten Mal. Die Bilder saßen fest verankert in seinem Kopf und er wurde sie nicht los. Dann war es vorbei. Er hörte Lorelai seufzen. Sollte er etwas sagen? Sie aufmuntern? Sie trösten? Sie ablenken? Er blieb stumm. Ihm viel einfach keine passende Antwort ein.




„Wie ich hier herkomme? Sollte nicht lieber ich das fragen, Rory?“ Dean hatte Mühe seine Stimme nicht so wütend klingen zulassen, wie er tatsächlich war. Er hatte eigentlich kein Recht Rory vorzuschreiben, wo sie sich aufhielt und mit wem. Aber dass sie sich ausgerechnet immer wieder mit Jess treffen musste? Wo doch die ganze Stadt wusste, dass Jess ein Auge auf Rory geworfen hatte. Rory sagte zwar, sie würde ihn lieben. Aber konnte er da sicher sein? Er ging davon aus, Rory würde zuhause sitzen und lernen, aber nein, sie war mit Jess in dem leeren Diner. Ob Jess das extra organisiert hatte? Schließlich war der Laden sonst um diese Zeit offen? Und warum hielt Jess Rory im Arm?
„Dean, es ist nicht das, wonach es aussieht. Jess hat mich nur getröstet, wegen meinem Vater.“ Rory war verwirrt. Es war ihr gar nicht recht, dass Dean aufgetaucht war. Sie hatte das Gefühl, sich für diesen Gedanken schämen zu müssen aber es gelang ihr nicht. Wie konnte sie sich ärgern, dass ihr Freund, der Junge den sie liebte, auftauchte?
Dean schluckte schwer. Jess tröstete sie also wegen Chris? Aber das hatte er doch schon gestern Nacht getan, er hielt sie sogar im Arm, bis sie einschlief. Er hatte alte Fotos mit ihr angeschaut. War dies denn immer noch nicht genug? Was sollte er denn noch alles tun?
„Rory, ich glaube es ist besser wenn ihr beide jetzt geht. Ich muss eh den Laden aufräumen.“ Jess ignorierte den aufgebrachten Felsen vor ihm und ging zur Türe. Als er sie öffnete kam ihm die abendliche frische entgegen. „Los jetzt, raus ihr zwei. Ihr habt noch einiges zu bereden.“ Energisch zeigte er nach draußen. Sein Blick fiel hinaus auf die Straße und er konnte sich nur knapp einen Seufzer verkneifen:
„Jess, huhu!“ Shane kam von der anderen Straßenseite herüber und fiel Jess direkt und ohne Vorwarnung in die Arme. Sie ignorierte die komische Situation im Diner einfach und fing direkt an Jess zu küssen. Jess wehrte sich nicht dagegen und lies sie gewähren, immerhin war Dean ja auch noch da.
Rory spürte wie sehr ihr die Szene missfiel und beeilte sich, Dean bei der Hand zu nehmen und ihn aus dem Diner zu ziehen. Enttäuscht drehte sie sich noch einmal in der Türe um. Jess würdigte sie keines Blickes mehr, zu sehr war er mit dem wasserstoffblonden Geschöpf beschäftigt. Es war offensichtlich, dass Shane kein tiefsinniges Gespräch führen wollte: „Tür zu!“ Rief sie in einer kurzem Atempause, währen sie Jess bereits sein Shirt über den Kopf zog. Rory wandte sich beleidigt wieder Dean zu. Sie brauchte Jess nicht. Sie hatte einen wundervollen Freund, der wenigstens soviel Anstand besaß, andere Leute zu begrüßen und sich zu verabschieden.


Kaum hörte Jess, wie die Tür hinter Dean und Rory zu fiel, schubste er Shane weg, zog sich sein Shirt wieder über den Kopf und fuhr sich durch die Haare.
„Man, was soll dass?“ quengelte Shane und rückte wieder näher an Jess ran. Provozierend öffnete sie die ersten Knöpfe ihrer Bluse und gab die Sicht auf ihren Oberkörper frei. Jess blies genervt die Luft aus seinen Lungen. Shane lies sich nicht beirren und legte ihre Hände in seinen Nacken.
„Seit wann bist du so schüchtern?“ Auffordernd drückte sie sich gegen seinen Brustkorb. Es ist niemand hier.“, schnurrte sie. Jess Augen wanderten von ihrem Bauchnabel hoch bis zu ihrem Mund. Es könnte so einfach sein, dachte er. Es wäre perfekt. Sein Blick fiel auf die emotionslosen Augen, die durch ihn hindurch sahen. Warum kann ich sie nicht lieben?
„Lass, Shane. Ich muss den Laden abschließen.“ Nicht gerade zimperlich packte er Shane an der Hüfte und schob sie zielstrebig von sich. Eilig ging er auf die Ladentür zu, drehte den Schlüssel rum und sah Rory und Dean durch die Scheibe hindurch. Er ignorierte die Schmetterlinge in seinem Bauch, als er sah, wie Dean Rorys Hand los lies und immer noch wie ein wütender Stier schnaubte.
Als er sich umdrehte saß Shane lasziv auf der Theke und wartete nur auf den richtigen Moment, um ihre Beine zu spreizen. Der Minirock, den sie trug, zeigte mehr als er verhüllte.
Jess verdrehte die Augen: „Komm da runter, dass ist ein anständiges Lokal.“ Jess versuchte gar nicht erst, den Sarkasmus in seiner Stimme zu unterdrücken. Shane beobachtete Jess, wie er am Tresen vorbei ins Apartment hoch lief. Außer einem anerkennenden Pfeifen für Jess Rückseite machte sie keine Anstalten sich zu bewegen.
„Luke ist nicht ewig weg.“ brummte Jess. Als er Shane endlich die Treppe hochkommen hörte zog sein Shirt wieder aus.


„Was sollte dass, Rory?“ Dean ertrug es nicht mehr ihre Hand in seiner zu spüren. Er wusste genau, er würde nur wieder weich werden und ihr alles verzeihen. Rory spürte die Wut in ihr aufkommen. Was genau sie so wütend machte, wusste sie nicht. Sie und Jess waren nur Freunde und das würde auch ewig so bleiben. Dass hatte ihr Jess gerade eindrucksvoll bewiesen. Es war unfair, dass sie jetzt Stress mit Dean hatte und er sich mit seiner Barbie vergnügen konnte. Rory wunderte sich, wie sie so viel Hass und Abscheu Shane gegenüber empfinden konnte.
„Was denn Dean? Jess und ich sind nur Freunde, wie oft noch? Was ist denn so schlimm daran, dass ich mit Jess im Diner war und etwas gegessen hab!“ Rorys Stimme klang genervter als beabsichtigt. Es war nicht fair. Es war einfach ungerecht, dass sie sich jetzt streiten musste.
„Ich weiß ja, dass ihr nur Freunde seit. Aber du musst zugeben, es sieht schon komisch aus, wenn er mit dir allein im Diner ist und ihr euch innig umarmt. Und dann? Dann komm ich und ihr springt schnell auseinander. Was würdest du denn denken Rory?“ Dean klang schon etwas ruhiger. Bevor Rory antworten konnte stürtze Miss Patty auf die beiden zu:
„Rory Engelchen. Dean.“ Sie sagte Dean mit einem solchen Unterton, als würde sie mit Brad Pitt persönlich flirten. „Ihr zwei Turteltäubchen streitet euch doch nicht etwa?“ Man konnte Miss Patty ihre Neugier an der Nasenspitze ansehen. „Und überhaupt. Weshalb ist denn das Diner zu? Wo ist Luke?“ Rory hatte wenig Lust als Miss Pattys Quelle zu dienen.
„Nein, Patty. Bei uns ist alles in Ordnung.“ Unsicher schob sie ihre kalte Hand in Deans warme große Hand. „Wir müssen dann auch los, Patty.“ Sie schenkte Patty ihr Sonntagslächeln und zog Dean energisch weiter. Mitten auf der Straße vor dem Diner war wirklich nicht der perfekteste Ort um sich zu streiten.
„Bitte Rory, ich will mich nicht streiten. Ich hab nur Angst um dich.“ Angst um sie? Er wollte sich am liebsten selbst Ohrfeigen. „Ich meine, nicht dass Jess gefährlich ist oder so. Ich hab Angst um unsere Beziehung.“ Dean machte sich gerade ziemlich verletzlich, dass wusste Rory. Aber sie hatte es einfach satt, sich immer wieder für Jess rechtfertigen zu müssen.
„Dean, zum letzten Mal. Wenn ich an einem Quickie auf dem Tresen interessiert wäre, würde ich mich schon bei dir melden okay? Ich bin mit dir zusammen. Mit DIR! Was willst du mehr?“ Dean schluckte. Wusste Rory wirklich nicht, was er mehr wollte?

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And I start to feel for him again. Stupid me.
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#23

Kapitel 22

Emily war es leid sich sorgen zu machen. Sie wusste zwar nicht, warum Sherry die Tür abschloss, aber bitte, wenn es ihr Spaß machte. Sie wusste nicht, woher der plötzliche Mut kam, nur dass sie die Tatsache, dass es nur noch wenige Minuten bis zu Lorelais Besuch war, ihr half. Sie stütze. Bis Lorelai hier war, konnte Emily einiges tun:
„So Sherry. Die Luft hier drin ist wirklich unpassend.“ Sie rümpfte die Nase und stellte die Arme in die Hüften. „Was halten sie davon, wenn wir hier erst einmal für ein bisschen Ordnung sorgen? So wie es hier aussieht, kann man ja nicht hausen.“
Sherry lehnte sich gegen die Tür. Sie faltete ihre Arme vor der Brust und lies Emily reden. Während Emily anfing, ihr zu erzählen, was man hier alles tun konnte, machte sich ein schauriges Grinsen auf ihren Lippen breit.
„...ich denke, es kann nicht schaden, wenn wir erst einmal den ganzen Papiermüll wegräumen.“ Emily war es sonst zwar nicht gewöhnt, selber Hand anzulegen aber so würde wenigstens die Zeit vergehen. Sie bückte sich umständlich und hatte bereits den ersten Papierfetzen in der Hand, es war ein Ausschnitt von dem Rumpf eines Menschen. Dann spürte sie den Schmerz in ihrer Wirbelsäule. Was war dass? Vorsichtig drehte sie ihren Kopf nach rechts. Sherrys Fuß stand hart auf ihrer Wirbelsäule und Sherry machte keine Anstalten den Druck zu verringern.
„Der Müll bleibt wo er ist. Ich habe ihn zerstört. Weder du noch deine Dreckstochter werden ihn zurück bringen!“ Sherry funkelte Emily an. Emily lief einen Schritt nach vorne. Noch nie in ihrem Leben hatte ihr jemand seinen Fuß in den rücken gebohrt.
„Gut, dann lassen wir die Fotos eben erst mal liegen. Aber gegen frische Luft werden Sie nichts einzuwenden haben oder?“ Emily versuchte ihr aufkommendes Herzrasen zu ignorieren und schaffte sichere Distanz zwischen Sherry und sich, indem sie in die Küche lief. „Sie haben hier doch sicher irgendwo Raumspray und Putzlappen? Und um den Brandfleck im Wohnzimmer muss sich unbedingt ein Spezialist kümmern.“ Emily erkannte gute Qualität und ihr Marken geschultes Auge, sagte ihr, dass die Einrichtung in dieser Wohnung keines Wegs billig oder leicht ersetzbar war.
„Wann kapieren Sie es endlich Emily? Hier wird nichts verändert. Außer vielleicht ihr Leben. Wir warten nur noch auf deine Tochter. Dann ist Zeit für Rache.“ Emily wusste nicht, ob sie Sherry ernst nehmen konnte. Langsam aber sicher bekam sie wirkliche Angst vor dieser Frau. Aber Emily kannte die Masche: Sie setzte ein freundliches Grinsen auf und redete weiterhin auf Sherry ein:
„Wollen Sie nicht erst einmal etwas trinken? Oder haben Sie Hunger?“ Emily öffnete den Kühlschrank. Aber außer ein paar leeren Bierflaschen und angeschimmelter Ananas, sowie literweiße kohlensäurearmes Wasser, war er leer.


Lorelai atmete die schwüle Luft des Jeeps. Ihre Klamotten klebten an ihrem schweißnassen Körper. Die Schweißperlen strömten nur so ihren Rücken hinunter. Die ganze Sache war doch anstrengender als sie gedacht hatte. Sie fühlte sich, als würde eine tonnenschwere Last auf ihren Schultern liegen und sie unaufhörlich nach unten drücken. Sie bemerkte nicht, wie sich die Landschaft um sie herum veränderte: Der grünende Wald wurde lichter und die Reklame schriller. Langsam aber sicher kamen sie Christophers Wohnung näher. Lorelai schloss die Augen. Sie entspannte ihre gestressten Augen. Es tat gut einfach nur nichts zu sehen. Sie wünschte ihre Sinne und Gefühle ebenfalls abstellen zu können. Einfach nur atmen und existieren. Ohne Gefühle und Ängste. Ihr Herz klopfte ihr bis in den Hals.
Vor ihrem inneren Auge sah sie die keifende Sherry, wie sie im Krankenhaus stand und sie wüst beschimpfte. Ausschnitte aus Christophers Abschiedsbrief erschienen in ihren Gedanken:
„Ich habe Lorelai schon immer geliebt und werde sie auch immer lieben.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
„Ich könnte mit dir eine neue Familie aufbauen – oder meine erste Familie endlich zusammen führen.“
Es tat weh. Lorelai kämpfte verzweifelt gegen das aufkommende Schluchzen, dass sich in ihrer Kehle ausbreitete.
„Ich will Lorelai und nicht dich. Ich werde Lorelai einen Antrag machen und ich bin sicher dass sie ihn annehmen wird.“ Sie hielt die Luft an. Presste ihre Lippen aufeinander. Ihr war, als würde sie explodieren. Ihr Kopf pulsierte. Es war ein ewiger Kreislauf. Würde es denn nie enden? Ihr Blut rauschte in ihren Ohren. Sie hörte ihren eigenen Herzschlag. Ihr wurde schwindelig. Alles drehte sich um ihre eigene Achse.

„Lorelai? Geht es dir gut?“ Luke hatte schon seit einigen Minuten bemerkt, dass Lorelai sehr still war und die Augen geschlossen hielt. Ihr Kopf lehnte matt an der Stütze und ihre Hände lagen regungslos in ihrem Schoß. Luke musste sich auf die Straße konzentrieren und sah Lorelai deshalb nur aus den Augenwinkeln. Seine Augen waren zwar auf die Straße gerichtet aber sein feines Gehör achtete genau auf Lorelai.
Lorelai wurde aus ihrer Traumwelt gerissen. Sie schlug ihre Augen auf und blickte auf die Straße vor sich. Die grünen Straßenschilder in der Luft zeigten Lorelai wo sie sich befand, den für einen Moment war sie ziemlich orientierungslos. Energisch vertrieb sie die Tränen in ihren Augen. Hob ihren Kopf und streckte ihre Arme. Sie streckte ihre Finger und schaute Luke mit ihren tiefblauen Augen an.
„Mir? Ja Luke, mir geht es ausgezeichnet. Mir war nur eben schwindelig.“ Luke hielt seinen Blick weiter auf die Straße gerichtet.
„Gut, wir sind bald da Lorelai. Bist du dir sicher dass du dahin willst?“ Lorelai strich sich eine feine Haarsträhne von der Stirn. Sie atmete tief ein. Dann saß ihre Maske wieder perfekt. Sie setzte sich aufrecht hin und setzte ein Lächeln auf:
„Ja Luke. Das bin ich. Wie du weißt sind Christopher und ich nicht mehr zusammen. Sein Tod ändert nichts an der Situation. Ich geh da rein und sag meiner Mutter, dass ich die Beerdigung nicht organisieren werde und dann geh ich wieder.“ Luke schielte zu Lorelai. Er kannte sie gut genug um zu wissen, dass ihr neuer Mut und ihr Lächeln nicht echt waren. Er schluckte den aufkommenden Schmerz hinunter. Lorelai war noch lange nicht über Christopher hinweg....


Emily klappte die Kühlschranktür wieder zu. „Ja, eigentlich hab ich schon Hunger. Koch was für mich!“ Sherry stand drohend vor Emily und blickte sie herrisch an. „Sherry, ich kann nicht kochen! Zuhause habe ich eine Köchin für so was. Aber ich kann Ihnen gerne etwas bestellen? Worauf haben Sie denn Lust?“ Emily und kochen? Nein, das war wirklich zuviel verlangt. Schließlich war sie nicht der persönliche Dienstbote für diese Person. Sie stütze ihren linken Arm an ihre Hüfte. „Haben Sie irgendwelche Angebote im Haus?“ Sie hielt zwar nicht viel von solchem Home-service, aber wenigstens würde sie so Sherry loswerden.



Zaghaft nahm Dean Rorys Hand in seine. Die Wärme von ihr beruhigte ihn und gab ihm ein gewisses Gefühl von Sicherheit. Er konnte die Angst, seine Freundin zu verlieren einfach nicht unterdrücken, so sehr er auch immer wieder versuchte, dagegen anzukämpfen.
Rory erwiderte seinen Händedruck. Sie war froh einen Freund wie Dean zu haben. Aber warum musste sie immer wieder an Jess denken? Warum erschien sein Gesicht immer wieder vor ihren Augen? Warum musste sie immer wieder an sein Lächeln denken? Warum spürte sie immer noch seine warme Haut und fühlte immer noch ein seltsames Feuerwerk in ihrer Magengegend, wenn sein fordernder Blick sie streifte? Warum sehnte sich ihr ganzer Körper danach, ihren Kopf wieder an seinen Hals zu legen? Warum schien ihr ganzer Körper zu explodieren wenn er ihre Haare berührte?
„Rory?“ Sie gingen schon eine Weile schweigend nebeneinander her. Jetzt waren sie an der Kreuzung neben der Tanzschule. Dean konnte entweder mit Rory nach links laufen oder in die entgegengesetzte Richtung nach Hause gehen.
„Hm?“ Rory schreckte aus ihren Gedanken hoch. Wieder überkam sie ein Schamgefühl. Es war nicht in Ordnung mit seinem Freund zusammen zusein und dabei ständig an einen anderen zu denken.
„Soll ich noch mit zu dir kommen?“ Rory blieb stehen und blickte zur Kreuzung. Ausnahmsweise war die Tanzschule leer und geschlossen. Weder Miss Patty, mit ihrer Zigarette und vielen kleinen Ballerinas, noch Taylor waren weit und breit zu sehen.
Rory schaute zu Dean hoch. Seine grünen Augen blickten erwartungsvoll auf sie herab. Er würde sehr gerne noch mit zu ihr kommen.
„Ich weiß nicht, was sollen wir bei mir machen?“ Rory war unschlüssig. Eigentlich würde sie viel lieber nach Hause gehen, sich in ihrem Zimmer verkriechen, Eiscreme essen und einfach nicht mehr nachdenken.
„Nun ja, wir könnten uns ja auf die Veranda setzen und ein bisschen rumknutschen?“ Dean umfasste ihre Ellenbogen und zog sie sanft an sich. Liebevoll senkte er seinen Kopf und berührte ihre Nasenspitze zärtlich mit seiner Nase. Rory wurde sofort von einer Glückswelle überrollt. Als Dean ihre Unterlippe berührte und sie in seine Arme zog war Jess vergessen. Glücklich sog sie seinen Geruch ein und legte ihre Arme in seinen warmen Nacken. Als sie seinen Kuss erwiderte wusste sie wieder warum sie mit Dean zusammen war und ihn liebte.
Als Dean sich schließlich von Rorys weichen Lippen trennen musste um Luft zu holen, grinste Rory ihn an. „Eine gute Idee. Komm“ Sie nahm seine Hand. „gehen wir.“ Gut gelaunt zog sie seinen Arm um ihre Schulter. Dean, der nur zu gerne seinen Arm um sie legte, genoss das Gefühl, dass auf seiner Haut entstand, als Rory ihren Arm um seine Hüfte legte. Vergessen war der Streit und entgültig vergessen war Jess – zumindest für die nächsten Stunden.


„Kann ich duschen gehen?“ Shane kletterte über Jess und hievte sich vom Bett hoch. Jess lehnte an sich gegen das Kopfende des Bettes und blies den Zigarettenrauch an die Zimmerdecke. Er beobachtete Shane, die nackt wie sie geboren wurde, zur Treppe lief, ihre Bluse und ihren Rock holte.
Vor nicht einmal einer halben Stunde stand er noch mit Rory im Diner und hielt sie im Arm. Er fasste sich mit seiner rechten Hand genau an die Stelle, an der zuvor noch Rorys Kopf ruhte. Seine Fantasie gab ihm das Gefühl, Rory noch immer riechen zu können und den Duft ihrer weichen Haare zu schmecken. Vorsichtig streichelte er über seinen Hals. Der Zigarettenrauch, von der Zigarette in seiner Hand, stieg ihm in die Nase. Das kalte Nikotin lies das wunderbare Gefühl verschwinden und er kehrte zurück in die Wirklichkeit: Er lag nackt in seinem Bett und unter der Dusche stand seine Freundin, die nicht das Mädchen war, dass er liebte: Rory. Er nahm einen tiefen Zug von der Zigarette. Als er den Rauch durch die Nase ausatmete sah er wieder Dean, der Rorys Hand so grob losließ. Das einzigste, dass ihn tröstete, war, das Rory scheinbar nicht so glücklich wie Jess war, wie alle sagten. Shane stellte die Brause ab. Er wusste, dass es nicht fair war, sie so zu benutzen. Aber Shane liebte ihn genauso wenig wie er sie. Es war okay eine Beziehung auf sexueller Basis zu führen. Er wusste, das Rory und Dean viel mehr verband. Er erinnerte sich genau an seinen einzigsten Versuch, mit Shane zu kommunizieren: Er fragte sie nach verschiedenen Büchern. Shane allerdings kannte nicht einmal die Titel von den zwanzig Büchern, die Jess ihr aufzählte. Jess war sich manchmal nicht sicher, ob sie überhaupt lesen konnte. Außerdem hatte er ja so etwas wie ein Freundschaft mit Rory. Mit ihr konnte er über Bücher reden. Warum sollte er nicht auch seinen Spaß mit Shane haben, wenn Rory sich mit Dean vergnügte?
„Jeeeeeeess, hier hats nur ein Handtuch. Ich brauch aber mindestens 3. Kannst du mir noch welche bringen?“ Jess seufzte, machte seine Kippe in dem Aschenbecher auf dem Tisch neben dem Bett aus und zog seine Boxershorts an, die auf dem Boden vor dem Bett lagen. Während er seine Shorts über sein Hinterteil hochzog und bereits auf dem Weg ins Badezimmer war, viel sein Blick auf die Angel von Luke. Er fragte sich, wo Luke sich rumtrieb. War er etwa wieder mit seiner Ehefrau in ihrer Wohnung? Jess musste den Kopf schütteln bei dem Gedanken. Seit er dass erste mal in Stars Hollow war, sah er wie sehr Luke Lorelai verehrte. Er verstand nicht, warum Luke diese Nicole heiraten musste....
Als Jess die angelehnte Tür aufstieß stand Shane gerade vor dem Spiegel. Ihr Körper war völlig nass und im ganzen Bad lag eine feuchte Duschgelwärme in der Luft. Sie hatte ein Frotteehandtuch von Luke um den Kopf gewickelt.
„Willst du nicht auch duschen gehen?“ Jess zuckte mit den Schultern und stieg unter die Dusche. Seine Shorts lies er an, er wusste es würde keine Minute vergehen ehe Shane ihm Gesellschaft leisten würde... Er stellte sich mit dem Rücken zum Spiegel und lies das Wasser laufen. Er schloss die Augen und entspannte sich. Der heiße Wasserstrahl auf seinem Kopf tat ihm gut. Kaum tropfte ihm dass Wasser an den Beinen hinunter spürte er, wie Shane hinter ihm in die Dusche stieg und an seinen Shorts zerrte.....


Wie lang dauert das denn noch?“ Sherry lehnte an dem dreckigen Herd und sah Emily zu, die die vielen Schubladen der Küchenschränke durchwühlte, auf der Suche nach einem Pizzadienst.
„Mach mal schneller!“ Herrschte Sherry sie an und schmiss dabei bei einer unkontrollierten Armbewegung einen gläsernen Nudelbehälter um. Das Glas fiel um und traf auf ein Messer dass zwischen lauter anderem Gerümpel auf der Arbeitsplatte lag. Das Glas splitterte sofort in tausend Teile und ein Scherbenregen ging auf Emilys Beine herab. Sie spürte die winzigen Splitter die sich sofort in ihrer beigen Hose verankerten. Da sie hinten keine Augen hatte, war sie nicht sicher ob es Zufall war, oder ob Sherry das Glas nach ihr schmeißen wollte. Sie gab der geöffneten Schublade einen Schubs und drehte sich langsam um. Sherry saß noch immer auf dem Herd und ignorierte die Scherben. Gerade als Emilys Blick Sherrys streifte klingelte es an der Türe. Gott sie Dank, dachte Emily. Endlich kam Lorelai!

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And I start to feel for him again. Stupid me.
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#24

Kapitel 23

Dean seufzte tief aus dem Bauch heraus. Er saß seit mindestens einer Stunde mit Rory auf der Veranda und küsste sie. Rory hatte ihre Knie über seinen Schoß gelegt und küsste abwechselnd seine Lippen und seinen Hals. Jedes Mal, wenn Rorys Lippen und ihre feuchte Zunge seinen Hals berührten fuhr ein wohliger Schauer durch seinen Körper. Er wusste nicht, wie sie es machte und ob es ihre Absicht war, aber Rory brachte ihn beinahe um den Verstand. Liebevoll streichelte er ihre Wange und zwirbelte eine lange Haarsträhne von ihr um seinen Zeigefinger. Als sie gerade ihren Kopf zurück zog um den lebensnotwendigen Sauerstoff zu atmen sah sie Dean tief in seine Augen. Rory atmete tief ein und Dean bekam ein schelmisches Grinsen auf die Lippen. Er beugte sich nach vorne und fing an Rorys Ohr zu küssen und arbeitete sich zärtlich zu ihrem Schlüsselbein vor. Rory spürte Deans Haare an ihrem Hals und musste lachen, da seine langen Haare sie kitzelten. Dean hielt sofort inne und schaute Rory an. Diese wollte das prickelnde Gefühl an ihrem Hals aber nicht verlieren und schloss demonstrativ die Augen. Brav tauchte Dean wieder ab und liebkoste ihr Schlüsselbein.

„Babette! Babette! Schau dir an was deine Katze mit meiner Hose gemacht hat! Babet...“
„Pscht! Morry geh wieder rein!“ Babbette, die sich hinter einem halb hohen Busch gekauert hatte und mit Tränen in den Augen Dean und Rory beobachtete, zeigte ihrem Mann wirsch dass er verschwinden sollte.
„Aber er hat...“ Babbette blickte drohend zu ihrem etwa 3 Köpfe größerem Mann hinauf. Morry verstummte und machte kehrt. Bevor er wieder im Haus verschwand murmelte er:
„Glaub bloß nicht, dass du damit durchkommst Katze. Das ist nicht cool.“
Babbette duckte sich wieder hinter den Busch und hoffte das Dean und Rory nichts bemerkt hatten. Aber als sie einen Blick auf die Veranda wagte winkte ihr Rory fröhlich zu:
„Hallo Babbette! Solltest du dich nicht lieber um deinen Mann kümmern? Morry klang sehr verärgert.“ Rory grinste amüsiert: „Außerdem ist es doch dreckig auf dem Boden und dir tun sicher schon die Knie weh. Ich verspreche auch, dir nachher alles haarklein zu erzählen.“
„Das machst du nicht wirklich oder?“, sagte Dean und hob Rorys Beine von seinem Schoß bevor er aufstand.
„Na gut ihr Süßen! Aber vergiss nicht – haargenaue Details ja?“ Langsam hievte sie sich hoch und folgte den Spuren ihres Mannes. Während sie von dannen trottete murmelte sie noch etwas von „Turteltäubchen“ und „Romeo und Julia“ und verschwand dann in ihrem verhältnismäßig großen Haus.
„Hey!“ Beleidigt zog Rory an Deans Shirt. „Willst du etwa schon gehen?“ unbewusst zog Rory einen Schmollmund und blickte Dean von unten durch ihre dichten Wimpern an. Den Effekt, den dieser Blick bei Dean auslöste, nannte man wohl auch allgemein weiche Knie. Dean nahm ihre Hand in seine und flüsterte mehr als dass er fest sprach:
„Ich hab nicht vor zu gehen. Höchstens mit dir. Und zwar in dein Zimmer!“ Deans Herzschlag setzte ganz kurz aus um gleich darauf zu rasen. Hatte er gerade wirklich ausgesprochen was er dachte? War er denn völlig verrückt? Unsicher starrte er auf die wirklich interessant gewordenen Muster der Vorhänge, die hinter dem Fenster vom Wohnzimmer der Gilmore Girls hingen.
Rory saß vor Dean und wusste nicht genau ob sie sich nur verhört hatte. Dean wollte mit ihr in ihr Zimmer? Sie war machtlos gegen die komische Gefühlswelle, die sie überflutete. Wie meinte Dean, was er sagte? „...mit dir. Und zwar in dein Zimmer.“ Das konnte man sehen wie man wollte. Sicher war nur, dass dieser Satz eindeutig zweideutig interpretiert werden konnte.



„Welches Haus ist es denn?“ Luke fuhr seit einigen Minuten orientierungslos durch den Wohnblock. Ein Appartment-Haus neben dem anderen drängte sich in schrillen Farben nebeneinander. Die Siedlung zeigte zwar teuren Stil, aber wirklich gefallen konnten diese abstrakten Häuser doch niemandem.
„Diese komischen Hütten sehen aber auch alle gleich aus. Ich glaub es war blau. So wie dass da.“ Lorelai zeigte auf ein 10 stockiges Gebäude an dem Luke gerade zügig vorbei gegondelt war. Genervt trat Luke auf die Bremse, blickte in den Rückspiegel und legte den Rückwärtsgang ein. Langsam kam er vor dem Treppeneingang zum Stehen.
Lorelai blickte sich um. „Nein doch nicht. Hab mich geirrt. Weiter geht’s.“ Luke verdrehte die Augen.
„Dass da! Brüllst du jetzt schon seit 10 Minuten und überreizt mein Trommelfell, nur um dann wieder festzustellen dass zu dich geirrt hast.“ Brummte Luke und fuhr weiter.
„Ja weißt du, als ich es letzte Mal zu Chris nach Hause bin, hatte ich wichtigeres zutun als auf das Haus zu achten...“ Lorelai war von dem fordernden Ton in ihrer Stimme selbst überrascht. So provokativ wollte sie eigentlich gar nicht von Chris reden. Aber jetzt war es zu spät. Es war ausgesprochen und stand im Raum. Und es war zu eindeutig Zweideutig um es jetzt noch zu recht fertigen. Luke sagte gar nichts mehr. Er schluckte seinen Ärger hinunter und konzentrierte sich auf die Straße.



Rory sah unsicher zu Dean hoch. Er stand immer noch da und starrte angestrengt ins Wohnzimmer. Wie lange konnte so eine peinliche Pause halten? Rorys Herz klopfte in unregelmäßigen Abständen und sie fing an zu schwitzen. Wenn sie jetzt mit Dean in ihr Zimmer gehen würde. Er würde doch sicher mit ihr schlafen wollen? Rory gefror das Blut in den Adern. Ihre Haare waren sicher schon leicht fettig. Und ihr Gesicht? Ihr Make-up war doch sicher total verschmiert, außerdem hatte sie einen riesigen ekligen Pickel am Rücken. Und hatte sie überhaupt ihre Beine rasiert? Oh nein! Eine Welle der Übelkeit überfiel sie. Sie wollte doch heute Abend erst duschen! Sie stank sicher fürchterlich und ihre Haut musste doch auch schon ganz trocken sein. Was wenn sie irgendwelche ekligen blauen Flecke oder Schürfwunden am Körper hatte? War sie nicht letztens erst gegen den Kühlschrank gelaufen und hatte einen blauen Fleck auf dem Oberschenkel davon getragen?
Rory schossen gleichzeitig so viele Gedanken und Sorgen in den Kopf, dass sie ihre Aufregung vergas. Schnell raffte sie sich auf und schob Dean an seinen Knien nach hinten. Ohne noch ein Wort zu sagen sprang sie auf, lief los und rannte ins Haus. Dean stand da, wie vom Donner gerührt und wusste nicht wie ihm geschah. Verdutzt schaute er Rory nach.
„Los Junge! Geh ihr hinterher! Mach schon, nutze deine Chance!“ verwirrt drehte sich Dean um. Babbette lehnte aus dem Fenster und gab ihm wild gestikulierend zu verstehen dass er Rory nachlaufen sollte:
„Jetzt lauf schon Dean! Mach uns nicht unglücklich!“ Dean drehte sich wieder um und tat wie ihm gehiesen: Kopfschüttelnd und mit einem undefinierbaren Gefühl in der Magengegend lief er ins Haus und machte die Tür, die Rory offen stehen gelassen hatte, hinter sich zu. Er hatte ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Er wusste nicht genau ob es gut oder schlecht war, dass Rory abgehauen war. Es kam erst einmal darauf an, wo Rory hin war. Ratlos blickte er sich im Wohnzimmer um. Im Wohnzimmer war sie jedenfalls nicht, Lorelais Schlafzimmer konnte er ebenfalls ausschließen. Blieben also noch Küche, Badezimmer und – er schluckte- Rorys Zimmer. Eigentlich hatte er keine Lust auf Verstecken spielen.
„Rory?“ Wie auf Zehenspitzen schlich er in Richtung Rorys Zimmer. War es ein Spiel? Versuchte Rory ihn zu verführen? Dean hatte sich zwar schon einige Male erträumt, dass Rory endlich einen Schritt weiter gehen wollte, aber mit so einer Aktion hatte er nicht im Traum gerechnet. Schweigend ging er in Richtung Zimmer und versuchte sich auf den Anblick, der ihn wohl erwarten würde, vorzubereiten.


„Da kommt ja Lorelai.“ Sogar etwas zu früh, fügte Emily in Gedanken hinzu. Emily war froh, endlich nicht mehr allein mit der offensichtlich durchgedrehten Sherry zu sein. Sie ließ Sherry stehen und eilte zur Tür. Da sie sich beeilte wäre sie beinahe noch auf dem vielen Müll ausgerutscht, der in der Wohnung zerstreut lag. Erleichtert griff sie nach der Türklinke und drückte sie energisch nach unten. Emily konnte sich nicht erinnern, jemals so froh gewesen zu sein, ihre Tochter zu sehen.
Als sie die Türe aufzog weiteten sich ihre Pupillen und sie ein echtes Lächeln erschien auf ihren Lippen. Sie wusste nicht, wann sie Lorelai das letzte mal echt angelächelt hatte und nicht der Familie wegen höflich war.
Energisch zog sie an der Türe und das Sonnenlicht von draußen viel ihr in die Augen. Emily blinzelte. Lorelai war zwar nicht gerade die magerste, aber so eine füllige Figur hatte sie nicht. Emily versuchte mit zusammengekniffenen Augen den Mensch vor ihr zu mustern. Lorelai hatte auch keine Glatze, sondern lange schwarze Haare. Sie hatte auch keine Bartstoppeln und sie hatte keine Tätowierung an beiden Oberarmen.
Schmerzhaft wurde Emily bewusst, dass Lorelai nicht die Person war, die vor der Tür stand.
„Servus die Dame. Ich hab hier ein Paket. Für ähm“ Der Mann in grünen Shorts tippte sich kurz an die Mütze und drehte dann das Päckchen in seinen Händen, sodass er den Namen ablesen konnte:
„Für einen Herrn Christoph Hyden. Ist der Herr zuhause?“ Emily stand wie versteinert vor dem Mann, der im Vergleich zu ihrer zierlichen Gestalt wie ein riesiger Schrank wirkte. Sie hörte wie Sherry von hinten herangetrampelt kam. Stumm beobachtete sie Sherry, die ein affektiertes Lächeln aufsetzte und „Mein Verlobter ist gerade unter der Dusche.“ säuselte. Emily war erstaunt, wie Sherry das Wort Verlobter so realistisch klingend über die Lippen bringen konnte.
„Yo, also wenn sie die Verlobte sind. Dann müsste das schon gehen würd ich meinen.“ Sherry klimperte mit den Wimpern: „Wo muss ich unterschreiben?“ Der Mann vom Paketdienst hielt Sherry das Paket mit dem Quittungszettel hin und zeigte mit seinen schmutzigen Wurstfingern auf die Stelle, an der Sherry unterschreiben sollte. Sie kritzelte ihre Unterschrift auf das Papier und nahm dann dankend dass Paket entgegen. „Nochmals vielen Dank. Sie können dann jetzt gehen.“
Emily stand da und lehnte gegen die kahle Wand. Sie sah wie der Mann sich wieder an die Mütze tippte und dann kehrt machte. Warum sagte sie nichts? Schrie um Hilfe? Oder bat den Mann Sherry zu überwältigen? Sie atmete die frische Luft ein und schwieg weiter. Sie sah, wie er die Treppe runter ging. Jetzt war es gleich zu spät. Ihre letzte Hoffnung war Lorelai. Sherry gab ihr bereits zu verstehen, wieder in die Wohnung zu gehen, als der Paketfahrer, diesmal deutlich freundlicher, jemanden grüßte:
„Hallo schöne Frau. Wohin des Weges?“ Er blieb stehen und nahm seine Mütze vom Kopf.


Atemlos stand Rory hinter der Badezimmertür. War sie gerade wirklich vor Dean davon gerannt? Wenn die ganze Sache nicht so peinlich wäre, könnte sie wenigstens lachen. Aber jetzt stand sie da, völlig verwirrt und verschwitzt. Duschen, kam es ihr in den Sinn. Richtig, sie wollte duschen! Als sie sich aber jetzt im Spiegel sah kam ihr die Aktion noch lächerlicher vor. Ihre Haare waren nicht fettig, ihre Wimperntusche war nicht verschmiert und der wasserfeste Lipgloss saß perfekt auf ihren Lippen. Aber jetzt war es zu spät um zu Dean zurück zu kehren. Aufmunternd nickte sie ihrem Spiegelbild zu. Die Gestalt im Spiegel reagierte nicht. Sie würde jetzt einfach duschen. Ob Dean überhaupt noch da war? Eilig zog sie sich ihr Shirt über den Kopf, knöpfte ihren Bh auf und glitt aus ihrer Caprihose. Ihren Slip legte sie zu ihren anderen Klamotten auf den Haufen und stieg behutsam in die rutschige Badewanne. Zog den kalten Duschvorhang zu und stellte die Temperatur des Wassers ein. Als sie in freudiger Erwartung auf den warmen Wasserstrahl nach oben zur Brause blickte, überkam sie ein Gefühl von Traurigkeit. Die Brause funktionierte erst wieder so gut, seit ihr Vater sie repariert hatte. Damals war noch alles anders: Chris wohnte noch bei Rory und ihrer Mom und Chris plante Lorelai einen Antrag zumachen... Rory schüttelte den Kopf und lies dass Wasser laufen. Der warme Strahl sollte sie ablenken. Sie wollte nicht schon wieder an ihren Vater denken. Wie hatte Jess gesagt? Sie versuchte sich an Jess Worte zu erinnern. Aber es wollte ihr nicht recht gelingen. Obwohl sie die Augen geschlossen hatte wurde sie dass Gefühl von unglaublicher Trauer einfach nicht los. Es war, als würde der Schmerz an ihren Beinen ziehen, sie umstoßen und immer tiefer aufsaugen, bis nichts mehr von ihr übrig war und nur noch der Verlust existierte. Rory seufzte. Es tat wirklich weh, an ihren Dad zu denken. Nach einer Weile war ihr ganzer Körper durch und durch nass. Immer wieder sah sie das Gesicht ihres Vaters vor sich. Hörte dass Gerät piepsen. Spürte die Angst, die sich ausbreitete, als der Alarm losging. Hörte die Schwestern und Ärzte. Sah seinen letzten Atemzug vor sich. Wie konnte sie sich nur selbst so quälen? Sie spürte seine kalte Hand auf ihrer Handinnenfläche. Wasserperlen tropften nur so in die Badewanne, sie konnte nicht unterscheiden welche davon ihre Tränen und welche Wasser waren. Sie stellte das Wasser ab und streckte ihre Hand nach dem Shampoo aus. Kräftig massierte sie das Shampoo in ihre langen Haare. Als sie ihre Augen öffnete fiel ihr Blick durch den Duschvorhang.
Sie zuckte zusammen. Vor ihr stand nicht Christopher. Er blickte sie nicht an. Träumte sie bereits? Warum musste sie den ausgerechnet jetzt an ihren Vater denken? Eben noch war alles so aufregend gewesen, sie war mit Dean zusammen und dachte daran, mit ihm zu schlafen. Jetzt stand sie allein unter der Dusche und weinte bitterlich. Dean war sicher längst nach Hause gegangen, denn wer will schon was von einer, die anstatt mit ihrem Freund zu schlafen heulend unter der Dusche steht...

„Hallo. Ach, dass wollen Sie gar nicht wissen, wohin ich gehe!“ Lorelai lächelte dem Mann möglichst freundlich zu. Ihr war zwar nicht nach lachen zumute, aber der Paketfahrer konnte dafür ja genauso wenig wie Luke, der die letzten 10 Minuten an 4 Häusern gehalten hatte und Lorelai jedes Mal fest stellte, dass es nicht das richtige war. Aber jetzt hatten sie es gefunden. Lorelai lief zügig die Treppe hoch. Sie erinnerte sich zu genau an die Treppe, die Bäume im Vorgarten und die weißen großen Fenster. Sie wurde auch nicht langsamer als sie ihre Mutter und Sherry entdeckte. Verwundert blieben ihre Augen an Sherry hängen. Emily sah wie immer passend gekleidet und elegant aus, aber was war mit Sherry? Lorelai war sich nicht einmal sicher, ob diese wandelnde Vogelscheue wirklich die hübsche Sherry war, die sie von den gemeinsamen Besuchen mit Christopher kannte. Diese Frau hatte wirklich nichts gemeinsam, mit der Sherry die sie kannte: Ihr Gesicht war um Jahre gealtert und ihre Frisur war undefinierbar. Die Haare hingen ihr nicht mehr vom Kopf sondern standen wirr und fettig ab. Lorelai glaubte zu träumen als sie sah, was Sherry für Klamotten trug. Sie hätte nie gedacht, dass eine Frau wie Sherry überhaupt eine Jogginghose besaß. Schlimmer als ihre äußerliche Erscheinung war aber der Blick in ihrem Gesicht. Sherry funkelte vor Hass und Abscheu. Lorelai spürte die Ablehnung sofort und war froh Luke hinter sich zu wissen.
„Hallo. Mum, Sherry.“ Lorelai war längst nicht so sicher wie sie sich gab. Für sie war es ein Wunder, dass sie die Treppe überhaupt hoch kam. Die Türe hinter Sherry stand offen. Lorelai wusste nicht genau, wann sie das letzte Mal in Christophers Wohnung war, aber dass, was sie jetzt sah, ähnelte Chris Wohnung nur schwach.
„Wer ist das?“ Sherry deutete mit zitterndem Finger auf Luke. Ihre Stimme klang rau und verraucht.
„Das ist Luke. Mein“ Lorelai überlegte. Was genau war Luke eigentlich? „Mein bester Freund. Er hat mich hergefahren.“ Luke stand schweigend hinter Lorelai und wartete. Er war nicht weniger entsetzt über Sherry wie Lorelai.
„Schön, dass sie da sind Luke.“ Lorelai glaubte sich verhört zu haben. Hatte Emily Gilmore gerade gesagt, sie freue sich, dass Luke da war? Lorelai fielen aus alter Gewohnheit sofort einige spitze Bemerkungen ein. Aber dann sah sie in Emilys Gesicht. Sie sah ehrliche Erleichterung! Lorelai war entsetzt, ihre Mutter war nicht nur höflich, sie freute sich ja wirklich! Lorelai würde nur zu gerne wissen, was in den letzten Minuten hier los war, wenn Emily sich tatsächlich über Luke freute. Aber jetzt war nicht der geeignete Zeitpunkt danach zu fragen. Etwas ratlos blickte Lorelai von einem zum andren, was genau wollte sie eigentlich hier?
„Genau. Wunderschön dass ihr alle da seit. Los, kommt doch rein! Darf ich euch was zu trinken anbieten? Lasst uns ein Kaffeekränzchen veranstalten!“ Sherry lachte säuerlich und ging in die Wohnung zurück. Emily wartete bis sie im Wohnzimmer verschwand und raunte dann Lorelai zu:
„Geh ja nicht da rein. Sherry ist total durchgedreht. Los lasst uns abhauen.“ Lorelai lächelte. Ihre paranoide Mutter, Sherry und durchgeknallt!
„Ja ja Mum. Und ich heirate morgen Luke.“, frozelte sie. Luke ignorierte das pochende Gefühl in seiner Halsschlagader und Emily schaute entsetzt.
„Das ist ja wohl nicht dein Ernst! Du hast mir nicht einmal erzählt, dass du mit diesem Mann liiert bist! Hättest du mir nicht früher sagen können dass du heiratest? Oder hättest du deine Eltern überhaupt eingeladen? Es ist so typisch....“ Emil redete sich schon wieder in Rage. „Mum.“ Unterbrach Lorelai den Redeschwall. „Das war ein Witz. Los jetzt, Sherry wartet mit Kaffee und Kuchen.“ Entschloßen ging sie durch die Türe und verschwand im inneren der Wohnung. Luke und Emily standen weiterhin draußen und warteten. Wie sollten sie sich verhalten? War es besser die beiden jetzt erst einmal allein zu lassen? Oder sollten sie vielleicht doch hinein gehen?
Argwöhnisch musterte Emily Luke. Er hatte wie immer ein kariertes Hemd an und war nicht rasiert. Nein, dieser Mann war einfach nicht gut genug für Lorelai. Ihre empfindliche Nase konnte das Bratfett bis hier riechen. Oder bildete sie sich dies nur ein? Emily wusste es nicht genau, sie atmete erst einmal tief durch. War froh, endlich aus dem Mief der Wohnung rauszukommen.

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And I start to feel for him again. Stupid me.
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#25

Kapitel 24

Luke spürte Emilys Blicke auf seiner Haut. Eigentlich war er hier, um sich um Lorelai zu kümmern. Aber vielleicht war es besser, Lorelai jetzt erst einmal allein zu lassen? Emily zog die Stirn kraus. Sie wirkte wirklich besorgt.
„Hören Sie, Lucas. Lassen Sie Lorelai nicht allein da drin. Sie wird sie umbringen. Glauben Sie mir. Sherry ist verrückt! Sie ist wirklich verrückt! Sie will sich an Lorelai rächen, da sie ihr den Mann ausgespannt hat. Bitte...“ Emily zuckte zusammen.
Glas zersplitterte.
Emily riss entsetzt die Augen auf. Luke fuhr das Adrenalin durch den Körper.
Eine gellende Frauenstimme schrie. War es Sherry oder Lorelai?
Beide hörten einen dumpfen Aufprall. Wieder ein Schrei.
Dann war es still. Totenstill?
Luke löste sich als erster aus seiner Erstarrung. Emily war kreidebleich geworden. Unfähig sich zu bewegen starrte sie Luke an.
Luke atmete tief ein und lief dann los. Orientierungslos lief er durch den Eingang und seine Augen suchten und irrten umher. Er fand nichts. Wo war Lorelai? Wo war Sherry?
Unsicher lief er weiter. Er stand im Wohnzimmer. Jetzt sah er es. Vor ihm lag Sherry auf dem Boden.
Sie rührte sich nicht.
Er hörte etwas. Es hörte sich an wie ein Wimmern. Wie ein verletztes Tier.
Lorelai! Schoß es Luke in den Sinn. Es musste Lorelai sein. Wer sollte es sonst sein?
Panisch versuchte er, zu hören woher dass Gewinsel kam.
„Lorelai?“ Seine tiefe Stimme überschlug sich fast. Er war in Panik. Die Tür zu einem weiteren Raum stand halb offen. Das Gewinsel konnte nur von da kommen. Er ignorierte Sherry. Stieg einfach über ihren leblosen Körper hinweg. Selbst wenn sie tot war, Luke konnte ihr nicht helfen. Er wollte zu Lorelai. Sie in den Arm nehmen. Sie beschützen. Ihr sagen, dass alles wieder gut werden würde.
Mit rasendem Herzen stieß er die Tür auf. Und dann sah er sie:
Lorelai lag zusammengekauert vor der Badewanne. Um sie herum hatte sich eine Blutlache gebildet und sie hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Hände vor die Brust. Hatte Sherry etwa?
Luke schoss das Adrenalin bis in die Zehen. Er musste handeln. Womöglich hatte Sherry eine Blutbahn oder sonst irgendwas getroffen? Was wenn Lorelai sterben würde?
Nein, es durfte nicht sein. Es konnte einfach nicht war sein.
Luke stürzte auf Lorelai zu. Sie rührte sich nicht. Ihre Augen waren weit aufgerissen und das weiß in ihren Augen füllte sich mit Tränen. Das Blut quoll ihr zwischen den Fingern hervor. Ihr Oberteil war von Blut durchtränkt. Luke musste handeln.
„Emily! Emily!“ Luke schrie aus voller Kraft. „Rufen Sie einen Notarzt! So schnell es geht! Lorelai verblutet!“
Emily stand unter Schock. Sherry hatte also tatsächlich versucht Lorelai umzubringen? Ein Schwall von Vorwürfen überfiel sie. Aber jetzt war keine Zeit dafür. Sie stolperte herein in die Wohnung und lief ins Wohnzimmer. Auf dem Couchtisch hatte sie das Telefon liegen sehen. Panisch kramte Emily in den Scherben und anderen Utensilien herum. Wo war das verdammte Telefon? Emilys Finger zitterten. Sie hatte noch nie so Angst gehabt in ihrem Leben. Endlich! Da war es. Unter einigen Papierfetzen und Scherben lag das blaue Telefon. Jetzt nur nicht die Nummer vergessen. Panisch tippte Emily die Nummer ein. Kaum hatte sie auf den Knopf gedrückt meldete sich auch schon eine Stimme am anderen Ende der Leitung:
„Notrufzentrale Boston. Was haben sie für einen Notfall?“ Emily konnte kaum sprechen.
„Meine Tochter. Eine Frau hat sie angefallen! Sie verblutet!“
„Beruhigen Sie sich. Sagen Sie mir die Adresse und ich schicke sofort jemanden vorbei.“
Emily war froh, dass sie sich die Adresse extra rausgeschrieben hatte, denn sonst wüsste sie sie jetzt nicht.
„Ich schicke sofort einen Krankenwagen vorbei. Was ist mit der andren Frau?“ Emily sah sich um. Sherry war weit und breit nicht zu sehen.
„Wen interessiert das schon? Sie ist weg, was weiß ich. Kommen Sie ja schnell!“
„Der Notarzt ist unterwegs. Bitte versuchen Sie Ruhe zu bewahren. Kümmern Sie sich um ihre Tochter bis der Arzt da ist.“
Emily legte auf und rannte in Richtung Bad. An der Tür blieb sie stehen. Der Anblick der sich ihr bot zeriss ihr fast das Herz. Luke kniete über Lorelai und drückte ihr einen ganzen Haufen Handtücher auf die Brust. Lorelai schaute apathisch an die Decke und schien völlig weggetreten. Luke kniete in einer Blutlache. Alles war rot. Emily spürte wie ihr übel wurde. Lukes Hände waren rot gefärbt. Wie konnte ein Mensch soviel Blut verlieren?
„Emily! Gehen Sie raus. Warten sie auf den Notarzt! Los schnell! Wir haben nicht mehr viel Zeit. Wir verlieren sie sonst.“ Emily war unfähig noch irgendetwas zutun. Als würde sie eine fremde Macht führen verlies sie die Wohnung und lief auf die Treppe. Ihr Gesicht war versteinert und ausdruckslos. Es konnte einfach nicht wahr sein.

„Lorelai bitte, bitte nicht. Blieb da. Sei stark. Bitte ich brauche dich.“ Luke hatte Lorelai inzwischen in seine Arme gezogen. Er drückte weiterhin mit aller Macht Handtücher auf Lorelais Wunde. Wie es schien hatte Sherry mir irgendwas auf Lorelai eingestochen. Aber Luke war sich nicht sicher. Er konnte vor lauter Blut nichts genaues erkennen. Lorelai wimmerte nicht mehr. Sie hing schlaff und kraftlos in Lukes Armen. Luke schloss die Augen.
„Bitte nicht. Lore bleib da. Bitte. Verlass mich nicht. Ich liebe dich.“ Er merkte nicht, wie Lorelais Augenlieder sich schlossen. Lorelais verkrampfte Hand entspannte sich. Ihr verwundeter Körper hörte auf zu zittern. Luke spürte es.
„Nein. Lorelai. Bitte nicht! Lorelai.“ Luke rannen die Tränen über die Wangen. Sein Körper war voller Blut. Blut von Lorelai. Er presste das Handtuch so fest er konnte auf Lorelais Oberkörper. Es durfte nicht passieren.
„Ich liebe dich Lorelai. Bitte, verlass mich nicht. Verlass mich nicht!“ Luke wiegte ihren leicht gewordenen Körper sachte hin und her. Er hatte Angst sie noch mehr zu verletzen. Ihr sonst so schöner Körper war leicht und kraftlos. Lorelais Kopf hing an seiner Schulter. Er konnte kaum noch Atmung von ihr hören.

Sie würde sterben. Sie würde sterben und er saß da und heulte. Er konnte ihr nicht helfen. So sehr er auch versuchte sie zu retten. Er hatte versagt. Schrecklich versagt. Hätte er nur auf Emily gehört....

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And I start to feel for him again. Stupid me.
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#26

Kapitel 25

Dean stand vor der Tür. Er zitterte. Zitterte er vor Angst oder vor Erregung? Er wusste es nicht genau. Vielleicht war es eine Mischung aus beidem. Dean atmete noch einmal tief durch. Es ist okay, sagte er sich. Du willst es doch. Also geh. Entschloßen drückte er die Türklinge runter und öffnete die Türe. Er schloss die Augen und Konzentrierte sich voll und ganz auf Rory. Er liebte sie mit jeder Faser seines Herzens. Als die Tür ganz offen war ging er einen Schritt nach vorne und öffnete die Augen. Er hielt den Atem an. Gleich würde er sie sehn. Seine Wimpern verließen die unteren und er blickte auf Rorys Bett. Es war leer. Sie lag nicht in ihrem Bett und wartete auf ihn. Wo war sie dann?



Lärm. Unglaublicher Lärm. Geschrei, Sirenengeheul. Durchsagen. Umher rennende Schwestern. Rasende Ärzte. Steriler Geruch und kranke Menschen. Er hasste Krankenhäuser.
Er stütze seine Kopf auf die Arme. Sah wie sie von Sanitätern und Schwestern begleitet hinter der Tür „Kein Zutritt für Unbefugte. Op-Bereich.“ verschwand. Er starrte auf den Boden. Wollte nichts mehr sehen. Konnte nichts mehr sehen. Es war die gleiche Station. Vor nicht einmal 2 Tagen war er schon einmal hier. Mit Lorelai. Jetzt saß er hier. Alleine. Ohne sie. Denn sie kämpfte gerade um ihr Leben. Er hoffte mehr als alles andere dass sie den Kampf gewinnen würde. Er realisierte gar nichts mehr. Die Bilder vor seinen Augen überrannten ihn. Er fuhr sich mit seinen Händen über die Augen. Seine Hände waren dunkelrot. Es war Blut. Er hasste Blut. Es war Blut von Lorelai. Ihm wurde schlecht.
Er stand auf. Torkelte fast. Presste die Hand auf den Mund. Wie in Trance stolperte er in Richtung Toilette. Er sah das WC-Schild. Es war das Frauenklo. Er bemerkte es nicht. Er schleppte sich mit letzter Kraft hinein und musste sich erbrechen. Es war zuviel. Immer wieder sah er Lorelai wimmernd auf dem Boden liegen. Es würgte ihn. Es würde nie aufhören. Tränen rannen in Sturzbächen über sein Gesicht. „Ich liebe dich. Verlass mich nicht!“ Es hallte in seinen Ohren. Hatte Lorelai es überhaupt gehört? Sein Körper wollte und konnte sich nicht beruhigen. Er würgte weiter. Schloss die Augen. Alles drehte sich um ihn. Kraftlos stütze er seine Arme auf die Kloschüssel. Sein Kopf hing matt über der Verfärbten Wasserbrühe. Langsam wurde das würgen weniger. Er spuckte nur noch Wasser und Galle. Sein Hals schmerzte. Seine Zunge war geschwollen und pulsierte in seinem Mund. Langsam entspannten sich seine Sinne. Sein Gehört kehrte zurück. Ein beißender Geruch stieg ihm in die Nase. Als er die Augen wieder öffnete musste er sich fast wieder übergeben. Schnell stand er auf. Spülte alles hinunter und war froh als es in den tiefen des Krankenhaus-Abwassersystems verschwand. Er fühlte sich so schlecht wie lange nicht mehr. Mit wackeligen Beinen ging er ans Waschbecken. Machte dass Wasser an. Wurde geblendet von der Lampe über dem Spiegel. Er schaute hinein. Er sah aus, als hätte er jemanden ermordet.
Sein Gesicht war von Blutschmieren überzogen, seine Hände dunkelrot und sein Hemd war schwarz gefärbt. Noch nie hatte er so viel Blut auf einmal gesehen. Wie besessen griff er nach der Seife und fing an sich zu waschen. Er schrubbte über seine Hände und rubbelte an seinen Händen bis der letzte Hauch von Blut weg sein musste. Er rieb so stark, dass seine Hände rot wurden und schmerzten. Aber er hörte nicht auf. Er wollte rein sein. Sauber. Befreit vom Blut der Frau die er liebte.

Die Frau die neben Luke saß rührte sich nicht. Nicht einmal als der blutverschmierte Mann neben ihr aufsprang und auf die Toilette lief bewegte sie sich. Sie saß da wie versteinert und starrte ins Leere. In ihr tobte ein Kampf. Hoffnung und Vorwürfe und Angst beherrschten ihre Gedanken. Wenn Lorelai sterben würde, es wäre ihre Schuld. Sie hatte Lorelai zu Sherry bestellt. Sie ignorierte den Polizisten der seit mehreren Minuten auf sie einsprach. Hoffte, dass Luke bald zurück kam und ihr half. Immer wieder richtete der genervte Polizist das Wort an sie: „Misses Gilmore, ich bitte Sie. Sagen Sie mir, was in dieser Wohnung passiert ist. Ihre Tochter hat sich diese Verletzung nicht selbst zugefügt. Hören Sie, wenn Sie mir nicht helfen kann ich Ihnen auch nicht helfen.“ Ihr starrer Blick löste sich und sie stierte in die kalten Augen des Polizisten. Für ihn war dieser Vorfall nichts besonderes. Ein Mordversuch von vielen. Er sprach von Helfen. Was sollte jetzt noch helfen? Er war zu spät, sie alle waren zu spät. Sie schwieg weiter. Dachte nicht im Traum daran auch nur einen Ton zu sagen. Der Polizist hatte genug. Packte sein Notizheft weg und sagte: „Gut. So kommen wir nicht weiter. Soll ich einige Angehörige von ihrer Tochter anrufen?“ Emily zuckte zusammen. Rory. Sie wusste von nichts. Rory. Rory! Wie sollte sie ihrer Enkelin erklären, dass ihre Mutter auf der gleichen Station wie ein paar Tage zuvor ihr Vater lag? Das arme Kind....
„Dass kann ich schon selber.“ Der Polizist setzte bereits zu einer Antwort an. Aber es war zwecklos. Emily lies ihn einfach stehen und suchte nach einem Telefon.


Deans Herz klopfte. Sie war also nicht in ihrem Zimmer. War sie in der Küche? Saß vielleicht am Küchentisch und trank Kaffee und lachte über ihn? Weil er so töricht war, zu glauben sie würde sich lasziv auf ihr Bett schmeißen und auf ihn warten? Dean schüttelte seine langen Haare. Es war doch nicht dumm von ihm, sich so etwas zu wünschen? War es zuviel verlangt? Langsam genervt lief er in die Küche. Aber es saß keine Rory am Küchentisch. Die Küche war leer. Die Kaffeemaschine war aus und alle Tassen standen aufgeräumt im Regal. Sie musste im Bad sein. Was tat sie um diese Uhrzeit im Bad? Dean zuckte die Schultern. Jetzt war es ihm auch schon egal. Sie lag nicht in ihrem Bett und wollte mit ihm schlafen und saß auch nicht am Küchentisch und lachte über ihn. Was um Himmels Willen spielte Rory für ein Spiel? Dean beschloss es locker zu sehen. Er kannte Rory, sie war immerhin die Tochter ihrer Mutter. Und Lorelai war ja bekanntlich die Königin des Unsinns. Da er lange Beine hatte und große Schritte ihn schneller ans Ziel brachten stand er jetzt vor der Badezimmertür. Er schielte auf das Schloss. Die Tür war nicht abgeschlossen. Er horchte. Was tat Rory? Er hörte Wasser. Stand Rory etwa unter der Dusche? Oder war sie nur auf der Toilette? Er lehnte sich an die Wand. Jetzt musste er genauer horchen. Er schloss die Augen.

Wasser rauschte. Es war die Dusche! Ein Lächeln breitete sich in seinem Gesicht aus. Rory duschte!
„Dean, wie lange stehst du noch da rum bis du mal reinkommst? Ich brauch jemand, der mir den Rücken wäscht.“ Ertönte Rorys Stimme von innen. Dean zuckte kurz zusammen und ging dann entschlossen hinein. Sie hatte ihn gerufen, wartete auf ihn.
Er zog sein Shirt über den Kopf und knöpfte seine Jeans aus. Unsicher begutachtete er sich im großen Spiegel. Er sah gut aus. Hatte sich frisch rasiert. Sein Bauch war flach und sein Oberkörper strahlte fast vor Kraft und Muskeln. Ausgerechnet heute hatte er weiße Boxershorts an. Absoluter Liebestöter, hatte er in einer Zeitschrift seine kleiner Schwester gelesen. Gut, dachte er. Dass wollen wir ja nicht. Rory stand sicher auch nicht im Badeanzug unter der Dusche. Flink streifte er seine Hose ab und klopfte zaghaft an den Duschvorhang. Er konnte nur schwach die Umrisse von Rorys lieblichem Körper erkennen. Ihre langen Haare waren durchnässt und ihr wunderschöner schmaler Körper sah aus, als wäre sie im Wasser geboren. Langsam zog Rory den Duschvorhang zurück. Gleich würde Dean sie das erste Mal nackt sehen. Und sie würde ihn das erste Mal sehen. Erwartungsvoll schaute er – wohlerzogen- Rory zuerst in die Augen. Ein verführerischer Blick lud seine Augen förmlich ein, über ihren Körper zu wandern. Rory beobachtete genau wo sein Blick hinfiel und bewunderte ihrerseits seinen muskulösen Oberkörper und sein starkes Becken.
Sie streckte eine Hand aus. Dean nahm sie und stieg zu ihr in die Duschwanne. Das heiße Wasser war immer noch an. Es lief ihm über die Haare und sein Körper wurde genauso nass wie ihrer. Jetzt waren sie beide gleich. Wie von fremder Macht geführt zog er Rory in seine Arme. Spürte ihre Weiblichkeit auf seiner Haut und seine Hände machten sich selbstständig. Rory schloss die Augen. Genoss Dean und das warme Wasser das auf sie beide herab rieselte

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And I start to feel for him again. Stupid me.
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#27

Kapitel 26

Klatsch – Dean schreckte auf. Irgendetwas knallte gegen seine Stirn. Er öffnete die Augen. Jetzt stand Rory vor ihm. Eingehüllt in einen Bademantel und sie duftete herrlich nach Mandel und Rosenblüten. „Autsch.“ Sagte er. Rory fuhr zusammen und entdeckte Dean jetzt erst. Er stand hinter der Tür und hielt sich die Stirn. Hatte sie etwa? Sie fing an zu lachen. „Was machst du denn da? Hast du die Tür etwa abgekriegt?“ Dean sah, dass sie lachte und war erleichtert. Sie war also nicht sauer. „Ja das hab ich. So geht man also mit seinem Freund um! Hast du dass im Fernsehen gesehen?“ Rory lachte und zog ihn hinter der Türe hervor.
„Hat dir deine Mutter nicht beigebracht, dass man nicht hinter fremden Badezimmertüren stehen darf?“ Herausfordernd blickte sie Dean an.
„Hat dir deine Mutter nicht beigebracht, dass man seinen Freund nicht einfach allein mit Babette draußen sitzen lässt und er im ganzen Haus nach dir suchen muss?“ Er liebte es in der dritten Peron zu reden. Es gab ihm das Gefühl, Zuschauer von seinem eigenem Leben zu sein.
„Warum hast du jetzt überhaupt geduscht?“ Dean konnte nicht anders. Er musste es wissen. Rory , natürlich nicht auf den Mund gefallen wusste geschickt der Frage auszuweichen:
„Mir ist nur eingefallen, dass ich heute Abend mit meinem seeeehr gutaussehendem Freund rumknutschen will und ich darum heute Abend keine Zeit mehr zum Duschen gehabt hätte.“ Rory blickte ihm in die Augen. War er mit dieser Antwort zufrieden?
Dean aber lächelte nur und zog sie in seine Arme. Küsste sie kurz auf den Mund und legte dann seinen Kopf an ihren feuchten Hals.
„Hey, ich bin kein Tier!“ Lachte Rory, da sie Deans Atem kitzelte.
„Nicht bewegen. Du riechst so gut. Ich kann nicht anders.“ Flüsterte er an ihren Hals und zog sie enger in seine Arme. Er versuchte die Aufregung, die sich in ihm ausbreitete zu ignorieren. Rorys Bademantel war leicht verrutscht und er sah, dass sie darunter nackt war. Er hielt sie einfach nur fest.


Sie kicherte. Lag mit Dean auf ihrem Bett. Ihr Bademantel öffnete sich beinahe wie von selbst. Mit klopfendem Herzen lag sie da. Dean kniete über ihr und küsste abwechselnd ihren Hals und ihren Bauchnabel. Im ganzen Haus war es still. Für einen kurzen Moment erschrak Rory. Was wenn ihre Mom jetzt zurück kommen würde? Und sie und Dean hier finden? Aber dann viel ihr ein, dass Lorelai ja zu Emily wollte, der Zettel auf dem Küchentisch! Mädchen, du wirst auch immer vergesslicher! Oder lag es vielleicht an ihrer Aufregung? Deans Haare kitzelten sie auf ihrer Haut und es schien als wären Deans Lippen überall...
Das Telefon störte die neugewonnene Idylle. Sichtlich genervt über die Störung blickte Dean in Rorys Gesicht, als er aber sah, dass sie die Augen geschlossen hielt und ein zufriedenes Lächeln auf ihrem Gesicht lag, beschloss er, dass Telefon ebenfalls zu ignorieren. Irgendwann würde es schon aufhören zu klingen. Kurz hielt er inne und betrachtete Rory. Er konnte sein Glück immer noch nicht fassen. Rory hatte doch tatsächlich, als sie bemerkte dass ihr Bademantel verrutscht war, seine Hand genommen und ihn in ihr Schlafzimmer gezogen. Jetzt lag er hier. In einem Bett mit Rory und sie war praktisch nackt. Wenn er jetzt mutig wäre und ihr den Bademantel einfach auszöge, hätte sie nur noch einen schwarzen Slip an.
„Dean, denk nicht soviel nach. Mach einfach mal.“ Rory hatte inzwischen ihre Augen geöffnet und sah, dass Dean überlegte. Sie war immer noch nicht davon überzeugt ob sie nur träumte. War es real oder fantasierte sie? Dean schien den gleichen Gedanken zu haben:
„Träume ich?“ Er rührte sich immer noch nicht. Rory schüttelte den Kopf.
Das Telefon hatte inzwischen aufgehört zu klingeln. Dean ignorierte das undefinierbare Gefühl in seinem ganzen Körper und zog sich sein Shirt über den Kopf. Rory beobachtete mit großen Augen, was er tat. Unsicher schmiss er sein Shirt mit einem schüchternen Lächeln auf den Boden und kam mit seinem nun nackten Oberkörper näher an Rory. Rory schlang ihre Arme um seinen Rücken und sog seinen Geruch ein. Er roch einfach wundervoll. Seine Haut duftete nach Duschgel und seine Haare fühlten sich wie Samt an.
Der Telefonanruf war vergessen, genauso wie der Rest der Welt....


„Hm?“ Jess legte sein Buch „Das zweite Gedächtnis“ von Ken Follet zur Seite. Anrufer unbekannt. Wer störte ihn um diese Zeit?
„Hallo.“ Eine Frauenstimme. Nicht gerade freundlich. Aber was kümmerte ihn das?
„Sie wünschen?“ er spielte mit dem Gedanken sich eine Zigarette anzuzünden. Luke würde sicher ausrasten.
„Emily Gilmore ist mein Name.“ Emily Gilmore? Jess legte die Zigarette wieder weg. Emily war doch Lorelais Mutter?
„Aha. Und was wollen Sie von mir?“
„Ich kann Rory nicht erreichen. Habe bei ihr zuhause angerufen aber es geht niemand hin. Luke hat mir Ihre Nummer gegeben. Lorelai ist hier im Krankenhaus und Rory sollte vorbei kommen. Können Sie sie suchen und herbringen?“
Jess versuchte die aufkommenden Schmetterlinge zu bekämpfen.
„Da sind Se bei mir falsch. Fragen Sie doch ihren Freund Dean.“ So abwertend wie möglich sagte er Dean.
„Ich hab Sie angerufen. Und ich erwarte von Ihnen, dass sie losgehen, meine Enkelin suchen und sie hier her ins Krankenhaus bringen. Ihr Onkel und ich warten auf der Unfallstation. Beeilen Sie sich!“
Ein monotones Geräusch im Hörer signalisierte Jess, dass Emily aufgelegt hatte. Was viel dieser Frau eigentlich ein? Rief ihn einfach an und wollte ihn dazu nötigen, Rory zusuchen. War er den ihr Freund? Oder in irgendeiner anderen abgedrehten Weiße für sie verantwortlich? Warum sollte er sich von Lorelais Mutter etwas sagen lassen? Es konnte ihm doch egal sein was mit Rory war.
Er nahm seine Jacke, steckte die Autoschlüssel ein und ging. Warum auch immer Emily ihn angerufen hatte, er musste Rory finden. Wenn mit Lorelai etwas passiert war, musste sie informiert werden.


„Er wird sie nie finden.“ Finster starrte sie Luke an. Seit einer schieren Ewigkeit saßen Emily und Luke nun schon im Wartezimmer. Noch immer gab es keine Neuigkeiten von Lorelai. Luke war halbwegs sauber und sah Emily durchdringend an.
„Er wird sie finden, glauben Sie mir.“ Weil er sie liebt, fügte er in Gedanken hinzu.
„Was macht sie so sicher? Ich hab doch schon bei ihrem Freund angerufen, der ist auch nicht zuhause. Und ihr Handy ist aus...“ Emily stand kurz davor in Tränen auszubrechen. Beherrsch dich! Wies sie sich selbst zurecht. Eine Gilmore heult nicht, schon gar nicht wegen so etwas.
„Er wird sie finden und sie werden beide herkommen. Ich weiß es einfach.“ Luke hatte schreckliche Kopfschmerzen. Die Warterei machte ihn wahnsinnig. Machtlos musste er immer wieder mit ansehen wie Lorelai ohnmächtig wurde. Es war zwecklos gegen die Bilder anzukämpfen. Wenn doch nur endlich ein Arzt kommen würde, oder eine Schwester. Ein einfaches
„Sie ist über den Berg. Sie hat es noch einmal überstanden!“ würde ihm genügen. Luke rieb sich über die Augen. Halluzinierte er? Hatte er Wahnvorstellungen? Er blinzelte. Machte die Augen auf und wieder zu. Nein. Ein Arzt stand in der Türe und sprach mit ihm! Er sprang auf.
Überwältigt von dem Felsbrocken der von seiner Seele fiel lief er auf den Arzt zu.
„Sagen Sie es noch mal. Sie lebt? Sie überlebt?“ Luke zitterte am ganzen Körper. Hatte er jemals soviel Angst gehabt in seinem Leben?
„Ja, wenn ich es doch sage. Wir konnten die Blutungen an ihrem Hals stoppen, einfach war es nicht. Aber es ist geglückt. Danken Sie Gott für den Überlebenswillen dieser Frau.“ Lukes Puls raste.
„Kann ich zu ihr?“ Der Arzt zog die Stirn in Falten. „Sind Sie ein Familienangehöriger?“
„Nein. Aber ihr bester Freund.“ Sagte Luke kleinlaut. „Dann kann ich Sie auch nicht zu ihr lassen.“ Das Gewitter am Himmel von Lukes Horizont zog wieder auf.
Jetzt meldete sich Emily zu Wort. Bis jetzt saß sie ruhig und ausdruckslos auf ihrem Stuhl. Lorelai würde überleben! Ein Feuerwerk fuhr in ihren Körper. Darauf bedacht, niemandem ihre Erleichterung zuzeigen sprach sie mit gefasster Stimme:
„Ich bin ihre Mutter. Ich will zu ihr.“ Der Arzt versuchte möglichst verständnisvoll zu schauen.
„Im Moment ist sie noch nicht ansprechbar. Sie erholt sich im Moment von den Strapazen. Außerdem bekommt sie Blutinfusionen. Sie hat eine Menge Blut verloren, wir vermuten dass jemand ihr einen spitzen Gegenstand, wie eine Glasscherbe oder ein Messer in den Hals rammen wollte. Und – Gott sei Dank- die Hauptschlagader verfehlt hat.“ Der Arzt nickte beiden ermutigend zu und verwies darauf, dass sich bald eine Schwester um sie kümmern würde.
Fassungslos ließen Luke und Emily sich wieder auf den freien Stühlen nieder.
Lorelai war am Leben. Würde überleben und nicht sterben. Luke seufzte abgrundtief und Emily wischte sich verstohlen eine heimliche Träne aus den Augen, in der Hoffnung dass niemand den schillernden Wassertropfen bemerkt hatte.

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And I start to feel for him again. Stupid me.
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#28

Kapitel 27

Jess lief anders als sonst. Seine Schritte waren kürzer und er lief insgesamt etwas schneller und beeilte sich sogar. Lorelai war ihm eigentlich nicht sonderlich wichtig. Aber wenn sie im Krankenhaus lag und es ihr wirklich schlecht ging, machte er sich wohl doch Sorgen. Schnell stand er vor Rorys Haus. Jetzt musste er überlegen. Wenn ihre Großmutter bei ihr angerufen hatte, sie aber nicht hinging.
War sie überhaupt da? Im Haus? War sie allein? Bei Dean war sie wohl nicht, denn bei dem hatte Emily wohl auch angerufen. Wo war also Dean? Sollte er lieber klingeln? Oder einfach nach hinten an ihr Fenster gehen? Vielleicht lag sie in ihrem Zimmer und schlief? Oder sie las ein besonders gutes Buch? Er war entschlossen an ihr Fenster zu gehen. Aber seine Beine trugen ihn zur Vordertüre. Er wollte nichts riskieren. Gerade erst hatte sich sein Verhältnis zu Rory gebessert. Und was, wenn Rory und Dean gerade eben zusammen waren? Vielleicht sogar miteinander... Er wollte den Gedanken nicht zu ende denken. Unschlüssig stand er vor der großen schweren Türe. Wie wäre es mal mit Klopfen? Woa, wie stellte er sich denn heute wieder an? Rügte er sich selbst und klopfte energisch mit den Knöcheln gegen die massive Holztür. Für sein Pubertäres Getue war jetzt wirklich keine Zeit.

Dean hob den Kopf. Rory lag mit geschlossenen Augen mit dem Rücken auf ihren Kissen und Dean küsste und streichelte ihren Bauch. Hatte nur er das Geräusch gehört? Er blies seine Haare aus dem Gesicht. Konnte es immer noch nicht glauben. Lag Rory tatsächlich da? Küsste er tatsächlich jeden Zentimeter ihres Oberkörpers? Er musste doch Träumen....
Aber da war es wieder, das Geräusch. Jetzt hörte es auch Rory. Sie öffnete die Augen und sah Dean an. Auch sie war noch ganz benommen von der neugewonnenen Nähe. Diesmal war das Geräusch aber lauter und deutlich erkennbar: Es klopfte an der Türe. Deans Mundwinkel verzogen sich genauso wie Rorys nach unten. Wer musste denn bitte JETZT stören? Aus alter Gewohnheit schoss Dean sofort eine Person in den Kopf: Jess. Aber er wollte das neu gewonnene Vertrauen nicht gleich wieder zerstören und so hielt er den Mund. Er war inzwischen von Rory runter geklettert und saß etwas hilflos auf dem Rand des Bettes. Rory war nicht ganz sicher, ob ihr peinlich war, dass sie praktisch nackt vom Bett kraxelte und vergeblich nach ihren Klamotten suchte.
Da klopfte es schon wieder. „Ja ich komme. Moment!“ Kurzentschlossen schnappte sie sich Deans Shirt und nahm es mit. Barfuss lies sie Dean sitzen und zog sich das Shirt auf dem Weg zur Türe an. Dean starrte ihr ungeniert hinterher. Sie war so atemberaubend schön... und jetzt trug sie sein Shirt! Verschmitzt lächelte er und lies seinen Kopf in die Kissen sinken, es war sicher nur ein Postbote, der ein Paket abliefern würde.

„Jess.“
„Hi.“
Vorschnell hatte Rory die Türe einfach aufgerissen. Jess stand da und sein Mund blieb offen. Er sah an Rory hinab. Sie trug ein Shirt, dass er nie zuvor gesehen hatte. Insofern er sich einbildete Rory zukennen, wusste er, dass das keins ihrer Shirts war, nein. Es war ein Jungenshirt. Sicher von Dean. Ein dumpfes Gefühl in seiner Magengegend hinderte ihn daran, seinen Blick zu lösen.
Rory spürte seine Blicke auf ihr und zog sich zurück.
„Was gibt es denn?“ War sich nicht sicher, ob sie ihn reinlassen sollte.
„Ich muss mit dir reden. Es ist wichtig.“ Rory zögerte immer noch. Dean war es sicher nicht Recht, wenn sie Jess jetzt herein bitten würde. Vielleicht würde er es sogar wieder falsch verstehen?
„Gerade ist ganz schlecht. Ich wollte gerade, äh Duschen.“ Rory plapperte einfach drauf los. Verleugnete Dean. Warum tat sie dass schon wieder? Sie musste doch nicht ihren eigenen Freund verleugnen.
Duschen? Ja vielleicht, aber sicher nicht allein. Der Gedanke an Rory unter der Dusche führte Jess kurz zu Sherry. Wenn er die Augen zu machte, stellte er sich öfters vor, Rory zu küssen, anstatt Shane.
„Jess?“ Er schweifte schon wieder ab. Sammelte seine Gedanken wieder ein und sagte endlich, warum er hier war: „Es geht nicht um mich. Sondern um Lorelai. Deine Großmutter hat mich angerufen. Ich soll dich ins Krankenhaus fahren.“ Jess sprach abgehakt und gefühllos. Er wusste es. Aber er war unfähig nett zu sein. Er wartete geduldig auf ihre Reaktion. Er ging einfach mal davon aus, dass er jetzt reinkommen dürfte und schob Rory sanft mitsamt der Tür nach hinten. Rory sagte gar nichts mehr und stand einfach stumm da. Ihre Mutter? Im Krankenhaus? Warum? Was war ihr passiert? Rory überkamen sofort einige Panikattacken und sie war kurz vorm Ausflippen.
„Rory? Was ist, wer ist...?“ Dean stoppte mitten im Satz. Vor ihm stand Jess. Er reichte ihm gerade mal bis zum Kinn. Rory stand stumm an der Türe und Jess grinste provozierend. Also doch. Dean war kurz vor einem Wutanfall. Warum musste Jess den immer wieder dazwischen kommen? Abgesehen, dass Jess den Abend versaut hatte, war es Dean nicht gerade Recht, dass er oben ohne vor Jess stand und Rory sein Shirt trug. Es ging schließlich niemanden was an, was er und Rory hinter verschlossenen Tür taten, oder nicht taten.
„Was willst du hier?“ Deans Augen funkelten schon wieder gefährlich. Jess ignorierte den drohenden Berg vor sich und schlenderte an ihm vorbei. Als er sich auf das Sofa setzte schaute er Rory an und wartete auf eine Reaktion von ihr.
„Rory?“ wandte sich Dean an sie: „Was ist los, warum sagst du nichts?“ Rory umklammerte ihre Ellenbogen. „Meine Mum....Krankenhaus“ Sie stammelte nur. Jess dachte nicht daran Dean aus seiner Verwirrung rauszuhelfen. Dean war es zu blöd. Er nahm Rory bei der Hand: „Komm Rory, ziehen wir uns erst einmal an.“ Ein bissiger Seitenblick auf Jess lies sich nicht vermeiden.
Rory war immer noch stumm und lies Dean machen. Er zog ihr sein Shirt über den Kopf und sich selbst an. Es roch wundervoll nach ihr. Rory stand zwar nackt vor ihm. Aber die erotische Spannung die noch vor 10 Minuten im ganzen Raum lag, war weg. Dean wusste wenigstens noch, wo Rorys Klamotten waren. Er lief ins Bad und brachte sie Rory. Unentschlossen stand er mit Rorys Bh in der Hand vor ihr. Er hatte keine Ahnung wie man so etwas anzieht.... Also streckte er ihr ihre Sachen hin und drehte sich überflüssigerweise um. Als Rory fertig angezogen war lief sie an Dean vorbei hinaus zu Jess. Er spürte schon wieder die Wut im Bauch, schluckte sie aber hinunter und lief Rory hinterher. Rory war sicher nicht grundlos so verwirrt.
“Können wir endlich gehen?“ Jess stand auf und fuhr sich durch die Haare. „Du fährst.“ Er lief vorbei an Dean und setzte sich in Deans Auto, dass er jetzt erst entdeckte. Er war wohl mal wieder halbblind herum gelaufen. Rory und Dean liefen ihm hinterher und Dean setzte sich hinters Steuer. Es passte ihm nicht, dass Jess mitging. Aber was sollte er schon dagegen tun? „Welches Krankenhaus?“ Die klirrende Kälte im Auto zwischen Dean und Jess war genau zu spüren. „Hartford.“ Rory spürte wie ihr übel wurde. Hartford... Es war das gleiche Krankenhaus, wie wenige Tage zuvor schon ihr Vater...Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie spürte wie Dean seine Hand auf ihre legte, jetzt war keine Zeit um zu weinen. Tränen würden niemandem helfen. Die warme Kraft von seiner Wärme gab ihr Kraft. Es tat gut, zu wissen, das er da war.
Jess saß hinten im Auto und versuchte angestrengt aus dem Fenster zu schauen. Es machte ihn wahnsinnig, wie Dean seine Hände an Rory legte. Was wollte er eigentlich noch hier? Es war doch offensichtlich, dass Rory ihn nicht brauchte.


Luke und Emily saßen immer noch im Wohnzimmer. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Rory endlich durch die Tür gestürzt kam. Als endlich die Tür aufging und hinter Rory noch Dean und Jess kamen atmete Luke tief durch. Er war froh nicht mehr allein mit Emily warten zu müssen. Rorys weit aufgerissene Augen veranlassten Emily dazu, sie zu umarmen.
„Was ist los? Wo ist Mom?“ Rory kämpfte gegen eine Panikattacke nach der anderen an. Sie versuchte ja ruhig zu bleiben. Es war doch total schwachsinnig hier so ein Zirkus zu veranstalten. Sie wusste doch nicht einmal genau, was wirklich los war. Vielleicht ging es ihrer Mutter schon wieder gut, oder sie hatte sich nur den Fuß verstaucht. Es war doch total übertrieben hier zu stehen und gleich loszuheulen. Sie schüttelte den Kopf. Sie war wirklich viel zu empfindlich. So schlimm konnte es ja wohl nicht sein. Es würde nicht schlimm sein. Es durfte ganz einfach nicht schlimm sein!
Sie schälte sich aus Emilys Umarmung. „Grandma, sag mir bitte was mit Mom los ist.“ „Ist schon okay, Rory. Es geht ihr gut. Sie schläft. Du kannst sie bald besuchen. Setzt dich erst einmal hin.“ Rory lies sich von Emily auf einen freien Stuhl setzten. Dean und Jess setzten sich unaufgefordert neben sie. Dean nahm sofort Rorys kalte Hand in seine. Jess stützte sein Kinn auf die Hand und runzelte die Stirn. Er hatte wirklich keinen Bock hier mit Dean und Rory rumzuhängen. Rory saß immer noch still da und sagte gar nichts mehr. Sie kämpfte immer noch gegen Panikattacken. Es ging ihr gut. Sie schlief. Alles war gut. Bald konnte sie ihre Mutter sehen. Sie musste nur noch warten, bis sie aufhörte zu zittern und ihr Kreislauf sich beruhigte. Ihrer Mutter ging es gut. Sie würde wieder gesund werden. Was auch immer sie hatte, sie würde wieder gesund werden. Aufkommende Tränen schluckte sie wieder hinunter. Es war nicht der richtige Zeitpunkt.

„Mom?“ Rory stand unsicher an der Tür. Seit zwei Stunden hatte sie im Krankenhaus gewartet. Dann kam der Arzt und sagte ihr, sie könne zu ihrer Mom. Aber Rory hatte Angst. Sie blieb an der Tür stehen. Zu tief saß die Erinnerung an ihren Dad. Es war doch die gleiche Situation: Lorelai lag im Krankenhaus. Nicht ansprechbar. Sie würde hingehen und dann fing das Gerät an zu piepsen. Sie würde ihre Mutter umbringen, wenn sie sie anfassen würde. Sie rührte sich keinen Zentimeter. Sie wollte ihrer Mum lieber nicht zunahe kommen. Das Schicksal wollte sie nicht noch einmal heraus fordern. Lorelai sah schrecklich aus. Ihr ganzer Hals war verbunden und Infusionen mit Blutbeutel hingen neben ihr.




„Hab ich was im Gesicht oder was ist dein Problem?“ Jess schnaubte genervt. Dean und er saßen seit mindestens 2 Stunden in dem verdammten Wartezimmer und starrte mit Emily, Luke und Dean zusammen die kahle Wartezimmerwand, die betont fröhlich zu wirken versuchte, an. Zumindest er Emily und Luke starrten die Wand an. Dean dagegen beobachtete seit einiger Zeit ihn.
Was hatte Jess vor? Gab er immer noch nicht auf und versuchte Rory immer noch von sich zu überzeugen? Was hatte er vor? Warum war er noch hier? Hätte er nicht längst verschwinden können? Warum hatte Emily ihn und nicht Dean angerufen? Ach so, ja er war ja bei Rory. Jetzt machte er sich schon ganz verrückt. Was wollte er denn mehr? Rory hatte fast mit ihm geschlafen und nicht mit Jess. Sie hatte sein Hemd an und nicht das von Jess. Sie hielt sich tröstend an seiner Hand und nicht an Jess... Er benahm sich ja mal wieder fürchterlich eifersüchtig. Unglaublich!
“Du bist halt hübscher als diese hässliche Wand.“ Dean lies sich schon lange nicht mehr von Jess direktem Genöle beeindrucken.
„Ja, danke. Das Kompliment kann ich nur zurück geben. Gegen diese Mauer bist sogar du mit deinen langen Zotteln eine wandelnde Schönheit“ Tja, du weißt ja nicht, das Rory meine „langen Zotteln“ liebt. Dean fühlte sich sicher und überlegen. Jess konnte ihm gar nichts.
„Willst du nicht endlich verschwinden?“ Da war wieder die alte Kälte zwischen beiden. Aber Dean machte es nichts aus. Er wusste das Rory ihn liebte. Schließlich hatte sie Jess ja nicht geküsst oder so, sie waren nur Freunde.
Wenn du wüsstest, wie deine Freundin mich auf Sookies Hochzeit geküsst hat, lächelte Jess säuerlich.
„Danke für die nette Einladung. Aber ich bleibe noch. Und jetzt starr wieder die Wand an.“

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#29

Kapitel 28

Sie blinzelte. Vorsichtig gaben die langen Wimpern die Sicht auf den Raum frei. Die helle Halogenleuchte in ihren Pupillen machte sie orientierungslos. Ein pochender Schmerz an ihrem Hals und das Gefühl von pulsierendem Blut schwächten ihre Sinne.
Träumte sie? Wo war sie? Warum war es so hell?
„Mom?“ Eine zitternde Stimme erreichte ihr Ohr. Halluzinierte sie? Vorsichtig öffnete sie ihre Augen wieder. Blickte sich um. Sah eine zierliche Gestalt die an der Tür lehnte. Ihre Augen gingen wieder zu. Sie war schwach. Mit viel Energieaufwand drückte sie ihre Lider wieder nach oben. Ihre Augen offen zu halten kostete sie so viel, dass sie darauf verzichtete ihren Mund zu bewegen.
An der Tür stand ihre Tochter. Ihre Rory. Warum kam sie nicht zu ihr? Ihre glasigen Augen suchten nach Rorys Blick. In ihrem Gesicht stand Entsetzen und Angst.

„Mom.“ Rory kämpfte mit sich. Sie hatte die Augen offen. Sie könnte doch hingehen? Es würde nicht wieder das gleiche passieren. Sie war doch nicht Schuld an Christophers Tod. Es war nicht ihre Schuld... Der Drang zu ihrer Mutter zu kommen war schließlich stärker als die Angst. Zaghaft setzte sie Fuß vor Fuß und taumelte an Lorelais Krankenbett.
„Oh Mom.“ Stand genau vor ihr. Nahm zaghaft die blasse Hand, die von Infusionen aufgeschwellt war.
„Mom.“
Tränen bahnten sich ihren Weg über ihr Gesicht. Wie in Trance wiederholte sie immer wieder „Mom“. Ihre Finger streichelten zaghaft über die aufgeschwemmte Ader von Lorelai. Tränen tropften auf die Bettdecke von Lorelai. Es waren Tränen der Verzweiflung, Tränen der Angst und Tränen der Erleichterung. „Oh Mom.“ Rory seufzte abgrundtief und streichelte über Lorelais lange Fingernägel. Der rote Nagelack war halb abgesplittert und die Farbe sah überhaupt nicht mehr graziös und elegant aus. Ihre Mom lag in den Kissen wie hingeworfen. Ihr Hals war dick verbunden und die Blutinfusion neben ihrem Kopf tröpfelte unaufhörlich Blut in ihre Venen. Rorys Herz blutete bei dem Anblick. Lorelai hatte ihre Augen inzwischen wieder geschlossen. Sie war jetzt in Sicherheit. Denn jetzt war Rory bei ihr. Sie lag da und ihre Augen schauten ins dunkle Leere unter ihren Lidern. Sie konzentrierte sich auf Rorys Hand. Denn dann spürte sie den stechenden Schmerz an ihrem Hals nicht so sehr.
Rory hatte ihre Angst vergessen. Ihrer Mom würde nichts passieren. Sie war kein Unglücksengel. Wegen ihr war ihrer Mom nichts passiert. Und es würde ihr auch nichts mehr passieren. Rory zog sich einen Stuhl heran und bewachte Lorelai. Nie wieder würde sie sie alleine lassen. Sie begann leise mit ihr zu sprechen:
„Hey Mom. Auch wenn du jetzt denkst, dass kommt aus einem schlechten Kitschfilm. Aber ich verspreche dir, dass ich in Zukunft immer für dich sorgen werde. Du wirst nie wieder alleine im Krankenhaus sein müssen. Es tut mir so leid Mom. Was auch immer passiert ist. Es wird nie wieder passieren. Das verspreche ich dir. Ich wird auf dich aufpassen.“
Vorsichtig strich Rory mit ihrem Zeigefinger die Tränen aus Lorelais Gesicht. Sie hielt die Augen geschlossen, aber die Tränen bahnten sich auch durch die dichten Wimpern ihren Weg. Lorelai versuchte nicht daran zudenken, warum sie hier lag. Versuchte den schmerz in ihrem Hals zu ignorieren. Konzentrierte sich auf ihre kleine Tochter. Rory versprach, dass es nie wieder passieren würde. Wie konnte sie da so sicher sein? Die Tränenquelle versiegte einfach nicht. Kaum hatte Rory die Tränen abgewischt liefen schon wieder neue kleine Tropfen über ihr Gesicht.



„Wooooohhooo! Hier geblieben! Diesmal kommst du nicht so einfach davon!“ Sie zerrte an ihren Haaren und riss ihren Hinterkopf hart in Richtung Boden. Lorelai stolperte und fiel auf die Knie. Sie stand hinter ihr und ihre Fingernägel bohrten sich hart in ihre Kopfhaut. Sie flog über sie und landete unsanft auf Lorelais Rücken. Unter der Last ihres Körpers sackte Lorelai flach auf den Boden. Ihr Gesicht wurde in den dreckigen, miefenden Teppich gedrückt. Sie presste die Lippen zusammen um den Mief nicht in den Mund zu bekommen.
Sie war überall. Trat ihr in den Bauch, schlug mit der Faust auf ihre Wirbelsäule und zerrte an ihren Haaren, dass Lorelai meinte ihre Kopfhaut würde sich bald ablösen. Um sie herum war es dunkel. Lorelai kauerte auf dem Boden und hoffte das es vorüber gehen würde. Aber sie hörte nicht auf. Auf einmal wurde es feucht. Schüttete sie Wasser auf Lorelai? Nein. Ein ätzender Geruch stieg Lorelai in die Nase. Das war kein Wasser! Panisch versuchte sie sich aufzurichten. Ihr Körper schmerze und ihre Knochen ächzten unter durch die Verletzungen. Blut rann über ihr Kinn und ihr Rücken stach bei jeder Bewegung unerträglicher. Ihr Blick suchte nach ihr, wurde aber von den hellen Halogenlampen geblendet. Sie richtete sich stöhnend auf und versuchte die Balance auf ihren verschrammten Knien zu halten. Als ihre Pupillen sich etwas an das grelle Licht gewöhnt hatten drehte sie ihre knackenden Halswirbel nach rechts. Jetzt blickte sie ihr genau ins Gesicht.
Sie stand vor ihr. Neben sich einen Benzinkanister. Daher der ätzende Geruch!
Sie zog etwas aus ihrer Tasche. Ein Feuerzeug. Sie drückte den Feuerstein nach unten und die helle Flamme loderte nach oben.
„Sherry! Nein! Bitte nicht!“ Lorelais blutige Lippen rissen bei diesem Schrei noch mehr ein. Blut lief über ihr Gesicht, vermischt mit Tränen und Angst. Die Flamme spiegelte sich in Sherry Augen wieder.
Dann lies sie das Feuerzeug fallen.
Das Benzin auf ihr und um sie herum fing sofort Feuer. Die gellende Hitze breitete sich auf ihrem Körper aus. Lorelai schloss die Augen.
„Ich liebe dich Lorelai. Verlass mich nicht!“ Alles drehte sich.
Der Geruch verbrannter Kleidung und Haut verteilte sich im Raum.


„Mom! MOM!“ Rory rüttelte an Lorelai. „Wach auf! Bitte wach doch auf!“ Rory stand vor dem Bett ihrer Mutter und bewachte ihren Schlaf. Aber seit einigen Minuten war Lorelai schrecklich unruhig geworden und es schien als würde ihr Körper sich krümmen. Die Augen unter den geschlossenen Lidern bewegten sich unkontrolliert. Lorelai träumte!
Aber was? Als Rory die Tränen, die aus Lorelais Augenwinkeln quollen bemerkte fing sie an ihre Mutter wachzurütteln.
Lorelai öffnete langsam die Augen. Weit aufgerissene Pupillen starrten Rory entgegen.
„Rory! Oh Gott sei Dank“ Lorelai streckte beide Hände aus und zog Rory hinunter in ihre Arme. Der Infusionsschlauch berührte Rorys Kopf und sie spürte dass ihre Mutter zitterte. In reichlich unbequemer Position hing Rory am Bett ihrer Mom und streichelte vorsichtig ihre dunklen Haare. Schon nach kurzer Zeit war ihr Ellenbogen eingeschlafen, aber sie ignorierte es. Lorelai brauchte sie jetzt. Lore klammerte sich immer noch an ihre Tochter und schien sich nicht zu beruhigen. Erst nach gefühlten Stunden bemerkte Rory, dass Lore nicht mehr zitterte und die Tränen versiegt waren. Der Griff um ihre Schultern wurde lockerer und Lore sackte in ihre Kissen zurück.
„Mom? Was hast du geträumt?“ Lore antwortete nicht. Sie starrte mit glasigen Augen auf die Tür.

In der offenen Tür stand Luke.

~
And I start to feel for him again. Stupid me.
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#30

Kapitel 29

Er stand schon eine ganze Weile in der Tür. Unbemerkt von den Gilmores stand er da und versuchte seinen Pulsschlag zu kontrollieren. So wie er sich aufführte war doch maßlos übertrieben. Lorelai hätte grund sich aufzuregen, aber doch nicht er. Ihm ging es doch gut. Er stand da und wurde von einer Panikattacke geschüttelt. Dabei war er es doch nicht dem es so schlecht ging. War er es denn, der mit einer Halsverletzung im Krankenhaus lag? War er an Blutinfusionen angeschlossen und lag verletzt im Krankenhaus?
Nein. Nicht er, sondern Lorelai. Hätte er sie nur nicht alleine gehen lassen, dann wäre das alles nicht passiert. Die Vorwürfe flogen ihm nur so um den Kopf. Sein starrer Blick ruhte auf Lorelais Gesicht. Erst als Lorelais Blick genau in seinen Augen landete, wachte er aus seiner Trance auf. Rory drehte sich um und schaute ebenfalls auf die Tür.
„Luke?“ Rory hatte Mühe ihre Stimme sicher klingen zu lassen. „Warum kommst du nicht rein?“ Rory war froh Luke hinter sich zu wissen. Ihr viel es immer schwerer ihrer Mutter Kraft zu geben. Luke schaltete in dem Moment, als er Rorys hilfesuchendes „Luke“ hörte seinen Kopf aus. Sein Gehirn arbeite auf Hochtouren und sein Beschützerinstinkt veranlasste ihn dazu, Rory die Hand auf die Schulter zu legen. Als seine Augen wieder Lorelai streiften lag diese immer noch tonlos da und ihre Augen wirkten glasig und leer. Starrte sie ins Nichts?
„Rory geh erst mal einen Kaffee trinken. Ich pass solange auf sie auf.“ Aufmunternd nickte er ihr zu. Rory war so geschafft, dass sie dankbar den Rückzug antrat.
„Mom, ich komm gleich wieder.“ Lorelai reagierte nicht. Sie lag da und starrte mit ausdruckslosen Augen auf Luke. Vielleicht starrte sie auch durch ihn hindurch. Es schien, als wäre sie gar nicht anwesend. Etwas zitterig drückte Rory die Türklinke hinunter und stolperte in den Gang.
Ein Blick auf die Uhr gegenüber machte ihr klar, dass sie seit mehreren Stunden bei ihrer Mom saß. Wo war hier ein Kaffeeautomat? Rory lief orientierungslos den Gang entlang. Durch eine Glasscheibe sah sie in das Wartezimmer. Es war das gleiche Zimmer, wie sie vor wenigen Tagen mit Sherry und ihrer Mom saß. Jetzt standen frische Blumen auf dem Tisch und auf den Stühlen saßen ihre Großmutter, Dean und Jess. Warum waren Dean und Jess immer noch hier?
Etwas unkontrolliert stoppte sie an der Glastüre. Da in diesem Krankenhaus wohl alles aus Glas war, sprangen Dean und Jess gleichzeitig auf, als sie Rory bleich und verweint entdeckten. Dean lief sofort auf Rory zu und wollte sie in seine Arme ziehen. Jess hielt sich etwas im Hintergrund. Rory allerdings wollte von niemandem berührt werden. Sie war immer noch viel zu verwirrt wegen ihrer Mom. Unbewusst stieß sie Dean von sich weg. Dean zog enttäuscht seine Arme zurück und Jess konnte sich ein sarkastisches Grinsen einfach nicht verkneifen.
„Warum seit ihr noch hier?“ Rory fröstelte und sie legte ihre kalten Finger um ihre Ellenbogen.
Emily schien gar nicht zu bemerken ,dass Rory da war. Sie starrte weiter die Wand an.
„Ich hab auf dich gewartet Rory. Ich bin dein Freund, weißt du nicht mehr? Was er“ Er deutete auf Jess, „hier will, weiß ich auch nicht.“ Der Unterton war kaum zu überhören, sodass Jess nicht anders konnte, er musste kontern: „Ich bin ebenfalls ein Freund, lieber Dean.“ Rory zog die Stirn kraus. Für so etwas hatte sie jetzt wirklich keine Zeit. Das Spiel hatte sie lange genug gespielt. Es gab wirklich wichtigeres auf der Welt, als dieser Kleinkrieg hier.
„Danke. Aber du kannst jetzt gehen Dean. Ich bleib hier bei meiner Mom. Und Luke ist ja auch noch da.“ Deans Miene verfinsterte sich und Jess grinste siegessicher.
„Bai bai, Dean. Bis morgen dann.“
„Du kannst auch gehen Jess.“ Das Lächeln gefror auf seinen Lippen.
„Danke dass ihr solange da wart. Aber ihr könnt nichts mehr tun. Bis bald.“ Damit drehte sie sich um und lief den Gang hinab. Kaffee – mehr wollte sie im Moment nicht.

Dean und Jess standen ratlos im Krankenhaus Getöse und starrten sich gegenseitig an.
„Tja Kumpel, jetzt hat sie uns beide abserviert.“ Dean genoss es in vollen Zügen. „Und jetzt komm, oder willst du nach Stars Hollow laufen?“ Oh nein! Jess hätte sich am liebsten selber getreten. Er war ja ohne Auto hier. Er rechnete kurz, wie lange es dauern würde, bis er von Hartford nach Stars Hollow gelaufen wäre. Schon mit dem Auto dauerte das eine halbe Ewigkeit.
„Komm schon, schlag hier keine Wurzeln. Ich will nach Hause.“ Jess hasste es, auf Dean angewiesen zu sein. Der allerdings genoss es und schlenderte gemütlich hinter Jess her. Rory würde er morgen anrufen, Lorelai ging es sicher nicht all zu schlecht.


Luke saß auf Rorys Stuhl und beobachtete Lorelai. Sie hatte die Augen immer noch offen und blickte unkontrolliert ins Leere. Luke saß einfach nur stumm da und war da. Mehr konnte er im Moment wohl nicht tun. Lorelais Hand lag gefährlich nahe in Reichweite. Wie lange würde es dauern, bis er sich trauen könnte sie zu streicheln? Lorelais Kopf lag zur Seite geneigt und sie schien ganz ruhig zu sein. Vielleicht konnte er es doch wagen? Seine Finger zitterten ein wenig, aber langsam kam er ihrer bleichen gegilbten Hand näher. Als seine weiche Hand die kalte von Lorelai berührte zuckte sie nicht zusammen. Nur eine leichte Gänsehaut bildete sich auf ihrem Arm und dem Handgelenk. Luke war froh es getan zu haben .Vorsichtig streichelte er mit dem Daumen über Lores Handrücken. Als er den Kopf hoch und in ihr Gesicht blickte, sah er wie Lorelai eine einzelne Träne aus dem linken Auge lief. Er hasste Lorelais Tränen. Für ihn war es nicht einfach nur eine Träne, sie bedeutete mehr. In dem Wassertropfen, der sich langsam den Weg über Lorelais Nasenflügel hinab über den Wangenknochen suchte, spiegelte sich die grelle Halogenlampe. Er hasste es, Lorelai so zu sehen und senkte den Blick auf ihre Hand. Ihre langen Fingernägel waren aschfahl und der rote Nagelack war nur noch splitterig zu erkennen



Minutenlang saß er so da und studierte ihre Hand. Wagte nicht seinen Blick zu heben. Lorelais Atem war flach und ruhig. Langsam machte die Stille im Raum ihn verrückt. Es war als würde die Stille in seinen Ohren rauschen und an seinen Haaren ziehen. Er hielt es nicht mehr aus. Musste etwas tun. So viele Wörter brannten auf seinen Lippen. Gefühle lasteten auf seinen Stimmbändern. Er wollte soviel sagen und schreien. Aber er schwieg. Es war zu gefährlich. So wie jetzt hatte er Lorelai noch nie gesehen. Nicht mal als Christopher starb sah sie so aus. Er konnte sie nicht mehr einschätzen. Es schien, als läge ein völlig fremder Mensch vor ihm. Eine Frau, die er weder kannte und noch nie gesehen hatte. Die Stille wurde unerträglich. Zögerlich formten sich die Buchstaben auf seiner Zunge.
„L-o-r-e-l-a-i?“ Er schlug seine Augen auf und schaute in ihr Gesicht. Ihre Augen waren unverändert. <i>Lorelais Träne</i> hatte eine leichte Spur auf ihrem Gesicht hinterlassen. Ihr Blick traf genau in seine Augen. Lukes Hand ruhte immer noch auf ihrem Handrücken. Vorsichtig bewegte er Daumen und Zeigefinger.
Plötzlich kam Bewegung in Lorelai. Sie zog ihre Hand unter Lukes hervor. Bewegte unsicher ihre Arme und ihre Zehen. Wie in Zeitlupe setzte sie sich auf. Es schien als würde es eine Ewigkeit dauern bis sie aufrecht vor Luke saß. Sie atmete stoßweiße und hielt immer wieder die Luft an. Sicher hatte sie Schmerzen. Luke setzte sich aufrecht hin. Erwartungsvoll blickte er Lorelai an. Was kam jetzt?
Mit noch mehr Kraftanstrengung streckte sie beide Arme in Richtung Luke. Wollte sie etwa? Wie ferngesteuert lehnte sich Luke nach vorne. Langsam und zaghaft legte Lorelai ihre kalten Arme um seinen starken Oberkörper. Schwach zog sie ihn an sich. Ihr kalter Körper strahlte keine Wärme mehr aus. Kein Funke Temperament ging mehr von ihrem Körper aus. Luke spürte die kalten Finger auf seinem Rücken. Warum war alles an Lorelai so kalt? Luke versuchte die Kälte zu ignorieren und rückte noch ein Stück näher an Lorelai ran. Er schlang seine Arme um ihren schmächtig wirkenden Rücken. Sie lehnte ihre eisige Stirn an seinen Hals. Seine linke Hand hielt ihren schwankenden Körper. Die rechte bahnte sich ihren Weg an Lorelais Wirbelsäule nach oben und er streichelte sanft ihren Nacken. Sie lag in seinen Armen. Er wiegte sie sanft hin und her. Jetzt störte ihn die Stille nicht mehr. Es war keine aufdrängende Stille mehr, keine ängstliche. Er schloss die Augen. Es war okay, alles würde gut gehen. Alles würde wieder besser werden. Er beruhigte sein klopfendes Herz.
Lorelai presste ihre Nase gegen seinen Hals. Er roch so gut. Er roch sicher. Hier konnte ihr nichts passieren. Es war wie bei
„Chris“ Sie seufzte.
Stille.
Er hielt den Atem an.
Hatte er gerade richtig gehört?
Seine Trommelfelle rauschten. Hatte er sich das eingebildet? Er schlug die Augen auf. Löste die Umarmung. Nahm seine Hand aus ihrem Nacken und schob sie auf ihr Bett zurück. Dann blickte er ihr in die Augen. Ihre Augen waren wässrig und schienen durch ihn hindurch zu sehen. Sah sie überhaupt ihn? Sah sie nicht viel mehr Chris? Lorelai hing verloren in der Luft. Der Infusionsschlauch tröpfelte unaufhaltsam weiter. Luke glaubte die hinabfallenden Bluttropfen zu hören. Das hier lief falsch. Es lief absolut falsch. Er war im falschem Film. Im falschen Raum. Vielleicht sogar im falschen Jahrhundert. Auf jeden Fall war er hier falsch. Mit den Beinen schob er seinen Stuhl zurück. Er musste raus. Weit weg. Weg von ihr. Weg von Chris. Er stand auf. Fahrig drehte er sich um. Lorelai saß verwirrt auf ihrem Bett. Was hatte sie falsch gemacht?
Luke rauschte gegen die Türe und versuchte den Türgriff hinab zu drücken. Auf einmal war der Türgriff verdammt schwer. Seine Hände zitterten vor Aufregung. Er drehte sich nicht mehr um. Schaute nicht zurück. Wollte und konnte sie nicht mehr sehen. Darum war sie so kalt. Weil er nicht der Richtige war. Er war offensichtlich nicht der Richtige Mann, der stundenlang an ihrem Bett saß. Er überhörte sein vor Schmerzen gellend schreiendes Herz und raste hinaus auf den Gang. Orientierungslos flüchtete er. Er lies die Tür einfach hinter sich. Dachte nicht daran sich um zu drehen und sie zu zumachen.
Er rannte gegen eine Wand. Blind vor Schmerz ignoriere er das heiße Gefühl dass auf einmal gegen seine Brust klatschte. Seine Augen sahen Rory. Sahen ihren fragenden Blick. Aber es war unmöglich auch nur zwei Sekunden stehen zu bleiben. Die Demütigung vor der er flüchtete würde ihn einholen und niederknüppeln. Er lief weiter. Ignorierte Rorys Rufe.

Rory stand mit ihren zwei Bechern in der Hand wie verlassen vor dem Zimmer ihrer Mom. Die Tasse Kaffee war ebenso verschüttet wie der Tee für Luke. Luke! Sie starrte ihm immer noch hinterher. Inzwischen konnte sie ihn nicht mehr sehen. Die Tür von Lorelais Zimmer stand offen. Sie spähte hinein. Ihre Mom saß immer noch unbeweglich in ihrem Bett. Was war bloß passiert? Rory ging hinein. Luke konnte sie nicht helfen. Er wollte offensichtlich auch nicht mit ihr reden. Sie ging zu ihrer Mutter und nahm sie in den Arm. Lorelai blieb starr und schloss die Augen, als Rory sie umarmte. Stille Tränen liefen hinab. Von Rory unbemerkt.

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And I start to feel for him again. Stupid me.
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