Chapter 21
Obwohl er noch stundenlang so dastehen könnte, weià Richard doch, dass es Zeit ist zu gehen. Ein Blick auf die Uhr lässt ihn wissen, dass es ohnehin schon Stunden nach ihrer gewöhnlichen Zu Bett Geh-Zeit ist. Sanft drückt er Emily zurück auf den Fliesenweg. Auch sie scheint wie aus einem Traum gerissen, folgt ihm, aber nicht ohne nicht noch einen letzten Blick auf die malerische Umgebung zu werfen
Schweigend gehen sie nebeneinander her, nur das sanfte Rauschen des Meeres und das klappernde Geräusch ihrer Schuhe auf den noch warmen Fliesen sind zu vernehmen. In Wohlwirkendes Schweigen gehüllt, wandern Richards Gedanken in die Vergangenheit, genauer, zurück zu den letzten paar Wochen, die wohl die schlimmsten seines Lebens waren. Noch immer kann er Emily deutlich vor sich sehen, wie sie an jenem Abend angestrengt ihr Essen betrachtete, bevor sie aufsah, sich den Mund abtupfte und ihm direkt in die Augen sah, als sie den so verheiÃungsvollen Satz aussprach: âRichard, ich möchte die Scheidung.â
Für einige Minuten war es still im festlich geschmückten Esszimmer der Gilmore Residenz. Als könnte man die Gedanken beider lesen, einem Stummfilm ähnlich. Zunächst starrte er auf seinen Teller, konnte nicht glauben, dass es ihr Ernst war, und doch überraschten ihn die Worte keines Falls. Wochenlang hat er sie schon erwartet, jede Gelegenheit gefürchtet, zu der sie gepasst hätten. Anstatt ihnen entgegen zu treten, hat er Salz in die Wunde gestreut, immer öfter und immer länger hatte er sich in seinem Büro verkrochen, war bis spät in die Nacht nicht mehr heraus gekommen. Wenn er zu Bett ging, schlief sie meistens schon. Er konnte den gekränkten Ausdruck in ihren Augen sehen, sie verfolgten ihn in seine Träume, lieÃen ihm auch tagsüber keine Ruhe. Und nun, nun saà er hier, gegenüber von ihm seine Frau, die die Scheidung wollte, und wusste nichts darauf zu antworten.
Langsam erhob er sich, wagte es jedoch nicht ihr in die Augen zu sehen, er hätte es nicht gekonnt. Wie betäubt sah er zu ihr hin, bemühte sich die Fassung zu bewahren, bemerkte wie sie es auch tat. âWenn du das möchtest.â, das waren seine einzigen Worte. Ohne einen weiteren Blick ging er, wie schon so oft zuvor, in sein Arbeitszimmer.
In den nächsten Wochen gingen sie sich aus dem Weg, versuchten so wenig wie möglich miteinander zu sprechen. Eisige Stille herrschte in ihrem Haus, Stille, der sich niemand entziehen konnte. Tagsüber verkroch er sich in seiner Arbeit während sie praktisch nur noch zum Abendessen nach Hause kam. Die Stille zwischen ihnen machte ihm schwer zu schaffen, aber sie war ihm auch gelegen, schlieÃlich hätte er nicht gewusst, was er mit ihr reden hätte sollen.
Bis eines Tages, fein säuberlich zusammengelegt, in der Mitte seines Schreibtischs platziert, der Brief mit den Scheidungspapieren lag. Sie persönlich hatte ihn in sein Büro gebracht. Unterzeichnet. Doch er selbst saà stundenlang vor dem Brief, hätte ihn am liebsten zerrissen, tat es aber nicht, ihretwillen. Lange und sorgfältig beobachtete er ihre Unterschrift, wie sie so stark und geschwungen auf dem Papier saÃ, er sah ihre Bewegung vor sich, wie sie sich hinsetzte, den Füller aufschraubte um schlieÃlich mit einem entschlossenem, festen Zug ihren Namen unter die Seiten, die den Rest ihres Lebens bestimmen sollten, zu setzen. Er bewunderte ihre Stärke, denn hätte er unterschrieben, so wären es zittrige Buchstaben gewesen, aneinander gereiht, und doch keinen Sinn ergebend. Doch noch mehr verletzte es ihn. War sie sich wirklich so sicher in ihrer Entscheidung? Hat sie zuerst auf einem Blatt Papier ihren Schriftzug geübt um ihn so perfekt auf die Unterlagen zu bringen? Oder war sie wirklich so tief in ihrem Bestreben, dass es für sie kein wenn und aber gab, die Unterschrift nur noch die offizielle Bestätigung für etwas, was sie ohnehin schon beschlossen hatte? Während er die Unterlagen so eingehend betrachtete, wanderten seine Gedanken zurück an seinen Antrag, und an das Versprechen, das sie sich gegenseitig gegeben haben. Sich zu lieben bis dass der Tod sie scheidet, oder in ihrem Fall der Notar. Wie konnte es möglich sein, dass man ein Versprechen, das man vor Gott gegeben hat so einfach brechen kann?
Während des ganzen Abends kreisten seine Gedanken andauernd um die Vergangenheit, um sie in der Vergangenheit. Er konnte noch genau nachfühlen, wie er sich an jenem Abend, an dem er sie um ihre Hand gebeten hatte, gefühlt hatte. Wie er immer nervöser wurde und sie fortwährend auf ihn einschimpfte, weil er an dem Abend so verschlossen war. Mit jeder Faser seines Körpers hat er sie damals geliebt, hat sie so sehr geliebt, dass er die Hochzeit mit Pennilyn aufgab und sich seinen Eltern widersetzte, um sie zu heiraten. Doch es hatte den Anschein, als ob es gar nicht zu dem Antrag kommen sollte, denn während sie durch den einsamen Park schlenderten, und sie das Reden komplett eingestellt und gegen Schmollen eingetauscht hatte, konnte er einfach nicht den richtigen Moment finden. Immer näher rückte die Zeit, ihre Freundinnen warteten schon auf sie. SchlieÃlich sah er keine andere Möglichkeit, als einfach stehen zu bleiben und sie zu fragen. So hielt er sie am Arm fest, womit er sich wiederum einen strafenden Blick einfing. Seine Worte widerhallten immer und immer wieder in seinem Kopf: âEmilyâ, setzte er an, brach aber ab, da sie etwas erwidern wollte. Er deutete ihr zu schweigen und fuhr fort: âEmily, ich habe dir etwas zu sagen.â, wieder brach er ab. Das war einfach nicht der richtige Moment, so konnte er auch nicht die richtigen Worte finden. Doch Emilys Interesse war geweckt, was er angefangen hatte, musste er auch zu Ende bringen, das sah er an ihrem Blick. Mehrmals versuchte er noch anzusetzen und sie endlich zu fragen, bis er schlieÃlich entnervt aufgab. Ging an diesem Abend schon so vieles schief, so konnte es kaum noch schlimmer werden. Ohne ihre Reaktion abzuschätzen, holte er die kleine, Samtüberzogene Schachtel aus seinem Jackett und hielt es Emily hin. Er konnte ihre Bemühungen, keinen überraschten Eindruck zu machen, sehen, und doch fiel ihm das von ihm so geliebte Flackern in ihren Augen auf, als sie die Schachtel öffnete, sie wieder schloss und ihm zu nickte.
Doch als er in seinem Arbeitszimmer saÃ, die Scheidungspapiere vor sich liegen, die nur noch auf seine Unterschrift warteten, da kam ihm die ganze Geschichte nur noch wie ein irreales Märchen vor. Die Emily und den Richard von früher gab es nicht mehr, die Geschichte der zwei Verliebten war vorüber und hatte nicht den Anschein sich noch einmal zu wiederholen.
Gerade hatte er seine Unterschrift mit einer forschen Bewegung unter die Verträge gesetzt, da vernahm er von der Tür ein sachtes Klopfen, kurz darauf trat sie in den Raum, die Gesichtszüge angespannt, die Augen glasig. Sie gab sich die allergröÃte Mühe, Haltung zu bewahren und obwohl sie ihre Maske schon vor langer Zeit perfektioniert hatte, konnte er doch merken welches Opfer sie ihm bot, sie bot ihm ihren Stolz.
âRichard, wir müssen redenâ, ihre Stimme klang stark, entschlossen, obwohl ihre Augen genau das Gegenteil ausdrückten. Sie wirkten fahl, verzweifelt.
Er antwortete ihr nicht, wusste nicht genau was er zu erwarten hatte. So fuhr sie fort.
âIch habe einen Fehler gemacht.â, wieder entstand eine Pause, und wieder erwiderte er nichts darauf.
âIch möchte, dass du wieder nach Hause kommst.â Erneut, Pause. Doch diesmal wusste er etwas zu erwidern. Er stand auf, straffte sein Jackett und sah ihr direkt in die Augen. âWarum?â, kein Funken Ironie lag in seiner Frage. Sie war ehrlich und begründet, was Emily leicht aus der Fassung zu bringen schien.
âWarum? Richard, muss ich dir wirklich begründen warum ich wieder mit dir zusammen sein will?â
âDu wolltest die Scheidung, Emily.â, ich wollte sie nie, hätte er am liebsten hinzugefügt. Jede Minute, jede Stunde hat er gezählt in denen er von ihr entfernt war, bei jedem Klopfen an seiner Tür flammte in ihm das letzte Fünkchen Hoffnung auf, sie möge ihre Meinung
ändern. Doch wo sie endlich vor ihm stand und von ihm forderte, was er ihr nur zu gern erfüllen würde, da zögerte er. Eingehend betrachtete er seine Frau, noch war sie es, die so fieberhaft versuchte ihren Stolz und schlieÃlich ihn selbst nicht zu verlieren. Eine Strähne hatte sich aus ihrer Frisur gelöst, sie schien sich nicht bemühen, die losen Haare wieder zu Recht zu stecken. Wie diamanten glitzerten die feinen Bahnen auf ihren Wangen, die die stummen Tränen hinterlassen haben, eine Falte hatte sich auf ihrer Stirn gebildet. Und genau da wurde ihm bewusst, dass er sie noch nie so sehr geliebt hatte wie in diesem Augenblick.
Jetzt geht er schweigend neben ihr her, den Arm fest um sie geschlungen und wundert sich, wie es so schön sein kann mit jemanden gemeinsam zu schweigen.
sodala, wieder mal was neues, ein funzi bissi länger :biggrin:
Marie