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Prüfung und Test
"Rory, ich hab Neuigkeiten!"
Jess warf die Tür ins Schloss und rannte in die Küche. Er wusste, dass sie da war. Sie hatte es ihm gestern versprochen.
Allein schon am Klang seiner Stimme hätte sie wissen müssen, dass er bestanden hatte, dass er seinen Abschluss endlich geschafft hatte. Doch sie stand nur in der Küche, an den Kühlschrank gelehnt, und war in Gedanken versunken. Als sie aufblickte, war er ihr schon um den Hals gefallen. Sie war so überrascht, dass ihr sogar ein Lächeln übers Gesicht huschte. Aber nur ganz kurz.
"Hey, freust du dich denn gar nicht?", fragte er.
"Doch, natürlich."
"Ein bisschen mehr Enthusiasmus hätte ich mir schon erwartet."
Sie zwang sich zu einem Lächeln. Er freute sich so, sie konnte ihm doch nicht den Tag vermiesen. Doch er merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. So hatte er sie noch nie gesehen. Irgendwas musste zwischen dem Anruf gestern Abend und jetzt passiert sein.
"Okay, was ist los?"
"Nichts", sagte Rory und wandte sich von ihm ab.
"Lügen konntest du noch nie. Da bin ich der Spezialist."
Das hätte lustig sein sollen, doch Rory war nicht nach Lachen. Sie musste ihm zuerst alles erzählen. Wie er es wohl aufnehmen würde?
"Jetzt sag schon!"
Rory atmete tief ein. Sie hatte sich 5 verschiedene Versionen ausgedacht, was sie ihm sagen würde, doch jetzt, als sie ihn ansah, fiel ihr keine einzige mehr ein. Verdammt. Sie hätte sich alles aufschreiben müssen. Jess sah sie immer noch fragend an, dann sprudelte alles aus ihr heraus.
"Nach dem Telefonat gestern kam Paris...dann sind wir ins Kino..mit Logan und den anderen...und der Film...ich dachte, es könnte doch sein...", stammelte sie.
"Stopp, halt. Ganz ruhig, ich verstehe nichts. Also, du warst gestern mit Logan im Kino?"
"Und Paris und Marty. Paris hat mich angestiftet", fügte sie schnell hinzu.
Er musste doch wissen, dass sie nicht freiwillig gegangen ist.
"Okay."
"Du bist nicht böse?"
"Naja, ich bin nicht gerade erfreut, aber du sagst ja, Paris ist Schuld, also vergessen wir das mal."
Rory sah ihn skeptisch an. Das konnte doch nicht wahr sein. Sie hatte ihm nichts vom Besuch ihrer Grandma erzählt und er wäre beinahe ausgerastet, und jetzt sagte er nichts dazu, dass sie mit Logan weg war. Umso besser. Vielleicht ahnte er ja schon, dass das nicht die ganze Geschichte war.
"Nach dem Film ist mir eingefallen, dass es bei mir auch sein könnte."
"Ich verstehe kein Wort. Rory, welcher Film? Was könnte sein?"
"Jess...es wäre möglich, dass ich schwanger bin", brachte sie hervor.
Jetzt war es raus. Er wusste bescheid. Obwohl sie Angst vor seiner Reaktion hatte, war sie doch erleichtert, dass sie keine Last mehr mit sich rumschleppen musste.
Jess ging einen Schritt zurück, starrte sie aber immer noch an. Er hatte keine Ahnung was er sagen sollte, er wusste nicht, wie er reagieren sollte.
"Bist du...bist du sicher?"
"Nein. Ich hab noch keinen Test gemacht. Ich bin überfällig, nur ein paar Tage, nichts auÃergewöhnliches, aber trotzdem."
Jess ging zum Schrank und nahm sich ein Glas. Er füllte es mit Wasser und trank es in einem Zug aus. Das brauchte er jetzt. Seine Kehle war vollkommen ausgetrocknet. Rory stand nur in der Küche und beobachtete ihn. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte.
"Und wenn du...ich meine, wenn du wirklich...willst du es behalten?", fragte er stockend.
"Keine Ahnung, willst du es denn behalten?"
"Ãhm...ich weià nicht. Warum nicht?"
Rory fiel ein Stein so groà wie der Mount Everest vom Herzen. Natürlich wollte sie das Kind behalten. Nicht eine Sekunde hatte sie an Abtreibung gedacht. Sie hatte nur vor seiner Einstellung zum Kind Angst gehabt.
Als Jess sah, wie niedergeschlagen sie war, tat sie ihm richtig leid. Die letzten Stunden mussten sie komplett fertig gemacht haben. Sie sah so verloren aus, wie sie da so in der Küche stand und auf den Boden blickte, also nahm er sie in die Arme. Er spürte, wie ihr Tränen über die Wangen liefen und seinen Pulli durchnässten. Die Situation musste sie komplett überfordert haben. Nach einer Weile löste sie sich von ihm, wischte ihr Gesicht ab und zog ihre Jacke an.
"Ich muss es Mum sagen."
Bevor er etwas erwidern konnte, war sie verschwunden.
Eine halbe Stunde später standen die beiden Gilmores in der Apotheke vor einem Regal.
"Rory, langsam musst du dich entscheiden, wir stehen jetzt schon seit geschlagenen 10 Minuten hier, und Kirk wird allmählich nervös", drängte Lorelai ihre Tochter.
Doch Rory brachte es nicht übers Herz, einen der Tests aus dem Regal zu nehmen. Kirk konnte seine Ungeduld nicht länger zügeln und kam zu ihnen herüber.
"Kann ich den Damen helfen?"
"Nein, danke Kirk. Wir kommen schon zurecht", wimmelte Lorelai ihn ab.
Also verschwand er wieder. Es war ein Fehler gewesen, hierher zu kommen. Sie hätten nach Hartford fahren sollen, dort kannte sie niemand. Doch Rory war mit den Nerven völlig am Ende gewesen, dass sie die Fahrt nicht überstanden hätte. Da Rory immer noch keine Anstalten machte, sich für einen Test zu entscheiden, versuchte Lorelai sie abzulenken.
"Wie hat Jess eigentlich reagiert?"
"Was?"
Rory war in Gedanken versunken gewesen und hatte nicht mitbekommen, wie ihre Mum sie etwas fragte.
"Was hält Jess von der ganzen Sache?"
"Oh, ähm, Jess war toll. Wirklich groÃartig. Er steht voll und ganz hinter mir, egal was ich mache. Und er hat mich geröstet."
Wow. Das hätte Lorelai nicht gedacht. Als sie gesehen hatte, wie aufgelöst ihre Tochter gewesen war, hatte sie eigentlich gedacht, Jess wäre gegen das Kind. Aber anscheinend war dem nicht so. Rory stand wohl nur unter Schock. Jess hatte also wirklich eine 2. Chance verdient.
Irgendwann wurde es Lorelai zu bunt und sie wählte einen Schwangerschaftstest aus. Sie nahm Rory an der Hand und die beiden gingen zu Kirk an die Kassa. Sie zahlten und wollten den Laden verlassen.
"Kein Sorge, dieses Geheimnis bleibt unter uns", sagte Kirk und zwinkerte Rory zu. Ihr Plan war also nicht aufgegangen. Sie hatten vortäuschen wollen, dass der Test für Lorelai sei, doch Kirk hatte sie durchschaut. Trotzdem waren sie ihm dankbar, dass er nichts ausplaudern würde. Sie lernten Kirk gerade von einer anderen Seite kennen. Dankbar lächelten sie ihn an und verschwanden.
"Wir zwei gehen jetzt nach Hause und werden den Test auswerten, dann machen wir uns einen schönen Videoabend, egal was raus kommt. Zum Glück sind meine Eltern noch nicht aus dem Urlaub zurück, also sparen wir uns heute ein Horror-Dinner", plante Lorelai den ganzen Abend durch.
"Mum, sei mir nicht böse, aber ich würde den Test gerne mit Jess machen."
Also konnte Lorelai ihre Pläne wieder vergessen. Sie verstand, dass sie lieber mit Jess auf das Ergebnis warten wollte, war aber trotzdem ein bisschen enttäuscht.
"Was ist los?"
Rory hatte ihren nachdenklichen Blick bemerkt.
"Nichts. Es ist nur...mein Baby ist erwachsen geworden."
Rory sah betreten auf den Boden. Ja, sie war erwachsen, doch in diesem Moment wünschte sie sich einfach, noch immer ein kleines Kind zu sein. Sie war erst 21. Sie hatte keine Zeit für ein Kind. Natürlich wollte sie eines Tages Kinder haben, viele Kinder, aber jetzt war sie einfach noch zu jung. Sie musste noch studieren, hatte kein festes Einkommen und sie wusste nicht, ob Jess schon bereit für ein Baby war.
"Hey, alles wird gut", redete Lorelai Rory gut zu.
Sie ahnte, was in Rory vorging. Ihr war es damals ähnlich ergangen. Rory umarmte ihre Mum und lief dann mit dem Schwangerschaftstest zurück zu Jess' Wohnung. Egal was kommen würde, sie würden das schon schaffen.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 03.12.2005, 18:41 von
sunshinesmile.)