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Ein langer Weg
Ein gutassehender Mann in den Fünfzigern betrat den Raum. Er trug eine alte, abtgetragene Jean, darüber den typischen Arztmantel. Ãber dem Kragen wellten sich die Haare. Auf der Nase saà eine schwarze Nickelbrille.
In der einen Hand hatte er einen Pappbecher mit Krankenhauskaffee. Bei jedem Schluck verzog er sein Gesicht. Unter den anderen Arm hatte er eine Akte geklemmt. Wahrscheinlich die von Liz.
Der Mann wirkte ruhig und gelassen, und doch professionell und erfahren. Er war Jess auf den ersten Blick sympathisch.
"Wie geht es uns denn heute?", erkundigte sich der Arzt nach dem Befinden seiner Patientin.
"Wenn Sie mir gute Nachrichten bringen, geht es uns wunderbar."
Liz wischte sich die letzten Tränen weg und versuchte zu lächeln.
"Wollen Sie dabei sein, oder lieber drauÃen warten?", wandte sich der Arzt an Jess.
Dieser warf einen fragenden Blick zu seiner Mutter. Wollte sie ihn dabei haben oder das alleine durchstehen? Mit einem Nicken bedeutete sie ihm, dass er bleiben sollte. Also setzte er sich wieder auf den Stuhl. Und auch der Arzt setzte sich.
Er sah sich die Befunde noch einmal an. Jess wurde nervös. Der Arzt musste die Befunde doch schon oft genug gesehen haben. Warum konnte er nicht einfach mit der Wahrheit herausrücken? Auch Liz war nervös. Sie griff nach Jess' Hand. Er spürte, das sie nass geschwitzt war.
Als der Arzt zu sprechen begann, hingen die beiden förmlich an seinen Lippen. Er drückte sich sachlich und dabei verständlich aus.
"Sie befinden sich im fortgeschrittenen Stadium. Da Sie bereits den ersten Chemozyklus hiner sich haben, können wir Ihnen jetzt aber einmal vorläufig sagen, wie es um Sie steht", begann Dr. Berry.
Er machte eine Pause. Die Sonne leuchtete zum Fenster herein. Im Krankenhaus war es sehr ruhig, was daran lag, dass es noch sehr früh war, und die gelassene Art von dem Arzt, der sich als Dr. Berry vorgestellt hatte, lieà Jess auf das Beste hoffen. Doch er wollte sich nichts vormachen, um hinterher nicht enttäuscht zu werden.
Er beobachtete Dr. Berry eingehend. Er war sehr ungezwungen, kippte oft bequemlichkeitshalber den Stuhl zurück, lehnte sich gegen die Wand und räusperte sich immer wieder. Wenn er sich zurücklehnte, sank er so weit wie möglich nach hinten und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. In seiner unspektakulären Art strahlte er Selbstvertrauen aus.
"In den letzten Tagen haben sich Ihre Blutbefunde erheblich gebessert, die Tumormarker sind gefallen, was bedeutet, dass der Krebs auf die Medikamente anspricht. Das lässt uns auf das Beste hoffen. Ich will Ihnen aber nichts vormachen. Es steht Ihnen noch ein langer und vor allem harter Weg bevor. Sie haben noch 3 Zyklen Chemotherapie vor sich. Sie werden sich von Tag zu Tag schlechter fühlen. Ãbelkeit, Müdigkeit, Haarausfall, das alles wird auf Sie zukommen", erklärte er.
"Aber sie wird wieder gesund?", warf Jess ein.
"Das kann ich Ihnen nicht versprechen. Im Moment sieht es aber gut aus. Und Ihre Mutter ist eine Kämpferin. Also wie ich das sehe...ja, sie wird wahrscheinlich wieder gesund."
Liz stieà einen Freudenschrei aus. Dann umarmte sie Jess und dann auch noch den Arzt. Sie würde wieder gesund werden, sie würde wieder gesund werden. Der Krebs war noch nicht besiegt. Noch lange nicht. Und doch fühlte sie sich wie eine Siegerin. Und sie war bereit, den wahren Kampf zu eröffnen. Und diesen Kampf zu gewinnen.
Lorelai wachte auf, weil jemand im unteren Stock wie verrückt gegen die Tür hämmerte und gleichzeitig Sturm läutete. Sie warf einen Blick auf ihren Fellwecker. 9 Uhr. Verdammt, ich hab verschlafen, war ihr erster Gedanke. Doch dann fiel ihr ein, dass Smastag war. Verdammt, welcher Idiot holt mich so zeitig aus den federn, war ihr nächster Gedanke.
Sie warf sich einen Morgenmantel über und stolperte völlig verschlafen die Treppe runter. Verzweifelt suchte sie nach dem Hausschlüssel, merkte dann aber, dass sie ihn stecken gelassen hatte. Sie drehte ihn im Schloss und eine Sekunde später stürzten Luke und Rory ins Haus.
"Was ist denn los? Wo brennt's?", rief sie den beiden, die bereits im Wohnzimmer standen, nach. Dann schloss sie die Tür.
"Ich ...Ich ...Ich muss dir was sagen", setzte Luke an, brach dann aber ab. Er rang verzweifelt nach Luft. Er war den ganzen Weg vom Diner herüber gelaufen unhd jetzt auÃer Atem. Rory war ruhiger. Sie hatte das Auto genommen.
"Was ist passiert?", fragte Lorelai nervös.
Da Luke immer noch nach Luft schnappte, sah sie ihre Tochter an. Rory konnte aber nichts sagen. Sie hatte Luke versprochen, dass er die freudige Nachricht überbringen durfte.
"Luke, was ist denn?"
Sie nahm seine Hand und führte ihn zur Couch. Beide setzten sich, Rory blieb stehen.
"Liz...wird gesund", brachte er schlieÃlich heraus.
"Was?", rief Lorelai mit weit aufgerissenen Augen. Mit einem Satz war sie wieder auf den Beinen. Sie sah abwechselnd von Rory zu Luke, der noch immer nur stoÃweise atmen konnte. Doch Rory nickte aufgeregt mit dem Kopf.
"Es ist wahr, Mum. Jess hat angerufen. Es sieht gut aus."
Lorelai stieà einen Freudenschrei aus und fiel dann ihrer Tochter um den Hals. Wie zwei Verrückte tanzten sie im Wohnzimmer herum. Dann fiel Lorelai Luke um den Hals.
"Jess hat gesagt, wir sollten uns nicht allzu sicher sein, doch im Moment sieht es gut aus. Der nächste Zyklus fängt erst am Freitag an, das heiÃt, sie werden eine Woche Urlaub machen.", erklärte Rory.
"Kommen sie etwa her?"
Schlagartig veränderte sich Rorys Miene wieder, und Lorelai wusste, dass die Antwort auf ihre Frage "Nein" war.
"Nein, Liz will unbedingt ans Meer, in die Sonne. Sie werden nach Kalifornien fliegen. Jess will ihr alles zeigen."
Lorelai stand auf und nahm ihre Tochter in den Arm.
"Hey, mach dir keinen Kopf. Jess wird schon wieder zurück kommen", versuchte sie ihre Tochter zu trösten.
"Ja, ich weiÃ. Ich kann's ihm auch nicht verübeln. Er will bei seiner Mum sein. Ich wünschte nur, dass...dass ich dabei nicht zu kurz kommen würde."
Tritt nicht in die FuÃstapfen anderer, du hinterläÃt sonst selbst keine Spuren.
Rückkehr nach Stars Hollow, Wird er sich jemals ändern? Auf der schiefen Bahn
Kurzgeschichte:
Sometimes it's too late
Die Zeit heilt nicht alle Wunden, aber sie lehrt uns mit dem Schmerz umzugehen.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 01.12.2005, 21:55 von
sunshinesmile.)