Der Einsendeschluss ist zwar schon eingestaubt, eingemottet und die Challenge vermutlich bereits mental in die nächstbeste Ecke geschmissen, aber ich hatte gerade Lust was Kitschiges zu schreiben, und...ja...hier also mein Beitrag, der hoffentlich nicht so einsam und allein bleibt
Herbstlaub
Ihre Schultern zuckten verräterisch. Ein Zittern befiel ihren gesamten Körper. Weinkrämpfe, schier endlos, grausam. Unendliche Schwäche, Schwäche die so viele Jahre lang verborgen geblieben war. Unterdrückt, beinahe schon vergessen.
Wie hatte das passieren können?
Ratlos saà er dort, legte unbeholfen einen Arm um sie. Konnte nicht ertragen, was er sah, denn er liebte sie.
Wer hasst es nicht, einen geliebten Menschen leiden zu sehen?
Kurz erinnerte er sich an den Auslöser dieses Zusammenbruchs. Immer lauter werdende Stimmen. Worte, die das Herz trafen, die viel tiefer gingen, als es ihnen bestimmt war. Unbeschreibliche Wut, von beiden Seiten.
Mitten in Luke's Diner war die wohl heiligste Beziehung zweier Menschen zerbrochen. Einfach so. Aus Gründen, welche die Umstehenden nur hatten erahnen können aus den Beschuldigungen und Vorwürfen. Sie wussten nicht, dass es lediglich ein Missverständnis gewesen war. Nur ein dummes Missverständnis.
Wegen dem nun zwei Welten in Trümmern lagen.
Er hatte versucht, einzuschreiten, um noch etwas retten zu können, teils aus Angst und teils aus Sorge. Noch nie hatte er einen so hässlichen Streit erlebt.
Ihr Schluchzen wurde lauter, qualvoller.
Wie konnten Worte einen Menschen an so tiefe Abgründe bringen?
Verzweifelt krallten sich ihre Finger in seine Jacke, suchten nach einem letzten bisschen Halt, nach einer Garantie, das alles wieder gut werden würde, obwohl sie genau wusste, dass es so eine Garantie nicht geben würde. Es war zu spät, die Verbindung war kaputt, das schier unzerstörbare Band gerissen.
Mutter und Tochter gab es nicht mehr.
Lorelai Gilmore war gebrochen.
"Es...es geht schon wieder", sagte sie schlieÃlich leise, mit gebrochener Stimme. Sie weinte noch immer und wusste nicht, ob sie je wieder damit aufhören würde. Nicht, dass es sie kümmerte.
"Bist du sicher?", fragte er. Auf seiner Stirn vertiefte sich die Sorgenfalte.
Von ihr kam nur ein Nicken, und er wusste, dass es keinen Sinn hatte, jetzt auf sie einzureden. Sie brauchte Zeit, Zeit um alles zu verarbeiten. Um sich selbst aufzusammeln und wieder zusammenzusetzen.
Er küsste sie auf die Stirn und schaute ihr traurig nach, als sie sein Appartement verlieÃ. Länger als einen Moment hatte er mit dem Gedanken gespielt, sie nach Hause zu bringen. Aber sie hätte dieses Angebot so oder so abgelehnt, das war ihm klar. Sie wollte zumindest vor den Bewohnern dieser kleinen, verrückten Stadt wirken, als sei alles in Ordnung. Als sei sie stark.
Sie atmete tief ein, versuchte, die kühle Nachtluft zu spüren. Doch auÃer Schmerz spürte sie nichts. Zum wohl schon hundertsten Mal fuhr sie sich über das Gesicht, auch wenn sie nicht wusste, was sie sich davon erhoffte.
Dann durchzuckte es sie.
Sie musste etwas tun. Denn genau in diesem Moment war sie dabei, ihre Tochter zu verlieren, der Mensch, den sie am meisten liebte. Durch jedes Feuer gehen würde sie für Rory. Ganz egal, ob sie sie hasste.
Ihre Schritte wurden schneller. Sie musste nach Hause, musste in ihren Wagen steigen, musste so schnell wie möglich zu ihrer Tochter gelangen.
Mit zittrigen Händen drehte sie einige Minuten später den Zündschlüssel um und fuhr los, durch die Nacht, einfach, um irgendetwas tun zu können. Ihr war klar, dass es hoffnungslos war, dass es nichts bringen würde, mit ihr zu reden, doch sie konnte nicht einfach nur herumsitzen und leiden. Handeln musste sie.
Die Hälfte des Weges hatte sie nun schon hinter sich. Jeglicher Versuch, die Erinnerung an den furchtbaren Streit aus ihrem Kopf zu verbannen, scheiterte auf erbärmlichste Weise. Immer schlimmer schienen die Bilder vor ihrem geistigen Auge zu werden.
Für einen kurzen Moment schloss sie die Augen.
Dann herrschte Stille.
"Mum! Mum, schau her, das ist unser neues Zuhause!" Ein glockenhelles Kinderlachen erfüllte die Herbstluft.
"Ja, SüÃe. Das ist unser Haus." Ein warmes Lächeln hatte sich auf Lorelais Gesicht ausgebreitet. Voller Stolz blickte sie auf das Haus, welches von heute an ihnen gehören würde. Ihr und ihrer kleinen Tochter. Dem besten Team auf der ganzen Welt.
"Mum?" Leicht ungeduldig zupfte Rory an dem Ãrmel ihrer Mutter und schaute mit ihren groÃen, blauen Augen zu ihr hoch. "Glaubst du, das Gras ist hier genauso weich wie das beim Independence Inn?"
Lorelai musste lachen. "Ich weià es nicht, Schätzchen. Aber wir könnten es testen." Für einen winzigen Moment blitzten ihre Augen, welche dasselbe blau hatten wie das ihrer Tochter, lebhaft auf, und Sekunden später lieÃen sich Mutter und Tochter mitten in das bunte Herbstlaub fallen.
Strahlend rollte Rory sich zu ihrer Mutter hinüber, bis sie schlieÃlich direkt neben ihr zum Liegen kam. "Es ist sogar noch viel schöner", rief sie begeistert.
Von Lorelai kam nur ein verträumtes "Hmhm...". Sie malte sich aus, wie viel SpaÃ, wie viel Leben bald in diesem Haus sein würde. Wie Rory und sie nur noch das machen würden, was sie wollten.
Das kleine Mädchen neben ihr lieà sich mitreiÃen von der von Vorfreude erfüllten, genieÃenden Stille. Und nach einer schier endlos langen Weile öffnete sie den Mund, redete ganz leise, behutsam beinahe.
"Ich hab dich lieb, Mum..."
"Ich hab dich lieb, Mum...das weiÃt du doch, oder?"
"Natürlich weià ich das, Rory."
Einen Moment lang herrschte Schweigen zwischen den beiden Frauen.
"Rory?"
"Hm?"
"Warum sind wir hier?"
"Ich weià nicht. Um uns die Wolken anzuschauen?"
Lorelai seufzte. "Das haben wir nicht mehr gemacht, seit du zwölf warst."
"Das heiÃt nicht, dass ich es nicht immer noch gerne tue. Siehst du diese kleine, verkrüppelte Wolke da drüben? Die sieht aus wie der komische Stoffelefant, den du mir ständig unterjubeln wolltest." Rory grinste.
Wäre dies ein normaler Tag gewesen, hätte Lorelai nun gewiss eine schlagfertige Antwort parat gehabt. Doch dies war nicht die Zeit, um über so unwichtige Dinge unnötige Worte zu verlieren.
"Warum haben wir uns gestritten, Rory?"
"Ich weià nicht. Um uns danach wieder zu vertragen?"
Lorelai fuhr gedankenverloren mit der Hand über das farbenfrohe Herbstlaub, welches das weiche Gras vor ihrem Haus bedeckte.
"Aber wir haben uns nicht vertragen."
"Noch nicht."
"Ist es noch nicht zu spät?"
"Nein, Mum. Es ist nie zu spät."
Genau so musste es sein. So war die Welt wieder in Ordnung.
Lorelai genoss die Stille, genoss den Frieden, der um sie herum herrschte. Genoss die Gewissheit, dass ihre Tochter hier neben ihr lag und nichts in der Welt sie jemals auseinanderbringen konnte.
"Ist es möglich, ewig hier zu bleiben? Für immer, meine ich."
"Natürlich."
"Das ist gut."
"Rory?"
"Luke? Warum rufst du an?" Noch halb in ihren Albträumen versunken setzte Rory sich auf. Sie rieb sich kurz über die Augen, um wach zu werden. Irgendetwas war absolut nicht in Ordnung, noch weniger in Ordnung als es ohnehin schon war.
"Es ist...wegen Lorelai", brachte der Mann am anderen Ende der Leitung hervor. Sie konnte hören, dass er um seine Fassung rang.
"Was ist mit Mum?"
"Da gab es...es gab einen Unfall..."
Es wurde kalt. Kälter als es je zuvor gewesen war, kälter als es je wieder sein würde.
Es sei denn...
"Luke, ist sie tot? Sie ist nicht tot, bitte sag, dass sie nicht tot ist..."
"Sie ist nicht tot, Rory. Sie liegt im Koma."