Der Tag zog sich in die Länge, die Minuten schienen sich wie Jahrhunderte hinzuziehen, die Stunden nahmen kein Ende. Jeder Blick auf die Uhr versetzte ihrem Herzen einen kleinenStich, es war erst 5:30 Uhr, Richard war erst vor 2 Stunden gegangen und würde auch erst am Nachmittag zurück kommen. Er hatte gesagt, er wollte einiges erledigen, vor allem wollte mit Pennilyn reden.
Emily saà auf der Matratze, eingewickelt in ein Lacken, dass sie aus dem Wohnzimmer geholt hatte, nachdem kuscheln alleine doch nicht mehr ausgereicht hatte, um sie warm zu halten. Noch immer lag sie so da, wie Richard sie zurück gelassen hatte. Unruhig dreht sie sich, beobachtet, wie der Raum langsam wieder in Farbe getaucht wurde. Auch die Welt drauÃen wurde wieder heller, ein Blick aus dem Fenster verriet ihr, dass es ein nebeliger Morgen war, so wie es um diese Jahreszeit in Hartford häufig der Fall war. Noch war sie nicht bereit aufzustehen und sich schon wieder Sorgen um alles zu machen, wollte einfach die Zeit noch etwas genieÃen. Sie drückte ihren Kopf fest gegen die Matratze, atmete tief ein, genoss es, noch entfernt den Duft von Richard erahnen zu können. Die Nacht war für sie einfach unglaublich gewesen, sie hatte so etwas noch nie erlebt. Natürlich, Sex war für sie mittlerweile etwas alltägliches, aber Spaà dabei war etwas völlig Neues.
Richard hat mich damals wie eine Frau behandelt, hat versucht es für mich wunderschön zu machen. Alle anderen Männer haben mich immer nur wie ein Stück Fleisch behandelt, ihnen war es nicht wichtig wie es mir dabei ging. Doch für Richard zählten auch meine Gefühle, er war darauf bedacht, dass es mir genauso gefiel wie ihm. Er achtete auf jede meiner Bewegungen und Reaktionen und war so sanft und vorsichtig das es für mich eine völlig neue Erfahrung war.
Lange durfte sie allerdings nicht so daliegen. Sie war gerade wieder in ihre Tagträume abgetaucht, da flog die Tür auf und Hopie stand, in eine weiÃe Decke eingewickelt, im Raum. âEm, du hast mir die Gitarre versprochen, wann gehen wir?â Die Kleine strahlte über das ganze Gesicht, schien furchtbar aufgeregt zu sein. âHopie, Liebes, es ist erst halb 7 Uhr morgens, da haben die Geschäfte noch nicht auf, das weiÃt du doch.â Sie lächelte ihre Schwester an, war stolz auf sie. Wenn man bedachte was die Kleine schon alles erlebt hatte, dann stellte man fest, dass sie sich trotz allem prächtig entwickelt hatte. âLeg dich noch ein bisschen hin, ich wecke dich wenn es soweit ist, in Ordnung?â Hopie sah sie trotzig an. âDarf ich dann wenigstens bei dir bleiben?â Die Kleine setzte einen Schmollmund auf, Emily lächelte sie daraufhin an und nickte. Hopie legte ihren Kopf auf Emilys Schulter und war gleich darauf wieder eingeschlafen.
In diesem Moment wurde mir klar, dass ich viel zu wenig Zeit mit meiner Schwester verbrachte. Ich kam morgens nach Haus kurz bevor sie aufstand, während sie in der Schule war schlief ich und räumte auf, nachmittags machte sie ihre Hausaufgaben, ging zu Freundinnen und ich bereitete mich auf meine Arbeit vor. Sobald Hopie schlief, schlich ich mich aus der Wohnung. Doch in diesem Moment, nach dieser ersten Nacht mit Richard wurde mir klar, ich musste mein Leben ändern. Für Hopie, für Richard, aber vor allem für mich selber.
Der Tag verging quälend langsam, zu langsam für Emilys Geschmack. Den Vormittag verbrachte sie damit mit Hopie nach einer Gitarre zu suchen, die sich leisten konnten. Es war schwierig, doch es gelang ihnen. Kaum wieder zuhause begann Hopie zu spielen, es klang furchtbar, aber sie war glücklich und das war alles, was Emily wollte.
Diese beschäftigte sich damit, die Wohnung auf Vordermann zu bringen, zu putzen und aufzuräumen. Es war immerhin Tag und heute würde sie Richard nicht davon abhalten können den Rest der Wohnung zu sehen.
Im Bad versteckte sie ihre ganzen Kosmetikartikel, um auf Richard nicht den Eindruck zu machen, dass sie verwöhnt oder arrogant war. Sie erklärte Hopie, ihm nichts zu sagen über ihre Eltern, ihren Job oder sonst irgendwas. Am besten wäre es, meinte Emily schlieÃlich, wenn Hopie nur dann sprach, wenn sie gefragt wurde. An diesem Tag war Hopie dazu bereit, Emily jeden Gefallen zu tun, immerhin war sie glücklich mit ihrer Gitarre.
Es tat gut, Hopie wieder so glücklich zu sehen. Sie hatte gelitten seit Mutters Tod, seit Vater weg war, doch in diesem Moment schien es ihr besser zu gehen und das machte auch mich unheimlich glücklich.
Doch an diesem Tag war ich ohnehin glücklich, Richard wollte am Nachmittag zurück zu mir kommen und das freute mich. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so sehr auf einen Mann gefreut, es war unglaublich.
Als der Nachmittag endlich kam und es immer später wurde, wurde Emily zunehmend nervöser. Wann würde er endlich kommen? Würde er vielleicht doch nicht mehr kommen? Hatte er sie schon vergessen und machte sich einen schönen Tag mit seiner Verlobten? Sie saà am Küchentisch und blickte ständig auf die Uhr an der Wand. Zuerst war es noch zwei Uhr, dann wanderte der Zeiger weiter, es wurde schlieÃlich drei Uhr und dann vier Uhr, ohne dass sie etwas von Richard gehört hatte. Mit jeder Minute nahmen nun ihre Sorgen zu. So schön es in der letzten Nacht auch gewesen sein mag, er war ein Mann. Es lag in seiner Natur zu betrügen und zu hintergehen. Sie hatte es zu oft gesehen, zu oft miterlebt, wenn sie zu einem Freier ins Auto gestiegen war, wenn ein unscheinbarer goldener Ring seinen Ringfinger geziert hatte und sich in seinem Portemonait Bilder seiner Kinder befunden haben.
Ich habe lange gebraucht, um Männern wieder vertrauen zu können, ich hatte so vieles erlebt, was ein junges Mädchen niemals erleben sollte. Ich hatte damals das Gefühl, dass Männer zu allem fähig waren, auÃer dazu, zu lieben. Es hat sehr lange gedauert, bis man mich von Gegenteil überzeugen konnte und ich muss gestehen, dass ich auch heute manchmal noch Zweifel daran habe.
SchlieÃlich war es fünf Uhr, Emily stand wieder einmal auf, ging ans Fenster, blickte nach unten. Nichts, noch immer keine Spur von Richard. Dann ging sie ins Wohnzimmer, sah Hopie, die auf ihrer Matratze saà und Gitarre spielte. "Mach doch nicht so einen Lärm.", flog sie sie an. Als sie in Hopies Gesicht Enttäuschung sehen konnte, fügte sie noch rasch hinzu: "Tut mir leid, es war nicht so gemeint." Sie seufzte, ging wieder zurück in die Küche und lieà sich dort auf einen Stuhl fallen. "Das war wohl nichts...", meinte sie zu sich selbst, spielte mit dem Gedanken, ob sie sich an diesem Abend noch nach Freiern umsehen sollte. Sie war gerade im Begriff aufzustehen, um ins Bad zu gehen, als es an der Tür klingelte.
Sie sprang auf, versuchte möglichst ruhig zur Tür zu gehen und öffnete, und tatsächlich stand Richard dort, der sie sofort in den Arm nahm. âEmily, du hast mir gefehlt.â Er wusste nicht, wieso er es sagte, doch es war so, sie hatte ihm gefehlt.
In diesem Moment war ich einfach nur glücklich. Ich hatte die ganze Nacht nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen das es das beste war, Pennilyn zu verlassen. Doch als ihr bei ihr war, ging es nicht, sie lieà es nicht zu. . Ich habe in dieser Nacht nicht nur mit Emily geschlafen, ich habe wenige Stunden später auch mit Pennilyn geschlafen. Ich habe Emily hintergangen und es tut noch heute weh wenn ich daran denke. Zwei Frauen in dem Glauben zu lassen, dass man sie liebt, obwohl es nur bei einer der Fall war, es war nicht richtig, um genauer zu sein, es war das gemeinste, was ein Mann tun kann.
Emily war im ersten Moment irritiert, genoss es dann aber. Endlich war er wieder da, er hatte sie nicht vergessen, hatte sie sogar vermisst. Das musste ein gutes Zeichen sein â er war zurück gekehrt. âDu hast mir auch gefehlt, Richard.â
Einen Moment standen sie so im Flur ehe von Hopie und den schiefen Tönen der Gitarre zurück in die Realität geholt wurden. Emily verdrehte die Augen, Richard lachte. âWer ist das denn?â Emily sah ihn unsicher an. âMeine kleine Schwester Hopie, sie hat heute eine Gitarre bekommen.â Sie nahm ihn an der Hand und führte ihn langsam durch die kleine Wohnung in das Wohnzimmer, wo Hopie auf ihrer Matratze saà und glücklich auf ihrer Gitarre spielte.
âHopie, Liebes, hör doch bitte kurz auf, ich würde dir gern jemanden vorstellen.â Die Kleine sah auf und lächelte Richard schüchtern entgegen. âHallo. Ich bin Hopie.â Richard sah sie an, lächelte. âHallo. Ich bin Richard.â Einen Moment sah er unsicher zu Emily, entschied sich dann, weiter mit der Kleinen zu sprechen. âEine schöne Gitarre hast du da. Spielst du schon lange?â Hopie sah ihn weiter schüchtern an. âNein, erst seit heute Vormittag.â âDu machst das schon sehr gut. Ich kann dir gern irgendwann mal etwas zeigen, mein Onkel hat mir das Gitarre spielen auch mal beigebracht.â Hopie lächelte glücklich und wandte sich wieder ihrem Instrument zu, während Emily Richard nach nebenan führte.
Ich glaube in diesem Moment hat Hopie ihn ins Herz geschlossen. Sie mochte Richard immer, hat es mir oft genug gesagt. Er hat sich von Anfang an um uns beide gekümmert, später dann als wir verheiratet waren, war er ein kleiner Vaterersatz für sie. Sie mochten einander von Anfang an und das war mir wichtig.
In dem kleinen leeren Raum angekommen lieà Richard sich wieder auf der Matratze nieder, zog Emily auf seinen SchoÃ. âEine süÃe Schwester hast du da.â Emily lächelte. âDanke sehr. Ich glaube sie mag dich.â Richard sah ihr einen Moment in die Augen, bemerkte dann: âDas hoffe ich doch, immerhin werde ich jetzt öfter hier sein.â
Ich weià nicht was in diesem Moment in mich gefahren ist, aber ich wusste, es war das, was ich sagen wollte, sagen musste. Ich hatte mich zwar noch nicht wirklich von Pennilyn getrennt, aber ich wusste schon damals das Emily die Frau war, die mir wichtiger sein würde als Pennilyn, die Frau die ich brauchte um glücklich zu sein. Daher war mir auch Hopie wichtig â von Anfang an.
Emily fühlte wieder dieses leichte Kribbeln in der Magengegend, das sie schon am Vorabend in seiner Gegenwart gespürt hatte. Ihr Herz begann wie verrückt zu rasen. Richard hatte sich also tatsächlich für sie entschieden. Er würde öfter bei ihr sein. Für diese Worte bedankte sie sich bei ihm mit einem zärtlichen Kuss.
Den Nachmittag verbrachten wir in dem kleinen Zimmer. Richard hielt mich im Arm und erzählte mir viel über sich und seine Familie. Er hatte ein beeindruckendes Leben, ein Leben, von dessen Existenz ich bis dahin noch nicht einmal etwas gewusst hatte. Elite-Uni, Geld, Konzerte, Reisen, all das waren Dinge, von denen ich nur träumen konnte.
Jedenfalls war ich in diesen Stunden unheimlich glücklich. Einige Zeit verbrachten wir einfach nur küssend auf der vergammelten Matratze, die auf dem schmuddeligen Boden in dem kleinen Zimmer lag. Für mich waren es in diesem Moment zwei völlig verschiedene Welten:
Hopie die nebenan saà und schiefe Töne auf der Gitarre zustande brachte und ich in Richards Armen. Ich hatte noch nie in meinem Leben soviel Geborgenheit gefühlt, war nie so glücklich gewesen. Ich denke, dass waren die Momente, die mich endgültig zu der Entscheidung brachten, dass ich mein Leben ändern musste â dass ich nie wieder auf der StraÃe arbeiten würde.
âEmily, ich muss gehen.â Richard hatte einen kurzen Blick auf seine Uhr geworfen, es war halb 7. âIch werde noch erwartet, es tut mir leid, ich wäre gern noch geblieben, aber es geht leider nicht.â Er sah die Enttäuschung auf ihrem Gesicht. âWas hältst du davon, wenn ich dich und Hopie morgen Vormittag abhole und wir zusammen einen Ausflug machen. Ich kenne einen wunderschönen kleinen Ort, nur eine halbe Stunde von Hartford entfernt, da wird es euch sicher gefallen.â Emily lächelte. âSehr gern Richard.â
Ein letzter intensiver Kuss, eine letzte Umarmung, dann begleitete Emily Richard zur Wohnungstür und er ging.