Tut mir leid, schneller ging es leider nicht
Rory saà im Diner und schlürfte an einer riesigen Tasse Kaffee. Sie saà schon seit einer Stunde da. Sie hatte sich einen Tisch am Fenster ausgesucht. Vor ihr lagen eine Menge Zettel, Unterlagen, Mappen und ein groÃer Stapel Bücher. Sie lernte für ihre erste Prüfung in Yale.
Sie war in der Früh schon ganz zeitig aufgestanden, damit ihr die Zeit nicht davonlief. Dabei hatte sie noch eine ganze Woche Zeit. Aber wer Rory kannte, wusste auch, dass sie sich nie mit zu wenig zufrieden gab. Das hieÃ, dass es nicht ausreichte, ungefähr bescheid zu wissen. Sie musste jedes noch so kleine Detail kennen.
Doch zu Hause war ihr schnell die Decke auf den Kopf gefallen. Daher hatte sie versucht, ihre Mum zu überreden mit ins Diner zu kommen, doch die wollte nicht. Sie wollte zwar nicht sagen, warum, aber Rory wusste, dass irgendetwas zwischen ihr und Luke vorgefallen sein musste.
Also hatte sie ihre ganzen Unterlagen allein hergeschleppt und jetzt bestellte sie eine Tasse Kaffee nach der anderen bei Luke. Jess hatte sie seit dem kleinen Zwischenfall gestern nicht gesehen. Und im Moment hatte sie auch wichtigeres zu tun, als sich ihren Kopf über ihn und vor allem ihre Beziehung zu zerbrechen. Sie musste ihre Aufzeichnungen entziffern.
Luke kam schon mindestens zum 7. Mal an ihren Tisch und schenkte ihr Kaffee nach. Bei den ersten 2 Tassen hatte er noch protestiert, doch mittlerweile hatte er das aufgegeben. Rory war süchtig danach. Sie würde ja doch nicht auf ihn hören.
Irgendwann kam Jess die Treppe herunter. Als er Rory entdeckte, wollte er natürlich sofort zu ihr hinüber gehen, überlegte es sich dann aber doch anders. Sie schien ziemlich beschäftigt zu sein. Also stellte er sich hinter den Tresen. Luke kam auf ihn zu und drückte ihm gleich Block und Stift in die Hand.
âDu bemerkst aber früh, dass ich Hilfe gebrauchen könnte.â
Jess ignorierte diesen Kommentar und nahm die ersten Bestellungen auf. Doch immer wieder schweiften seine Blicke zu Rory ab. Er war sich nicht sicher, was der Streit vom Vortag jetzt zwischen ihnen zu bedeuten hatte.
Luke entging natürlich nicht, dass sein Neffe nicht ganz bei der Sache war.
âAlles okay zwischen euch?â, erkundigte er sich.
âKlarâ, kam nur die knappe Antwort von Jess.
âWarum starrst du sie dann an, als wäre sie die Königin von England?â
âIch starre sie nicht an.â
âDann ist ja gut.â
Luke drehte sich weg und wandte sich wieder an Kirk, der ihn schon seit einer halben Stunde nervte, weil er fettarme Pommes wollte. Luke hatte noch nie von fettarmen Pommes gehört, und das versuchte er auch die ganze Zeit dem guten Kirk beizubringen.
âSeit wann ist sie denn schon hier?â, lenkte Jess die Aufmerksamkeit seines Onkels wieder auf sich.
Luke hob seinen Arm und betrachtete die Uhr.
âMehr als eine Stunde schon. Sie muss lernen.â
âWofür?â
âFür eine Prüfung natürlich. Das solltest du übrigens auch mal machen.â
Jess winkte nur ab und beobachtete weiterhin den Tisch am Fenster. Plötzlich hob Rory den Arm, ohne dabei aufzublicken.
âWas will sie denn?â, erkundigte sich Jess bei Luke.
âKaffee, was denn sonst?â
Er drückte seinem Neffen die Kanne ein die Hand und schickte ihn los. Jess schüttelte nur den Kopf. Seit neuestem gab es bei den Gilmores also schon Geheimzeichen, wenn sie Kaffee wollten. Gut zu wissen.
âHey!â, sagte Jess, als er Rorys Tisch erreichte.
âHey!â, sagte auch sie, ohne dabei aufzublicken.
âKaffee?â
âKlar.â
Sie schob ihm ihre Tasse hin und blätterte um.
âKann ich sonst noch etwas für dich tun?â
Endlich blickte Rory von ihren Büchern auf und sah ihm in die Augen. Dann schüttelte sie einfach nur den Kopf und widmete sich wieder ihren Unterlagen.
Jess runzelte die Stirn und ging zurück hinter den Tresen. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Luke bemerkte Jessâ ratloses Gesicht und kam zu ihm.
âSie ist heute nicht sonderlich gesprächig. Muss wohl an ihrem Prüfungsstress liegen.â
Jess zuckte mit den Schultern und zog ein Buch aus seiner Hosentasche. Er warf noch einmal einen Blick zu Rorys Tisch, dann schlug er das Buch auf und begann darin zu lesen.
Zur Mittagszeit saà Rory immer noch im Diner und hatte nichts, auÃer eine Tasse Kaffee nach der anderen bestellt. Und mehr als ein paar Worte hatte sie auch noch mit niemandem gewechselt. Sie schien viel zu sehr in ihre Bücher vertieft zu sein.
Jess trat mit einer Kaffeekanne zu ihr an den Tisch.
âNoch etwas Kaffee?â
Sie nickte und hielt ihm die Tasse hin.
âWie viel davon hast du denn heute schon getrunken?â
Rory blickte auf und grinste.
âIch hab nicht mitgezählt. Einen Liter hab ich aber sicher schon intus.â
Da musste auch Jess grinsen. Rory lächelte ihm noch kurz zu, dann widmete sie sich wieder ihren Büchern.
âWillst du denn nichts essen?â
âKeine Zeit. Ich muss lernen.â
Jess nickte, dabei war es ihm egal, dass Rory ihn nicht einmal ansah. Er überlegte kurz, was er jetzt machen sollte. SchlieÃlich stellte er die Kanne auf ihrem Tisch ab und setzte sich ihr gegenüber. Rory sah überrascht auf.
âRory, ist alles okay?â
âJa, klar. Wie kommst du darauf?â
âNein, ich meine zwischen uns. Ist zwischen uns alles okay?â
âOhâ¦ähmâ¦ja, ich denke schon.â
âDu bist also nicht böse auf mich?â, forschte Jess nach.
âNein, ich bin nicht böse.â
Sie schenkte ihm ein leichtes Lächeln. Jess lehnte sich in seinem Stuhl entspannt zurück und atmete er leichtert aus.
âDann ist ja gut. Ich lass dich mal wieder lernen.â
Er stand auf und wollte wieder gehen.
âNaja, eine kleine Pause würde gar nicht schaden.â
Jess drehte sich verdutzt um und sah Rory an. Sie lächelte ihn an und schob ihre Bücher auf die Seite. Mit ihrer Hand deutete sie Jess, sich wieder zu setzen. Also lieà er sich wieder auf den Stuhl fallen. Er legte seine Hände auf die Tischplatte und begann, nervös mit dem Salzstreuer zu spielen.
âGibt es irgendetwas Neues?â, erkundigte sich Rory.
âEigentlich nichtâ, kam nur die knappe Antwort von Jess.
Ganz schlechter Anfang für ein Gespräch. Denn sofort trat ein unangenehmes Schweigen zwischen den beiden ein. Jess spielte weiterhin mit dem Salzstreuer, während Rory nervös ihre Finger knetete.
âWas lernst du da?â, erkundigte sich schlieÃlich Jess und deutete auf Rorys Unterlagen.
âAmerikanische Literatur.â
âHört sich doch interessant an.â
âIst es nicht, glaub mir. Der Professor ist zum Einschafen. AuÃerdem sieht er aus wie eine Eule. Eine krumme Nase und meterdicke Brillengläser.â
Bei Rorys Beschreibung musste Jess lachen und schon war der Bann gebrochen. Bald waren sie in eine aufregende Unterhaltung vertieft.
Sie wussten nicht, wie lange sie dasaÃen und sich über das Studium, zu Jessâ Leidwesen über die Schule und vor allem über Bücher unterhielten. Irgendwann tauchte dann Angie an ihrem Tisch auf.
âHey ihr zwei! Darf ich mich dazusetzen?â, erkundigte sie sich gut gelaunt.
Rory biss sich auf die Zunge, um nicht irgendetwas Dummes zu sagen. Sie konnte es nicht fassen, dass Angie schon wieder da war. Sie tauchte immer zu den unmöglichsten Augenblicken auf. Immer dann, wenn sie sich gerade wunderbar mit Jess verstand.
âTja, weiÃt du, eigentlich sollte ich noch lernenâ¦â, begann sie, verstummte aber augenblicklich, als sie Jessâ Blick sah.
Also zwang sie sich zu einem Lächeln und deutete auf einen Stuhl.
âAber sicher doch, setzt sich herâ, presste sie hervor.
Während Angie sich setzte und Rory fieberhaft überlegte, wie sie sich am besten aus dieser Situation befreien konnte, tauchte Lane hinter den dreien auf.
âBin ich froh, euch hier zu treffen!â, stieà sie hervor.
âLane, was ist denn los?â, fragte Rory besorgt.
Lane stützte sich am Tisch ab und atmete schwer.
âLane, was ist denn?â
âIchâ¦ich bin den⦠ganzen Wegâ¦gelaufen. Ich mussâ¦euch unbedingt etwasâ¦sagen.â
âLane, beruhige dich erst einmalâ, sagte Rory und klopfte Lane auf die Schulter.
Lane lieà sich auf einen freien Stuhl fallen und griff nach Rorys Tasse. Nach einem groÃen Schluck war sie wieder soweit, normal sprechen zu können.
âWas ist denn so Wichtiges passiert?â, erkundigte sich Rory.
âStellt euch vor. Wir haben einen Gig.â
âDas ist ja groÃartigâ, rief Rory.
âNein, doch natürlich ist es das, aber die eigentliche Ãberraschung kommt erst.â
âUnd die wäre?â, schaltete sich nun auch Jess ein.
âWir sind die Vorband von Distillers.â
âAaaah!â, rief Rory und umarmte ihre beste Freundin.
âEs geht noch weiterâ, sagte Lane, nachdem sie sich wieder von Rory gelöst hatte.
âWas kommt denn jetzt noch?â, fragte Rory mit zunehmender Neugier.
âIch kann euch Karten besorgen.â
Plötzlich war es still an dem Tisch, denn keiner sagte mehr etwas.
âIch weiÃ, Rory, du und Jess ihr ward schon mal auf einem ihrer Konzerte und ihr seid auch nicht mehr zusammen, aber ich dachte ihr kommt trotzdem mit. Es ist doch unser erster bedeutender Auftritt.â
Rory lächelte ihre Freundin an.
âNatürlich kommen wir mit. Nicht wahr Jess?â
Sie blickte zu Jess hinüber und sah ihn erwartungsvoll an.
âKlar kommen wir mit. Denkst du, ich lass mir ein Konzert von denen entgehen?â
Rory war sichtlich erleichtert, dass Jess sofort einverstanden war.
Lane war hellauf begeistert, dass die beiden mitkommen wollten, sprang aber sofort wieder auf. Ihre Mum würde jeden Moment vom Bibelkreis nach Hause kommen.
âÃhm, kann ich vielleicht auch mitkommenâ, schaltete sich plötzlich Angie ein.
Lane drehte sich verdutzt wieder um und wollte schon mit Ja antworten, doch dann fiel ihr Blick auf Rory. Die schien nämlich alles andere als erfreut, dass Angie mit auf das Konzert gehen wollte.
Auch Angie war aufgefallen, dass Lane sich da ganz nach ihrer Freundin richten würde und blickte daher zu Rory.
âIch meine, wenn das für dich okay ist, Rory.â
Rory schüttelte kaum merklich den Kopf. Das war doch nicht zu fassen. Jetzt musste sie schon bestimmen, ob Angie mit aufs Konzert gehen durfte. Am liebsten hätte sie Nein gesagt, doch dann wäre Jess wieder wütend und das wollte sie nicht. Er sah sie jetzt schon ganz skeptisch an.
Also zwang sich Rory wieder zu einem Lächeln.
âJa, natürlich. Ich werde dann auch Marty fragen, ob er nicht mitkommen will. Wenn das in Ordnung ist, Lane.â
âKlar, ich kann euch so viele Karten besorgen, wie ihr wollt.â
Ohne noch ein weiteres Wort abzuwarten, machte Lane kehrt und rannte aus dem Diner. Jetzt war es höchste Eisenbahn, dass sie nach Hause kam, damit ihre Mum nicht misstrauisch wurde.
âSo, du nimmst also Marty mit auf das Konzertâ, sagte Jess und man konnte ganz deutlich eine Spur Eifersucht in seiner Stimme hören.
âJa, wir haben uns eigentlich ganz gut angefreundetâ, erwiderte Rory, während sie ihre Bücher zusammenpackte. Sie musste jetzt schnellstens verschwinden, bevor sie dank Angie in noch ein paar unangenehme Situationen kommen würde.
Sie stand auf und ging zu Luke an den Tresen, wo sie zahlen wollte. Während er rechnete, schüttelte er immer wieder den Kopf. Rory entging das natürlich nicht.
âWas ist denn?â, fragte sie.
âNichts, ich frag mich nur, wie lange das noch so weitergehen soll.â
âWas denn?â, erkundigte sich Rory.
âDas mit dir und Jess. Geht es jetzt wieder so weiter wie mit Dean und Shane? Wollt ihr euch wieder gegenseitig eifersüchtig machen?â
âLuke, das ist kompliziert.â
Sie reichte ihm das Geld und wollte gehen, doch er hielt sie am Ãrmel fest. Er beugte sich vor und Rory tat es ihm gleich.
âRory, vergiss nicht, dass du diejenige bist, die Zeit haben wollte. Du bist auch diejenige, die das Ganze wieder beenden kannâ, sagte er in gesenktem Tonfall.
âWie meinst du das?â, fragte Rory flüsternd.
âVielleicht solltest du einfach deine Gefühle zulassen.â
Er lieà Rory wieder los und ging in die Küche. Rory sah ihm hinterher und dachte über seine Worte nach. Vielleicht hatte er Recht. Vielleicht sollte sie einfach zu Jess gehen und ihm sagen, dass sie genug Zeit hatte. Aber was war mit Angie?
Sie drehte sich um und sah, wie Jess sich lachend mit ihr unterhielt. Na gut, so einfach würde es nicht werden. Nicht, solange Angie da war. Sie brauchte einen Plan. Und sie musste mit Marty reden.
Tritt nicht in die FuÃstapfen anderer, du hinterläÃt sonst selbst keine Spuren.
Rückkehr nach Stars Hollow, Wird er sich jemals ändern? Auf der schiefen Bahn
Kurzgeschichte:
Sometimes it's too late
Die Zeit heilt nicht alle Wunden, aber sie lehrt uns mit dem Schmerz umzugehen.