12.12.2005, 23:08
Kapitel einhundertundzwei
Rory war wieder im Buchladen und hatte sich wieder beruhigt. Sie hatte ihren Angestellten - Rabatt bei Andrew ausgenutzt und sich mit ein paar Büchern eingedeckt. Sobald sie nach Hause kam, wollte sie eine Liste schreiben, was sie noch alles brauchte, dieser Gedanke lieà sie wieder ausatmen. Als die Türglocke klingelte, sah sie nicht auf. Erst eine ihr allzu bekannte Stimme lieà sie aufsehen.
"Hey." Sie blickte direkt in Jess´ braune Augen. Nervös biss sie sich auf die Lippe und versuchte, das Kribbeln in ihrem Bauch zu ignorieren.
"Hi."
Seine Augen. So oft war sie in ihnen versunken. Sie zwang sich, ihn nicht direkt anzusehen. Verdammt, wieso war da noch immer dieses unsagbare Kribbeln? Fast so wie damals, auf Sookies Hochzeit ...
Sie räusperte sich. "Ãhm ... Kann ich dir helfen?"
Ja, sag mir nocheinmal, dass du mich liebst, dachte Jess. Sag mir nocheinmal, dass du mich brauchst. Dass wir zusammengehören. Was ich tun kann, damit du mir wieder vertraust. Sag mir, dass wir eine Zukunft haben. Dass wir eine Familie werden können.
"Ich ... ich - " Verdammt, wieso stammelte er nur so hilflos? Aber was sollte er auch sagen? Ich bin nur hierher gekommen, um dich zu sehen? Komm schon Jess, lass dir eine Aurede einfallen!
"Ich suche ein Buch.", sagte er schlieÃlich. Klar, was wollte er auch sonst in einem Buchladen?
"Und was für eins?"
"Oliver Twist." Wie kam er denn jetzt darauf? Er wusste es selbst nicht, plötzlich war der Titel in seinem Kopf gewesen. Ob sie sich erinnerte?
Und wie sie sich erinnerte. Es war, als die Zeit stillstehen würde. Es gab nichts anderes mehr auf der Welt, als sie beide und den einen, kurzen Moment in der Vergangenheit, an den sie sich beide erinnerten.
[I]"Du sagtest doch, dass du nicht viel liest."
"Tja, was ist schon viel? Gute Nacht, Rory."
"Gute Nacht, Dodger."
"Dodger?"
"Find es heraus."
"Oliver Twist."
Sie lachte und nickte. Beim Weggehen bemerkte sie, dass dieser Jess eigentlich sehr nett war.
[/I]
"Rory, was kann ich tun, damit du mir wieder vertraust?", fragte Jess schlieÃlich leise. Die Welt drehte sich wieder normal, beide waren wieder in der schmerzlichen Gegenwart. Mit dem Fakt, dass sie getrennt waren. Dabei gehörten sie doch zusammen. Dabei bekamen sie ein Baby. Dabei liebten sie sich doch.
Rory presste die Lippen zusammen. Die Leere in ihrem Herzen schrie förmlich nach Jess. Es wollte wieder voll sein. Voll mit Liebe, voll mit Glück. Voll mit ihm. Sie merkte, dass er genauso hilflos war wie sie. Langsam hob sie den Kopf, sah ihm in die Augen. "Zeig es mir", sagte sie nur leise.
[B]Kapitel einhundertunddrei
[/B]
"Zeig´s mir" Immer wieder spukte dieser Satz in seinem Kopf herum, während er durch Stars Hollow lief. Zeig´s mir, zeig´s mir. Hieà das jetzt verdammt nochmal, dass sie noch Gefühle für ihn hatte? Dass sie mit ihm zusammen sein wollte? Man, wer verstand schon die Frauen. Aber egal, er musste sich etwas einfallen lassen. Rory bedeutete ihm alles. Also, Jess, redete er sich zu, lass dir was einfallen.
"Rory!" Kläglich rief Lorelai aus dem Badezimmer nach ihrer Tochter. Verwundert steckte diese den Kopf durch die Tür.
"Was ist denn mit dir los?" Fragend sah sie Lorelai an, die auf der Waage stand, ein Bein in die Luft gestreckt, und sich am Badewannenrand festhielt. Sie musste wirklich an sich halten, um nicht loszulachen.
"Ich kann machen, was ich will, sie zeig immer das gleiche an!" Wehleidig stieg Lorelai von der Waage. "Ich hab zugenommen! Bald werde ich aussehen wie ein Wal, ich werde aufgehen wie ein Hefeklos, und Sookie oder Luke werden mich verwechseln und einbacken!" Ernst legte sie Rory ihre Hand auf den Arm. "Versprich mir, dass du nie wieder Kekse von den beiden annehmen wirst, wenn ich nicht dabei bin, ja?" Rory schlug stirnrunzelnd ihre Hand weg.
"Na danke, dann werde ich ja genauso werden, und zwar noch vor dir!"
"Das hab ich vergessen. Aber ich kann leider für nichts garantieren, ich liebe Kekse!" Grinsend ging Lorelai in die Küche.
Erneut wanderte sie durch Nebel. Er war genauso wie am Vortag. Das Licht war nicht zu erreichen. Doch sie begehte es so sehr. So sehr. Sie kam nicht heran, konnte es nicht fassen. Es ging einfach nicht.
Am nächsten Morgen wollte Rory sich auf den Weg zu Andrew machen, als ihr ein Zettel auffiel, der auf der FuÃmatte lag.
Rory, stand da in vertrauten Buchstaben. Langsam drehte sie ihn um, etwas beunruhigt, was dort stehen würde.
Bitte komm in deiner Pause zum Steg. Keine Angst, dich erwartet nichts schlimmes. Ich will nur mit dir reden.
Jess
Gedankenverloren steckte sie den Zettel ein und ging. Während sie durch Stars Holloe ging, überlegte sie, was Jess ihr wohl sagen würde. Denn die Mischung Jess, Reden und Freiwillig kannte sie kaum. Hoffentlich war es nicht wieder etwas aus seinerVergangenheit, was sie durcheinander bringen würde.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Mulmig betrat sie den Steg. Die alten Dielen knarrten unter ihren FüÃen. Wie oft sie schon darüber gelaufen war. Zusammen mit Jess. Dieser erwartete sie schon. Er saà cool wie immer auf der Brücke, die Beine hingen über dem Wasser. Doch in seinem Inneren sah es anders aus. Ja, Jess Mariano hatte Angst. Er liebte Rory, das wusste er. Deswegen hatte er sich genau überlegt, wie er es ihr zeigen konnte.
"Hey" Er klopfte neben sich, sobald Rory unsicher neben ihm stand. Langsam setzte sie sich. Nervös presste sie die Lippen aufeinander und sah Jess an.
"Ich wollte mit dir reden.", fing er an. "Als Erstes tut es mir leid. Rory, ich schwöre dir, dass es mir wirklich leid tut, dass ich dir die Sache von damals nicht erzählt habe. Sie war für mich abgeschlossen, und ich wollte es einfach nur vergessen. Deswegen hat mich Liz ja auch hierhin geschickt, damit ich ein neues Leben anfangen kann. Ich ... ich sage ja nicht, dass es das Beste war." Er fuhr sich durch die Haare. "Ich wollt dir auch nur sagen, dass ..." Seine Stimme wurde leiser, und er sah sie nicht an. "Ich wollte dir nur sagen, dass ich ... dich liebe. Und ich werde dich nicht einfach so gehen lassen. Ok? Ich will dir beweisen, dass du mir vertrauen kannst. Ich weiÃ, dass das nicht von heute auf morgen gehen kann. Aber ich versuch´s." Er sah ihr ein letztes Mal noch in die Augen, dann stand er auf und ging.
Mit Tränen in den Augen sah Rory ihm hinterher. Das hatte sie ja noch nie von Jess gesehen. Dass er so offen über seine Gefühle geredet hatte. Als er hinter den Bäumen verschwunde war, drehte sie den Kopf und entdeckte, dass etwas auf der Brücke lag. Ein kleines Päckchen.
Vorsichtig schlug sie das Papier auseinander und hob zwei Bücher heraus. 'Howl' und 'Oliver Twist'. Zwischen den Büchern war ein Zettel. Eine Träne tropfte drauf, verwischte die Tinte, aber trotzdem las sie jedes Wort, brannte sie sich ins Gehirn.
Erinnerst du dich? Schon damals gingst du mir nicht aus dem Kopf. Ich liebte dich vom ersten Tag an. Du bist etwas Besonderes. Das ist erst der Anfang.
Kapitel einhundertundvier
Das war erst der Anfang. Der Anfang. Was wollte er dann noch machen? Rory grübelte und grübelte. Sie wusste, dass es hart für ihn gewesen sein musste, seine Gefühle ihr gegenüber so zu zeigen. Und das machte sie weich. Sie hatte noch eindeutig Gefühle für ihn, aber sicher war sie sich immer noch nicht. SchlieÃlich kam sie zu dem Entschluss, abzuwarten was als nächstes kommen würde.
"Luke, bitte." Lorelai standen Tränen in den Augen. Sie stand Luke gegenüber, der mit verschränkten Armen am Tisch saÃ. Sie schüttelte den Kopf. Wieso mussten sie sich in letzter Zeit immer streiten? Es ging ihr so auf die Nerven. Aber weiso verstand Luke auch alles falsch? "Ich meinte es doch nicht so. Ich wollte dich gar nicht verurteilen! Ich hab doch nur gesagt, dass ich nicht so gehandelt hätte!"
"Es hat aber ganz anders geklungen." Lukes Stimme klang noch härter, aber seine Züge waren schon wieder etwas weich. Er konnte Lorelai einfach nicht weinen sehen.
"Was hat denn anders geklungen? Ich sagte lediglich, dass ich es nicht für richtig halte, Jess rauszuschmeissen. Du solltest mit ihm reden, warum er schwänzt."
"Es ist meine Erziehung, nicht deine.", sagte Luke nur. Lorelai drehte sich um und ging.
Als Rory von der Arbeit kam, sah sie erstaunt, dass die rote Fahne vom Briefkasten oben stand. Das hieÃ, Lorelai war noch gar nicht hier gewesen. Stirnrunzelnd öffnete sie die Klappe und fand ein Foto. Es zeigte einen weiÃen Kreideabdruck von einem Körper vor Doosies. Rory musste lächeln. Ja, auch darin erinnerte sie sich. Damals, wo alle in Aufruhe gewesen waren, weil Jess einen Mord vorgetäuscht hatte. Sie erinnerte sich nur zu gut daran, wie er an der Laterne gelehnt hatte, mit dem drei- Tage Bart, den sie damals schon so toll gefunden hatte. Seine braune Augen hatten sie verschmitzt angelacht. Ja, da war sie zwar noch mit Dean zusammengewesen, aber fühlte sich schon zu Jess hingezogen.
Gedankenverloren ging sie ins Haus und sah Lorelai, die schluchzend auf dem Sofa saÃ. Besorgt setzte Rory sich neben sie.
"Mum, was ist los?" Sie sah fragend ihre Mutter an und legte ihre Hand auf ihren Arm.
"Nichts" Lorelai winkte ab und putzte sich die Nase.
Rory sah sie unbeeindruckt an. "Mum."
"Ich hab mich mit Luke gestritten.", murmelte sie. Dann wurde sie wieder wütend und ihre Stimme wurde lauter. "Ich meine, ich habe ihm nur meine Meinung gesagt, dass ich es nicht richtig finde, dass er Jess einfach nur droht, ihn rauszuschmeiÃen wenn er weiterhin schwänzt, sondern mit ihm reden soll! Aber nein, er sagt, es gehe mich nichts an, es sei seine Erziehung. Kannst du dir das vorstellen?" Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
Rory sah sie stirnrunzelnd an. "Jess schwänzt wieder die Schule?"
"Ups." Lorelai schlug die Hand vor den Mund. "Ich hätt´s dir nicht erzählen sollen, es tut mir leid."
Rory schüttelte den Kopf. "Nein, ist schon ok. Wir sind ja nicht mehr zusammen. Es geht mich nichts an. Entschuldige mich." Sie stand auf und ging in ihr Zimmer.
Jess setzte sich Luke gegenüber und verschränkte die Arme vor der Brust. Jetzt saÃen sie beide sich gegenüber, Onkel und Neffe.
"Was wollstest du?", fragte Jess schlieÃlich nach einiger Zeit.
"Reden", antwortete Luke. Die Uhr tickte laut in der Küche. Geschrei drang von auÃen durch das Fenster. Stille hing im Raum. Reden. Das hatte er in letzter Zeit schon viel zu oft getan. Trotzdem beugte Jess sich vor und legte die Arme auf den Tisch. "Ok. Und worüber?", fragte er, etwas freundlicher.
"Jess..." Luke drehte an seiner Kappe. "Ich meinte es nicht so. Ich schmeià dich nicht raus. Aber versteh bitte, ich bin für dich verantwortlich, ich will dein Bestes. Ich mein, du und ich wissen beide, dass du alleine entscheidest und ich eigentlich keine Ahnung von Erziehung habe, und du es auch nicht mehr nötig hast. Aber ich will, dass du die Schule beendest. Und das nicht nur knapp. Dafür bist du viel zu schlau. Komm schon Jess, das ist doch nicht so schwer, oder? Ich weiÃ, dass die Situation mit Rory im Moment nicht die Beste ist. Glaub mir, du willst es nicht hören, aber ich sehe dass dich das mitnimmt. Du hast ihr Foto immer noch in deinem Portmonee. Du tust alles, um sie zu überzeugen, dass sie dir vertrauen kann. WeiÃt du, womit du das am meisten kannst? Geh zur Schule." Etwas überfordert von seiner Ansprache lehnte Luke sich zurück. Jess sah ihn überrascht an. Er hatte nicht gewusst, dass Luke so viel über ihn wusste.
Er räusperte sich. "Na gut. Ich mach meinen Abschluss." Er holte Luft. "Und ich kündige. Aber dann gibt du mir mehr Geld!" Herausfordernd sah er Luke an. Dieser sah grimmig zurück. "Du kleiner, Geldgeiler ..." Er verdrehte die Augen. "Na gut." Zufrieden lehnte Jess sich zurück. "Geht doch!"
Kapitel einhundertundfünf
Lorelai stand auf, um die Tür zu öffnen. Vor ihr stand Luke. Immer noch sauer über das, was er gesagt hatte, verschränkte sie die Arme vor der Brust, drehte sich um und ging ohne ein Wort ins Wohnzimmer.
"Lorelai!" Luke schloss die Tür und kam hinter ihr her. "Bitte sag doch was." Sie gingen in die Küche, wo Lorelai einen Schluck von ihrem Kaffee nahm. Luke quittiere dies mit einer hochgezogenen Augenbraue, sagte jedoch nichts.
"Was soll ich denn sagen?" Lorelai stellte ihren Becher ab und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. "Willst du dich entschuldigen, weil mich die Erziehung deines Neffen nichts angeht? Weil ich meine Meinung gesagt habe?"
Luke nahm ihre Hand zwischen seine. "Es tut mir leid", sagte er und sah sie entschuldigend aus seinen blauen Augen an. "Ehrlich. Du weiÃt, wie sehr mich Jess aufregt, und ich hab es an dir ausgelassen."
Lorelai biss sich auf die Lippe. "Hast du mit ihm geredet?"
"Ja, hab ich. Er will wieder zur Schule gehen."
Der Ansatz eines Lächelns huschte über Lorelais Lippen. "Ich hab´s dir doch gesagt."
Jetzt bild dir bloà nichts drauf ein" Luke verdrehte die Augen. Er hasste es, wenn Lorelai alles immer besser wusse und sich auch noch darüber freute.
"Aah, jetzt komm schon." Sie knuffte ihn leicht gegen die Schulter. "Du wusstest von Anfang an, dass ich Recht haben würde." Jetzt grinste sie ihn frech an.
"Ich muss gehen", brummte Luke genervt, doch Lorelai hielt ihn zurück. Sie küsste ihn sanft auf die Lippen und schmiegte sich an ihn. "Alles wieder ok?", fragte er leise. Sie nickte und küsste ihn erneut.
Als Rory von Andrew nach Hause kam, sah sie schon von Weitem dass etwas auf der Veranda stand. Neugierig ging sie schneller und erkannte, was da für sie stand. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, und mindestens zehn Mal schneller, als sie den Korb hochhob und den Zettel laÃ.
[I]Damals fiel mir schon auf, dass ich mehr für dich fühlte als ich durfte. Einfach alles gefiel mir an dir, dein Lachen, deine Art, alles. Du hast mit mir geredet, obwohl alle gegen mich waren.
Ich denke du weiÃt von der Schul -Sache. Ich kann nur sagen, dass ich diesmal endgültig gekündigt habe. Ich gehe wieder zur Schule diesmal pack ich es. Ich mach meinen Abschluss. Und das nicht nur für mich oder Luke.
[/I]
Lächelnd ging sie herein. "Mum, bist du da?", rief sie und setzte sich aufs Sofa. Sie hörte Poltern und Rumpeln und wenig später kam Lorelai die Treppen runter.
"Hey!", rief sie und ging zu ihr. Verwundert bemerkte sie den Korb auf dem Tisch. "Was ist das denn? Oh, sag nichts! Lass mich raten, das ist ein Fresskorb für deine Mami, weil du sie so lieb hast und als Dankeschön für die vierzehn Stunden Wehen, das dir jetzt erst einfällt?" Neckend kniff sie ihrer Mutter in die Wange.
"Der ist von Jess." Rory sah ihre Mum an. Diese hob die Augenbrauen und setzte sich zu ihr.
"Wow.", sagte sie überrascht. Für eine Zeit war es still im Haus der Gilmores. SchlieÃlich drehte Lorelai den Kopf zu Rory. "Er legt sich wirklich ins Zeug, hm?", fragte sie leise. Rory nickte. Lorelai merkte, dass Rory jetzt lieber alleine sein wollte und stand auf. Ich muss zurück ins Inn. Wir sehen uns heute Abend, ok?" Sie drückte Rory noch einen Kuss auf den Kopf und ging dann.
Rory stand auf und ging in ihr Zimmer.Dort stellte sie das Weidenkörbchen auf ihr Bett und sah sich den Inhalt genauer an.
In ihre Hände fiel ein Buch. Othello. Sie musste wieder lächeln.
"Ok, du fährst, und ich les aus Othello!"
Danach sah sie den Notizblock, auf dem immer noch Guns of Brixton stand. Ein Kartenspiel. Das Buch "Please kill me".
Oh ja, die Nacht würde für immer in ihrem Gedächtnis bleiben. Ihr erstes und hoffentlich letzter Autounfall. Sie erinnerte sich nur zu gu daran, wie die Bremsen quietschten, die gegen das Amaturenbrett knallte, der Schmerz in ihrem Handgelenk. Jess, der sofort den Krankenwagen rief und sich dann um sie gekümmert hatte.
Sie lehnte sich zurück und entdeckte noch etwas im Korb. Ein kleiner Strampler lag in ihren Händen. Mit Tränen in den Augen fühlte sie über den weichen Stoff, strich über die Schrift, die las :"I have the most beautiful Mommy". Sie konnte nicht glauben, dass Jess dies all tat. Für sie.
Kapitel einhundertundsechs
Hustend schloss Rory die Zimmertür hinter sich und griff nach der Tasse Tee, die Lorelai ihr hinhielt. "Bist du sicher, dass du arbeiten willst? Ich mein, ich könnte für dich bei Andrew anrufen, wenn du willst."
Rory schüttelte den Kopf. "Nein, es ist ja nur eine kleine Erkältung." Sie wollte zur Tür rausgehen, doch Lorelai hielt sie zurück. "Rory ..." Sie strich sich die Haare zurück.
"Was?", auffordernd sah sie ihre Mutter an.
"Wie lange willst du Jess eigentlich noch hinhalten?" Lorelai sah sie fragend an.
Rory senkte den Blick. "Was meinst du?"
"Rory, bitte. Ich sehe doch, wie sehr du ihn vermisst. Ich sehe, wie dich das alles rührt, was Jess tut um dich zurückzugewinnen. Du liebst ihn noch immer. Du willst wieder mit ihm zusammen sein." Sie suchte Rorys Blick, doch sie sah zu Boden. "Es ist nicht so einfach.", sagte sie leise. "Es braucht mehr als das, um ihn wieder zu vertrauen." Traurig sah sie Lorelai an und ging.
"Hey Sookie!" Lorelai ging ihrer Freundin hinterher in die Küche, wo drei Pfannen auf dem Herd voll waren mit lauter kulinarischer Genüssen. Am Tisch saà Davey in seinem Stühlchen und brabbelte munter vor sich hin. Lorelai strich ihm über den Kopf und setze sich. "Wann kommt Michel?"
"Gleich." Sookie stellte ihr einen Teller vor die Nase, der randvoll gefüllt war mit Speck, Eiern und Brot.
"Ãh, Sookie, ich hab schon gefrühstückt, und -"
"Iss!", sagte Sookie und setze sich ihr gegenüber. "Also, erzähl mir, was so passiert ist in letzter Zeit. Dieser kleine Mann hier lässt mich schon bald so hinterm Mond leben wie Luke." Lorelai sah sie an. "Oh, Tschuldigung. Was nicht persönlich gemeint." Sookie grinste. "Wie geht es dir?", fragte sie etwas ernster.
"Gut, wieso?"
"Weil ich weià dass es dich mitnimmt dass es Rory im Moment nicht gut geht. Und weil du so viel wegen dem Inn übernehmen musst, es tut mir leid. Aber Davey nimmt so viel Zeit in Anspruch, und Michel muss ja noch Geld verdienen, aber wir werden jetzt mehr tun, um dich zu entlasten. Ok?"
Lorelai nickte dankbar. Es war wirklich in letzter Zeit schwer für sie gewesen, und sie war froh, dass sie so eine Freundin wie Sookie hatte, die sie auch ohne Worte verstand.
~Flashback~
Lorelai streifte einen Pulli über. Er versteckte ihren Bauch, kein Wunder, so weit wie er war. Ein Zirkuszelt war nichts dagegen. Es würde sie nicht wundern, wenn nicht nur ein Baby, sondern gleich mit ihm auch noch Clowns, Pferde, und Seiltänzer herausmarschierten. Sie sah in den Spiegel auf ihrer Kommode. Ein Vollmond blickte ihr entgegen, ein Vollmond mit ihren Augen. Seit wann wurde man bei Schwangerschaften auch fett im Gesicht? Seufzend band sie sich die Haare zu einem Zopf und legte etwas Lipgloss auf. Seit Wochen hatte sie sich auf diesen Tag gefreut. Heute war Girls - Night. Ihre Freundinnen und sie wollten ins Kino, Milchshakes trinken gehen und Spass haben. Zum Glück hatten sich ihre Eltern erbarmt und sie dieses eine Mal gehen lassen. Sie lieà sich aufs Bett plumpsen und angelte nach ihren Schuhen. Noch drei Monate müsste sie diesen Betonklotz mit sich rumschleppen. Drei lange, lange Monate noch. Sie war endlich damit fertig, ihre Schuhe zu schnüren, als ihr Telefon klingelte. Laut Nummernanzeige war es Missy, eine ihrer Freundinnen, mit der sie sich gleich traf.
"Hey Missy, was ist los?", fragte sie munter. "Wir treffen uns doch gleich, ich sag dir, endlich mal wieder raus aus diesem Gefängnis, endlich mal wieder was unternehmen, endlich - "
"Lorelai, das wird nichts.", unterbrach Missy sie.
"Was?", fragte Lorelai enttäuscht. "Wieso nicht?"
"Na ja", druckste Missy herum. "Ein paar Mädels können nicht, und Dana muss zu irgendeinem Schönheitsball, deswegen...." Lorelai lauschte angestrengt. Im Hintergrund hörte sie kichern, und eine Stimme flüsterte: "Hat sie es geschluckt?" Wieder Kichern, und eine andere Stimme: "Wir können uns wirklich nicht mehr mit ihr sehen lassen, dass muss sie doch wissen!"
"Ja, ist ok. Wir sehen uns." Lorelai legte auf und setzte sich traurig auf ihr Fensterbrett. Sie hätte es sich wirklich denken können. Seit Monaten wandten sich alle ihre Freunde ab. Als ob sie es drauf angelegt hätte, schwanger zu werden. Die Tür ging auf und ihre Mutter kam herein. "Lorelai, musst du nicht langsam los? Es ist sehr unhöflich Freunde warten zu lassen, vor allem, wo dein Ruf sowieso schon nicht der beste ist." Emily kniff die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und musterte ihre Tochter kritisch. Unbehaglich zupfteLorelai an ihrem riesigen Pulli herum. Ihr kam es vor, als ob ihre Mutter den Röntgenblick hätte, und sie wollte ihr Baby davor verschonen.
"Wir haben es verschoben.", presste sie heraus. "Es ist was dazwischen gekommen."
"Oh." Für einen Moment sah Emily wirklich betroffen aus. Doch dann kam wieder ihre steinharte Miene hervor. "Na ja, es ist vielleicht auch besser so." Damit verlieà sie das Zimmer.
Seufzend legte Lorelai die Hände auf den Bauch und nahm sich einen Schokoriegel.
~Flashback Ende~
Rory war wieder im Buchladen und hatte sich wieder beruhigt. Sie hatte ihren Angestellten - Rabatt bei Andrew ausgenutzt und sich mit ein paar Büchern eingedeckt. Sobald sie nach Hause kam, wollte sie eine Liste schreiben, was sie noch alles brauchte, dieser Gedanke lieà sie wieder ausatmen. Als die Türglocke klingelte, sah sie nicht auf. Erst eine ihr allzu bekannte Stimme lieà sie aufsehen.
"Hey." Sie blickte direkt in Jess´ braune Augen. Nervös biss sie sich auf die Lippe und versuchte, das Kribbeln in ihrem Bauch zu ignorieren.
"Hi."
Seine Augen. So oft war sie in ihnen versunken. Sie zwang sich, ihn nicht direkt anzusehen. Verdammt, wieso war da noch immer dieses unsagbare Kribbeln? Fast so wie damals, auf Sookies Hochzeit ...
Sie räusperte sich. "Ãhm ... Kann ich dir helfen?"
Ja, sag mir nocheinmal, dass du mich liebst, dachte Jess. Sag mir nocheinmal, dass du mich brauchst. Dass wir zusammengehören. Was ich tun kann, damit du mir wieder vertraust. Sag mir, dass wir eine Zukunft haben. Dass wir eine Familie werden können.
"Ich ... ich - " Verdammt, wieso stammelte er nur so hilflos? Aber was sollte er auch sagen? Ich bin nur hierher gekommen, um dich zu sehen? Komm schon Jess, lass dir eine Aurede einfallen!
"Ich suche ein Buch.", sagte er schlieÃlich. Klar, was wollte er auch sonst in einem Buchladen?
"Und was für eins?"
"Oliver Twist." Wie kam er denn jetzt darauf? Er wusste es selbst nicht, plötzlich war der Titel in seinem Kopf gewesen. Ob sie sich erinnerte?
Und wie sie sich erinnerte. Es war, als die Zeit stillstehen würde. Es gab nichts anderes mehr auf der Welt, als sie beide und den einen, kurzen Moment in der Vergangenheit, an den sie sich beide erinnerten.
[I]"Du sagtest doch, dass du nicht viel liest."
"Tja, was ist schon viel? Gute Nacht, Rory."
"Gute Nacht, Dodger."
"Dodger?"
"Find es heraus."
"Oliver Twist."
Sie lachte und nickte. Beim Weggehen bemerkte sie, dass dieser Jess eigentlich sehr nett war.
[/I]
"Rory, was kann ich tun, damit du mir wieder vertraust?", fragte Jess schlieÃlich leise. Die Welt drehte sich wieder normal, beide waren wieder in der schmerzlichen Gegenwart. Mit dem Fakt, dass sie getrennt waren. Dabei gehörten sie doch zusammen. Dabei bekamen sie ein Baby. Dabei liebten sie sich doch.
Rory presste die Lippen zusammen. Die Leere in ihrem Herzen schrie förmlich nach Jess. Es wollte wieder voll sein. Voll mit Liebe, voll mit Glück. Voll mit ihm. Sie merkte, dass er genauso hilflos war wie sie. Langsam hob sie den Kopf, sah ihm in die Augen. "Zeig es mir", sagte sie nur leise.
[B]Kapitel einhundertunddrei
[/B]
"Zeig´s mir" Immer wieder spukte dieser Satz in seinem Kopf herum, während er durch Stars Hollow lief. Zeig´s mir, zeig´s mir. Hieà das jetzt verdammt nochmal, dass sie noch Gefühle für ihn hatte? Dass sie mit ihm zusammen sein wollte? Man, wer verstand schon die Frauen. Aber egal, er musste sich etwas einfallen lassen. Rory bedeutete ihm alles. Also, Jess, redete er sich zu, lass dir was einfallen.
"Rory!" Kläglich rief Lorelai aus dem Badezimmer nach ihrer Tochter. Verwundert steckte diese den Kopf durch die Tür.
"Was ist denn mit dir los?" Fragend sah sie Lorelai an, die auf der Waage stand, ein Bein in die Luft gestreckt, und sich am Badewannenrand festhielt. Sie musste wirklich an sich halten, um nicht loszulachen.
"Ich kann machen, was ich will, sie zeig immer das gleiche an!" Wehleidig stieg Lorelai von der Waage. "Ich hab zugenommen! Bald werde ich aussehen wie ein Wal, ich werde aufgehen wie ein Hefeklos, und Sookie oder Luke werden mich verwechseln und einbacken!" Ernst legte sie Rory ihre Hand auf den Arm. "Versprich mir, dass du nie wieder Kekse von den beiden annehmen wirst, wenn ich nicht dabei bin, ja?" Rory schlug stirnrunzelnd ihre Hand weg.
"Na danke, dann werde ich ja genauso werden, und zwar noch vor dir!"
"Das hab ich vergessen. Aber ich kann leider für nichts garantieren, ich liebe Kekse!" Grinsend ging Lorelai in die Küche.
Erneut wanderte sie durch Nebel. Er war genauso wie am Vortag. Das Licht war nicht zu erreichen. Doch sie begehte es so sehr. So sehr. Sie kam nicht heran, konnte es nicht fassen. Es ging einfach nicht.
Am nächsten Morgen wollte Rory sich auf den Weg zu Andrew machen, als ihr ein Zettel auffiel, der auf der FuÃmatte lag.
Rory, stand da in vertrauten Buchstaben. Langsam drehte sie ihn um, etwas beunruhigt, was dort stehen würde.
Bitte komm in deiner Pause zum Steg. Keine Angst, dich erwartet nichts schlimmes. Ich will nur mit dir reden.
Jess
Gedankenverloren steckte sie den Zettel ein und ging. Während sie durch Stars Holloe ging, überlegte sie, was Jess ihr wohl sagen würde. Denn die Mischung Jess, Reden und Freiwillig kannte sie kaum. Hoffentlich war es nicht wieder etwas aus seinerVergangenheit, was sie durcheinander bringen würde.
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Mulmig betrat sie den Steg. Die alten Dielen knarrten unter ihren FüÃen. Wie oft sie schon darüber gelaufen war. Zusammen mit Jess. Dieser erwartete sie schon. Er saà cool wie immer auf der Brücke, die Beine hingen über dem Wasser. Doch in seinem Inneren sah es anders aus. Ja, Jess Mariano hatte Angst. Er liebte Rory, das wusste er. Deswegen hatte er sich genau überlegt, wie er es ihr zeigen konnte.
"Hey" Er klopfte neben sich, sobald Rory unsicher neben ihm stand. Langsam setzte sie sich. Nervös presste sie die Lippen aufeinander und sah Jess an.
"Ich wollte mit dir reden.", fing er an. "Als Erstes tut es mir leid. Rory, ich schwöre dir, dass es mir wirklich leid tut, dass ich dir die Sache von damals nicht erzählt habe. Sie war für mich abgeschlossen, und ich wollte es einfach nur vergessen. Deswegen hat mich Liz ja auch hierhin geschickt, damit ich ein neues Leben anfangen kann. Ich ... ich sage ja nicht, dass es das Beste war." Er fuhr sich durch die Haare. "Ich wollt dir auch nur sagen, dass ..." Seine Stimme wurde leiser, und er sah sie nicht an. "Ich wollte dir nur sagen, dass ich ... dich liebe. Und ich werde dich nicht einfach so gehen lassen. Ok? Ich will dir beweisen, dass du mir vertrauen kannst. Ich weiÃ, dass das nicht von heute auf morgen gehen kann. Aber ich versuch´s." Er sah ihr ein letztes Mal noch in die Augen, dann stand er auf und ging.
Mit Tränen in den Augen sah Rory ihm hinterher. Das hatte sie ja noch nie von Jess gesehen. Dass er so offen über seine Gefühle geredet hatte. Als er hinter den Bäumen verschwunde war, drehte sie den Kopf und entdeckte, dass etwas auf der Brücke lag. Ein kleines Päckchen.
Vorsichtig schlug sie das Papier auseinander und hob zwei Bücher heraus. 'Howl' und 'Oliver Twist'. Zwischen den Büchern war ein Zettel. Eine Träne tropfte drauf, verwischte die Tinte, aber trotzdem las sie jedes Wort, brannte sie sich ins Gehirn.
Erinnerst du dich? Schon damals gingst du mir nicht aus dem Kopf. Ich liebte dich vom ersten Tag an. Du bist etwas Besonderes. Das ist erst der Anfang.
Kapitel einhundertundvier
Das war erst der Anfang. Der Anfang. Was wollte er dann noch machen? Rory grübelte und grübelte. Sie wusste, dass es hart für ihn gewesen sein musste, seine Gefühle ihr gegenüber so zu zeigen. Und das machte sie weich. Sie hatte noch eindeutig Gefühle für ihn, aber sicher war sie sich immer noch nicht. SchlieÃlich kam sie zu dem Entschluss, abzuwarten was als nächstes kommen würde.
"Luke, bitte." Lorelai standen Tränen in den Augen. Sie stand Luke gegenüber, der mit verschränkten Armen am Tisch saÃ. Sie schüttelte den Kopf. Wieso mussten sie sich in letzter Zeit immer streiten? Es ging ihr so auf die Nerven. Aber weiso verstand Luke auch alles falsch? "Ich meinte es doch nicht so. Ich wollte dich gar nicht verurteilen! Ich hab doch nur gesagt, dass ich nicht so gehandelt hätte!"
"Es hat aber ganz anders geklungen." Lukes Stimme klang noch härter, aber seine Züge waren schon wieder etwas weich. Er konnte Lorelai einfach nicht weinen sehen.
"Was hat denn anders geklungen? Ich sagte lediglich, dass ich es nicht für richtig halte, Jess rauszuschmeissen. Du solltest mit ihm reden, warum er schwänzt."
"Es ist meine Erziehung, nicht deine.", sagte Luke nur. Lorelai drehte sich um und ging.
Als Rory von der Arbeit kam, sah sie erstaunt, dass die rote Fahne vom Briefkasten oben stand. Das hieÃ, Lorelai war noch gar nicht hier gewesen. Stirnrunzelnd öffnete sie die Klappe und fand ein Foto. Es zeigte einen weiÃen Kreideabdruck von einem Körper vor Doosies. Rory musste lächeln. Ja, auch darin erinnerte sie sich. Damals, wo alle in Aufruhe gewesen waren, weil Jess einen Mord vorgetäuscht hatte. Sie erinnerte sich nur zu gut daran, wie er an der Laterne gelehnt hatte, mit dem drei- Tage Bart, den sie damals schon so toll gefunden hatte. Seine braune Augen hatten sie verschmitzt angelacht. Ja, da war sie zwar noch mit Dean zusammengewesen, aber fühlte sich schon zu Jess hingezogen.
Gedankenverloren ging sie ins Haus und sah Lorelai, die schluchzend auf dem Sofa saÃ. Besorgt setzte Rory sich neben sie.
"Mum, was ist los?" Sie sah fragend ihre Mutter an und legte ihre Hand auf ihren Arm.
"Nichts" Lorelai winkte ab und putzte sich die Nase.
Rory sah sie unbeeindruckt an. "Mum."
"Ich hab mich mit Luke gestritten.", murmelte sie. Dann wurde sie wieder wütend und ihre Stimme wurde lauter. "Ich meine, ich habe ihm nur meine Meinung gesagt, dass ich es nicht richtig finde, dass er Jess einfach nur droht, ihn rauszuschmeiÃen wenn er weiterhin schwänzt, sondern mit ihm reden soll! Aber nein, er sagt, es gehe mich nichts an, es sei seine Erziehung. Kannst du dir das vorstellen?" Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
Rory sah sie stirnrunzelnd an. "Jess schwänzt wieder die Schule?"
"Ups." Lorelai schlug die Hand vor den Mund. "Ich hätt´s dir nicht erzählen sollen, es tut mir leid."
Rory schüttelte den Kopf. "Nein, ist schon ok. Wir sind ja nicht mehr zusammen. Es geht mich nichts an. Entschuldige mich." Sie stand auf und ging in ihr Zimmer.
Jess setzte sich Luke gegenüber und verschränkte die Arme vor der Brust. Jetzt saÃen sie beide sich gegenüber, Onkel und Neffe.
"Was wollstest du?", fragte Jess schlieÃlich nach einiger Zeit.
"Reden", antwortete Luke. Die Uhr tickte laut in der Küche. Geschrei drang von auÃen durch das Fenster. Stille hing im Raum. Reden. Das hatte er in letzter Zeit schon viel zu oft getan. Trotzdem beugte Jess sich vor und legte die Arme auf den Tisch. "Ok. Und worüber?", fragte er, etwas freundlicher.
"Jess..." Luke drehte an seiner Kappe. "Ich meinte es nicht so. Ich schmeià dich nicht raus. Aber versteh bitte, ich bin für dich verantwortlich, ich will dein Bestes. Ich mein, du und ich wissen beide, dass du alleine entscheidest und ich eigentlich keine Ahnung von Erziehung habe, und du es auch nicht mehr nötig hast. Aber ich will, dass du die Schule beendest. Und das nicht nur knapp. Dafür bist du viel zu schlau. Komm schon Jess, das ist doch nicht so schwer, oder? Ich weiÃ, dass die Situation mit Rory im Moment nicht die Beste ist. Glaub mir, du willst es nicht hören, aber ich sehe dass dich das mitnimmt. Du hast ihr Foto immer noch in deinem Portmonee. Du tust alles, um sie zu überzeugen, dass sie dir vertrauen kann. WeiÃt du, womit du das am meisten kannst? Geh zur Schule." Etwas überfordert von seiner Ansprache lehnte Luke sich zurück. Jess sah ihn überrascht an. Er hatte nicht gewusst, dass Luke so viel über ihn wusste.
Er räusperte sich. "Na gut. Ich mach meinen Abschluss." Er holte Luft. "Und ich kündige. Aber dann gibt du mir mehr Geld!" Herausfordernd sah er Luke an. Dieser sah grimmig zurück. "Du kleiner, Geldgeiler ..." Er verdrehte die Augen. "Na gut." Zufrieden lehnte Jess sich zurück. "Geht doch!"
Kapitel einhundertundfünf
Lorelai stand auf, um die Tür zu öffnen. Vor ihr stand Luke. Immer noch sauer über das, was er gesagt hatte, verschränkte sie die Arme vor der Brust, drehte sich um und ging ohne ein Wort ins Wohnzimmer.
"Lorelai!" Luke schloss die Tür und kam hinter ihr her. "Bitte sag doch was." Sie gingen in die Küche, wo Lorelai einen Schluck von ihrem Kaffee nahm. Luke quittiere dies mit einer hochgezogenen Augenbraue, sagte jedoch nichts.
"Was soll ich denn sagen?" Lorelai stellte ihren Becher ab und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. "Willst du dich entschuldigen, weil mich die Erziehung deines Neffen nichts angeht? Weil ich meine Meinung gesagt habe?"
Luke nahm ihre Hand zwischen seine. "Es tut mir leid", sagte er und sah sie entschuldigend aus seinen blauen Augen an. "Ehrlich. Du weiÃt, wie sehr mich Jess aufregt, und ich hab es an dir ausgelassen."
Lorelai biss sich auf die Lippe. "Hast du mit ihm geredet?"
"Ja, hab ich. Er will wieder zur Schule gehen."
Der Ansatz eines Lächelns huschte über Lorelais Lippen. "Ich hab´s dir doch gesagt."
Jetzt bild dir bloà nichts drauf ein" Luke verdrehte die Augen. Er hasste es, wenn Lorelai alles immer besser wusse und sich auch noch darüber freute.
"Aah, jetzt komm schon." Sie knuffte ihn leicht gegen die Schulter. "Du wusstest von Anfang an, dass ich Recht haben würde." Jetzt grinste sie ihn frech an.
"Ich muss gehen", brummte Luke genervt, doch Lorelai hielt ihn zurück. Sie küsste ihn sanft auf die Lippen und schmiegte sich an ihn. "Alles wieder ok?", fragte er leise. Sie nickte und küsste ihn erneut.
Als Rory von Andrew nach Hause kam, sah sie schon von Weitem dass etwas auf der Veranda stand. Neugierig ging sie schneller und erkannte, was da für sie stand. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, und mindestens zehn Mal schneller, als sie den Korb hochhob und den Zettel laÃ.
[I]Damals fiel mir schon auf, dass ich mehr für dich fühlte als ich durfte. Einfach alles gefiel mir an dir, dein Lachen, deine Art, alles. Du hast mit mir geredet, obwohl alle gegen mich waren.
Ich denke du weiÃt von der Schul -Sache. Ich kann nur sagen, dass ich diesmal endgültig gekündigt habe. Ich gehe wieder zur Schule diesmal pack ich es. Ich mach meinen Abschluss. Und das nicht nur für mich oder Luke.
[/I]
Lächelnd ging sie herein. "Mum, bist du da?", rief sie und setzte sich aufs Sofa. Sie hörte Poltern und Rumpeln und wenig später kam Lorelai die Treppen runter.
"Hey!", rief sie und ging zu ihr. Verwundert bemerkte sie den Korb auf dem Tisch. "Was ist das denn? Oh, sag nichts! Lass mich raten, das ist ein Fresskorb für deine Mami, weil du sie so lieb hast und als Dankeschön für die vierzehn Stunden Wehen, das dir jetzt erst einfällt?" Neckend kniff sie ihrer Mutter in die Wange.
"Der ist von Jess." Rory sah ihre Mum an. Diese hob die Augenbrauen und setzte sich zu ihr.
"Wow.", sagte sie überrascht. Für eine Zeit war es still im Haus der Gilmores. SchlieÃlich drehte Lorelai den Kopf zu Rory. "Er legt sich wirklich ins Zeug, hm?", fragte sie leise. Rory nickte. Lorelai merkte, dass Rory jetzt lieber alleine sein wollte und stand auf. Ich muss zurück ins Inn. Wir sehen uns heute Abend, ok?" Sie drückte Rory noch einen Kuss auf den Kopf und ging dann.
Rory stand auf und ging in ihr Zimmer.Dort stellte sie das Weidenkörbchen auf ihr Bett und sah sich den Inhalt genauer an.
In ihre Hände fiel ein Buch. Othello. Sie musste wieder lächeln.
"Ok, du fährst, und ich les aus Othello!"
Danach sah sie den Notizblock, auf dem immer noch Guns of Brixton stand. Ein Kartenspiel. Das Buch "Please kill me".
Oh ja, die Nacht würde für immer in ihrem Gedächtnis bleiben. Ihr erstes und hoffentlich letzter Autounfall. Sie erinnerte sich nur zu gu daran, wie die Bremsen quietschten, die gegen das Amaturenbrett knallte, der Schmerz in ihrem Handgelenk. Jess, der sofort den Krankenwagen rief und sich dann um sie gekümmert hatte.
Sie lehnte sich zurück und entdeckte noch etwas im Korb. Ein kleiner Strampler lag in ihren Händen. Mit Tränen in den Augen fühlte sie über den weichen Stoff, strich über die Schrift, die las :"I have the most beautiful Mommy". Sie konnte nicht glauben, dass Jess dies all tat. Für sie.
Kapitel einhundertundsechs
Hustend schloss Rory die Zimmertür hinter sich und griff nach der Tasse Tee, die Lorelai ihr hinhielt. "Bist du sicher, dass du arbeiten willst? Ich mein, ich könnte für dich bei Andrew anrufen, wenn du willst."
Rory schüttelte den Kopf. "Nein, es ist ja nur eine kleine Erkältung." Sie wollte zur Tür rausgehen, doch Lorelai hielt sie zurück. "Rory ..." Sie strich sich die Haare zurück.
"Was?", auffordernd sah sie ihre Mutter an.
"Wie lange willst du Jess eigentlich noch hinhalten?" Lorelai sah sie fragend an.
Rory senkte den Blick. "Was meinst du?"
"Rory, bitte. Ich sehe doch, wie sehr du ihn vermisst. Ich sehe, wie dich das alles rührt, was Jess tut um dich zurückzugewinnen. Du liebst ihn noch immer. Du willst wieder mit ihm zusammen sein." Sie suchte Rorys Blick, doch sie sah zu Boden. "Es ist nicht so einfach.", sagte sie leise. "Es braucht mehr als das, um ihn wieder zu vertrauen." Traurig sah sie Lorelai an und ging.
"Hey Sookie!" Lorelai ging ihrer Freundin hinterher in die Küche, wo drei Pfannen auf dem Herd voll waren mit lauter kulinarischer Genüssen. Am Tisch saà Davey in seinem Stühlchen und brabbelte munter vor sich hin. Lorelai strich ihm über den Kopf und setze sich. "Wann kommt Michel?"
"Gleich." Sookie stellte ihr einen Teller vor die Nase, der randvoll gefüllt war mit Speck, Eiern und Brot.
"Ãh, Sookie, ich hab schon gefrühstückt, und -"
"Iss!", sagte Sookie und setze sich ihr gegenüber. "Also, erzähl mir, was so passiert ist in letzter Zeit. Dieser kleine Mann hier lässt mich schon bald so hinterm Mond leben wie Luke." Lorelai sah sie an. "Oh, Tschuldigung. Was nicht persönlich gemeint." Sookie grinste. "Wie geht es dir?", fragte sie etwas ernster.
"Gut, wieso?"
"Weil ich weià dass es dich mitnimmt dass es Rory im Moment nicht gut geht. Und weil du so viel wegen dem Inn übernehmen musst, es tut mir leid. Aber Davey nimmt so viel Zeit in Anspruch, und Michel muss ja noch Geld verdienen, aber wir werden jetzt mehr tun, um dich zu entlasten. Ok?"
Lorelai nickte dankbar. Es war wirklich in letzter Zeit schwer für sie gewesen, und sie war froh, dass sie so eine Freundin wie Sookie hatte, die sie auch ohne Worte verstand.
~Flashback~
Lorelai streifte einen Pulli über. Er versteckte ihren Bauch, kein Wunder, so weit wie er war. Ein Zirkuszelt war nichts dagegen. Es würde sie nicht wundern, wenn nicht nur ein Baby, sondern gleich mit ihm auch noch Clowns, Pferde, und Seiltänzer herausmarschierten. Sie sah in den Spiegel auf ihrer Kommode. Ein Vollmond blickte ihr entgegen, ein Vollmond mit ihren Augen. Seit wann wurde man bei Schwangerschaften auch fett im Gesicht? Seufzend band sie sich die Haare zu einem Zopf und legte etwas Lipgloss auf. Seit Wochen hatte sie sich auf diesen Tag gefreut. Heute war Girls - Night. Ihre Freundinnen und sie wollten ins Kino, Milchshakes trinken gehen und Spass haben. Zum Glück hatten sich ihre Eltern erbarmt und sie dieses eine Mal gehen lassen. Sie lieà sich aufs Bett plumpsen und angelte nach ihren Schuhen. Noch drei Monate müsste sie diesen Betonklotz mit sich rumschleppen. Drei lange, lange Monate noch. Sie war endlich damit fertig, ihre Schuhe zu schnüren, als ihr Telefon klingelte. Laut Nummernanzeige war es Missy, eine ihrer Freundinnen, mit der sie sich gleich traf.
"Hey Missy, was ist los?", fragte sie munter. "Wir treffen uns doch gleich, ich sag dir, endlich mal wieder raus aus diesem Gefängnis, endlich mal wieder was unternehmen, endlich - "
"Lorelai, das wird nichts.", unterbrach Missy sie.
"Was?", fragte Lorelai enttäuscht. "Wieso nicht?"
"Na ja", druckste Missy herum. "Ein paar Mädels können nicht, und Dana muss zu irgendeinem Schönheitsball, deswegen...." Lorelai lauschte angestrengt. Im Hintergrund hörte sie kichern, und eine Stimme flüsterte: "Hat sie es geschluckt?" Wieder Kichern, und eine andere Stimme: "Wir können uns wirklich nicht mehr mit ihr sehen lassen, dass muss sie doch wissen!"
"Ja, ist ok. Wir sehen uns." Lorelai legte auf und setzte sich traurig auf ihr Fensterbrett. Sie hätte es sich wirklich denken können. Seit Monaten wandten sich alle ihre Freunde ab. Als ob sie es drauf angelegt hätte, schwanger zu werden. Die Tür ging auf und ihre Mutter kam herein. "Lorelai, musst du nicht langsam los? Es ist sehr unhöflich Freunde warten zu lassen, vor allem, wo dein Ruf sowieso schon nicht der beste ist." Emily kniff die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und musterte ihre Tochter kritisch. Unbehaglich zupfteLorelai an ihrem riesigen Pulli herum. Ihr kam es vor, als ob ihre Mutter den Röntgenblick hätte, und sie wollte ihr Baby davor verschonen.
"Wir haben es verschoben.", presste sie heraus. "Es ist was dazwischen gekommen."
"Oh." Für einen Moment sah Emily wirklich betroffen aus. Doch dann kam wieder ihre steinharte Miene hervor. "Na ja, es ist vielleicht auch besser so." Damit verlieà sie das Zimmer.
Seufzend legte Lorelai die Hände auf den Bauch und nahm sich einen Schokoriegel.
~Flashback Ende~