25.12.2005, 17:33
Auch wenn das Feedback gerade sehr, sehr spärlich ausfällt (Ja ich weiÃ, Weihnachten verbringt man bei der Familie und nicht vor dem PC :biggrin: ), poste ich jetzt schon den nächsten Teil. Wir nähern uns nämlich dem Ende, und das möchte ich noch posten bevor ich morgen zu meinen Verwandten fahre.
Und danke, Zwergmensch (Ich hasse es, Zahlen zu schreiben. Tut mir leid^^) :knuddel:
Part 59
Als Lorelai am nächsten Morgen aufwachte, sagte ihr Urinstinkt ihr, dass es Zeit für Kaffee war. Kaffee von Luke.
Stirnrunzelnd vergrub sie ihren Kopf in ihrer neu errichteten Kissenfestung (die natürlich weder einen Ersatz für ihr lebendes Kissen darstellten sollte noch symbolisch gemeint war im Bezug auf den bereits angekündigten Krieg).
Und nicht zum letzten Mal meldete sie dem Teil ihres Gehirns, der für die Urinstinkte zuständig war, dass es vorerst keinen Kaffee von Luke geben würde.
Mit einem missmutigen Knurren verlieà sie schlieÃlich ihre schützende Burg und machte sich auf einen sehr, sehr harten Tag gefasst...
Unaufhörlich glitt der bereits ramponierte Lappen über den Tresen, welcher mittlerweile schöner als jede Christbaumkugel glänzte. Hin und her. Hin und her.
Links. Rechts. Links. Rechts.
Die Gäste, die den Mann, der mit finsterem Gesichtsausdruck hinter besagtem Tresen stand, schon seit einiger Zeit fasziniert beobachteten, berieten darüber, ob sie eine Bestellung aufnehmen konnten, ohne von einer Ketchupflasche attackiert zu werden.
Hin und her. Links. Rechts. Immer wieder.
Sein Blick ging starr geradeaus. Es wurden Wetten abgeschlossen, ob er überhaupt noch atmete. Vermutungen wurden angestellt, wie lange er wohl schon dort stand. Seit den Morgenstunden? Seit dem Vormittag? Seit der Mittagszeit?
Und gerade, als man beschloss, Kirk als Wachposten einzusetzen, geschah etwas: Mitten in der Bewegung von rechts nach links verharrte der Mann plötzlich, als leiste irgendetwas ihm Widerstand. Und gäbe es Schulausflüge in die Psyche eines Menschen, würde die kinderliebe Lehrerin in diesem Moment vermutlich ehrfürchtig flüstern: âSeht ihr das, Kinder? Jetzt hat er etwas gesichtet. Passt gut auf. Derrick, nimm deinen Finger aus Susannas Ohr.â
Hoch erhobenen Hauptes schritt sie, einer Königin gleich, am Diner vorbei. Sie lieà sich Zeit. Sie wusste, dass er sie beobachtete. Sie konnte seinen Blick spüren. Sie fühlte, dass er den Atem anhielt.
Für einen kurzen Moment wunderte sie sich darüber, wie das Band zwischen zwei Menschen so stark sein konnte, dass sie wussten, wie der andere fühlte. Doch nur für einen kurzen Moment. Denn hätte sie auch nur eine Sekunde länger darüber nachgedacht, hätte sie sich binnen Sekunden in seinen Armen wiedergefunden.
Für einen kurzen Moment wuchs in ihm eine kleine, unbestimmte Hoffnung, dass sie doch noch umdrehen würde. Dass sie das Diner betreten und in seine Arme stürmen würde. Doch nur für einen kurzen Moment. Denn hätte er zugelassen, dass diese Hoffnung weiter wuchs, hätte er sich im nächsten Augenblick auf der StraÃe, direkt vor ihr, wiedergefunden.
Und so kämpften sich zwei Menschen tapfer durch den Tag, aneinander gekettet durch Fesseln, die einzig und allein aus einem Stück zerbrochener Magie entstanden waren.
Am Abend besagten Tages war Lorelai kurz davor, den Verstand zu verlieren. Wie jeden Freitag saà sie auf der edlen Couch ihrer Eltern, lieà einige Vorwürfe und wahlweise auch Sticheleien über sich ergehen und nahm es dem Schicksal furchtbar übel, dass ihre Tochter ausgerechnet heute nicht zur wöchentlichen Foltershow erscheinen konnte.
Und als wäre all dies noch nicht genug gewesen, hatten ihre liebreizenden Eltern auch noch die wundervolle Idee gehabt, ein jüngeres, befreundetes Ehepaar einzuladen, welches zu alledem auch noch eine Tochter hatte und somit perfekt dazu diente, um Lorelai wieder einmal äuÃerst stilvoll unter die Nase zu reiben, wie ihr Leben hätte aussehen sollen.
So kam es also, dass sie nun hier saÃ, ihren Martini fest umklammernd und den Teenager, der neben sie auf die Couch verbannt wurde, genervt ignorierend. Wer interessierte sich schon für Teenager? Wenn sie ehrlich war, hatte Lorelai es nicht einmal geschafft, sich ihren Namen zu behalten. Wozu auch?
âEure Tochter ist wirklich entzückend, Georgeâ, flötete Emily gerade, während sie dem jungen Mädchen ein Lächeln zuwarf. âSie hat deine Nase, ganz eindeutig.â
âAber diese blauen Augen hat sie eindeutig von ihrer Mutterâ, entgegnete der Vater des Mädchens stolz und hob seine Nase noch ein wenig höher in die Luft.
Ein gurrendes Lachen entfuhr jener Mutter auch sofort, welches Lorelai dazu brachte, heimlich nach dem Knopf für selbiges zu suchen. Leicht enttäuscht musste sie feststellen, dass sie ihn wohl nicht finden würde. Sie nahm sich vor, demnächst einmal den Erfinder von Pleasantville zu fragen.
âUnser Mädchen wird einmal nach Harvard gehen. Nicht wahr, Prinzessin?â
âTief in meinem Innern weià ich, dass es meine Bestimmung ist, liebe Mutter, Automechanikerin zu werden. Ist das nicht entzückend?â, zirpte der Teenager, und Lorelai musste unwillkürlich grinsen. Bis der strafende Blick ihrer Mutter sie traf und sie sich schnell bemühte, wieder ein ernstes Gesicht aufzusetzen.
Und während der Rest der Gesellschaft sich wieder einem höchst interessanten Gespräch zuwandte, versank Lorelai â wie so oft schon an diesem Tag â in ihren Gedanken.
Ob Luke sich fragte, warum sie nicht ins Diner gekommen war? Wenn sie nach Hause kommen würde, würde sie dann eine Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter finden? Oder würde er einfach stumm darauf warten, dass sie wieder einmal den ersten Schritt tat?
Gott, wie sollte sie diesen Abend bloà aushalten, ohne wenigstens seine Stimme gehört zu haben?
Bevor sie sich selbst einen Klaps auf den Hinterkopf versetzen konnte, war sie schon aufgestanden. Sie ignorierte das Protestgebrüll ihres Verstandes gekonnt und verlieà mit einem âEntschuldigt mich für einen Momentâ den Raum.
Kurze Zeit später war sie in ihrem alten Zimmer angelangt. Beinahe ehrfürchtig glitt ihr Blick über all die Dinge, die sie damals zurückgelassen hatte.
Mit einem leisen Seufzer setzte sie sich auf das Bett und holte ihr Handy hervor.
Nein, sie musste stark sein. Sie durfte ihn jetzt nicht anrufen.
Mit groÃer Ãberwindung schmiss sie das Handy neben sich aufs Bett und legte die Hände in den SchoÃ.
Sie war stark. Sie würde nicht schwach werden und ihn anrufen.
Sie würde ihn nie, nie wieder anrufen. Oh nein, ab jetzt war er dran.
Wieder wanderte das Telefon auf magische Weise wieder zwischen ihre Finger.
âNein, verdammt noch malâ, sagte Lorelai schlieÃlich laut zu ihrem Handy und schleuderte es weg, traf eine Puppe am Kopf und sah dann dabei zu, wie das Telefon beinahe geräuschlos auf dem Kissen ruhte.
âRufen Sie ihn schon an.â
Ein leiser Schrei entfuhr Lorelai. Vorwurfsvoll starrte sie das Mädchen mit den tiefschwarzen, dunklen Locken an, welches mit einem leichten Lächeln vor ihr stand.
âIch weià nicht, was du meinstâ, entgegnete sie sofort trotzig und verschränkte die Arme, doch das Mädchen lachte nur, setzte sich neben sie und nahm das Telefon in die Hand.
âHey, das gehört mir!â, verteidigte Lorelai natürlich augenblicklich ihr Eigentum und griff nach dem Handy.
Und wieder war das verteufelte Ding zwischen ihre Finger gekommen.
Mist.
âWarum rufen Sie nicht einfach an?â, fragte das Mädchen und blickte Lorelai aus ihren eisblauen Augen fragend an.
âDas geht dich überhaupt nichts an, Kleineâ, fauchte diese jedoch nur.
âOkay.â
Einige Minuten herrschte Schweigen zwischen ihnen.
Bis Lorelai schlieÃlich anfing, zu reden, ohne überhaupt zu wissen, warum.
âEr hat gesagt, es macht ihm nichts aus. Immer wieder hat er das gesagt. Und irgendwann hab ich ihm natürlich geglaubt. Aber dann wurde er immer merkwürdiger, und jetzt redet er nicht einmal mehr vernünftig mit mir. Das ist einfach nicht fair. Es ist nicht meine Schuld, dass wir die Kleine weggeben mussten! Aber nein, er sieht das ja anscheinend nicht ein. Er gibt mir die Schuld dafür, ich weià es genau. Er hasst mich. Und er hat noch nicht einmal den Mut dazu, mir das zu sagen. Und jetzt...jetzt herrscht Krieg.â
Traurig starrte Lorelai auf ihr Handy. âUnd ich sollte ihn nicht anrufen.â
âAch du meine Güte.â In diesem Moment seufzte das Mädchen und schüttelte den Kopf. âSie sind ja schrecklich.â
âDas ist eine meiner netteren Eigenschaftenâ, entgegnete Lorelai trocken. Was tat sie eigentlich hier? Erzählte sie gerade ernsthaft ihre Sorgen einem Teenager?
âBleiben Sie doch mal ernstâ, tadelte das Mädchen ernst, bevor es fortfuhr. âSie verstehen anscheinend nicht, dass es hier gar nicht um Sie und Ihren Freund geht. Es geht um das Kind. Deswegen sind Sie so aufgebracht. Und Sie fühlen genauso wie Ihr Freund, aber weil Sie nie etwas an sich heranlassen, ignorieren Sie das und reden sich ein, ihre Traurigkeit wäre nur da, weil Sie Stress mit Ihrem Freund haben. Wissen Sie was? Ihr Freund ist viel vernünftiger als sie. Er gesteht sich wenigstens ein, dass er die Kleine vermisst. Und auÃerdem: Sie hätten sich das alles doch ersparen können.â
âAch, und wie?â
âNa, das ist doch ganz einfach. Adoptieren Sie die Kleine, wer auch immer das ist.â
âGeht nicht. Sie hat schon Pflegeeltern.â
âNa und?â
âDas sind schreckliche Menschen. Die geben unsere Kaleigh nicht wieder her. Die Frau ist ein Drache, und der Mann...ich mag ihn einfach nicht.â
âHa!â
âWas?â
âSie haben gesagt: âUnsere Kaleighâ. Reicht Ihnen das nicht als Beweis?â
âAls Beweis wofür?â
âDass Sie das Kind bereits als Familienmitglied ansehen?â
âDu bist komisch.â
âEine meiner netteren Eigenschaften.â
âHey!â
âWas denn? Ich lerne noch.â
Und genau in diesem Moment geschah es, dass Lorelai eine Erkenntnis überkam, wenn auch zugegebenermaÃen recht spät.
âIch vermisse die Kleine.â
âDas hat jetzt aber lange gedauertâ, warf das Mädchen mit einem Grinsen ein. âBrauchen Sie noch mehr Hilfe?â
âIch glaube, ich kriege das allein hin.â
âNa dann legen Sie mal los.â
Das Mädchen machte es sich auf dem Bett bequem und schaute Lorelai abwartend an.
âOkay.â Lorelai holte tief Luft, setzte sich dem Mädchen gegenüber und verharrte einen Augenblick, bis sie sich ihre ersten Worte zurechtgelegt hatte.
âIch vermisse Kaleigh. Und ich weiÃ, dass es keinen Weg gibt, sie wiederzusehen. Und deswegen bin ich traurig. Aber jetzt habe ich mir eingestanden, dass ich sie vermisse, und das ist sehr, sehr wichtig, weil ich jetzt alles verarbeiten und darüber hinweg kommen kann.â
âDas haben Sie gut gemachtâ, nickte das Mädchen stolz.
âDanke.â Nun musste auch Lorelai grinsen.
âAlso, dann hätten wir das ja geklärt.â Mit einem Sprung war das Mädchen auf den Beinen und ging Richtung Tür. Bevor sie jedoch den Raum verlieÃ, drehte sie sich noch einmal um.
âNun gehen Sie schon. Ich denk mir eine Ausrede aus.â
Lorelai verstand sofort. Binnen Sekunden war sie auf dem Balkon, kletterte von ihrem persönlichen Fluchtbaum herunter und verschwand in der Nacht.
Und Victoria Leigh Summers lächelte zufrieden.
Und danke, Zwergmensch (Ich hasse es, Zahlen zu schreiben. Tut mir leid^^) :knuddel:
Part 59
Als Lorelai am nächsten Morgen aufwachte, sagte ihr Urinstinkt ihr, dass es Zeit für Kaffee war. Kaffee von Luke.
Stirnrunzelnd vergrub sie ihren Kopf in ihrer neu errichteten Kissenfestung (die natürlich weder einen Ersatz für ihr lebendes Kissen darstellten sollte noch symbolisch gemeint war im Bezug auf den bereits angekündigten Krieg).
Und nicht zum letzten Mal meldete sie dem Teil ihres Gehirns, der für die Urinstinkte zuständig war, dass es vorerst keinen Kaffee von Luke geben würde.
Mit einem missmutigen Knurren verlieà sie schlieÃlich ihre schützende Burg und machte sich auf einen sehr, sehr harten Tag gefasst...
Unaufhörlich glitt der bereits ramponierte Lappen über den Tresen, welcher mittlerweile schöner als jede Christbaumkugel glänzte. Hin und her. Hin und her.
Links. Rechts. Links. Rechts.
Die Gäste, die den Mann, der mit finsterem Gesichtsausdruck hinter besagtem Tresen stand, schon seit einiger Zeit fasziniert beobachteten, berieten darüber, ob sie eine Bestellung aufnehmen konnten, ohne von einer Ketchupflasche attackiert zu werden.
Hin und her. Links. Rechts. Immer wieder.
Sein Blick ging starr geradeaus. Es wurden Wetten abgeschlossen, ob er überhaupt noch atmete. Vermutungen wurden angestellt, wie lange er wohl schon dort stand. Seit den Morgenstunden? Seit dem Vormittag? Seit der Mittagszeit?
Und gerade, als man beschloss, Kirk als Wachposten einzusetzen, geschah etwas: Mitten in der Bewegung von rechts nach links verharrte der Mann plötzlich, als leiste irgendetwas ihm Widerstand. Und gäbe es Schulausflüge in die Psyche eines Menschen, würde die kinderliebe Lehrerin in diesem Moment vermutlich ehrfürchtig flüstern: âSeht ihr das, Kinder? Jetzt hat er etwas gesichtet. Passt gut auf. Derrick, nimm deinen Finger aus Susannas Ohr.â
Hoch erhobenen Hauptes schritt sie, einer Königin gleich, am Diner vorbei. Sie lieà sich Zeit. Sie wusste, dass er sie beobachtete. Sie konnte seinen Blick spüren. Sie fühlte, dass er den Atem anhielt.
Für einen kurzen Moment wunderte sie sich darüber, wie das Band zwischen zwei Menschen so stark sein konnte, dass sie wussten, wie der andere fühlte. Doch nur für einen kurzen Moment. Denn hätte sie auch nur eine Sekunde länger darüber nachgedacht, hätte sie sich binnen Sekunden in seinen Armen wiedergefunden.
Für einen kurzen Moment wuchs in ihm eine kleine, unbestimmte Hoffnung, dass sie doch noch umdrehen würde. Dass sie das Diner betreten und in seine Arme stürmen würde. Doch nur für einen kurzen Moment. Denn hätte er zugelassen, dass diese Hoffnung weiter wuchs, hätte er sich im nächsten Augenblick auf der StraÃe, direkt vor ihr, wiedergefunden.
Und so kämpften sich zwei Menschen tapfer durch den Tag, aneinander gekettet durch Fesseln, die einzig und allein aus einem Stück zerbrochener Magie entstanden waren.
Am Abend besagten Tages war Lorelai kurz davor, den Verstand zu verlieren. Wie jeden Freitag saà sie auf der edlen Couch ihrer Eltern, lieà einige Vorwürfe und wahlweise auch Sticheleien über sich ergehen und nahm es dem Schicksal furchtbar übel, dass ihre Tochter ausgerechnet heute nicht zur wöchentlichen Foltershow erscheinen konnte.
Und als wäre all dies noch nicht genug gewesen, hatten ihre liebreizenden Eltern auch noch die wundervolle Idee gehabt, ein jüngeres, befreundetes Ehepaar einzuladen, welches zu alledem auch noch eine Tochter hatte und somit perfekt dazu diente, um Lorelai wieder einmal äuÃerst stilvoll unter die Nase zu reiben, wie ihr Leben hätte aussehen sollen.
So kam es also, dass sie nun hier saÃ, ihren Martini fest umklammernd und den Teenager, der neben sie auf die Couch verbannt wurde, genervt ignorierend. Wer interessierte sich schon für Teenager? Wenn sie ehrlich war, hatte Lorelai es nicht einmal geschafft, sich ihren Namen zu behalten. Wozu auch?
âEure Tochter ist wirklich entzückend, Georgeâ, flötete Emily gerade, während sie dem jungen Mädchen ein Lächeln zuwarf. âSie hat deine Nase, ganz eindeutig.â
âAber diese blauen Augen hat sie eindeutig von ihrer Mutterâ, entgegnete der Vater des Mädchens stolz und hob seine Nase noch ein wenig höher in die Luft.
Ein gurrendes Lachen entfuhr jener Mutter auch sofort, welches Lorelai dazu brachte, heimlich nach dem Knopf für selbiges zu suchen. Leicht enttäuscht musste sie feststellen, dass sie ihn wohl nicht finden würde. Sie nahm sich vor, demnächst einmal den Erfinder von Pleasantville zu fragen.
âUnser Mädchen wird einmal nach Harvard gehen. Nicht wahr, Prinzessin?â
âTief in meinem Innern weià ich, dass es meine Bestimmung ist, liebe Mutter, Automechanikerin zu werden. Ist das nicht entzückend?â, zirpte der Teenager, und Lorelai musste unwillkürlich grinsen. Bis der strafende Blick ihrer Mutter sie traf und sie sich schnell bemühte, wieder ein ernstes Gesicht aufzusetzen.
Und während der Rest der Gesellschaft sich wieder einem höchst interessanten Gespräch zuwandte, versank Lorelai â wie so oft schon an diesem Tag â in ihren Gedanken.
Ob Luke sich fragte, warum sie nicht ins Diner gekommen war? Wenn sie nach Hause kommen würde, würde sie dann eine Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter finden? Oder würde er einfach stumm darauf warten, dass sie wieder einmal den ersten Schritt tat?
Gott, wie sollte sie diesen Abend bloà aushalten, ohne wenigstens seine Stimme gehört zu haben?
Bevor sie sich selbst einen Klaps auf den Hinterkopf versetzen konnte, war sie schon aufgestanden. Sie ignorierte das Protestgebrüll ihres Verstandes gekonnt und verlieà mit einem âEntschuldigt mich für einen Momentâ den Raum.
Kurze Zeit später war sie in ihrem alten Zimmer angelangt. Beinahe ehrfürchtig glitt ihr Blick über all die Dinge, die sie damals zurückgelassen hatte.
Mit einem leisen Seufzer setzte sie sich auf das Bett und holte ihr Handy hervor.
Nein, sie musste stark sein. Sie durfte ihn jetzt nicht anrufen.
Mit groÃer Ãberwindung schmiss sie das Handy neben sich aufs Bett und legte die Hände in den SchoÃ.
Sie war stark. Sie würde nicht schwach werden und ihn anrufen.
Sie würde ihn nie, nie wieder anrufen. Oh nein, ab jetzt war er dran.
Wieder wanderte das Telefon auf magische Weise wieder zwischen ihre Finger.
âNein, verdammt noch malâ, sagte Lorelai schlieÃlich laut zu ihrem Handy und schleuderte es weg, traf eine Puppe am Kopf und sah dann dabei zu, wie das Telefon beinahe geräuschlos auf dem Kissen ruhte.
âRufen Sie ihn schon an.â
Ein leiser Schrei entfuhr Lorelai. Vorwurfsvoll starrte sie das Mädchen mit den tiefschwarzen, dunklen Locken an, welches mit einem leichten Lächeln vor ihr stand.
âIch weià nicht, was du meinstâ, entgegnete sie sofort trotzig und verschränkte die Arme, doch das Mädchen lachte nur, setzte sich neben sie und nahm das Telefon in die Hand.
âHey, das gehört mir!â, verteidigte Lorelai natürlich augenblicklich ihr Eigentum und griff nach dem Handy.
Und wieder war das verteufelte Ding zwischen ihre Finger gekommen.
Mist.
âWarum rufen Sie nicht einfach an?â, fragte das Mädchen und blickte Lorelai aus ihren eisblauen Augen fragend an.
âDas geht dich überhaupt nichts an, Kleineâ, fauchte diese jedoch nur.
âOkay.â
Einige Minuten herrschte Schweigen zwischen ihnen.
Bis Lorelai schlieÃlich anfing, zu reden, ohne überhaupt zu wissen, warum.
âEr hat gesagt, es macht ihm nichts aus. Immer wieder hat er das gesagt. Und irgendwann hab ich ihm natürlich geglaubt. Aber dann wurde er immer merkwürdiger, und jetzt redet er nicht einmal mehr vernünftig mit mir. Das ist einfach nicht fair. Es ist nicht meine Schuld, dass wir die Kleine weggeben mussten! Aber nein, er sieht das ja anscheinend nicht ein. Er gibt mir die Schuld dafür, ich weià es genau. Er hasst mich. Und er hat noch nicht einmal den Mut dazu, mir das zu sagen. Und jetzt...jetzt herrscht Krieg.â
Traurig starrte Lorelai auf ihr Handy. âUnd ich sollte ihn nicht anrufen.â
âAch du meine Güte.â In diesem Moment seufzte das Mädchen und schüttelte den Kopf. âSie sind ja schrecklich.â
âDas ist eine meiner netteren Eigenschaftenâ, entgegnete Lorelai trocken. Was tat sie eigentlich hier? Erzählte sie gerade ernsthaft ihre Sorgen einem Teenager?
âBleiben Sie doch mal ernstâ, tadelte das Mädchen ernst, bevor es fortfuhr. âSie verstehen anscheinend nicht, dass es hier gar nicht um Sie und Ihren Freund geht. Es geht um das Kind. Deswegen sind Sie so aufgebracht. Und Sie fühlen genauso wie Ihr Freund, aber weil Sie nie etwas an sich heranlassen, ignorieren Sie das und reden sich ein, ihre Traurigkeit wäre nur da, weil Sie Stress mit Ihrem Freund haben. Wissen Sie was? Ihr Freund ist viel vernünftiger als sie. Er gesteht sich wenigstens ein, dass er die Kleine vermisst. Und auÃerdem: Sie hätten sich das alles doch ersparen können.â
âAch, und wie?â
âNa, das ist doch ganz einfach. Adoptieren Sie die Kleine, wer auch immer das ist.â
âGeht nicht. Sie hat schon Pflegeeltern.â
âNa und?â
âDas sind schreckliche Menschen. Die geben unsere Kaleigh nicht wieder her. Die Frau ist ein Drache, und der Mann...ich mag ihn einfach nicht.â
âHa!â
âWas?â
âSie haben gesagt: âUnsere Kaleighâ. Reicht Ihnen das nicht als Beweis?â
âAls Beweis wofür?â
âDass Sie das Kind bereits als Familienmitglied ansehen?â
âDu bist komisch.â
âEine meiner netteren Eigenschaften.â
âHey!â
âWas denn? Ich lerne noch.â
Und genau in diesem Moment geschah es, dass Lorelai eine Erkenntnis überkam, wenn auch zugegebenermaÃen recht spät.
âIch vermisse die Kleine.â
âDas hat jetzt aber lange gedauertâ, warf das Mädchen mit einem Grinsen ein. âBrauchen Sie noch mehr Hilfe?â
âIch glaube, ich kriege das allein hin.â
âNa dann legen Sie mal los.â
Das Mädchen machte es sich auf dem Bett bequem und schaute Lorelai abwartend an.
âOkay.â Lorelai holte tief Luft, setzte sich dem Mädchen gegenüber und verharrte einen Augenblick, bis sie sich ihre ersten Worte zurechtgelegt hatte.
âIch vermisse Kaleigh. Und ich weiÃ, dass es keinen Weg gibt, sie wiederzusehen. Und deswegen bin ich traurig. Aber jetzt habe ich mir eingestanden, dass ich sie vermisse, und das ist sehr, sehr wichtig, weil ich jetzt alles verarbeiten und darüber hinweg kommen kann.â
âDas haben Sie gut gemachtâ, nickte das Mädchen stolz.
âDanke.â Nun musste auch Lorelai grinsen.
âAlso, dann hätten wir das ja geklärt.â Mit einem Sprung war das Mädchen auf den Beinen und ging Richtung Tür. Bevor sie jedoch den Raum verlieÃ, drehte sie sich noch einmal um.
âNun gehen Sie schon. Ich denk mir eine Ausrede aus.â
Lorelai verstand sofort. Binnen Sekunden war sie auf dem Balkon, kletterte von ihrem persönlichen Fluchtbaum herunter und verschwand in der Nacht.
Und Victoria Leigh Summers lächelte zufrieden.
Love is sweet as summer showers
Love is a wondrous work of art
But your love, oh your love
Your love
Is like a giant pigeon... crapping on my heart.
Love is a wondrous work of art
But your love, oh your love
Your love
Is like a giant pigeon... crapping on my heart.