[B]Kapitel 12
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[B]ScheiÃe! [/B]rufe ich. ScheiÃe, ScheiÃe, ScheiÃe!
Welches blöde Schicksal ist das, dass es einer Mutter verbietet und sie daran hindert zu ihrem armen Kind zu fahren und es zu trösten?! Darf das sein? Was soll ich tun? Ich will jemanden prügeln, wen darf ich verklagen?
Lorelai, bleib cool. Es ist bestimmt nichts Schlimmes, versucht Luke mich zu beruhigen, doch er hat wenig Erfolg. Ich spüre wie Tränen in meine Augen steigen, und wende mich ab. Ich sehe in meterhohe Bäume und absolute Dunkelheit zwischen ihnen. Ich drehe mich nach rechts und sehe die lange StraÃe entlang, in die wir soeben gekommen sind. Dann sehe ich nach links und sehe die lange StraÃe entlang, die noch vor uns liegt. Ich drehe mich erneut zu Luke, der zur Rückseite meines Jeeps geht. Er löst das Reserverad und schleppt es nach vorne. Ich starre ihn an.
Was tust du? frage ich und gehe ihm nach.
Er sieht mich verwundert an. Wir hatten eine Reifenpanne, da sollten wir ihn doch wechseln, meinst du nicht auch? fragt er als wäre ich das kleine Dummerchen, das keine Ahnung von Autos hat. Hab ich auch nicht.
Und das kannst du? frage ich und es klingt wohl ziemlich erstaunt.
Ãhm.... ja. meint er verlegen.
Wow, mache ich.
Nun geht alles sehr schnell. Luke ist wohl ein Genie, wenn es darum geht Reifen zu wechseln. Nach einer halben Stunde sind wir längst wieder auf der unbefahrenen LandstraÃe und flitzen dahin. Wir schweigen beide, und ich denke an Rory. Was sie wohl denkt? Dass ich sie vergessen habe? Dass ich doch nicht komme? Ohne anzurufen? Anrufen! Ich ziehe mein Handy raus und klappe es auf. Ich wähle und warte. Besetzt. Mist. Ich lege auf und versuche es noch einmal. Immer noch besetzt. Immer noch Mist. Ich versuche es noch einmal. Wieder besetzt.
Was tust du? fragt Luke und sieht zu mir.
Ich versuche Rory anzurufen, aber es ist immer besetzt. Vielleicht telefoniert sie mit Lane... Ich gebe auf und stecke das Handy weg.
Nach einer Weile fahren wir auf eine gröÃere StraÃe raus, doch dort halten wir uns nicht lange auf. Nach einigen Metern Fahrt fängt der Motor an zu spucken und zu prusten, bis er ausfällt. Luke flucht. Mistkarre. Du solltest mal über ein neues Auto nachdenken! Er lässt den Wagen an den StraÃenrand rollen und bremst. Er steigt aus und geht vor. Ich sehe nur noch wie die riesige Motorhaube aufgeht und er dahinter verschwindet. Ich sehe Qualm und Dampf, und ich steige aus. Ich gehe nach vorne und stelle mich neben Luke. Er hängt besorgt über dem Auto, murmelt stumme Worte vor sich hin. Dann dreht er sich zu mir um.
Wann hast du das letzte Mal einen Ãlwechsel gemacht? fragt er. Ich sehe ihn an und zucke die Schultern.
Weià nicht so genau. Das letzte Mal als ich bei Gipsy war. Das dürfte so vor ein paar Monaten gewesen sein. Glaubst du, dass es daran liegt? frage ich besorgt.
Ich weià es nicht genau. So viel verstehe ich nun auch wieder nicht von Autos. Mistkarre! brummt er laut und knallt mit der Hand so heftig gegen das Blech, dass der Motordeckel fällt und ihm die andere Hand einklemmt. ScheiÃe! schreit er und zieht sie raus. Er reibt sich die Hand und flucht.
Ich gehe auf ihn zu und nehme seine Hand in meine. Lass mal sehen. Ich streiche sanft über die rote Stelle und er sieht mich an. Langsam nähern sich unsere Gesichter und er entzieht mir seine Hand um seinen Arm um mich zu legen. Ich spüre seinen warmen Atem und den leichten und sehr angenehmen Geruch seine Nähe. Gleich passiert es, denke ich, doch plötzlich schrillt mein Telefon. Wir schrecken zusammen und springen auseinander.
Ich gehe ans Telefon, bis ich merke, dass es nur eine SMS gewesen ist. Ich kann sie kaum öffnen, denn mein Akku ist am Ende. Sie ist von Rory. Doch bevor ich sie zu Ende gelesen habe, ist mein Handy aus und geht nicht mehr an.
Mist. Akku Leer, knurre ich und lasse das Handy wieder verschwinden. Was machen wir jetzt?
Laufen, würde ich sagen. Zumindest bis wir was finden, einen Taxistand, oder ein Auto, das uns mitnimmt.
Also machen wir uns auf den Weg.
Wir schweigen lange Zeit, ich denke, wir denken beide an unsere Begegnung von eben, und ob das was zu bedeuten hatte. Was, wenn Sookie Recht hat? Was, wenn wir doch füreinander bestimmt sind? Was, wenn es doch nicht nur Freundschaft zwischen uns ist. Was, wenn das alles wahr ist, was alle sagen...
Meine FüÃe tun so weh... jammere ich. Wir laufen jetzt schon seit über einer Stunde.
Stell dich doch nicht so an, wir laufen doch auf ebenem Boden und es geht weder bergauf noch bergab. meint Luke und sieht mich nicht einmal an.
Du läufst ja auch nicht auf Stöckelschuhen, rufe ich ihm hinterher, denn er ist mir um einige Meter voraus. Ich muss lachen, Wäre ja auch noch schöner. Vor mir tanzt ein Bild mit Luke in seinem karierten Flannelhemd und auf roten High Heals.
Soll ich dich huckepack nehmen? fragt er mürrisch und ich weiÃ, es ist ein Scherz.
Ja, natürlich, meinst du, du kriegst mich so hoch oder soll ich mich auf einen Meilenstein stellen? frage ich
Luke dreht sich zu mir um und sieht mich verstohlen an. Doch er dreht sich schnell wieder um, denn aus der nächsten Kreuzung kommt ein Bus geschossen. Luke rennt los, ich komme ihm kaum hinterher. Es ist sehr, sehr schwer auf Stöckelschuhen zu rennen. Es erfordert eine Art von Beweglichkeit, die ich nicht besitze. Noch bevor Luke bei dem Bus ankommt, knicke ich um und falle. Ich liege auf der StraÃe und fühle mich dumm. Luke hört auf zu rennen, denn der Busfahrer achtet gar nicht auf ihn. Er dreht sich zu mir um, und ich fühle mich noch dümmer, denn ich bin immer noch nicht aufgestanden.
Lorelai?! Was ist passiert? schreit er und rennt auf mich zu. Geht es dir gut? Tut dir was weh?
Ja, ich bin nur umgeknickt, Ich versuche aufzustehen, doch ein stechender Schmerz durchbohrt meinen Knöchel. Ahhh, mache ich und lasse mich wieder zu Boden fallen. Luke fängt mich auf und zieht mich wortlos hoch. Er stützt mich bis zu einer niedrigen Steinmauer direkt bei der Kreuzung. Dort setze ich mich hin.
Tut es sehr weh? fragt er und versucht meinen Schuh auszuziehen. Ich schüttle den Kopf.
Glaubst du, du kannst laufen? Oder sollen wir hier warten bis ein Bus kommt?
Ich schluchze und lasse die Schultern hängen.
Was ist? fragt Luke besorgt und geht neben mir in die Hocke.
Es ist alles so trostlos, Luke. Alles ist grau und gar nicht mehr schön. Ich habe Angst Rory zu verlieren, wenn Jess... Ich breche ab, denn es tut weh diesen Gedanken zu fassen. Wenn alles so bleibt wie es jetzt ist... wird Rory mit Sicherheit ihr Studium abbrechen... so kurz vor dem Ende hat sie keine Kraft mehr so etwas durchzustehen. Es tut mir so weh zu sehen wie sie sich Woche um Woche so quält. Sogar während den Prüfungen zu Jess fährt... Sie hat so etwas nicht verdient. Ich weiÃ, Jess ist Teil ihres Lebens, und sie macht es aus freien Stücken fast jeden Tag zu ihm zu fahren... trotzdem blutet mein Mutterherz, wenn ich sehe wie dünn sie geworden ist... wie blass und ausgemergelt... und zu wissen, dass ich ihr diese Last nicht abnehmen kann, macht alles noch viel schlimmer für mich. Und obwohl ich weià dass du immer da bist, wenn ich nachts schlecht träume, weil du in deinem eigenen Schmerz wegen Jessâ Gesundheitszustand fast ertrinkst... trotzdem fühle ich mich manchmal sehr einsam und alleine gelassen. Ich habe keinen mit dem ich mein Problem teilen könnte. Rede ich mit meinen Eltern, schieben sie mir die Schuld zu und sagen, ich hätte sie niemals mit Jess zusammen lassen dürfen... Ich schweige und sehe Luke an. Er scheint ernst und betrübt über meine Worte nachzudenken. Er scheint die Worte sorgfältig zu wählen, bevor er endlich zu sprechen beginnt.
Ich habe auch Angst. Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich mehr Angst um Rory als um Jess, Er sieht mich prüfend an und fährt fort. Ich habe nicht so viel Angst um Jess, weil ich nicht weiÃ, was er fühlt. Vielleicht fühlt er weder Schmerz noch Trauer oder Freude. Vielleicht schläft er einfach nur tief und fest, und das finde ich immer noch besser als das, wodurch sich Rory quält, auch wenn es hart klingt. Ich habe genau die gleiche Angst wie du, wenn auch mein Herz nicht blutet, trotzdem spüre ich einen stechenden Schmerz in der Brust, wenn ich Rorys mutlose Stimme am Telefon höre. Und ich habe Angst, dass ihre mutlose Stimme mir etwas mitteilt, dass mich und auch sie in nur noch gröÃere Mutlosigkeit stürzen könnte. Und dann bin ich froh wenn du rein kommst, und mich ansiehst. Es freut mich, wenn du auch nur rein kommst, 'hallo!' sagst, deinen Kaffee trinkst und wieder gehst, denn nur wenn du da bist fühle ich wie sich mein Körper mit Mut und Freude auflädt, selbst wenn er das in einigen Minuten wieder verliert. Ich weiÃ, es ist der schlechteste Zeitpunkt, den ich aussuchen konnte... aber ich muss es irgendwann einfach loswerden... Ich... ich habe heraus gefunden, dass... ich weiÃ, dass ich nur mit dir, nur wenn du da bist... Mensch sein kann. Dann fühle ich mich gut. Ich fühle mich Mensch, in einer solchen Situation. Ich fühle mich als müsste ich sofort Rory anrufen, als hätte ich die Kraft ihr Mut zu schenken. Und deshalb weià ich... ich fühle, wie sich mein Herz zusammenkrampft, wenn ich dich traurig sehe und weiÃ, dass ich es nicht ändern kann. Dann würde ich gerne mehr für dich da sein und alles tun damit es dir, und auch Rory, wieder besser geht.
Ich sehe ihn lange an und schweige. Diesen Gefühlsausbruch hatte ich nicht erwartet. Also tue ich das einzige, was ich für richtig halte. Ich frage die gefährlichste aller Fragen: Warum?
Er starrt mich einen Moment an und schluckt trocken. Daran merke ich, dass es ihm schwer fällt mir das zu erzählen. Weil... ja, weil... stammelt er und er sieht zu Boden. Weil ich dich liebe. Sagt er und atmet tief durch. Ich habe das Gefühl, jemand würde mich boxen, schlagen oder treten, ich weià es nicht. Jedenfalls ist es gut, dass ich schon sitze, sonst würde ich jetzt umfallen. Ich spüre ein leises Kribbeln in meinem Bauch und trotz meiner Trauer um Rory und Jess, fühle ich mich seltsam glücklich und beflügelt, als ob ich Luke schon immer so kennen würde, wie er sich mir gerade offenbart hat. So sensibel. Gefühlvoll. Ich sehe ihn lange an. So lange, bis er anfängt nervös zu werden, und das finde ich irgendwie süÃ. Würdest du mir bitte den Gefallen tun und auch irgendwas sagen? sagt er und ich werde nervös. Was soll ich ihm sagen? Das ich ihn auch... Aber das weià ich doch noch gar nicht! Ich will darüber nachdenken, mit Rory eine Pro und Contra Liste schreiben... Er sieht mich bittend, fast flehend, an, als wollte er seine Nervosität endlich ablegen.
Aber ich weià nicht, ich will darüber nachdenken... ach, was sollâs. Ich stehe langsam auf und komme ihm ganz nah. So nah war ich Luke noch nie. Ich streiche sanft seine Wange und fühle, dass ich es einfach tun muss: ich küsse ihn. Ich begreife, was ich getan habe und stolpere von ihm weg. Ich falle beinahe hin, doch Luke hält mich und ehe ich darüber nachdenken kann, küsst er mich noch einmal. In unserem Eifer verpassen wir, dass der nächste Bus vorbei fährt, und ich verpasse die nächste Gelegenheit zu meiner Rory zu kommen und sie zu trösten, wenn sie es am meisten braucht. Und trotzdem... ich würde nirgendwo lieber sein als da, wo ich jetzt bin: bei Luke.
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