Epilog
Es roch nach Schnee, Mum. Ich erwachte heute um zwei Uhr morgens mit diesem kribbeligen Gefühl im Bauch. Als ich die Fenster öffnete und der sanfte Wind in meine Nase drang, wusste ich es. Ich wollte Carmen nicht wecken, schlieÃlich hatten wir lange ferngesehen. Aber sie hörte, als ich den Schlüssel in das Schloss steckte. Wir gingen wieder zu unserem beleuchteten Pavillon und tatsächlich begann es in jenem Moment zu schneien, als wir ihn erreichten. Carmen sprach von einem Wunder - wie du weiÃt, glaubt ihre andere GroÃmutter, Susana, an diese - ich wusste jedoch, dass sich deine Gene endlich auch bezüglich der Fähigkeit Schnee zu riechen bemerkbar gemacht hatten. Nach unserem Spaziergang machte ich uns Kaffee und wir begannen den Baum zu schmücken. Das klingt für dich sicherlich sehr amüsant - genau wie für Carol - aber wir waren einfach zu aufgekratzt um nochmals schlafen zu gehen. Apropos Carol. Es freut dich sicherlich zu hören, dass auch die kleine Corinne endlich ihre Liebe zu den OOmpa Loompas entdeckt hat. Ich überlege ihr und Lorelai eine Willy Wonka DVD Sammelbox zu ihren dritten Geburtstag im Frühjahr zu schenken. Da Carmen nur drei Wochen später ihren sechzehnten Geburtstag feiert, wird die gesamte Familie sechs Wochen in Puerto Rico bleiben. Ich werde wieder Susanas komfortables Gästezimmer beziehen. Bei ihr zu wohnen macht es leichter, wenn wir beide einfach einmal unsere Ruhe brauchen und in San Juans gigantische Nationalbibliothek abtauchen möchten. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Susana und ich nicht nur Verbündete sondern auch noch Freundinnen werden würden?
Das nächste Fest in Puerto Rico wird doch schon Mitte Juni stattfinden, weshalb ich überlege, ob es nicht billiger wäre, das gesamte kommende Jahr bei Carols Schwiegermutter zu wohnen. Jenny hat sich nun endgültig auf diesen Termin festgelegt, welcher diesmal wohl bestehen bleiben wird. Nach einigen Diskussionen konnte sie Alejandro schlieÃlich davon überzeugen, nach Kalifornien zu gehen. Er hat sich bereits für das Sommersemester in Stanford eingeschrieben. Derzeit haben wir viel Stress bei der Suche nach einer geeigneten Wohnung für die beiden in San Francisco. Obwohl ihrer beider Heimat nun Kalifornien ist, sind sie sich von Beginn an darüber einig gewesen, dass sie nur in San Juan heiraten könnten. SchlieÃlich lernten sie sich dort kennen, kamen dort zusammen, trennten sich dort und kamen schlieÃlich vor zwei Jahren wieder zusammen.
Ich weià noch immer nicht, was ich von diesen Plänen halten soll. Meinen letzten kritischen Verbündeten habe ich aufgrund Carmens neuer Beziehung verloren. Kaum hatte sich Ramón an Eddy gewöhnt, traf Carmen Raúl und beendete die erste Beziehung ihres Lebens, die für ihr junges Alter sehr lange gehalten hatte.
Für ihren Vater verlor die Verbindung seines jüngsten Bruders mit seiner Schwägerin von Bedeutung, als er bemerkte, dass ihn der neue Freund seiner Tochter viel zu sehr an ihn selbst in jungen Jahren erinnerte. Momentan scheine ich die einzige zu sein, welche noch daran zweifelt, dass der richtige Zeitpunkt für Jennys und Alejandros Hochzeit schon gekommen ist.
Matt hat wahrscheinlich Recht. So lange die beiden glücklich sind, kann es nicht falsch sein. Lena und er haben sich übrigens nach einem kurzen zweiten Versuch endgültig getrennt. Er sieht aber seine kleine Tochter weiterhin regelmäÃig. Sophie ist ein unglaublich süÃes Mädchen. Sie liebt es, wenn ich mit ihr groÃe Sandburgen am Strand baue. Manchmal treffe ich mich auch nur mit ihr und Lena, welche einen neuen Freund hat.
Rick ist ein sehr netter Mann und versteht sich nach ein paar Monate der Eifersucht nun auch mit Matt deutlich besser. Freunde werden sie wohl nie werden, aber das ist auch nicht wichtig.
Dieser Meinung ist auch Jess. Wir sehen uns noch immer ungefähr jede zweite Woche um Kaffee zu trinken und zu reden. Im Sommer lernte ich seine Kinder und seine Exfrau Liza kennen, mit welcher er seit der Trennung vor einigen Jahren sehr gut befreundet ist. Wunderbare Menschen, wir verbrachten einen lustigen Nachmittag miteinander. Ich bin glücklich, in Jess so einen guten Freund gefunden zu haben.
Seine Anwesenheit und Unterstützung half mir sehr über den Schock über Lukes plötzlichen Tod letztes Jahr. Er schlief eines Abends ganz ruhig vor dem Fernseher ein und wachte nicht mehr auf. Ich hatte ihm gerade einen Tee gemacht. Es war eine sehr schwere Zeit danach. Auch wenn ich wusste, dass er nun endlich wieder bei dir war.
Ich bereute meinen Entschluss, meine Wohnung und den Job in Seattle aufzugeben, niemals. So konnte ich die letzten Jahre zumindest für Luke da sein, welchem sein Alter auch zunehmend zu schaffen gemacht hatte.
Auch wenn Stars Hollow nicht mehr dasselbe ist und jemals sein kann, ohne euch, ich bin glücklich wieder zuhause zu sein. Endlich angekommen zu sein.
Meine Arbeitsstelle bei dem Hartford Examiner - von welcher Luke mir damals geraten hatte, sie anzunehmen - macht mir viel Freude. Ich habe in den letzten Jahren einige neue Freundschaften geschlossen.
Mein Leben ist nicht das, was ich mir einst erträumte, aber es ist das Beste, was ich nun leben kann. Ich habe gelernt, bescheiden zu sein. Die kleinen Dinge zu schätzen. Nicht immer nur zu verlangen. Vielleicht habe ich endlich gelernt zu leben.
Ich sehe meine Familie nun so regelmäÃig wie möglich. Wir telefonieren zumindest zweimal die Woche. Zweimal im Jahr fliege ich nach Puerto Rico. Carol und ich nehmen uns dann zumindest drei Tage, welche nur uns beiden gehören.
Das Leben ist nicht perfekt. Auch weiterhin suche ich gelegentlich Dr. Winter auf. Aber es geht mir besser. Ich habe wieder Mut. Mut zu leben.
Ich liebe dich, Mum. Ich hoffe, es geht dir gut. Wo auch immer du sein magst. Ich bin bei dir, in meinen Gedanken.
Carmen wartet auf mich, sie möchte Kekse backen. Ja, du hast richtig gehört. Wir backen Kekse. Währenddessen werde ich ihr von früher erzählen. Und von ihren wunderbaren UrgroÃeltern, welche sie leider viel zu wenig kannte.
„Grandma?“ Die Stimme meiner ältesten Enkeltochter klingt ganz schüchtern, ungewöhnlich für das fünfzehnjährige Mädchen, welches sonst so schlagfertig ist.
„Ja, mein Engel?“
Sie reicht mir einen Stoà Zetteln. „Ich wollte dir das hier geben. Damit es auch Uroma sieht.“
Ich runzle die Stirn und ergreife das Papier. „Carmen...“ Entfährt es mir.
Sie lächelt. „Es sind erst zehn Kapiteln. Ich war nicht mehr sicher, wie es genau weiter ging...“
Ich lese die ersten Zeilen des neuen Kapitels nochmals. Meine UrgroÃmutter Lorelai Victoria Gilmore sagte einst, dass ihr alle guten Dinge während Schneefalls widerfuhren. Auch an jenem Montag, Anfang Oktober des Jahres 1984, tobte ein wilder Schneesturm, als sie mit Wehen in den Kreissaal gebracht wurde.
„Ich weiÃ, schreibtechnisch gilt es einiges zu verbessern, aber...“
„Die Familiengeschichte...“ Es verschlägt mir die Sprache.
„Das wollte UrgroÃmutter doch.“
Ich nicke lächelnd und umarme sie. „Lass uns Kaffee trinken und Kekse backen gehen. Währenddessen erzähle ich dir alles, was du wissen möchtest.“
Wir unterhalten uns über meine Jahre in Stars Hollow, während wir den Friedhof verlassen und durch die weiÃe Schneelandschaft spazieren. Die besten Jahre meines Lebens.
Als wir das Haus erreichen, beginnt es erneut zu schneien. Wir sehen zum Himmel empor und beobachten lächelnd die Schneeflocken, welche vom Wind getragen werden.